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Mittwoch, 17. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 4
kelef, 12:28h
man war also wieder auf achse. zweihundert und einige kilometer, etliche wolkenbrüche, pinkelpausen im grünen, sehr viele sehr laute ordnungsrufe seitens frau kelef und quengelige greinattacken der restlichen mannschaft später war man sogar in budapest.
es war früher morgen, es hatte aufgehört zu regnen, am horizont begann es zu dämmern, wie das ende august so gegen halb fünf uhr früh so zu sein pflegt.
so weit, so gut. auf unerklärliche weise hatte auch der stadtplan von budapest neben der karte von ungarn im handschuhfach die reise mitgemacht, und so wäre alles gut gewesen wenn auf dem vermaledeiten stadtplan die österreichische botschaft eingezeichnet gewesen wäre. oder irgendeine menschenseele, womöglich auch noch eine deutschsprachige, sich auf der strasse hätte blicken lassen. es wurden dann fallweise einige personen angehalten, aber irgendwie fürchteten die sich vor dem auto mit der merkwürdigen besatzung und ergriffen die flucht, ohne dass eine nähere kontaktaufnahme möglich gewesen wäre.
und wie das so war mit den volksdemokratischen wach- und sicherheitspersonen: wenn man sie brauchte waren sie wie vom erdboden verschluckt. das schien ja immer system zu haben. aber wehe man brauchte sie gerade nicht unbedingt ...
des einen herrn rendörség konnte man allerdings habhaft werden, und der war auch kommunikationsbereit, allerdings auf ungarisch. das wörterbuch (sie haben ja keine ahnung was frau kelef da alles im auto gebunkert hatte) war hilfreich, und so konnte auf der karte der weg zur österreichischen vertretung angezeichnet werden. natürlich hatte frau kelef die botschaft eher im zentrum vermutet, dort war man auch gut gelandet, aber, sie erraten es, sie war weit, weit ausserhalb. aber sie ward gefunden, in einem idyllischen villenviertel, schönbrunenr stil, traumhafte strasse, ruhig, mit schmiedeeisernem zaun und wachkameras und schattenspendenden bäumen zwischen gehsteig und strasse.
am tor war eine klingel. frau kelef drückte darauf: nix. mehrmaliges läuten: nix.
frau kelef schaute auf die uhr, es war so gegen sechs uhr früh, 24 stunden wachzustand fast, also bevor jetzt ein unglück passiert, dachte sie, da versuch ich noch eine runde zu schlafen, das macht erstens einen rosigen teint und zweitens ist das ja angeblich gesund, das schlafen. wie ging das nochmal: ah ja, bett, hineinlegen, augen zu, ...
der lada hatte liegesitze, aber: haben sie schon einmal versucht, in einem lada den liegesitz herunterzuklappen während hinter ihnen auf der vollbesetzten rückbank zwei elfjährige mädchen und zwei rauhaardackel sich um die beste sitzposition streiten? und haben sie schon einmal versucht, während neben ihnen ein fettkoloss schnauft und schnieft und von seinem erschwitzten wolf erzählt und überhaupt alle jammern und wehklagen, ein auge zuzutun?
wenn sie solches vermeiden können, dann tun sie dies.
ein wenig kühl war es draussen auch, und so meinte ein teil der mannschaft man müsse die fenster geschlossen halten, frau kelef mag es ja an sich schon eher kühl, und kühle kühlt auch hitzige gemüter, sagt man, kurzum, es war recht kurzweilig, kurzfristig stand man auch kurz vor mord und totschlag.
gegen acht war das alles nicht mehr auszuhalten. jeder hatte hunger, jede hatte durst, jeder musste pinkeln und mehr, keiner hatte geputzte zähne, jeder hatte grind unter den fingernägeln, keiner hatte was sauberes an, jeder hatte wieder hunger (besonders der koloss), und jeder wollte nach hause, zumindest telefonieren. und die grösste dramatik: frau kelef hatte keinen kaffee. das alleine schon ist ja ein gefahrenmoment für die umgebung.
frau kelef also, in der zwischenzeit von wenig ansprechendem äusseren (siehe oben) und auch ansonsten gezeichnet von den geschehnissen der letzten 24 stunden, entschloss sich, der vertretung der österreicher in ungarn nunmehr energischer nahezutreten.
klingelingeling. nix.
klingelingelingelingeling. nix.
klingelingelingelingelingelingelinge. nix.
elsa und anton, die rauhaardackel, sch*ssen jeweils einmal fröhlich vor die botschaft. man konnte ihnen dies nachfühlen, und ausserdem waren sie kurz angebunden, also an der leine, und konnten sich entsprechend nicht weit entfernen. die beiden waren übrigens die einzigen mit zuordenbarem ausweisdings, nämlich den hundemarken. aber die galten ja nix, damals in ungarn.
klingelingelingelinge-hallo-lingelinge-huuphuuphuup-wauwau-klingelinge-SIE! HERR BOTSCHAFT! nix.
obiges, wiederholt, crescendierend, und was tat gott? er erweckte einen jüngling mit lockichtem haar, der widerwilig den kopf aus einem fenster im ersten stock streckte, zerzaust und gezeichnet von man will gar nicht wissen was, und er öffnete den mund und sagte:
"was wollen SIE denn???"
nun, wenn er schon so unverblümt grusslos zur sache kam, so dachte frau kelef, dann könnte man ihm doch gleich sachlich näherbringen was das begehr sei, also:
"drei reisepässe, fahrzeugpapiere, führerscheinersatzbestätigung, ausreisepapiere für zwei hunde."
bumm. fenster zu.
klingelinge....
"was WOLLEN sie denn?"
"drei reisepässe, fahrzeugpapiere, führerscheinersatzbestätigung, ausreisepapiere für zwei hunde."
"wieso?"
"sind gestohlen worden."
"da müssen sie eine anzeige machen!"
"hab ich schon."
"da müssen sie morgen kommen, heute ist sonntag, am montag - aber da ist keine sprechstunde, also am dienstag - da können sie einen antrag stellen, nach einer woche bekommen sie dann ..."
"sie, ich muss morgen wieder arbeiten gehen, so rein theoretisch, ich hab kein geld und keine papiere, wie stellen sie sich das vor, die beiden mädchen sind elf jahre alt ..."
"da kann ich nichts dafür."
"wenn sie nicht sofort und auf der stelle und hier und jetzt und umgehend dafür sorge ..."
bumm. fenster zu.
klingelinge-wau-hup-schrei-pfeif-dröhn-schepper...
wussten sie, warum man immer genügend werkzeug im auto haben muss? damit man vor der österreichischen botschaft in budapest im zweifelsfall zusätzlichen lärm erzeugen kann. und zwar lärm, den man drei strassen weiter auch noch hört, so kurz nach acht an einem heiligen sonntagmorgen. das hätten sie jetzt auch nicht gedacht - und die damalige umgebung erst recht nicht.
jedenfalls, es erhoben sich erst um ruhe flehende, dann um ruhe ersuchende, dann vehement ruhe fordernde stimmen aus den umliegenden häusern. mehrsprachig, schien das diplomatenviertel zu sein.
frau kelef schaltete auf akustischen durchzug.
klinge-wau-hup-schepper-dröhn-wein-grein-schrei...wauwauwauwau .
eine pfeife hatte sich auch noch gefunden, wohl für die hunde gedacht, aber daher umso hervorragender dazu geeignet die wachhunde der umliegenden häuser in die sonntagmorgenmusik mit einstimmen zu lassen.
was ein spass.
herr botschaftsjüngling stolperte nach einer viertelstunde aus der tür, und näherte sich dem schmiedeeisernen zaun.
"was wollen sie eigentlich wirklich?"
"sie, ich hab das ernst gemeint, uns sind die papiere gestohlen worden, hier die anzeige von der polizei, hier eine visitekarte, hier die ordner mit unseren dokumenten, den abgelaufenen reisepässen, wir hätten bitte, gerne, ersatzpapiere damit wir nach hause fahren können, danke vielmals im voraus."
"da müssen sie am dienstag wiederkommen, das hab ich ihnen ja schon gesagt."
und in diesem moment platzte frau kelef der kragen, und sie brüllte den jüngling ein wenig an, unflätig, wenn die erinnerung nicht täuscht, und erinnerte sich auch daran dass ein ihr bekannter mitarbeiter des auswärtigen amtes, der mehrfach die botschafter in moskau, budapest, und noch ein paar ländern, vertreten hatte, die abhandlung von derlei geschehnissen (die ja per se nichts wirklich aussergewöhnliches sind) anders dargestellt hatte. der jüngling ward darüber informiert, insistierte jedoch auf einem wiederkommen am dienstag, und dann
trat frau kelef eben in sitzstreik. vor der botschaft in budapest.
frau kelef lehnte sich mit dem rücken an den schmiedeeisernen zaun, die sonne schien ihr ins gesicht, die vögel brüllten, die mannschaft schaute verwundert, der jüngling noch verwunderter, frau kelef aber seufzte tief und zufrieden, zog die schuhe aus, streckte die schmutzigen füsse quer über den gehsteig richtung sonne, und teilte dem jüngling mit ihrer süssesten stimme mit, sie hätte jetzt genug, sei nicht mehr fahrtauglich, ergo könne sie den traktor auch nicht von dem für botschaftsangehörige reservierten parkplatz wegbewegen, ergo müsse sie sich jetzt einmal ausschlafen.
weiters sässe sie hier sehr bequem (ein riesiges badetuch hatte sich noch gefunden), und da der jüngling mit oder ohne lockichtem haar sich als uneinsichtig erwiesen habe, hielte frau kelef jetzt eben sitzstreik bis zur erfüllung ihrer wünsche. denn ohne papiere kriege sie ja auch keine unterkunft, und ohne geld könne sie ja auch keine bezahlen, und überhaupt.
und wenn sich bis in einer kleinen weile das alles nicht zu frau kelefs wohlgefallen gelöst haben würde, dann wäre sie glattweg imstande sich aufzuraffen und weitere massnahmen zu ergreifen, als da seien:
weitere ohren- und nerventötende geräuscherzeugung
in der folge: rendörseg
in der folge: anzeige
in der folge: telefon nach hause
in der folge: verständigung der presse
in der folge: nette leute aus frau kelefs freundeskreis würden kommen
in der folge: nette artikel in der presse, gerne auch tv
in der folge: das mit der unterbringung und all diesen dinge würde wohl schnell funktionieren
in der folge: herr jungling hätte wohl einen klitzekleinen erklärungsbedarf mehr
in der folge: das auswärtige amt hätte erst recht einen erklärungsbedarf
in der folge: das könne der jüngling sich ja gerne selber ausmalen
und im übrigen wünsche frau kelef jetzt nicht mehr angeredet zu werden. sie persönlich hielte jetzt eben ihren sitzstreik, und der rest der mannschaft könne machen was er wolle, sie sei jetzt einfach nicht mehr in der lage ihr französisches hollywoodnervenkostüm weiter zu belasten, aus medizinischen und anderen gründen.
to be continued.
es war früher morgen, es hatte aufgehört zu regnen, am horizont begann es zu dämmern, wie das ende august so gegen halb fünf uhr früh so zu sein pflegt.
