Samstag, 15. Juli 2006
in the heat of the öffis
würde ich gerne die konstrukteure ebenderselben einsperren, bei hochsommerlichen temperaturen, nicht wirklich zu öffnenden fenstern, und mit einem bunten mix aus den üblichen 50% fahrgästen, die frau ja so entsetzlich auf die eierstöcke gehen können. zum trösten der konstrukteure sollte man dann die dazusperren, die den umstieg auf die öffis so propagieren.

am morgen wären da im repertoire:

die erschöpften jugendlichen, die drei sitze pro arsch brauchen: einen für ebendenselben, einen für den rucksack, einen für die grindigen hinterläufe in fllipflops

die stolzen mütter mit den zombie-kindern, den greinenden, lästigen, die mit drei jahren wie die kleinen prinzen oder, seltener, prinzessinnen, mit angeschissenen windeln im buggy sitzen, und denen pausenlos schokozeugs, softdrinks, gummibärlis u.ä. in die sabbrichten münder gestopft werden, aus denen diese gesunden nahrungsmittel dann sorgsam eingespeichelt den mitreisenden in auf die schuhe tropfen

die gestalten, die unüberriechbar in der panier vom vortag stecken

die frisch parfümierten, die zwanzig ung nicht nur etwa zehn meter gegen den wind nach unmengen von mindestens dreierlei neuen parfums stinken

die, denen die erfindung der seife bis dato verborgen blieb

die, denen die erfindung des deodorants ein geheimnis blieb

nicht zu vergessen auch die, die am frühen vormittag schon vor fett triefende, unoversmellably billige leberkäs-semmeln in sich hineinmampfen, während ihnen der senf in die bartstoppeln rinnt

gerne auch ein paar von den sich schon morgens gesund, nämlich mit broccoli-käse-pizza, ernährenden

und dann dazu noch mindestens ein oder zwei diätbewusste, die mit dem grösstmöglichst aufzubringenden wissenschaftlichen interesse ihr fruchtjoghurt im stehen in einer überfüllten u-bahn löffelchenweise mit spitzen lippen zu sich nehmen, natürlich nur, nachdem sie konsistenz, geruch, fruchtanteil etc. ebenfalls löffelchenweise kontrolliert haben

ferner nehmen wir dann noch ein paar handyfonanierende, die genau schildern: wie lange sie sich die zähne mit welcher bürste wie lange geputzt haben - wie die verdauung am vortag gewesen sei - was man zu weihnachten 2010 gerne geschenkt gekriegt hätte - "oida, heast, des woa vui geilo" - "na, do nimm i ma an stond", wichtig auch sehr, dass der, der so cool ausgeschaut hat mit dem super styling vielleicht da oder dort gesichtet werden könnte

das krönen wir dann noch mit ein paar wichtigen geschäftsmännern, mit aktenkoffer und riesenzeitung, vermittels derer man ungehindert in fremde augenhöhlen stechen kann

die anderen 50% der fahrgäste kauern verängstigt in den winkeln, glücklich, wer einen sitzplatz ergattern konnte, aber nur bis zu dem moment, da ein sturzbesoffener sandler, vollgepisst und in der kleidung von der vorvorwoche sich neben einen setzt. wahlweise ist es aber auch die fünfzehnjährige junge schönheit, die sich offensichtlich gerade für einen maskenball schminkt, oder der hoffnungsvolle vierzehnjährige pseudomacho, der mit seiner ohrhorchmusik vom letzten waggon aus auch noch die fahrerkabine zu beschallen bemüht ist

und das um acht uhr morgens, bei gemessenen 30 °C im waggon.

wirklich interessant aber wird es abends, da hat es dann nämlich mindestens um die 40°C, in wien fährt ja auch die u-bahn aus historischen gründen viele strecken quasi an der frischen luft, nur dass die luft in der stadt nicht frisch, sondern bäh ist, was an den abgasen liegt, und im sommer auch noch heiss, was an der sonne liegt, von der die blechernen wägelchen ja sorgsam aufgeheizt werden den ganzen tag, da nützt der fahrtwind gar nichts.

