Donnerstag, 25. Mai 2006
fragen sie doch ihre apothekerin! I
heute in der apotheke des vertrauens, eine neue mitarbeiterin (pharmazeutin), im weiteren a. genannt, bedient vor frau kelef eine kundin, im weiteren k. genannt. letztere hat ein rezept in der hand und will das, was da drauf aufgeschrieben wurde vom herrn doktor, nunmehr von a. auch haben.

k.: schaut auf das rezept, dreht es herum: ich kann das aber nicht lesen.

a.: nimmt das rezept, schaut es an, dreht es herum, gibt es k. zurück: ich auch nicht.

a. und k. im chor: was mach' ma denn da?

die apotheke ist überfüllt, das wetter des mai nicht würdig, eine unzahl kleiner kinder quengelt rotzend und plärrend herum, die hunt kriegt eine panikattacke, und frau kelef will nur ein schachterl thrombo-ass, liegt in der lade links hinter a.

k.: ich geh zum doktor und frag ihn.

a.: ich kann ihn auch anrufen.

k.: ich hab aber seine nummer nicht.

a.: ich kann nachschauen.

k.: im telephonbuch?

a.: ja, zum beispiel, oder im internet.

k.: geht das?

a.: ja, da kann man telephonnummern auch suchen.

k.: und wo ist das internet?

a.: ja, also wissen sie, im computer.

k..: da passt ein ganzes telephonbuch hinein?

das quäken der rotzigen kinder crescendiert, während die hunt leicht zu zittern beginnt.

frau kelef, ausnahmsweise sehr duldsam, da auf urlaub, fragt, ob sie denn helfen könne.

der chor: warum?

frau kelef: damit es schneller geht.

der chor: warum?

frau kelef: wissen sie, in meinem alter hat man nicht mehr so viel zeit.

der chor: ah ja. und wie wollen sie uns helfen?

frau kelef: vielleicht kann ich ja lesen, was auf dem rezept steht.

der chor: sie können lesen?

frau kelef bemächtigt sich wortlos des rezeptes, wirft einen blick darauf, fast in blockbuchstaben geschrieben stund da: simvastatin, gen., 10 mg, bid.

frau kelef an a.: simvastatin, generikum, 10 mg, zweimal täglich einnehmen.

a.: woran erkennen sie das?

frau kelef: an den buchstaben.

a.: wirklich? an welchen?

k., empört: wie können sie der frau apothekerin sagen, was da steht?

frau kelef: weil die frau apothekerin es nicht lesen kann.

k.: ich ja auch nicht!

das crescendo im hintergrund wird zum crescendissimo, die hunt beginnt zu winseln, und frau kelefs blutdruck beginnt zu steigen.

a.: ja, das kann simvastatin heissen. und gen.?

frau kelef: na ja, genetiv, gender, genesen, aber nach einem wirkstoffnamen auf einem rezept usuellerweise generikum.

a.: ja?

k.: wirklich?

der chor: sowas ...

frau kelef: geben sie der frau das jetzt, bitte?

die altgedienten apothekerinnen und apothekenhelferinnen kennen frau kelef seit jahren und beginnen leise zu scandieren: ja, bitte, danke, sehr gut ... weiter so!

die uralte apothekenbesitzerin pirscht sich aus dem hintergrund an, lugt um die ecke, grinst mir ins gesicht: ah, sie, gott sei dank, wenigstens kommen die anderen zum arbeiten! und verschwindet wieder in ihrem büro.

a.: sind sie sicher?

frau kelef: dass sie der kundin das geben sollen? ja!

a.: warum?

k.: ja, warum?

frau kelef zu k.: weil sie zu viel cholesterin haben.

k.: woher können sie das wissen?

frau kelef: na ja, wenn sie ein medikament verschrieben bekommen, das cholesterin senkt ...

k. zu a.: die frau kennt sich aber gut aus.

frau kelef zu a.: können sie ihr bitte, bitte jetzt ein generisches simvastatin, 10 mg, geben, und früh und abends draufschreiben, kassieren und mir bitte ...

a.: wieso früh und abends?

frau kelef: bid heisst bis in die, zweimal täglich. das ist latein.

a.: aha.

k.: aber ich will nicht irgendein sim...sim...bim... naja. ich will was gutes.

a.: ähhh

frau kelef: das IST was gutes.

das winseln der hunt wird lauter, ihr zittern verstärkt sich. ein kind, dessen mutter mit ihm hinter frau kelef wartet, verliert einen zahn und spuckt blut.

k.: ja, weil, die ärzte schreiben immer so was nachgemachtes auf. und das wirkt dann nicht, das sind alles fälschungen! ich will was ordentliches! geben sie mir nicht das, was der doktor aufgeschrieben hat.

frau kelef: der doktor hat nur den wirkstoff aufgeschrieben, nicht die firma.

k.: und warum steht dann da das, was sie gesagt haben?

a.: ja, warum?

frau kelef: geben sie der frau jetzt ein simvastatin, 10 mg, und zwar schnell?

a.: zu k.: ich schau ihnen jetzt in der liste nach, was das beste ist, und das gebe ich ihnen dann.

