Sonntag, 27. November 2005
schlüsselfrage
"wie heisst sie (oder er)?" war eine standardfrage von frau kelefs vater. sie wurde immer dann gestellt, wenn eine person aus unerklärlichen gründen den stil oder das image, die frisur oder das hemd wechselte, während der woche das auto wusch, einen tanzkurs besuchte oder ähnliche benimmliche absonderlichkeiten vollführte.

vor vielen jahren hatte die firma, in der frau kelef damals arbeitete, einen bürolehrling (so hiessen die azubis zur bürofachkraft damals noch) namens michael p.. der damaligen mode gemäss kam er mit jeans und t-shirt und turnschuhen und merkwürdigen krankheiten im gesicht (sollte wohl ein bart werden, später) in die firma (störte auch keinen), trug lange haare und unterschied sich auch ansonsten nicht von den anderen jünglingen seines alters. er war ein sehr gescheiter, netter, fleissiger, entgegenkommender welcher, mit guter kinderstube und entsprechendem benehmen, kurzum, eine angenehme erscheinung. der rest würde sich schon auswachsen, meinte frau kelef damals.

eines freitags ging ein grosses raunen durch das haus. hinter vorgehaltenen händen wurde getuschelt.

da muss doch etwas passiert sein? eine hochzeit? ein todesfall? eine kindstaufe? was um alles in der welt ...?

was ist denn los?

hast du nicht gesehen - schau doch - dort im kopierraum - nein, jetzt nicht mehr ... im büro, nein, im anderen ... das musst du dir anschauen ...

was denn, um gottes willen?

der michael, der michael, nein, also der michael, hast du den heute schon gesehen? da muss was passiert sein! ganz bestimmt! oder es passiert noch was! oder vielleicht, weil er doch so leger immer, und wenn die ihm mit rauswerfen gedroht haben deswegen, der ist doch so lieb und nett und fleissig, da müssen wir ihm helfen, oder vielleicht besuch vom konzern, oder ...

wo ist er denn? und was hat er denn?

ja da, schau doch!

er war wirklich fast nicht wieder zu erkennen. nagelneuer, adretter haarschnitt, sorgfältigst rasiert, dezent nach einem hauch rasierwasser duftend, in einer dunklen hose mit passendem sakko, ein tadelloses hemd, glänzend geputzte schuhe, knallrote ohren. michael p.

ein haufen weiber aller altersstufen rund um ihn, zupfend, betatschend, streichelnd, bewundernd, sich wundernd, er mittendrin, langsam wurden die ohrne immer röter.

wenn wir dir helfen können - wenn was passiert ist - so sag doch -
hast du was angestellt - brauchst doch keine angst haben ...

ihr seid doch alle blöd, meinte frau kelef. ihr müsst fragen "wie heisst sie?"

und michael p. bekam leuchtende augen, strahlte wie ein frischlackiertes hutschpferd, und flüsterte "judith".

er war 17, sie 16 (und lehrling in derselben firma), nach arbeitsschluss hatten sie ihr erstes rendezvouz: um 14.00 uhr, zum eisessen, und sie blieben über fünf jahre lang zusammen.

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meine oma hat diese standardfrage auch benutzt. oft genug. gewöhnlich mir gegenüber.

jedoch immer in momenten, wo sie nicht am platz war. ;-D

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