so weit, so gut. auf unerklärliche weise hatte auch der stadtplan von budapest neben der karte von ungarn im handschuhfach die reise mitgemacht, und so wäre alles gut gewesen wenn auf dem vermaledeiten stadtplan die österreichische botschaft eingezeichnet gewesen wäre. oder irgendeine menschenseele, womöglich auch noch eine deutschsprachige, sich auf der strasse hätte blicken lassen. es wurden dann fallweise einige personen angehalten, aber irgendwie fürchteten die sich vor dem auto mit der merkwürdigen besatzung und ergriffen die flucht, ohne dass eine nähere kontaktaufnahme möglich gewesen wäre.
und wie das so war mit den volksdemokratischen wach- und sicherheitspersonen: wenn man sie brauchte waren sie wie vom erdboden verschluckt. das schien ja immer system zu haben. aber wehe man brauchte sie gerade nicht unbedingt ...
des einen herrn rendörség konnte man allerdings habhaft werden, und der war auch kommunikationsbereit, allerdings auf ungarisch. das wörterbuch (sie haben ja keine ahnung was frau kelef da alles im auto gebunkert hatte) war hilfreich, und so konnte auf der karte der weg zur österreichischen vertretung angezeichnet werden. natürlich hatte frau kelef die botschaft eher im zentrum vermutet, dort war man auch gut gelandet, aber, sie erraten es, sie war weit, weit ausserhalb. aber sie ward gefunden, in einem idyllischen villenviertel, schönbrunenr stil, traumhafte strasse, ruhig, mit schmiedeeisernem zaun und wachkameras und schattenspendenden bäumen zwischen gehsteig und strasse.
am tor war eine klingel. frau kelef drückte darauf: nix. mehrmaliges läuten: nix.
frau kelef schaute auf die uhr, es war so gegen sechs uhr früh, 24 stunden wachzustand fast, also bevor jetzt ein unglück passiert, dachte sie, da versuch ich noch eine runde zu schlafen, das macht erstens einen rosigen teint und zweitens ist das ja angeblich gesund, das schlafen. wie ging das nochmal: ah ja, bett, hineinlegen, augen zu, ...
der lada hatte liegesitze, aber: haben sie schon einmal versucht, in einem lada den liegesitz herunterzuklappen während hinter ihnen auf der vollbesetzten rückbank zwei elfjährige mädchen und zwei rauhaardackel sich um die beste sitzposition streiten? und haben sie schon einmal versucht, während neben ihnen ein fettkoloss schnauft und schnieft und von seinem erschwitzten wolf erzählt und überhaupt alle jammern und wehklagen, ein auge zuzutun?
wenn sie solches vermeiden können, dann tun sie dies.
ein wenig kühl war es draussen auch, und so meinte ein teil der mannschaft man müsse die fenster geschlossen halten, frau kelef mag es ja an sich schon eher kühl, und kühle kühlt auch hitzige gemüter, sagt man, kurzum, es war recht kurzweilig, kurzfristig stand man auch kurz vor mord und totschlag.
gegen acht war das alles nicht mehr auszuhalten. jeder hatte hunger, jede hatte durst, jeder musste pinkeln und mehr, keiner hatte geputzte zähne, jeder hatte grind unter den fingernägeln, keiner hatte was sauberes an, jeder hatte wieder hunger (besonders der koloss), und jeder wollte nach hause, zumindest telefonieren. und die grösste dramatik: frau kelef hatte keinen kaffee. das alleine schon ist ja ein gefahrenmoment für die umgebung.
frau kelef also, in der zwischenzeit von wenig ansprechendem äusseren (siehe oben) und auch ansonsten gezeichnet von den geschehnissen der letzten 24 stunden, entschloss sich, der vertretung der österreicher in ungarn nunmehr energischer nahezutreten.
klingelingeling. nix.
klingelingelingelingeling. nix.
klingelingelingelingelingelingelinge. nix.
elsa und anton, die rauhaardackel, sch*ssen jeweils einmal fröhlich vor die botschaft. man konnte ihnen dies nachfühlen, und ausserdem waren sie kurz angebunden, also an der leine, und konnten sich entsprechend nicht weit entfernen. die beiden waren übrigens die einzigen mit zuordenbarem ausweisdings, nämlich den hundemarken. aber die galten ja nix, damals in ungarn.
klingelingelingelinge-hallo-lingelinge-huuphuuphuup-wauwau-klingelinge-SIE! HERR BOTSCHAFT! nix.
obiges, wiederholt, crescendierend, und was tat gott? er erweckte einen jüngling mit lockichtem haar, der widerwilig den kopf aus einem fenster im ersten stock streckte, zerzaust und gezeichnet von man will gar nicht wissen was, und er öffnete den mund und sagte:
"was wollen SIE denn???"
nun, wenn er schon so unverblümt grusslos zur sache kam, so dachte frau kelef, dann könnte man ihm doch gleich sachlich näherbringen was das begehr sei, also:
"drei reisepässe, fahrzeugpapiere, führerscheinersatzbestätigung, ausreisepapiere für zwei hunde."
bumm. fenster zu.
klingelinge....
"was WOLLEN sie denn?"
"drei reisepässe, fahrzeugpapiere, führerscheinersatzbestätigung, ausreisepapiere für zwei hunde."
"wieso?"
"sind gestohlen worden."
"da müssen sie eine anzeige machen!"
"hab ich schon."
"da müssen sie morgen kommen, heute ist sonntag, am montag - aber da ist keine sprechstunde, also am dienstag - da können sie einen antrag stellen, nach einer woche bekommen sie dann ..."
"sie, ich muss morgen wieder arbeiten gehen, so rein theoretisch, ich hab kein geld und keine papiere, wie stellen sie sich das vor, die beiden mädchen sind elf jahre alt ..."
"da kann ich nichts dafür."
"wenn sie nicht sofort und auf der stelle und hier und jetzt und umgehend dafür sorge ..."
bumm. fenster zu.
klingelinge-wau-hup-schrei-pfeif-dröhn-schepper...
wussten sie, warum man immer genügend werkzeug im auto haben muss? damit man vor der österreichischen botschaft in budapest im zweifelsfall zusätzlichen lärm erzeugen kann. und zwar lärm, den man drei strassen weiter auch noch hört, so kurz nach acht an einem heiligen sonntagmorgen. das hätten sie jetzt auch nicht gedacht - und die damalige umgebung erst recht nicht.
jedenfalls, es erhoben sich erst um ruhe flehende, dann um ruhe ersuchende, dann vehement ruhe fordernde stimmen aus den umliegenden häusern. mehrsprachig, schien das diplomatenviertel zu sein.
frau kelef schaltete auf akustischen durchzug.
klinge-wau-hup-schepper-dröhn-wein-grein-schrei...wauwauwauwau .
eine pfeife hatte sich auch noch gefunden, wohl für die hunde gedacht, aber daher umso hervorragender dazu geeignet die wachhunde der umliegenden häuser in die sonntagmorgenmusik mit einstimmen zu lassen.
was ein spass.
herr botschaftsjüngling stolperte nach einer viertelstunde aus der tür, und näherte sich dem schmiedeeisernen zaun.
"was wollen sie eigentlich wirklich?"
"sie, ich hab das ernst gemeint, uns sind die papiere gestohlen worden, hier die anzeige von der polizei, hier eine visitekarte, hier die ordner mit unseren dokumenten, den abgelaufenen reisepässen, wir hätten bitte, gerne, ersatzpapiere damit wir nach hause fahren können, danke vielmals im voraus."
"da müssen sie am dienstag wiederkommen, das hab ich ihnen ja schon gesagt."
und in diesem moment platzte frau kelef der kragen, und sie brüllte den jüngling ein wenig an, unflätig, wenn die erinnerung nicht täuscht, und erinnerte sich auch daran dass ein ihr bekannter mitarbeiter des auswärtigen amtes, der mehrfach die botschafter in moskau, budapest, und noch ein paar ländern, vertreten hatte, die abhandlung von derlei geschehnissen (die ja per se nichts wirklich aussergewöhnliches sind) anders dargestellt hatte. der jüngling ward darüber informiert, insistierte jedoch auf einem wiederkommen am dienstag, und dann
trat frau kelef eben in sitzstreik. vor der botschaft in budapest.
frau kelef lehnte sich mit dem rücken an den schmiedeeisernen zaun, die sonne schien ihr ins gesicht, die vögel brüllten, die mannschaft schaute verwundert, der jüngling noch verwunderter, frau kelef aber seufzte tief und zufrieden, zog die schuhe aus, streckte die schmutzigen füsse quer über den gehsteig richtung sonne, und teilte dem jüngling mit ihrer süssesten stimme mit, sie hätte jetzt genug, sei nicht mehr fahrtauglich, ergo könne sie den traktor auch nicht von dem für botschaftsangehörige reservierten parkplatz wegbewegen, ergo müsse sie sich jetzt einmal ausschlafen.
weiters sässe sie hier sehr bequem (ein riesiges badetuch hatte sich noch gefunden), und da der jüngling mit oder ohne lockichtem haar sich als uneinsichtig erwiesen habe, hielte frau kelef jetzt eben sitzstreik bis zur erfüllung ihrer wünsche. denn ohne papiere kriege sie ja auch keine unterkunft, und ohne geld könne sie ja auch keine bezahlen, und überhaupt.
und wenn sich bis in einer kleinen weile das alles nicht zu frau kelefs wohlgefallen gelöst haben würde, dann wäre sie glattweg imstande sich aufzuraffen und weitere massnahmen zu ergreifen, als da seien:
weitere ohren- und nerventötende geräuscherzeugung
in der folge: rendörseg
in der folge: anzeige
in der folge: telefon nach hause
in der folge: verständigung der presse
in der folge: nette leute aus frau kelefs freundeskreis würden kommen
in der folge: nette artikel in der presse, gerne auch tv
in der folge: das mit der unterbringung und all diesen dinge würde wohl schnell funktionieren
in der folge: herr jungling hätte wohl einen klitzekleinen erklärungsbedarf mehr
in der folge: das auswärtige amt hätte erst recht einen erklärungsbedarf
in der folge: das könne der jüngling sich ja gerne selber ausmalen
und im übrigen wünsche frau kelef jetzt nicht mehr angeredet zu werden. sie persönlich hielte jetzt eben ihren sitzstreik, und der rest der mannschaft könne machen was er wolle, sie sei jetzt einfach nicht mehr in der lage ihr französisches hollywoodnervenkostüm weiter zu belasten, aus medizinischen und anderen gründen.
to be continued.