abends, also, hätten wir dann im angebot:

die berufstätigen frauen, die noch schnell nach dem büro einkaufen waren, mit pro kopf und nase einer handtasche, einer zeitschrift, drei einkaufssackerln, gerne auch noch einem körberl mit, sagen wir einmal, überreifen erdbeeren, auf drei handys gleichzeitig telefonierend - mit der freundin, dem mann und dem hausfreund

die berufstätigen männer, die total erschöpft dringend noch telefonisch nach dem rechten rufen müssen, während sie ihr statussymbol, die grossformatigste zeitung, vor die eine eigene nase und gleichermassen auch viele fremde nasen halten

die weiblichen und männlichen jugendlichen, natürlich ebenfalls mit mindestens einem handy bewaffnet, ohrhorchstöpsel im nicht telefonierenden ohr und laut allen mitteilend, sie verstünden jetzt nix, die anderen telefonierten so laut, de san scho olle terisch, de oitn

dazwischen ein paar arbeiter, dreckig und verschwitzt (auf baustellen in wien scheint wasser knapp zu sein), gerne mit nacktem oberkörper, bewaffnet mit einem bier, einem kebap, einem handy, unter dem arm eine zeitung, das hemd, ein paar arbeitsschuhe (die füsse mit den pilznägeln stecken längst in neckischen trekker-sandalen), die socken hängen lustig aus dem hosenbund

die vornehme dame, deren auto gerade in der reparatur ist, und die jetzt - welche zumutung - ein öffentliches verkehrsmittel benutzen muss. sie sudert in zwei handys gleichzeitig, und balanciert auf ihrer gefälschten vuitton-tasche gekonnt eine zeitung und ein schüsselchen mit frischen salatblättchen, von denen sie ab und an ein mit einem plastikgäbelchen sorgsam aufgespiesstes erst in ein becherchen mit dressing taucht und dann zwischen den vom billigen ungarn mit jacketkronen versehenen (natürlich nur die vorderen, die anderen sieht man ja kaum) hauern hinter den aufgespritzten, schlecht geschminkten lippen verschwinden lässt. gleichzeitig blättert sie in einem modejournal

ein paar y-chromosomenträger mit vetrauenerweckendem äußeren kommen vom schwimmen. sie sind tierlieb und haben ihre hunde auf die donauinsel mitgenommen. die hunde sind gross wie kälber, haben ein gebiss wie tasmanische teufel, ein ähnlich leutseliges verhalten und keinen rüsselverschluss an, aber dafür lange haare die sicher erst am übernächsten tag trocken sein werden. in diesen haaren kleben noch ein paar fischgräten, etwas grünzeug, ein gänseblümchen und etwas, das gar nicht gut riecht. die herrchen "san peckt auf an tintenfisch" und unterhalten sich bei jeweils einem bierchen - fallweise auch einem doppler - darüber, wie ihre hündelein das letzte mal ein anderes hündelein halbtot gemacht hätten. ihre nassen badetücher werfen sie den anderen fahrgästen zur erfrischung in die nacken, leider sind - dem geruch nach zu urteilen - auch die hunde längere zeit darauf gelegen.

ein in der folge für den rest seines lebens zu stein erstarrtes kleinkind wird von einem der hündelein besabbert. das kind hat zwar anschliessend ein sauberes gesicht, die angstgeschüttelte mutter verwehrt sich aber dagegen, dass das hündelein auch noch die sache mit der vollen windel in angriff nimmt, und wird ergo vom hundebesitzer dahingehend ermahnt, sich nicht anzusch..., sonst röche sie wie ihr bankert. gott sei dank ist die mutter türkin und versteht kein deutsch, dieses schon gar nicht, und kann also nur flüchten, was weitere eskalationen verhindert

die frohe gesellschaft wird in der zwischenzeit von ein paar radfahrern ergänzt, die ihrem zustand nach von der tour de france kommen, und die erschöpft und heimwehtrunken beim einsteigen ihre räder gegen die aussteigenden passagiere stemmen, was weder dem passagierfluss noch dem weiterkommen des zuges wirklich zuträglich ist

