Donnerstag, 11. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 1
es ist schon mehr als zwanzig jahre her, genaugenommen war es 1986, und es war heiss, und sommer, und urlaubszeit.

und also beschloss frau kelef, es sei an der zeit auch wieder auf urlaub zu fahren, mit der tochter, und damit dem kinde nicht allzu langweilig werde einerseits, und damit frau kelef ein wenig freiraum habe andererseits, da wurde die beste freundin gefragt ob sie denn mitfahren wolle. hurra, meinte diese, und nach langwierigen und heiklen besprechungen mit den ausserordentlich besorgten eltern der jungen dame war alles geregelt.

die mädels waren elf jahre alt, meine tochter ein schlüsselkind aufgrund standhafter weigerung einen hort zu besuchen. da kam es einerseits sehr gelegen, dass die beiden rauhaardackel, mutter elsa (frau kelefs hund) und sohn anton (tochterhund), grundsätzlich sehr freundliche tiere, auch im kelef'schen haushalt lebten, und das kind also nicht allein zuhaus war. die freundin wiederum hätte gerne eine hund gehabt (durfte aber nicht), also gingen die beiden gerne nachmittags zusammen spazieren, und oft genug ward frau kelefs tochter bei der freundin verköstigt und verlustiert, mitsamt den hunden. es war also nur gut und billig, dass frau kelef die im übrigen sehr nette tochterfreundin auch mal versorgte.

auf ging es also, nach siofok an den schönen plattensee in das ebenso schöne ungarn. in den alten lada (das war ein auto, btw.) wurden also ein grosses zelt, die beiden elfjährigen, die beiden hunde, und alles notwendige zubehör gepackt, und auf ging es. ordentlicher mensch, der frau kelef ja immer war, waren sämtliche impfpässe aller fünf lebewesen, sämtliche versicherungsurkunden und was man sonst noch so brauchte in einem fremden land säuberlich mit von der partie.

es war ein toller urlaub, konnte man nicht meckern. da wir auf einem eigentlich den volksdemokratischen völkern vorbehaltenen campingplatz landeten, war es auch für die kinder unproblematisch: ddr-nachbarn, die hatten meist ein wenig angst vor west-kontakt, aus gründen wie man weiss, aber die kinder waren jung genug, die durften kontakt haben, und es waren viele andere kinder da, und die ernährung gestaltete sich einfach: hamburger, grillhühnchen, waffeln, und was die büdchen so hergaben an kulinarischem firlefanz, und das täglich! frisches, reifes obst der saison, am morgen noch am baum, zu mittag im magen, hervorragende eiscreme und, nicht zu vergessen: die ungarn machten limonaden aus allem und jedem, eine besser als die andere.

für frau kelef gab es zudem feine weine, den herrlichen ungarischen kaffee (miniportion im glas, und so stark dass der löffel drinnen stecken bleibt).

die hunde konnte man getrost auslassen, die kannten sich aus und fanden immer zurück zum tipi. elsa konnte die luftrichtung bestimmen und nahm immer den kürzesten weg zurück, anton hingegen war männlich und suchte die spur, kam ergo immer ein wenig später und im zickzack. manchmal schnorrten die köter so viel zusammen bei den zeltnachbarn, dass ihnen aber gar nicht gut war. haben sie schon einmal in einer heissen sommernacht in einem zelt geschlafen, neben ihnen zwei elfjährige die jeweils platz für drei brauchen, und dann noch mit zwei elendiglich furzenden und rülpsenden hunden, die alpträume haben? wenn sie die chance haben: vermeiden sie das.

nun, es waren zwei wunderbare wochen. sonne, sandstrand, schwimmen, spazierengehen, ein wenig die gegend anschauen, ein wenig geld ausgeben.

aber auch der schönste urlaub neigt sich dem ende zu, es war samstag vormittag, und es musste eingepackt werden, das tipi abgeschlagen und noch ein paar mitbringsel verstaut, der lada bog sich quasi nach aussen. und wie es so ist nach einem solchen urlaub, wir stopften einfach alles in den kofferraum was drinnen platz hatte. wenig sortiert, dafür umsomehr müffelnd, weil der geruch von sonnenölgetränkten handtüchern, verschwitzter wäsche, ein wenig wurst und käse, ein paar kilo frischem obst, und nicht zu vergessen das odeur "nasser hund nach schlammbad mit totem fisch", das alles zusammen, aber nun gut, waren ja nur ein paar stunden, und aber zu hause dann ist ja die waschmaschine.

ein wenig gepäck war auch im fahrgastraum - das olfaktorisch vertretbare - und dann waren da eben noch drei personen und die hunde. los gings.

den plattensee entlang konnte man damals in der urlaubszeit nur quasi im schritt fahren, und so genossen alle noch ein wenig die aussicht, ist ja sehr schön dort, und dann lichtete sich der verkehr, wir waren im schönen fonyod, und alsogleich sprach die freundin der tochter, sie müsse mal händewaschen und so, und ausserdem hätte sie noch ein wenig geld übrig und den eltern gerne um diese restsumme ein kleines geschenk gekauft.

gutes kind, sprach frau kelef, sonst noch jemand was zu erledigen? klar, die hunde immer, frau kelefs tochter jedoch meinte, sie würde im auto warten wollen, weil müde.

frau kelef also die hunde raus aus dem auto, einmal um ein paar bäume, hunde rein in das auto, tochterfreundin derweilen händewaschen und so, und dann wollten wir doch gleich in das kaufhaus, das da stand.

tochter, sprach frau kelef, da sind millionen leute, und ich habe reisepässe, impfpässe, autopapiere, schecks, scheckkarte, einiges bargeld, etc., schon für die grenze hergerichtet, in der handtasche. mag ich jetzt nicht unbedingt damit in das kaufhaus. kann ich das im auto lassen? ich nehm dann nur die geldbörse mit den kleineren banknoten mit, ich brauch ja eigentlich nicht wirklich was, aber ddr-geschult: man weiss ja nie.

logo, sprach das kind.

aber cave, sagte die mutter, schliesse die türen und fenster des autos von innen, und nimm die handtasche zu dir nach hinten, weil, man weiss ja nie.

logo, sprach das kind.

versprochen? frug frau kelef sicherheitshalber.