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Samstag, 13. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 3
kelef, 15:37h
guter rat war teuer. ein telefon wäre eine hilfe gewesen, daber nun gab es an der grenzstation zwar telefone, aber mit denen durfte man mit sicherheit nicht nach hause telefonieren, soviel war sicher.
also zurück nach sopron, sind ja nur ein paar kilometer. dort die mädel und die hunde sicher im auto versperrt, und ein restaurant gesucht. das fand sich, und es fand sich auch ein netter deutscher mann, der frau kelef aufgrund ihrer weinerlich vorgetragenen schauergeschichte ein paar münzen schenkte, und also konnten kinder und hunde befreit und gefüttert werden, und: da war ein telefon. im restaurant. so ein richtiges, von dem aus man auch ohne voranmeldung ins ausland - vor allem nach hause - telefonieren konnte.
die aufgabenstellung war ganz einfach und logisch:
erstens musste der wohnungssitter ausgeforscht werden, damit dieser umgehend in frau kelefs wohnung eilen und von dort die dokumentenmappen von frau kelef, der tochter und den hunden holen möge. wie sonst hätte bewiesen werden können dass frau kelef ist wer sie ist, dass das tochterkind ihre tochter und die hunde die hunde waren?
zweitens mussten die eltern der tochterfreundin verständigt werden, auf dass die dokumentenmappe derselben ebenfalls ausgefasst werden könnte, weil wie sonst hätte bewiesen werden können dass die freundin die freundin ist?
drittens musste irgendwie irgendwer kohle herbeischaffen, weil: ohne geld keine musik. und frau kelef war ja in der zwischenzeit nicht nur scheck-, sondern auch bargeld- und benzinlos.
viertens mussten dokumentenmappen und geld via irgendwen oder irgendwas an die grenze in sopron gebracht werden. und zwar auf der stelle, mehr oder weniger.
und fünftens musste irgendwie eine vollmacht für frau kelef her- und bereitgestellt werden, damit diese denn dann auch die notwendigen papiere für die tochterfreundin erlangen könnte.
nun, punkt eins war am einfachsten, der wohnungssitter war in seiner wohnung anzutelefonieren, und frau kelef ist ein ordentlicher mensch und hat ihre zettelchen immer entsprechend sortiert und ergo auffindbar, auch wenn sie ausser landes ist.
punkt zwei war schon schwieriger, weil wie erklärt man menschen, die erst einmal im leben im ausland waren - in italien, mit der ganzen familie - wie das in einem volksdemokratischen land so abläuft? frau kelef war da ja nach den ddr-erfahrungen nicht nur geläutert, sondern auch erfahren und weder wirklich zu erschüttern noch zu erstaunen durch abstruse grenzerfahrungen, aber das ist eine andere geschichte. und nutzte damals auch gar nichts.
mehrere nervenzusammenbrüche, wein- und schreikrämpfe und so weiter später war den eltern der freundin der tochter klar, was benötigt wurde. der vater der jungen dame hingegen wollte seine arme kleine tochter nicht alleine lassen, und beschloss, er käme mit nach budapest. jetzt und hier und auf der stelle. nichts brachte ihn davon ab, schon gar nicht das heulen seiner tochter, die verbotenerweise nach dem telefonhörer gegrabscht hatte.
geld wurde von den wiener kontaktpersonen in den verschiedenen umliegenden wirtshäusern, der tankstelle, und bei ein paar bekannten zusammengeschnorrt. der vater der tochterfreundin hatte nur drei schecks zur scheckkarte, und einen seeehr begrenzten überziehungsrahmen für sein konto, seine frau hatte weder konto noch geld noch vollmacht für sein konto, konnte also auch den überziehungsrahmen nicht kurzfristig erhöhen lassen, und war überhaupt so innerlich zerstört dass ihr kein vernünftiges wort entkam.
das mit dem transport gestaltete sich wiederum einfacher, denn in einem der wirtshäuser fand sich ein taxifahrer, der gerade mit seiner frau gestritten hatte, und deshalb den kleinen ausflug gerne machte - so musste er nicht nach hause gehen, und zu erzählen hatte er obendrein was.
die sache mit der vollmacht erübrigte sich durch die in aussicht gestellte anwesenheit des vaters der tochterfreundin.
frau kelef trieb nun wieder alles was beine hatte zu paaren, setzte den traktor in betrieb und tuckerte zur grenze.
es dauerte nicht lange, da kam von der österreichischen seite ein wiener taxi angefahren. in der zwischenzeit war es zehn uhr abends vorbei, frau kelef und co. waren seit ca. 15 stunden auf den beinen, und entsprechend nicht mehr ganz so taufrisch, und mit der belastbarkeit stand es auch übel. in der zwischenzeit war es auch ziemlich schwül geworden, das hob die toleranzgrenze aller beteiligten auch nicht wirklich. vom zustand der nervenkostüme an sich wollen wir einmal gar nicht reden.
das taxi durfte sich nach verschiedenen telefonaten seitens der grenzer, nach einer passkontrolle aller darin befindlichen personen, und selbstverständlich erst nach erteilung eines visums pro kopf und nase nähern.
und dann stieg der vater der tochterfreundin aus. wurde schon erwähnt, dass das auto, traktor genannt, ein lada war? wohl ein grosser, viertüriger, aber eben ein lada. und bis an den rand vollgepackt.
der vater der tochterfreundin war, wie soll man sagen, ein wenig überdimensioniert. dick wäre nicht der richtige ausdruck, er war einfach fett. ziemlich fett. bei 1,75 cm hatte er elegante 150 kg, angstschweissgetränkt durch und durch, und olfaktorisch war das durchaus auch dann erkennbar, wenn man fünf meter gegen den wind entfernt von ihm stand - ein angstschwitzer, und das unter diesen umständen und bei dem wetter. schluchzend umarmten sich vater und tochter und bereiteten sich quasi auf ihr baldiges erschossenwerden vor, schien es. frau kelefs tochter war mehrfach auf ihre doch nicht ganz unmassgebliche beteiligung am herrschenden desaster hingewiesen worden und verhielt sich still und unauffällig, was wiederum den grenzern eher auffällig erschien. aber nun ja.
frau kelefs gehirnwindungen ratterten hörbar. die einzige möglichkeit war jetzt, den grenzern beizubringen dass der traktor ausgeladen und die verderbliche ware in das taxi umgeladen werden musste. und ein wenig wäsche etc. ebenfalls, erstens aus platz-, zweitens aus olfaktorischen, drittens aus verderblichkeits- (wurden die salami, der käse, das obst etc. schon erwähnt???), und letztlich auch aus gewichtsgründen.
ist nicht möglich. meinten die grenzer.
ob nicht vielleicht wenigstens die heulenden hunde ...?
ist nicht möglich, meinten die grenzer.
oder die lebensmittel?
siehe oben.
einige tränenflüsse seitens der mädels und des vaters der tochterfreundin später wurde wieder telefoniert, dann kam ein verständnisvoller grenzer herangeschritten und meinte, na gut, das sei ja nun wirklich, aber er müsse genau kontrollieren was da von dem einen auto in das andere geladen würde, denn es habe ja vorhin den zwischenfall gegeben, die schmuggler würden immer noch gesucht, und man könne ja nie wissen was die leute so über die grenze zu bringen gedächten. also müsse er kontrollieren, und zwar stück für stück. und die hunde müssten mit nach budapest, weil ohne papiere ginge da gar nichts.
dicke, dunkle wolken zogen auf, und es begann ganz leicht zu regnen.
am grenzübergang sopron - es war in der zwischenzeit fast mitternacht, standen:
das wiener taxi
der traktor
der taxifahrer
der wohnungssitter
frau kelef
die tochter
die tochterfreundin
der tochterfreundinvater
zwei rauhaardackel
mehrere grenzsoldaten
in trauter vielsamkeit und sortierten aus einem kofferraum in den anderen. sorgsam und pfleglich, stück für stück.
die lebensmittel wurden einzeln kontrolliert, wem gehört welche stange salami, wem welches glas gurken, und wem welcher käse, welche melone, welche limo, der wein ist aber nicht der von den mädchen?
die grosse wäsche, also badetücher, handtücher, pölster, decken, das war alles im fahrgastraum verstaut, alles leicht eingesandet und partiell nach nassem-hund-nach-schlammbad-mit-totem-fisch duftend, teils sassen die mädels darauf, teils die hunde, ein wenig lag auf der hutablage und ein wenig vor und auf dem beifahrersitz.
alles raus und bis auf drei decken ins taxi damit. lebensmittel, badetücher, decken, flaschen, ein wenig hundezubehör, frisbeescheiben etc. waren also schon einmal zumindest gedanklich in österreich.
dann kofferraum wieder auf, das zelt blieb unten liegen, und herr grenzdirektor holte die reisetaschen heraus. die mit der getragenen wäsche, dem waschzeug, und was man sonst noch so mithat.
und dann - noch heute erzeugt der gedanke eine ganz leise gänsehaut - geschah das unglaubliche. herr grenzdirektor besah sich die etiketten. die der wäsche. die der unterwäsche, und zwar einzeln.
die reisetasche der freundin der tochter war unproblematisch, zwar wurde jedes stück einzeln angeschaut, das arme kind wusste nicht ob es rot oder blass oder bewusstlos werden sollte, unterwäsche, badeanzüge, schuhe, schlapfen, alles zurück in die tasche und gut.
dann kam frau kelefs tasche dran, auch da herrschte grosse begeisterung ob der unterwäsche-, bademoden- und t-shirtshow, was gibt es denn auch schöneres als ein paar unbekannte männer die zu mitternächtlicher stunde bei leichtem nieselregen eine getragene unterhose nach der anderen im laternenlicht eines grenzüberganges auseinanderschütteln und von allen seiten begutachten? alles zurück in die tasche und gut.
und dann griff er nach der tasche von frau kelefs tochter, und frau kelef schwante böses, arg böses, und sie blickte den grenzdirektor an, dieser griff nach der ersten unterhose der tochter, beäugte das etikett, er erblasste, er schaute noch einmal genau, und beäugte eine zweite unterhose, ein leibchen, ein t-shirt, und er richtete sich zu doppelter höhe auf, und meinte, unter diesen umständen könne er jetzt gar nichts tun, man müsste auf höhere dienstränge warten, die wären aber erst montags verfügbar. das sei ja unglaublich, eine katastrophe, ein skandal, ...
was geschehen war? nun, das war gar nicht so einfach, oder eigentlich doch, man musste es nur wissen.
in den volksdemokratischen ländern wurde ja viel vom staat gesponsert, besonders kindersachen. und in der zeit ihrer tätigkeit in der ddr hatte frau kelef der tochter eine menge sachen dort gekauft, unter anderem, sie erraten es, wäsche. und kinderwäsche - sie erraten es ebenfalls - war gesponsert und durfte nur ausgeführt werden wenn das betreffende kind auch in dem betreffenden land gelebt hatte. die tochter von frau kelef hatte ja ein paar monate in der ddr gelebt, und also war alles rechtens und mit dem arbeitsvisum der mutter und dem besuchsvisum der tochter war damals eine verbringung ausser landes anstandslos möglich gewesen.
und die qualität war, das muss auch gesagt werden, wirklich hervorragend, ebenso design und passform, und natürlich hatte frau kelef damals die gelegenheit wahrgenommen und ein klitzekleinwenig auf vorrat gekauft, unterwäsche etc. kann man ja nicht genug haben, und wenn die sachen am anfang ein wenig grösser waren: man konnte sie ja auch zwei jahre später anziehen.
aber wie das mit den volkseigenen betrieben (vebs) so war, produzierte ein betrieb für den halben ostblock, quasi, und was in einem land gesponsert wurde, das wurde meist auch in den anderen ländern gesponsert. und ergo war eine menge der in ungarn verkauften kinderwäsche und -kleidung eben aus einem veb der ddr.
und nun stand da ein ungarischer grenzer, genaugenommen standen da mehrere, und jeder hielt mit zur seite geneigtem kopf eine getragene kinderunterhose in der hand und entzifferte die etiketten. veb, veb, veb, leibchen: veb, bluse: veb, t-shirt: veb, badeanzug: veb.
und sie sprachen hmhmhm und tststs,
frau kelef wurde schlecht.
kinderunterwäsche aus ungarn auszuführen sei bei hoher strafe verboten.
ist nicht aus ungarn, ist aus der ddr.
das kann nicht sein.
kann doch, sehr wohl, frau kelef habe in der ddr gearbeitet, das kind sei ebenfalls dort gewesen, alles rechtens.
das kann nicht sein.