die hoffnungsvolle jugend wiens hat sich - während das alter die steuern verdiente - ausgeruht und gepflegt, und bei allen aufenthalten kommen duftende, parfümierte, und natürlich telefonierende mägdelein und knäbelein zur tür herein, die alle am verdursten sein müssen, denn sonst hätten sie nicht samt und sonders verschieden stinkende power-getränke-dosen in händen, aus denen sie immer wieder ein schluck nehmen müssen, wobei jeweils zumindest einem nebenstehenden eine rippenprellung zugefügt werden kann

eine esoterikerin balanciert ihr körblein mit vor drei stunden frisch gepflückten und natürlich schon welken wiesenblümchen genau unter der nase des mannes mit den vielen bart- und nasenhaaren, der seinem nies- und hustenanfall mit tränenflussbegleitung nach mit sicherheit an heuschnupfen leidet, während sie ihren mund alle drei minuten mit wasser befeuchtet, ungefähr ein halbes teelöffelchen voll, genippt aus der flasche mit dem komplizierten drehverschluss. die flasche liegt unten im korb und muss immer mühsam "geh, halten's mir das doch einmal, na, wos is, i hob an duascht" - unter den mit allergenen werfenden (wer kann es ihnen verdenken) blümchen herausgeholt werden

gegen die fahrräder stemmen sich in der zwischenzeit noch ein paar pensionisten mit zwiebelmercedessen, die just um diese und keine andere tageszeit, es ist ja immerhin schon dienstag und 18.oo uhr, die erdäpfel für den salat am sonntag transportieren müssen. da der eine pensionist schlecht hört, wissen jetzt auch die fahrgäste in den nachbarwaggons dass die gerti keine g'scheiten schnitzel machen kann. und auch keine torte, do muass die malli wieda, waasst eh, de mit de blaachten hoa, wois jung sei wü

auch ein paar mütter mit mindestens jeweils drei kindern im vorschulalter steigen zu. die kinder sind quengelig, die mütter wollen sich miteinander unterhalten, den ganzen nachmittag waren sie zusammen und haben keine zeit zum reden gehabt, wenigstens jetzt in der u-bahn. die kinder sollen schauen, dass sie einen sitzplatz kriegen, die kleinen kann man ja übersehen in dem gedränge, und wenn sie sich ordentlich ausbreiten kriegen sie auch noch jedes einen gameboy, was zu essen, was zu trinken, und das handy damit sie dem papa sagen können, was sie den ganzen tag gemacht haben, und dass sie in fünfzehn minuten sowieso zu hause sein werden.

an manchen tagen beglückt noch ein junges geschwisterpaar die fahrgäste. er versucht sich mit einer mischung aus 18-ton-musik und rumänischer folklore auf einer gottseidank kleinen harmonika, während sie wortlos mit einem joghurtbecher herumbettelt

vorigen freitag stand die strassenbahn bei 33°C im schatten auf einer brücke still, 20 minuten lang. in der prallen sonne. ohne benachrichtigung der fahrgäste über den grund des aufenthaltes. stieg man aus, konnte man sich seinen reim machen: in der prallen sonne, im nicht den geringsten schatten spendenden wartehäuschen, lag unter der bank ein mann. auf der kleinen bank des wartehäuschens lag eine bierdose, aus der es auf seinen kopf tropfte. der strassenbahnfahrer hatte die polizei gerufen, und alle mussten warten bis die kam. hinter der einen bim standen dann noch zwei, ebenfalls in der sonne

schon klar, um die jahreszeit regt sich jeder über so was auf. aber muss halt sein, ist wo anders auch nicht viel besser. nur: der nächste, der mir was von den vorteilen des öffi-fahrens erzählt und dabei selber mit dem auto unterwegs ist, der rennt gefälligst um sein leben. und zwar schnell. hinter ihm sind die tasmanischen windelfetischisten, extra von mir bestochen.

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