MAMA!

na denne.

nach zwanzig minuten kehrten tochterfreundin und frau kelef wieder zurück zum auto, tochterfreundin hatte einen sehr schönen handbemalten keramikbratentopf käuflich erworben und war stolz wie bolle, tochter hatte es sich ein wenig bequem gemacht auf dem rücksitz, und wegen der frischen luft hatte sie ein wenig die vorderen fenster geöffnet.

frau kelef und tochterfreundin stiegen ein, frau kelef fragt nach ihrer tasche, weil da waren auch die zigaretten drinnen, und die tochter sagte, die tasche liegt neben dir.

da, sprach frau kelef, ist keine tasche.

doch, hab ich dort hin gelegt.

?????

ja, wie ich das fenster aufgemacht habe, aber nur einen spalt.

das fenster, o tochter, ist ziemlich weit offen auf der beifahrerseite.

äh.

und?

ich weiss nicht.

?????

ich war so müde, und da hab ich mich zurückgelegt, und da war die luft so heiss, und da hab ich das fenster aufgemacht, aber nur ganz wenig, und dann bin ich eingeschlafen, und auf einmal waren die hunde ganz verrückt und sind auf die hutablage und haben gebellt und ein paar jugendliche haben das auto so geschaukelt und ich hab mich umgedreht und geschimpft und dann bist du schon gekommen.

frau kelef hatte tatsächlich ein paar jugendliche in einem affentempo davondüsen sehen, aber das nutzte nun auch nichts. offensichtlich hatten ein paar von denen kind und hunde abgelenkt, und andere hatten dann die scheibe ein wenig weiter hinuntergedrückt und die handtasche aus dem auto geklaut.

toll.

frau kelef erstarrte sicherheitshalber zur salzsäule, ihre eloquenz versiegte schlagartig, man möchte fast sagen sie ward stumm, kleine kalte schweissperlen bildeten sich auf ihrer stirn, sie begann unkontrolliert zu zittern und zu hyperventilieren.

in der - im übrigen schweineteuren - handtasche waren: die drei reisepässe mit visa, die impfpässe der hunde, die impfpässe der kinder, die vollmacht für frau kelef wegen der tochterfreundin, die gesundheitszeugnisse der hunde (conditio sine qua non für grenzübertritt), die versicherungspapiere, die autopapiere, eine goldene mont blanc-füllfeder, die ersatzbrille (conditio sine qua non für autofahren), acht schecks, die scheckkarte, und noch ein wenig schnickschnack.

in einer volksdemokratie. in einem land dessen sprache man nicht spricht. mit einem fremden kind. in einem auto in dem es roch wie, nun ja, oben beschrieben. at high noon, man könnte auch sagen am hellichten mittag, genaugenommen fünf nach zwölf, und in volksdemokratien war die genaue einhaltung der mittagsruhe und geschäftszeiten ja heiliger als woanders eine herde kühe. nicht zu vergessen die hunde, die langsam meinten das sei ziemlich langweilig alles, ob man jetzt nicht weiterfahren oder was unternehmen könnte. ausserdem hätten sie durst, die kinder auch, dann randalierten die hunde bei allen weiteren jugendlichen (die wussten ja warum), tochter und tochterfreundin begannen leise zu schluchzen, es hatte 35°c im schatten, es gab keine öffentlichen telefonzellen von denen man hätte nach hause telefonieren können, und die post, von der aus man hätte nach hause telefonieren können, die hatte seit zwölf uhr mittagspause. bis 16.00 uhr, weil volksdemokratie und siehe oben.

ganz toll.

to be continued.

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Cliffhanger - wie können Sie nur : )

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mit links kann ich das: die geschichte ist eine ziemlich lange.

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irgendwoher müssen die grauen haare ja kommen ;-)

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oh ja :)

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ps: es war echt nur ein zelt?

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ja. damals nur das grosse tipi.

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hm. interessant.

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Oh, Ungarn! Balaton! Ich erinnere mich an die guten alten Zeiten. Ich war glaubich ein Jahr oder zwei vorher dort, zwecks Urlaub mit DDR-Bürgern...

Am Strand gab es so ein Zeug, das hieß Langos. Da konnte man von leben. Aber den Rotwein fand ich persönlich zu süß...

Und danke für die Geschichte. Stückchen für Stückchen wird's vielleicht doch was mit dem Buch?

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langos sind was herrliches, können sie aber leicht selber machen: teig wie für weissbrot, kleine kugel formen, und ganz dünn ausziehen.

in heissem öl herausbacken.

salzen, mit knoblauchöl bestreichen.

urlaub mit ddr-bürgern in ungarn, das kenn ich gut ...

rotweine gibt es in ungarn auch recht herbe, man muss sich auskennen. die weine sind aber schwer, und ergo ein wenig heimtückisch für ungewohnte. aber so ein erlauer stierblut, hmmm.

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