wohl. ist sogar ganz sicher so.
ob frau kelef das beweisen könne? weil ansonsten drohten hohe geldstrafen, möglicherweise schlimmeres.
wegen kinderunterhosen?
ja.
klar könne frau kelef das beweisen, aber eigentlich nicht, denn arbeits- und besuchsvisa waren, sie erraten es, in den reisepässen, und die waren in der handtasche gewesen, und die war ja nun nicht mehr da, was ja auslöser dieses lustvollen disputs sei.
also kinderunterwäsche und -kleidung aus ungarn ausführen, das ginge nun aber gar nicht.
die diskussion zog sich eine weile, dann war das glück frau kelef und konsorten doch noch hold:
der wohnungssitter hatte in der eile einfach alle dokumentenmappen mitgenommen, und so fand sich denn zumindest der arbeitsvertrag für die ddr, und im hundedokumentenpool fanden sich ein paar alte grenzübertrittsgesundheitsbescheinigungszeugnisse der poliklinik für kleintiere in eisenhüttenstadt, für die dame elsa, und auch ein paar dokumente zur genehmigung der einfuhr eines fernsehapparates und einer elektrischen nähmaschine des binnenzollamtes frankfurt/oder, und diese wichtigen dokumente aus den jahren 1983/84 belegten den wahrheitsgehalt der getätigten aussagen und somit auch den rechtmässigen besitz der zur debatte stehenden kinderunterhosen und sonstigen kleidungsstücke, und so wurde frau kelef dann doch nicht inhaftiert, sondern durfte weiter sortieren, und sogar die getragenen kinderunterhosen vom lada in das taxi laden.
es war in der zwischenzeit zwei uhr früh geworden, und es regnete in strömen, alle waren pitschepatschenass, die notwendigsten dinge waren im lada, der rest im taxi, man verabschiedete sich, und während der wohnungssitter mit dem taxler nach wien zurückkehrte, da trieb frau kelef wieder einmal alles zu paaren und in den traktor.
leider konnte der vater der tochterfreundin nicht vorschriftsmässig angeschnallt werden weil in einem russischen auto einfach keine so dicken menschen transportiert werden dürfen und also der sicherheitsgurt zu kurz war, die russen scheinen damals ein mageres volk gewesen zu sein, aber wen wundert es. auch ersatzbrile war keine vorhanden, andererseits auch kein führerschein und keine fahrzeugpapiere, eigentlich hätte man - nach geltendem volksdemokratischem recht - den vater der tochterfreundin mit dem zug nach budapest schicken oder hinter dem auto nachlaufen lassen müssen, und frau kelef - die allerdings die einzige führerscheinbesitzerin - eigentlich ja aber auch nicht - war, hätte also den wagen nicht lenken dürfen, aber sei's drum, dachte sie , und man fuhr erst zu einer tankstelle, tankte voll (selten so auf reserve gefahren wie damals) und dann gen budapest.
sind sie schon einmal, nachdem sie neunzehn oder mehr stunden auf den beinen waren und eines gutteils ihres nervenkostüms verlustig gegangen waren, in einem krängenden lada auf einer zweispurigen volksdemokratischen betonplattenautobahn im strömenden regen ein paar hundert kilometer gefahren, während neben ihnen ein fettkoloss sich im wahrsten sinne des wortes einen wolf schwitzt und ihnen weinerlich/ängstlich ein ohr ablabert, und auf der rückbank zwei schluchzende, sich gegenseitig abwechselnd beschuldigende und tröstende elfjährige sowie zwei schon ziemlich übellaunige rauhaardackel um den nichtvorhandenen platz streiten?
wenn sie können: vermeiden sie dies.
to be continued.
also zurück nach sopron, sind ja nur ein paar kilometer. dort die mädel und die hunde sicher im auto versperrt, und ein restaurant gesucht. das fand sich, und es fand sich auch ein netter deutscher mann, der frau kelef aufgrund ihrer weinerlich vorgetragenen schauergeschichte ein paar münzen schenkte, und also konnten kinder und hunde befreit und gefüttert werden, und: da war ein telefon. im restaurant. so ein richtiges, von dem aus man auch ohne voranmeldung ins ausland - vor allem nach hause - telefonieren konnte.
die aufgabenstellung war ganz einfach und logisch:
erstens musste der wohnungssitter ausgeforscht werden, damit dieser umgehend in frau kelefs wohnung eilen und von dort die dokumentenmappen von frau kelef, der tochter und den hunden holen möge. wie sonst hätte bewiesen werden können dass frau kelef ist wer sie ist, dass das tochterkind ihre tochter und die hunde die hunde waren?
zweitens mussten die eltern der tochterfreundin verständigt werden, auf dass die dokumentenmappe derselben ebenfalls ausgefasst werden könnte, weil wie sonst hätte bewiesen werden können dass die freundin die freundin ist?
drittens musste irgendwie irgendwer kohle herbeischaffen, weil: ohne geld keine musik. und frau kelef war ja in der zwischenzeit nicht nur scheck-, sondern auch bargeld- und benzinlos.
viertens mussten dokumentenmappen und geld via irgendwen oder irgendwas an die grenze in sopron gebracht werden. und zwar auf der stelle, mehr oder weniger.
und fünftens musste irgendwie eine vollmacht für frau kelef her- und bereitgestellt werden, damit diese denn dann auch die notwendigen papiere für die tochterfreundin erlangen könnte.
nun, punkt eins war am einfachsten, der wohnungssitter war in seiner wohnung anzutelefonieren, und frau kelef ist ein ordentlicher mensch und hat ihre zettelchen immer entsprechend sortiert und ergo auffindbar, auch wenn sie ausser landes ist.
punkt zwei war schon schwieriger, weil wie erklärt man menschen, die erst einmal im leben im ausland waren - in italien, mit der ganzen familie - wie das in einem volksdemokratischen land so abläuft? frau kelef war da ja nach den ddr-erfahrungen nicht nur geläutert, sondern auch erfahren und weder wirklich zu erschüttern noch zu erstaunen durch abstruse grenzerfahrungen, aber das ist eine andere geschichte. und nutzte damals auch gar nichts.
mehrere nervenzusammenbrüche, wein- und schreikrämpfe und so weiter später war den eltern der freundin der tochter klar, was benötigt wurde. der vater der jungen dame hingegen wollte seine arme kleine tochter nicht alleine lassen, und beschloss, er käme mit nach budapest. jetzt und hier und auf der stelle. nichts brachte ihn davon ab, schon gar nicht das heulen seiner tochter, die verbotenerweise nach dem telefonhörer gegrabscht hatte.
geld wurde von den wiener kontaktpersonen in den verschiedenen umliegenden wirtshäusern, der tankstelle, und bei ein paar bekannten zusammengeschnorrt. der vater der tochterfreundin hatte nur drei schecks zur scheckkarte, und einen seeehr begrenzten überziehungsrahmen für sein konto, seine frau hatte weder konto noch geld noch vollmacht für sein konto, konnte also auch den überziehungsrahmen nicht kurzfristig erhöhen lassen, und war überhaupt so innerlich zerstört dass ihr kein vernünftiges wort entkam.
das mit dem transport gestaltete sich wiederum einfacher, denn in einem der wirtshäuser fand sich ein taxifahrer, der gerade mit seiner frau gestritten hatte, und deshalb den kleinen ausflug gerne machte - so musste er nicht nach hause gehen, und zu erzählen hatte er obendrein was.
die sache mit der vollmacht erübrigte sich durch die in aussicht gestellte anwesenheit des vaters der tochterfreundin.
frau kelef trieb nun wieder alles was beine hatte zu paaren, setzte den traktor in betrieb und tuckerte zur grenze.
es dauerte nicht lange, da kam von der österreichischen seite ein wiener taxi angefahren. in der zwischenzeit war es zehn uhr abends vorbei, frau kelef und co. waren seit ca. 15 stunden auf den beinen, und entsprechend nicht mehr ganz so taufrisch, und mit der belastbarkeit stand es auch übel. in der zwischenzeit war es auch ziemlich schwül geworden, das hob die toleranzgrenze aller beteiligten auch nicht wirklich. vom zustand der nervenkostüme an sich wollen wir einmal gar nicht reden.
das taxi durfte sich nach verschiedenen telefonaten seitens der grenzer, nach einer passkontrolle aller darin befindlichen personen, und selbstverständlich erst nach erteilung eines visums pro kopf und nase nähern.
und dann stieg der vater der tochterfreundin aus. wurde schon erwähnt, dass das auto, traktor genannt, ein lada war? wohl ein grosser, viertüriger, aber eben ein lada. und bis an den rand vollgepackt.
der vater der tochterfreundin war, wie soll man sagen, ein wenig überdimensioniert. dick wäre nicht der richtige ausdruck, er war einfach fett. ziemlich fett. bei 1,75 cm hatte er elegante 150 kg, angstschweissgetränkt durch und durch, und olfaktorisch war das durchaus auch dann erkennbar, wenn man fünf meter gegen den wind entfernt von ihm stand - ein angstschwitzer, und das unter diesen umständen und bei dem wetter. schluchzend umarmten sich vater und tochter und bereiteten sich quasi auf ihr baldiges erschossenwerden vor, schien es. frau kelefs tochter war mehrfach auf ihre doch nicht ganz unmassgebliche beteiligung am herrschenden desaster hingewiesen worden und verhielt sich still und unauffällig, was wiederum den grenzern eher auffällig erschien. aber nun ja.
frau kelefs gehirnwindungen ratterten hörbar. die einzige möglichkeit war jetzt, den grenzern beizubringen dass der traktor ausgeladen und die verderbliche ware in das taxi umgeladen werden musste. und ein wenig wäsche etc. ebenfalls, erstens aus platz-, zweitens aus olfaktorischen, drittens aus verderblichkeits- (wurden die salami, der käse, das obst etc. schon erwähnt???), und letztlich auch aus gewichtsgründen.
ist nicht möglich. meinten die grenzer.
ob nicht vielleicht wenigstens die heulenden hunde ...?
ist nicht möglich, meinten die grenzer.
oder die lebensmittel?
siehe oben.
einige tränenflüsse seitens der mädels und des vaters der tochterfreundin später wurde wieder telefoniert, dann kam ein verständnisvoller grenzer herangeschritten und meinte, na gut, das sei ja nun wirklich, aber er müsse genau kontrollieren was da von dem einen auto in das andere geladen würde, denn es habe ja vorhin den zwischenfall gegeben, die schmuggler würden immer noch gesucht, und man könne ja nie wissen was die leute so über die grenze zu bringen gedächten. also müsse er kontrollieren, und zwar stück für stück. und die hunde müssten mit nach budapest, weil ohne papiere ginge da gar nichts.
dicke, dunkle wolken zogen auf, und es begann ganz leicht zu regnen.
am grenzübergang sopron - es war in der zwischenzeit fast mitternacht, standen:
das wiener taxi
der traktor
der taxifahrer
der wohnungssitter
frau kelef
die tochter
die tochterfreundin
der tochterfreundinvater
zwei rauhaardackel
mehrere grenzsoldaten
in trauter vielsamkeit und sortierten aus einem kofferraum in den anderen. sorgsam und pfleglich, stück für stück.
die lebensmittel wurden einzeln kontrolliert, wem gehört welche stange salami, wem welches glas gurken, und wem welcher käse, welche melone, welche limo, der wein ist aber nicht der von den mädchen?
die grosse wäsche, also badetücher, handtücher, pölster, decken, das war alles im fahrgastraum verstaut, alles leicht eingesandet und partiell nach nassem-hund-nach-schlammbad-mit-totem-fisch duftend, teils sassen die mädels darauf, teils die hunde, ein wenig lag auf der hutablage und ein wenig vor und auf dem beifahrersitz.
alles raus und bis auf drei decken ins taxi damit. lebensmittel, badetücher, decken, flaschen, ein wenig hundezubehör, frisbeescheiben etc. waren also schon einmal zumindest gedanklich in österreich.
dann kofferraum wieder auf, das zelt blieb unten liegen, und herr grenzdirektor holte die reisetaschen heraus. die mit der getragenen wäsche, dem waschzeug, und was man sonst noch so mithat.
und dann - noch heute erzeugt der gedanke eine ganz leise gänsehaut - geschah das unglaubliche. herr grenzdirektor besah sich die etiketten. die der wäsche. die der unterwäsche, und zwar einzeln.
die reisetasche der freundin der tochter war unproblematisch, zwar wurde jedes stück einzeln angeschaut, das arme kind wusste nicht ob es rot oder blass oder bewusstlos werden sollte, unterwäsche, badeanzüge, schuhe, schlapfen, alles zurück in die tasche und gut.
dann kam frau kelefs tasche dran, auch da herrschte grosse begeisterung ob der unterwäsche-, bademoden- und t-shirtshow, was gibt es denn auch schöneres als ein paar unbekannte männer die zu mitternächtlicher stunde bei leichtem nieselregen eine getragene unterhose nach der anderen im laternenlicht eines grenzüberganges auseinanderschütteln und von allen seiten begutachten? alles zurück in die tasche und gut.
und dann griff er nach der tasche von frau kelefs tochter, und frau kelef schwante böses, arg böses, und sie blickte den grenzdirektor an, dieser griff nach der ersten unterhose der tochter, beäugte das etikett, er erblasste, er schaute noch einmal genau, und beäugte eine zweite unterhose, ein leibchen, ein t-shirt, und er richtete sich zu doppelter höhe auf, und meinte, unter diesen umständen könne er jetzt gar nichts tun, man müsste auf höhere dienstränge warten, die wären aber erst montags verfügbar. das sei ja unglaublich, eine katastrophe, ein skandal, ...
was geschehen war? nun, das war gar nicht so einfach, oder eigentlich doch, man musste es nur wissen.
in den volksdemokratischen ländern wurde ja viel vom staat gesponsert, besonders kindersachen. und in der zeit ihrer tätigkeit in der ddr hatte frau kelef der tochter eine menge sachen dort gekauft, unter anderem, sie erraten es, wäsche. und kinderwäsche - sie erraten es ebenfalls - war gesponsert und durfte nur ausgeführt werden wenn das betreffende kind auch in dem betreffenden land gelebt hatte. die tochter von frau kelef hatte ja ein paar monate in der ddr gelebt, und also war alles rechtens und mit dem arbeitsvisum der mutter und dem besuchsvisum der tochter war damals eine verbringung ausser landes anstandslos möglich gewesen.
und die qualität war, das muss auch gesagt werden, wirklich hervorragend, ebenso design und passform, und natürlich hatte frau kelef damals die gelegenheit wahrgenommen und ein klitzekleinwenig auf vorrat gekauft, unterwäsche etc. kann man ja nicht genug haben, und wenn die sachen am anfang ein wenig grösser waren: man konnte sie ja auch zwei jahre später anziehen.
aber wie das mit den volkseigenen betrieben (vebs) so war, produzierte ein betrieb für den halben ostblock, quasi, und was in einem land gesponsert wurde, das wurde meist auch in den anderen ländern gesponsert. und ergo war eine menge der in ungarn verkauften kinderwäsche und -kleidung eben aus einem veb der ddr.
und nun stand da ein ungarischer grenzer, genaugenommen standen da mehrere, und jeder hielt mit zur seite geneigtem kopf eine getragene kinderunterhose in der hand und entzifferte die etiketten. veb, veb, veb, leibchen: veb, bluse: veb, t-shirt: veb, badeanzug: veb.
und sie sprachen hmhmhm und tststs,
frau kelef wurde schlecht.
kinderunterwäsche aus ungarn auszuführen sei bei hoher strafe verboten.
ist nicht aus ungarn, ist aus der ddr.
das kann nicht sein.
kann doch, sehr wohl, frau kelef habe in der ddr gearbeitet, das kind sei ebenfalls dort gewesen, alles rechtens.
das kann nicht sein.
wohl. ist sogar ganz sicher so.
ob frau kelef das beweisen könne? weil ansonsten drohten hohe geldstrafen, möglicherweise schlimmeres.
wegen kinderunterhosen?
ja.
klar könne frau kelef das beweisen, aber eigentlich nicht, denn arbeits- und besuchsvisa waren, sie erraten es, in den reisepässen, und die waren in der handtasche gewesen, und die war ja nun nicht mehr da, was ja auslöser dieses lustvollen disputs sei.
also kinderunterwäsche und -kleidung aus ungarn ausführen, das ginge nun aber gar nicht.
die diskussion zog sich eine weile, dann war das glück frau kelef und konsorten doch noch hold:
der wohnungssitter hatte in der eile einfach alle dokumentenmappen mitgenommen, und so fand sich denn zumindest der arbeitsvertrag für die ddr, und im hundedokumentenpool fanden sich ein paar alte grenzübertrittsgesundheitsbescheinigungszeugnisse der poliklinik für kleintiere in eisenhüttenstadt, für die dame elsa, und auch ein paar dokumente zur genehmigung der einfuhr eines fernsehapparates und einer elektrischen nähmaschine des binnenzollamtes frankfurt/oder, und diese wichtigen dokumente aus den jahren 1983/84 belegten den wahrheitsgehalt der getätigten aussagen und somit auch den rechtmässigen besitz der zur debatte stehenden kinderunterhosen und sonstigen kleidungsstücke, und so wurde frau kelef dann doch nicht inhaftiert, sondern durfte weiter sortieren, und sogar die getragenen kinderunterhosen vom lada in das taxi laden.
es war in der zwischenzeit zwei uhr früh geworden, und es regnete in strömen, alle waren pitschepatschenass, die notwendigsten dinge waren im lada, der rest im taxi, man verabschiedete sich, und während der wohnungssitter mit dem taxler nach wien zurückkehrte, da trieb frau kelef wieder einmal alles zu paaren und in den traktor.
leider konnte der vater der tochterfreundin nicht vorschriftsmässig angeschnallt werden weil in einem russischen auto einfach keine so dicken menschen transportiert werden dürfen und also der sicherheitsgurt zu kurz war, die russen scheinen damals ein mageres volk gewesen zu sein, aber wen wundert es. auch ersatzbrile war keine vorhanden, andererseits auch kein führerschein und keine fahrzeugpapiere, eigentlich hätte man - nach geltendem volksdemokratischem recht - den vater der tochterfreundin mit dem zug nach budapest schicken oder hinter dem auto nachlaufen lassen müssen, und frau kelef - die allerdings die einzige führerscheinbesitzerin - eigentlich ja aber auch nicht - war, hätte also den wagen nicht lenken dürfen, aber sei's drum, dachte sie , und man fuhr erst zu einer tankstelle, tankte voll (selten so auf reserve gefahren wie damals) und dann gen budapest.
sind sie schon einmal, nachdem sie neunzehn oder mehr stunden auf den beinen waren und eines gutteils ihres nervenkostüms verlustig gegangen waren, in einem krängenden lada auf einer zweispurigen volksdemokratischen betonplattenautobahn im strömenden regen ein paar hundert kilometer gefahren, während neben ihnen ein fettkoloss sich im wahrsten sinne des wortes einen wolf schwitzt und ihnen weinerlich/ängstlich ein ohr ablabert, und auf der rückbank zwei schluchzende, sich gegenseitig abwechselnd beschuldigende und tröstende elfjährige sowie zwei schon ziemlich übellaunige rauhaardackel um den nichtvorhandenen platz streiten?
wenn sie können: vermeiden sie dies.
to be continued.
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Donnerstag, 11. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 2
kelef, 14:30h
irgendwie fand sich die polizeistation, und wie das so ist in einem land mit einer völlig fremden sprache, frau kelef und die mädels konnten nicht ungarisch, die polizei konnte nicht deutsch. sagten sie zumindest. englisch konnten sie auch nicht, was schon glaubhafter war. einer fand sich dann doch, der zumindest verstand dass einen dolmetscher zu rate zu ziehen nicht unangebracht wäre.
nur - es war samstag mittag, und die mittagsruhe ist heilig, und so weiter. es fand sich dann aber eine sehr nette dolmetscherin, die trotzalledem erschien und übersetzte, hin und her und her und hin. das einzige ausweispapier, das frau kelef vorlegen konnte, war eine visitekarte, die als ausweispapier wohl nirgends auf der welt durchgegangen wäre - wiewohl es ihre eigene war, aber das war ja nachvollziehbar, hätte ja jeder kommen.
ein grosser spass ist es übrigens, mit zwei greinenden, hungrigen, durstigen und ängstlichen elfjährigen und zwei nach nassem-hund-nach-schlammbad-mit-totem-fisch duftenden, ebenfalls durstigen und hungrigen und ergo greinenden strubbeligen dackeln auf einer polizeistation rede und antwort stehen zu müssen. und zwar ein paar stunden lang.
die polizisten waren wirklich nett, brachten allen was zu trinken, frau kelef kriegte sogar ein paar zigaretten, und dann wurde eine riesenakte angelegt, und ein riesenpapier mit stempeln und bestätigungen und übersetzungen wurde ausgefertigt über diebstahl und verlust von papieren und dokumenten und so weiter und so fort, der verlust von frau kelefs nervenkostüm und haarfarbe (jajaja, frau marion) schienen allerdings nicht anführenswert.
und was nun? also eigentlich müsse frau kelef mit den beiden mädels und den beiden hunden jetzt nach budapest fahren, zur österreichischen botschaft gehen und dort neue papiere beantragen. reisepass insbesondere, und gesundheitszeugnisse für die hunde. mit diesen neu ausgestellten papieren könne frau kelef dann in budapest zur fremdenpolizei gehen und ihre ausreise beantragen. allerdings sei das nur für frau kelef und deren tochter möglich, für das fremde kind liege ja keine vollmacht mehr vor, weil die sei ja in der handtasche gewesen und die sei ja nun einmal weg.
der kalte schweiss floss in strömen. und wie lange so was denn dauern könne?
oh, erfahrungsgemäss brauche erst die botschaft mindestens drei tage, dann die fremdenpolizei allerhöchstens eine woche. mache also alles in allem zehn tage, maximal, obwohl, es sei ja urlaubszeit.
frau kelef biss ein paar stücke aus den schreibtischplatten, schluchzte leise auf, und wurde fast bewusstlos.
die mädels greinten nicht mehr sondern schluchzten, anton pinkelte heimlich an ein sesselbein, und elsa hatte ein problem mit dem erschnorrten frühstück vom campingplatz. nachdem frau kelef gerne den boden der polizeistation geputzt hatte - man gönnt sich ja sonst nix - die mädels halbwegs beruhigt und mit geschnorrten papiertaschentüchern ausgestattet hatte (sie ahnen, wo frau kelefs papiertaschentuchvorrat war?), da kam dann aber einem mitleidigen polizeioberinspektor eine idee, die er umgehend übersetzen liess.
frau kelef solle doch versuchen, schnell nach heiligenkreuz zu kommen, und dort über die grenze fahren. das sei erstens nicht so weit wie sopron - zumindest nicht auf der ungarischen seite - und zweitens sei das ein kleiner grenzübergang an dem die abfertigung meist viel schneller und unkomplizierter erfolge als in sopron. mit den von ihm ausgestellten papieren könnte das funktionieren, und er selbst sei bis 20.00 uhr im dienst, man könne ihn auch telefonisch kontaktieren.
im geiste küsste frau kelef demütig seine füsse, das kleingeld im portemonnaie reichte für benzin und noch eine wurstsemmel pro kopf und nase, die mädels wollten sich noch ein wenig die beine vertreten und luft schnappen, die hunde ebenfalls, und los gings.
der grenzübergang heiligenkreuz war damals ein ziemlich ländlich-sittlicher welcher, im gegensatz zu sopron, wollte man allerdings nach wien war auf der österreichischen seite ein ziemlicher umweg zu fahren, aber was sollte diese überlegung.
brumm, brumm machte der lada, auch traktor genannt, und schipperte mit seiner grindigen fuhre gen heiligenkreuz.
das dauerte auch nicht allzu lange, denn frau kelef wollte nach hause, subito, und die mädels auch, und überhaupt.
schon von weitem konnte man sehen dass das grenzüberquerende aufkommen am schlagbaum der österreichisch-ungarischen grenze ein relativ geringes war, und frau kelef besann sich auf das, was in solchen fällen noch immer am besten geholfen hat: beten. auch die mädels wurden aufgefordert zu welchem gott auch immer zu flehen, und mit welchen worten auch immer, nur bitte bitte bitte.
man näherte sich der grenze.
der balken war geöffnet, nur ein paar autos vor uns, die grenzer waren freundlich und scherzten, und alle waren froh und voller hoffnung.
zwei autos vor dem traktor.
ein auto vor dem traktor.
kein auto vor dem traktor.
ein telefonläuten, grenzbalken runter, pistolen zurechtgerückt, mehrere militärstreifen kamen aus dem nirgendwo, ein panzer erschien im hintergrund auf der bildfläche, und dann noch ein zweiter.
unbeeindruckt - frau kelef war ja schon zigmal über diesen grenzübergang gefahren - reichte sie das ersatzpapier aus dem autofenster, und der grenzsoldat nahm und studierte es, und rief einen zweiten herbei, der es nahm und studierte, frau kelef musste den motor abstellen, aussteigen und an das grenzhüttchen treten, ein grenzer rief drei weitere herbei, und das papier ward herumgereicht und studiert, und die köpfe warden zusammengesteckt und geschüttelt und es wurde hmhmhm gesprochen und tststs, und es wurde telefoniert und frau kelef durfte nicht mehr in die nähe des traktors gehen, und auch nicht mit den mädels sprechen, die pistolen warden herumgerückt, irgendwo knallte es, immerhin sprachen die herren alle sehr gut deutsch und waren auch sehr freundliche, und die mädels weinten gar bitterlich und die hunde heulten gar erschröckerlich, und jedenfalls nach einer weile ward erklärt, da sei in sopron vor einigen minuten was passiert, und der grenzübergang heiligenkreuz sei geschlossen. jetzt und hier und auf der stelle. die autos hinter frau kelef würden schon zurückdirigiert.
frau kelef schaute die brüder an mit fremdem graus, und fürchtet' sich und konnte nicht nach haus, und weinte leise in sich hinein, aber das nutzte alles nix, ab nach sopron hiess es. sie solle ihr glück dort versuchen, es könne ja sein, obwohl, aber es wäre wohl den versuch wert, sonst nach budapest, aber das wollte ja keiner. besonders frau kelef nicht.
das benzin sollte noch reichen, also auf ins vergnügen und zurück auf die schnellstrasse, oder was auch immer das war.
holterdipolter durch ein paar kleine orte, immer noch schöne gegend, langsam merkte man dass es abend wurde, und irgendwann war auch sopron erreicht. durch die stadt durch, die benzinanzeige meldete sich vorsichtig, aber dann war es ja nicht mehr weit und so und bis zum grenzübergang ...
hurra, angekommen.
offensichtlich waren auch noch andere grenzübergänge kurzfristig geschlossen, oder alle waren auf der flucht, oder weiss der kuckuck, die schlange war elendslang vor dem schlagbaum.
also eingereiht und gewartet, ein auto nach dem anderen, bis auch der traktor mit seinem innerlich wie äusserlich nicht mehr sonderlich repräsentativen inhalt an der reihe war.
hmhmhm und tststs machte der grenzer, und schüttelte den kopf und rückte an der pistole und dem volksdemokratischen schlagstöckchen, das diese herren immer so nützlich bei sich führten, und die mädels greinten und die hunde bellten, und es kam ein soldat nach dem anderen, und ein grenzwächter nach dem anderen, und es kam auch die rendörség (zu deutsch polizie, aber das hätte ja jeder verstanden), und es ward kund und zu wissen getan, dass man eben vorhin ein paar rauschgiftschmuggler habe verhaften müssen, die offensichtlich nicht alleine unterwegs gewesen seien, und also wäre jetzt strenge kontrolle angesagt.
was nun zu tun sei?
oh, fahren sie nach budapest, zur österreichischen botschaft, und dann weiter wie schon in fonyod vernommen.
mit ohne geld, ohne papiere, da kann man ja nicht einmal auf einem campingplatz platz finden, und vor allem: mit ohne geld und ohne benzin, wie kommt man da nach budapest?
da könne er, versicherte der herr grenzdirektor, zu seinem leidwesen auch nicht helfen. das war nun keine hilfe, und so war nachdenken angesagt. und zwar schnell.
nun gehört ja frau kelef, dem himmel sei dank, zur spezies mensch die sich immer nachher schreckt. eine panik wurde also im keim erstickt, die mädels sicherheitshalber so angebrüllt dass sie ihrerseits zur salzsäule erstarrten, den hunden standen die rauen haare zu berge dass sie ihrer rasse alle ehre machten, und es ging zurück in das schöne sopron.
to be continued.
nur - es war samstag mittag, und die mittagsruhe ist heilig, und so weiter. es fand sich dann aber eine sehr nette dolmetscherin, die trotzalledem erschien und übersetzte, hin und her und her und hin. das einzige ausweispapier, das frau kelef vorlegen konnte, war eine visitekarte, die als ausweispapier wohl nirgends auf der welt durchgegangen wäre - wiewohl es ihre eigene war, aber das war ja nachvollziehbar, hätte ja jeder kommen.
ein grosser spass ist es übrigens, mit zwei greinenden, hungrigen, durstigen und ängstlichen elfjährigen und zwei nach nassem-hund-nach-schlammbad-mit-totem-fisch duftenden, ebenfalls durstigen und hungrigen und ergo greinenden strubbeligen dackeln auf einer polizeistation rede und antwort stehen zu müssen. und zwar ein paar stunden lang.
die polizisten waren wirklich nett, brachten allen was zu trinken, frau kelef kriegte sogar ein paar zigaretten, und dann wurde eine riesenakte angelegt, und ein riesenpapier mit stempeln und bestätigungen und übersetzungen wurde ausgefertigt über diebstahl und verlust von papieren und dokumenten und so weiter und so fort, der verlust von frau kelefs nervenkostüm und haarfarbe (jajaja, frau marion) schienen allerdings nicht anführenswert.
und was nun? also eigentlich müsse frau kelef mit den beiden mädels und den beiden hunden jetzt nach budapest fahren, zur österreichischen botschaft gehen und dort neue papiere beantragen. reisepass insbesondere, und gesundheitszeugnisse für die hunde. mit diesen neu ausgestellten papieren könne frau kelef dann in budapest zur fremdenpolizei gehen und ihre ausreise beantragen. allerdings sei das nur für frau kelef und deren tochter möglich, für das fremde kind liege ja keine vollmacht mehr vor, weil die sei ja in der handtasche gewesen und die sei ja nun einmal weg.
der kalte schweiss floss in strömen. und wie lange so was denn dauern könne?
oh, erfahrungsgemäss brauche erst die botschaft mindestens drei tage, dann die fremdenpolizei allerhöchstens eine woche. mache also alles in allem zehn tage, maximal, obwohl, es sei ja urlaubszeit.
frau kelef biss ein paar stücke aus den schreibtischplatten, schluchzte leise auf, und wurde fast bewusstlos.
die mädels greinten nicht mehr sondern schluchzten, anton pinkelte heimlich an ein sesselbein, und elsa hatte ein problem mit dem erschnorrten frühstück vom campingplatz. nachdem frau kelef gerne den boden der polizeistation geputzt hatte - man gönnt sich ja sonst nix - die mädels halbwegs beruhigt und mit geschnorrten papiertaschentüchern ausgestattet hatte (sie ahnen, wo frau kelefs papiertaschentuchvorrat war?), da kam dann aber einem mitleidigen polizeioberinspektor eine idee, die er umgehend übersetzen liess.
frau kelef solle doch versuchen, schnell nach heiligenkreuz zu kommen, und dort über die grenze fahren. das sei erstens nicht so weit wie sopron - zumindest nicht auf der ungarischen seite - und zweitens sei das ein kleiner grenzübergang an dem die abfertigung meist viel schneller und unkomplizierter erfolge als in sopron. mit den von ihm ausgestellten papieren könnte das funktionieren, und er selbst sei bis 20.00 uhr im dienst, man könne ihn auch telefonisch kontaktieren.
im geiste küsste frau kelef demütig seine füsse, das kleingeld im portemonnaie reichte für benzin und noch eine wurstsemmel pro kopf und nase, die mädels wollten sich noch ein wenig die beine vertreten und luft schnappen, die hunde ebenfalls, und los gings.
der grenzübergang heiligenkreuz war damals ein ziemlich ländlich-sittlicher welcher, im gegensatz zu sopron, wollte man allerdings nach wien war auf der österreichischen seite ein ziemlicher umweg zu fahren, aber was sollte diese überlegung.
brumm, brumm machte der lada, auch traktor genannt, und schipperte mit seiner grindigen fuhre gen heiligenkreuz.
das dauerte auch nicht allzu lange, denn frau kelef wollte nach hause, subito, und die mädels auch, und überhaupt.
schon von weitem konnte man sehen dass das grenzüberquerende aufkommen am schlagbaum der österreichisch-ungarischen grenze ein relativ geringes war, und frau kelef besann sich auf das, was in solchen fällen noch immer am besten geholfen hat: beten. auch die mädels wurden aufgefordert zu welchem gott auch immer zu flehen, und mit welchen worten auch immer, nur bitte bitte bitte.
man näherte sich der grenze.
der balken war geöffnet, nur ein paar autos vor uns, die grenzer waren freundlich und scherzten, und alle waren froh und voller hoffnung.
zwei autos vor dem traktor.
ein auto vor dem traktor.
kein auto vor dem traktor.
ein telefonläuten, grenzbalken runter, pistolen zurechtgerückt, mehrere militärstreifen kamen aus dem nirgendwo, ein panzer erschien im hintergrund auf der bildfläche, und dann noch ein zweiter.
unbeeindruckt - frau kelef war ja schon zigmal über diesen grenzübergang gefahren - reichte sie das ersatzpapier aus dem autofenster, und der grenzsoldat nahm und studierte es, und rief einen zweiten herbei, der es nahm und studierte, frau kelef musste den motor abstellen, aussteigen und an das grenzhüttchen treten, ein grenzer rief drei weitere herbei, und das papier ward herumgereicht und studiert, und die köpfe warden zusammengesteckt und geschüttelt und es wurde hmhmhm gesprochen und tststs, und es wurde telefoniert und frau kelef durfte nicht mehr in die nähe des traktors gehen, und auch nicht mit den mädels sprechen, die pistolen warden herumgerückt, irgendwo knallte es, immerhin sprachen die herren alle sehr gut deutsch und waren auch sehr freundliche, und die mädels weinten gar bitterlich und die hunde heulten gar erschröckerlich, und jedenfalls nach einer weile ward erklärt, da sei in sopron vor einigen minuten was passiert, und der grenzübergang heiligenkreuz sei geschlossen. jetzt und hier und auf der stelle. die autos hinter frau kelef würden schon zurückdirigiert.
frau kelef schaute die brüder an mit fremdem graus, und fürchtet' sich und konnte nicht nach haus, und weinte leise in sich hinein, aber das nutzte alles nix, ab nach sopron hiess es. sie solle ihr glück dort versuchen, es könne ja sein, obwohl, aber es wäre wohl den versuch wert, sonst nach budapest, aber das wollte ja keiner. besonders frau kelef nicht.
das benzin sollte noch reichen, also auf ins vergnügen und zurück auf die schnellstrasse, oder was auch immer das war.
holterdipolter durch ein paar kleine orte, immer noch schöne gegend, langsam merkte man dass es abend wurde, und irgendwann war auch sopron erreicht. durch die stadt durch, die benzinanzeige meldete sich vorsichtig, aber dann war es ja nicht mehr weit und so und bis zum grenzübergang ...
hurra, angekommen.
offensichtlich waren auch noch andere grenzübergänge kurzfristig geschlossen, oder alle waren auf der flucht, oder weiss der kuckuck, die schlange war elendslang vor dem schlagbaum.
also eingereiht und gewartet, ein auto nach dem anderen, bis auch der traktor mit seinem innerlich wie äusserlich nicht mehr sonderlich repräsentativen inhalt an der reihe war.
hmhmhm und tststs machte der grenzer, und schüttelte den kopf und rückte an der pistole und dem volksdemokratischen schlagstöckchen, das diese herren immer so nützlich bei sich führten, und die mädels greinten und die hunde bellten, und es kam ein soldat nach dem anderen, und ein grenzwächter nach dem anderen, und es kam auch die rendörség (zu deutsch polizie, aber das hätte ja jeder verstanden), und es ward kund und zu wissen getan, dass man eben vorhin ein paar rauschgiftschmuggler habe verhaften müssen, die offensichtlich nicht alleine unterwegs gewesen seien, und also wäre jetzt strenge kontrolle angesagt.
was nun zu tun sei?
oh, fahren sie nach budapest, zur österreichischen botschaft, und dann weiter wie schon in fonyod vernommen.
mit ohne geld, ohne papiere, da kann man ja nicht einmal auf einem campingplatz platz finden, und vor allem: mit ohne geld und ohne benzin, wie kommt man da nach budapest?
da könne er, versicherte der herr grenzdirektor, zu seinem leidwesen auch nicht helfen. das war nun keine hilfe, und so war nachdenken angesagt. und zwar schnell.
nun gehört ja frau kelef, dem himmel sei dank, zur spezies mensch die sich immer nachher schreckt. eine panik wurde also im keim erstickt, die mädels sicherheitshalber so angebrüllt dass sie ihrerseits zur salzsäule erstarrten, den hunden standen die rauen haare zu berge dass sie ihrer rasse alle ehre machten, und es ging zurück in das schöne sopron.
to be continued.
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sitzstreik in budapest, teil 1
kelef, 13:03h
es ist schon mehr als zwanzig jahre her, genaugenommen war es 1986, und es war heiss, und sommer, und urlaubszeit.
und also beschloss frau kelef, es sei an der zeit auch wieder auf urlaub zu fahren, mit der tochter, und damit dem kinde nicht allzu langweilig werde einerseits, und damit frau kelef ein wenig freiraum habe andererseits, da wurde die beste freundin gefragt ob sie denn mitfahren wolle. hurra, meinte diese, und nach langwierigen und heiklen besprechungen mit den ausserordentlich besorgten eltern der jungen dame war alles geregelt.
die mädels waren elf jahre alt, meine tochter ein schlüsselkind aufgrund standhafter weigerung einen hort zu besuchen. da kam es einerseits sehr gelegen, dass die beiden rauhaardackel, mutter elsa (frau kelefs hund) und sohn anton (tochterhund), grundsätzlich sehr freundliche tiere, auch im kelef'schen haushalt lebten, und das kind also nicht allein zuhaus war. die freundin wiederum hätte gerne eine hund gehabt (durfte aber nicht), also gingen die beiden gerne nachmittags zusammen spazieren, und oft genug ward frau kelefs tochter bei der freundin verköstigt und verlustiert, mitsamt den hunden. es war also nur gut und billig, dass frau kelef die im übrigen sehr nette tochterfreundin auch mal versorgte.
auf ging es also, nach siofok an den schönen plattensee in das ebenso schöne ungarn. in den alten lada (das war ein auto, btw.) wurden also ein grosses zelt, die beiden elfjährigen, die beiden hunde, und alles notwendige zubehör gepackt, und auf ging es. ordentlicher mensch, der frau kelef ja immer war, waren sämtliche impfpässe aller fünf lebewesen, sämtliche versicherungsurkunden und was man sonst noch so brauchte in einem fremden land säuberlich mit von der partie.
es war ein toller urlaub, konnte man nicht meckern. da wir auf einem eigentlich den volksdemokratischen völkern vorbehaltenen campingplatz landeten, war es auch für die kinder unproblematisch: ddr-nachbarn, die hatten meist ein wenig angst vor west-kontakt, aus gründen wie man weiss, aber die kinder waren jung genug, die durften kontakt haben, und es waren viele andere kinder da, und die ernährung gestaltete sich einfach: hamburger, grillhühnchen, waffeln, und was die büdchen so hergaben an kulinarischem firlefanz, und das täglich! frisches, reifes obst der saison, am morgen noch am baum, zu mittag im magen, hervorragende eiscreme und, nicht zu vergessen: die ungarn machten limonaden aus allem und jedem, eine besser als die andere.
für frau kelef gab es zudem feine weine, den herrlichen ungarischen kaffee (miniportion im glas, und so stark dass der löffel drinnen stecken bleibt).
die hunde konnte man getrost auslassen, die kannten sich aus und fanden immer zurück zum tipi. elsa konnte die luftrichtung bestimmen und nahm immer den kürzesten weg zurück, anton hingegen war männlich und suchte die spur, kam ergo immer ein wenig später und im zickzack. manchmal schnorrten die köter so viel zusammen bei den zeltnachbarn, dass ihnen aber gar nicht gut war. haben sie schon einmal in einer heissen sommernacht in einem zelt geschlafen, neben ihnen zwei elfjährige die jeweils platz für drei brauchen, und dann noch mit zwei elendiglich furzenden und rülpsenden hunden, die alpträume haben? wenn sie die chance haben: vermeiden sie das.
nun, es waren zwei wunderbare wochen. sonne, sandstrand, schwimmen, spazierengehen, ein wenig die gegend anschauen, ein wenig geld ausgeben.
aber auch der schönste urlaub neigt sich dem ende zu, es war samstag vormittag, und es musste eingepackt werden, das tipi abgeschlagen und noch ein paar mitbringsel verstaut, der lada bog sich quasi nach aussen. und wie es so ist nach einem solchen urlaub, wir stopften einfach alles in den kofferraum was drinnen platz hatte. wenig sortiert, dafür umsomehr müffelnd, weil der geruch von sonnenölgetränkten handtüchern, verschwitzter wäsche, ein wenig wurst und käse, ein paar kilo frischem obst, und nicht zu vergessen das odeur "nasser hund nach schlammbad mit totem fisch", das alles zusammen, aber nun gut, waren ja nur ein paar stunden, und aber zu hause dann ist ja die waschmaschine.
ein wenig gepäck war auch im fahrgastraum - das olfaktorisch vertretbare - und dann waren da eben noch drei personen und die hunde. los gings.
den plattensee entlang konnte man damals in der urlaubszeit nur quasi im schritt fahren, und so genossen alle noch ein wenig die aussicht, ist ja sehr schön dort, und dann lichtete sich der verkehr, wir waren im schönen fonyod, und alsogleich sprach die freundin der tochter, sie müsse mal händewaschen und so, und ausserdem hätte sie noch ein wenig geld übrig und den eltern gerne um diese restsumme ein kleines geschenk gekauft.
gutes kind, sprach frau kelef, sonst noch jemand was zu erledigen? klar, die hunde immer, frau kelefs tochter jedoch meinte, sie würde im auto warten wollen, weil müde.
frau kelef also die hunde raus aus dem auto, einmal um ein paar bäume, hunde rein in das auto, tochterfreundin derweilen händewaschen und so, und dann wollten wir doch gleich in das kaufhaus, das da stand.
tochter, sprach frau kelef, da sind millionen leute, und ich habe reisepässe, impfpässe, autopapiere, schecks, scheckkarte, einiges bargeld, etc., schon für die grenze hergerichtet, in der handtasche. mag ich jetzt nicht unbedingt damit in das kaufhaus. kann ich das im auto lassen? ich nehm dann nur die geldbörse mit den kleineren banknoten mit, ich brauch ja eigentlich nicht wirklich was, aber ddr-geschult: man weiss ja nie.
logo, sprach das kind.
aber cave, sagte die mutter, schliesse die türen und fenster des autos von innen, und nimm die handtasche zu dir nach hinten, weil, man weiss ja nie.
logo, sprach das kind.
versprochen? frug frau kelef sicherheitshalber.
MAMA!
na denne.
nach zwanzig minuten kehrten tochterfreundin und frau kelef wieder zurück zum auto, tochterfreundin hatte einen sehr schönen handbemalten keramikbratentopf käuflich erworben und war stolz wie bolle, tochter hatte es sich ein wenig bequem gemacht auf dem rücksitz, und wegen der frischen luft hatte sie ein wenig die vorderen fenster geöffnet.
frau kelef und tochterfreundin stiegen ein, frau kelef fragt nach ihrer tasche, weil da waren auch die zigaretten drinnen, und die tochter sagte, die tasche liegt neben dir.
da, sprach frau kelef, ist keine tasche.
doch, hab ich dort hin gelegt.
?????
ja, wie ich das fenster aufgemacht habe, aber nur einen spalt.
das fenster, o tochter, ist ziemlich weit offen auf der beifahrerseite.
äh.
und?
ich weiss nicht.
?????
ich war so müde, und da hab ich mich zurückgelegt, und da war die luft so heiss, und da hab ich das fenster aufgemacht, aber nur ganz wenig, und dann bin ich eingeschlafen, und auf einmal waren die hunde ganz verrückt und sind auf die hutablage und haben gebellt und ein paar jugendliche haben das auto so geschaukelt und ich hab mich umgedreht und geschimpft und dann bist du schon gekommen.
frau kelef hatte tatsächlich ein paar jugendliche in einem affentempo davondüsen sehen, aber das nutzte nun auch nichts. offensichtlich hatten ein paar von denen kind und hunde abgelenkt, und andere hatten dann die scheibe ein wenig weiter hinuntergedrückt und die handtasche aus dem auto geklaut.
toll.
frau kelef erstarrte sicherheitshalber zur salzsäule, ihre eloquenz versiegte schlagartig, man möchte fast sagen sie ward stumm, kleine kalte schweissperlen bildeten sich auf ihrer stirn, sie begann unkontrolliert zu zittern und zu hyperventilieren.
in der - im übrigen schweineteuren - handtasche waren: die drei reisepässe mit visa, die impfpässe der hunde, die impfpässe der kinder, die vollmacht für frau kelef wegen der tochterfreundin, die gesundheitszeugnisse der hunde (conditio sine qua non für grenzübertritt), die versicherungspapiere, die autopapiere, eine goldene mont blanc-füllfeder, die ersatzbrille (conditio sine qua non für autofahren), acht schecks, die scheckkarte, und noch ein wenig schnickschnack.
in einer volksdemokratie. in einem land dessen sprache man nicht spricht. mit einem fremden kind. in einem auto in dem es roch wie, nun ja, oben beschrieben. at high noon, man könnte auch sagen am hellichten mittag, genaugenommen fünf nach zwölf, und in volksdemokratien war die genaue einhaltung der mittagsruhe und geschäftszeiten ja heiliger als woanders eine herde kühe. nicht zu vergessen die hunde, die langsam meinten das sei ziemlich langweilig alles, ob man jetzt nicht weiterfahren oder was unternehmen könnte. ausserdem hätten sie durst, die kinder auch, dann randalierten die hunde bei allen weiteren jugendlichen (die wussten ja warum), tochter und tochterfreundin begannen leise zu schluchzen, es hatte 35°c im schatten, es gab keine öffentlichen telefonzellen von denen man hätte nach hause telefonieren können, und die post, von der aus man hätte nach hause telefonieren können, die hatte seit zwölf uhr mittagspause. bis 16.00 uhr, weil volksdemokratie und siehe oben.
ganz toll.
to be continued.
und also beschloss frau kelef, es sei an der zeit auch wieder auf urlaub zu fahren, mit der tochter, und damit dem kinde nicht allzu langweilig werde einerseits, und damit frau kelef ein wenig freiraum habe andererseits, da wurde die beste freundin gefragt ob sie denn mitfahren wolle. hurra, meinte diese, und nach langwierigen und heiklen besprechungen mit den ausserordentlich besorgten eltern der jungen dame war alles geregelt.
die mädels waren elf jahre alt, meine tochter ein schlüsselkind aufgrund standhafter weigerung einen hort zu besuchen. da kam es einerseits sehr gelegen, dass die beiden rauhaardackel, mutter elsa (frau kelefs hund) und sohn anton (tochterhund), grundsätzlich sehr freundliche tiere, auch im kelef'schen haushalt lebten, und das kind also nicht allein zuhaus war. die freundin wiederum hätte gerne eine hund gehabt (durfte aber nicht), also gingen die beiden gerne nachmittags zusammen spazieren, und oft genug ward frau kelefs tochter bei der freundin verköstigt und verlustiert, mitsamt den hunden. es war also nur gut und billig, dass frau kelef die im übrigen sehr nette tochterfreundin auch mal versorgte.
auf ging es also, nach siofok an den schönen plattensee in das ebenso schöne ungarn. in den alten lada (das war ein auto, btw.) wurden also ein grosses zelt, die beiden elfjährigen, die beiden hunde, und alles notwendige zubehör gepackt, und auf ging es. ordentlicher mensch, der frau kelef ja immer war, waren sämtliche impfpässe aller fünf lebewesen, sämtliche versicherungsurkunden und was man sonst noch so brauchte in einem fremden land säuberlich mit von der partie.
es war ein toller urlaub, konnte man nicht meckern. da wir auf einem eigentlich den volksdemokratischen völkern vorbehaltenen campingplatz landeten, war es auch für die kinder unproblematisch: ddr-nachbarn, die hatten meist ein wenig angst vor west-kontakt, aus gründen wie man weiss, aber die kinder waren jung genug, die durften kontakt haben, und es waren viele andere kinder da, und die ernährung gestaltete sich einfach: hamburger, grillhühnchen, waffeln, und was die büdchen so hergaben an kulinarischem firlefanz, und das täglich! frisches, reifes obst der saison, am morgen noch am baum, zu mittag im magen, hervorragende eiscreme und, nicht zu vergessen: die ungarn machten limonaden aus allem und jedem, eine besser als die andere.
für frau kelef gab es zudem feine weine, den herrlichen ungarischen kaffee (miniportion im glas, und so stark dass der löffel drinnen stecken bleibt).
die hunde konnte man getrost auslassen, die kannten sich aus und fanden immer zurück zum tipi. elsa konnte die luftrichtung bestimmen und nahm immer den kürzesten weg zurück, anton hingegen war männlich und suchte die spur, kam ergo immer ein wenig später und im zickzack. manchmal schnorrten die köter so viel zusammen bei den zeltnachbarn, dass ihnen aber gar nicht gut war. haben sie schon einmal in einer heissen sommernacht in einem zelt geschlafen, neben ihnen zwei elfjährige die jeweils platz für drei brauchen, und dann noch mit zwei elendiglich furzenden und rülpsenden hunden, die alpträume haben? wenn sie die chance haben: vermeiden sie das.
nun, es waren zwei wunderbare wochen. sonne, sandstrand, schwimmen, spazierengehen, ein wenig die gegend anschauen, ein wenig geld ausgeben.
aber auch der schönste urlaub neigt sich dem ende zu, es war samstag vormittag, und es musste eingepackt werden, das tipi abgeschlagen und noch ein paar mitbringsel verstaut, der lada bog sich quasi nach aussen. und wie es so ist nach einem solchen urlaub, wir stopften einfach alles in den kofferraum was drinnen platz hatte. wenig sortiert, dafür umsomehr müffelnd, weil der geruch von sonnenölgetränkten handtüchern, verschwitzter wäsche, ein wenig wurst und käse, ein paar kilo frischem obst, und nicht zu vergessen das odeur "nasser hund nach schlammbad mit totem fisch", das alles zusammen, aber nun gut, waren ja nur ein paar stunden, und aber zu hause dann ist ja die waschmaschine.
ein wenig gepäck war auch im fahrgastraum - das olfaktorisch vertretbare - und dann waren da eben noch drei personen und die hunde. los gings.
den plattensee entlang konnte man damals in der urlaubszeit nur quasi im schritt fahren, und so genossen alle noch ein wenig die aussicht, ist ja sehr schön dort, und dann lichtete sich der verkehr, wir waren im schönen fonyod, und alsogleich sprach die freundin der tochter, sie müsse mal händewaschen und so, und ausserdem hätte sie noch ein wenig geld übrig und den eltern gerne um diese restsumme ein kleines geschenk gekauft.
gutes kind, sprach frau kelef, sonst noch jemand was zu erledigen? klar, die hunde immer, frau kelefs tochter jedoch meinte, sie würde im auto warten wollen, weil müde.
frau kelef also die hunde raus aus dem auto, einmal um ein paar bäume, hunde rein in das auto, tochterfreundin derweilen händewaschen und so, und dann wollten wir doch gleich in das kaufhaus, das da stand.
tochter, sprach frau kelef, da sind millionen leute, und ich habe reisepässe, impfpässe, autopapiere, schecks, scheckkarte, einiges bargeld, etc., schon für die grenze hergerichtet, in der handtasche. mag ich jetzt nicht unbedingt damit in das kaufhaus. kann ich das im auto lassen? ich nehm dann nur die geldbörse mit den kleineren banknoten mit, ich brauch ja eigentlich nicht wirklich was, aber ddr-geschult: man weiss ja nie.
logo, sprach das kind.
aber cave, sagte die mutter, schliesse die türen und fenster des autos von innen, und nimm die handtasche zu dir nach hinten, weil, man weiss ja nie.
logo, sprach das kind.
versprochen? frug frau kelef sicherheitshalber.
MAMA!
na denne.
nach zwanzig minuten kehrten tochterfreundin und frau kelef wieder zurück zum auto, tochterfreundin hatte einen sehr schönen handbemalten keramikbratentopf käuflich erworben und war stolz wie bolle, tochter hatte es sich ein wenig bequem gemacht auf dem rücksitz, und wegen der frischen luft hatte sie ein wenig die vorderen fenster geöffnet.
frau kelef und tochterfreundin stiegen ein, frau kelef fragt nach ihrer tasche, weil da waren auch die zigaretten drinnen, und die tochter sagte, die tasche liegt neben dir.
da, sprach frau kelef, ist keine tasche.
doch, hab ich dort hin gelegt.
?????
ja, wie ich das fenster aufgemacht habe, aber nur einen spalt.
das fenster, o tochter, ist ziemlich weit offen auf der beifahrerseite.
äh.
und?
ich weiss nicht.
?????
ich war so müde, und da hab ich mich zurückgelegt, und da war die luft so heiss, und da hab ich das fenster aufgemacht, aber nur ganz wenig, und dann bin ich eingeschlafen, und auf einmal waren die hunde ganz verrückt und sind auf die hutablage und haben gebellt und ein paar jugendliche haben das auto so geschaukelt und ich hab mich umgedreht und geschimpft und dann bist du schon gekommen.
frau kelef hatte tatsächlich ein paar jugendliche in einem affentempo davondüsen sehen, aber das nutzte nun auch nichts. offensichtlich hatten ein paar von denen kind und hunde abgelenkt, und andere hatten dann die scheibe ein wenig weiter hinuntergedrückt und die handtasche aus dem auto geklaut.
toll.
frau kelef erstarrte sicherheitshalber zur salzsäule, ihre eloquenz versiegte schlagartig, man möchte fast sagen sie ward stumm, kleine kalte schweissperlen bildeten sich auf ihrer stirn, sie begann unkontrolliert zu zittern und zu hyperventilieren.
in der - im übrigen schweineteuren - handtasche waren: die drei reisepässe mit visa, die impfpässe der hunde, die impfpässe der kinder, die vollmacht für frau kelef wegen der tochterfreundin, die gesundheitszeugnisse der hunde (conditio sine qua non für grenzübertritt), die versicherungspapiere, die autopapiere, eine goldene mont blanc-füllfeder, die ersatzbrille (conditio sine qua non für autofahren), acht schecks, die scheckkarte, und noch ein wenig schnickschnack.
in einer volksdemokratie. in einem land dessen sprache man nicht spricht. mit einem fremden kind. in einem auto in dem es roch wie, nun ja, oben beschrieben. at high noon, man könnte auch sagen am hellichten mittag, genaugenommen fünf nach zwölf, und in volksdemokratien war die genaue einhaltung der mittagsruhe und geschäftszeiten ja heiliger als woanders eine herde kühe. nicht zu vergessen die hunde, die langsam meinten das sei ziemlich langweilig alles, ob man jetzt nicht weiterfahren oder was unternehmen könnte. ausserdem hätten sie durst, die kinder auch, dann randalierten die hunde bei allen weiteren jugendlichen (die wussten ja warum), tochter und tochterfreundin begannen leise zu schluchzen, es hatte 35°c im schatten, es gab keine öffentlichen telefonzellen von denen man hätte nach hause telefonieren können, und die post, von der aus man hätte nach hause telefonieren können, die hatte seit zwölf uhr mittagspause. bis 16.00 uhr, weil volksdemokratie und siehe oben.
ganz toll.
to be continued.
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