die ca. 30 kunden, die ebenfalls warten, laut und empört: so eine schweinerei, so ist das, das weiss ja keiner, die apotheker können in der liste nachschauen, was hilft und was nicht! da gibt es gute und schlechte sachen? ich will das nicht, was der doktor mir aufgeschrieben hat, geben sie mir auch was, was wirkt! wenn sie eh in der liste nachschauen können! so eine sauerei! nur weil ich pensionist/jugoslawe/arbeitslos/putzfrau/krank/gesund/alt/jung/... bin! mit mir können sie das nicht machen! ich geh mich in die kammer beschweren (anm.: hoffentlich in die besenkammer) ...

die hunt bricht halb bewusstlos nieder, in frau kelefs augen platzen wieder einmal ein paar äderchen, und die uralte apothekenbesitzerin verriegelt sicherheitshalber ihre bürotür - von innen. das kind mit dem verlorenen zahn sucht ebendiesen zwischen den herumtrampelnden füssen der erregten apothekenkunden, und blutet noch immer aus dem mund. hoffentlich nur wegen der zahnlücke.

eine türkische mutter lässt sich nieder, nimmt die rechte brust aus der bluse, dockt ihren säugling an und verfolgt interessiert und verständnislos das geschehen.

ein opa im rollstuhl verfärbt sich zartblau, ein choleriker dunkelrot und frau kelef giftgrün. mindestens drei der quengelnden, rotzenden kinder haben in der zwischenzeit unüberriechbar die hosen voll. die hunt beginnt zu bellen, und zur abwechslung zittern jetzt alle apothekerinnen und apothekenhelferinnen, und zwar synchron.

a. zu k., in der apothekenpreisliste blätternd: jetzt weiss ich nicht, in welcher liste ich am besten nachschauen soll, damit ich ihnen nicht was falsches geb. mein gott, ist das heute wieder laut da. dass die leut immer alles so kompliziert machen müssen, keiner weiss, was er will!

zu diesem zeitpunkt verliessen frau kelef und die hunt die apotheke fluchtartig und aus medizinischen gründen, man könnte auch sagen, in rücksichtsloser auslebung ihres selbsterhaltungstriebes. die hunt ist ja auch schon dreizehn.

die neue apothekerin, übrigens, so erfuhren wir als wir nach einem sedativ-achterl (es könnten auch zwei gewesen sein) für mich und einer portion faschiertem für die hunt wiederkehrten, absolviert ihr apothekenjahr woanders. sie war zwar wärmstens empfohlen worden, vom bekannten vater, aber weil ja doch nicht so viel zu tun ist derzeit, und so ...

die thrombo-ass musste ich bezahlen, das flascherl baldrian war gratis. die katzen haben sich also mitgefreut, immerhin. das bleibt unsere apotheke des vertrauens, die damen dort hatten diese strafe nicht verdient, das sind nämlich ganz liebe und kompetente.

die kundin hat dann doch noch einmal ihren arzt aufgesucht, wurde berichtet, sie hatte noch vergessen sich ihre antidepressiva verschreiben zu lassen. hoffentlich schreibt der doktor ihr ein generikum auf.

und vergessen sie nicht: wenn sie in der gebrauchsinformation etwas nicht verstehen, fragen sie ihre apothekerin. sie haben ja hoffentlich eine andere.

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gabs eigentlich schon mal eine fernsehserie über das wienertum, die sich um eine apotheke gerankt hätte? bezirksgericht und so hatten wir ja schon, aber szenen einer apotheke wären auch mal nett.

obiges wird dann das drehbuch zum pilotfilm.

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Neulich sagte eine Patientin zu mir:
"Aber geben sie mir bloß ja nix von Ratzjofarm. Ratzjofarm wirkt bei mir nicht."
Auf die Frage, welches Medikament von dieser Firma bei ihr denn "nicht wirken" würde, meinte sie "Alle! Ratzjofarm vertrag ich nicht!"
Wie sich später herausstellte, war es damals ein Antihypertensivum.
Momentan litt sie aber unter einer dezenten Lumboischialgie. Dass man die in aller Regel nicht mit Antihypertensiva behandelt, war ihr nicht beizubiegen und dass es doch wohl eher eine Frage des Wirkstoffes und nicht der Firma sei, ob ein Medikament wirkt oder nicht, war ihr auch nicht zu erklären.
Aus den Fusseln, die ich mittlerweile am Mund habe, könnte ich glatt Zöpfe flechten.

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sollten die fusselzöpfchen dann mascherln brauchen, falt ich welche aus ein paar ungelesenen beipackzetteln.

aber mündig sind sie, die patienten und -innen. und deshalb dürfen die ja auch bei behandlung und medikation mitreden, dürfen die, wegen der mündigkeit.

eins am tag, wenn's dich juckt, geh zum bader. aber ich wiederhole mich.

manche patienten sollten sich allerdings von der apothekerin beraten lassen. ich kenn da eine.

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Liebe Frau Kelef, ich täte doch eine andere Vertrauensapotheke suchen. Denn:

1) täte man in einer guten Apotheke nicht so ein Stubenküken uninstruiert und unbeaufsichtigt auf wehrlose Kunden loslassen
2) wenn schon, täten die andern ApothekerInnen inzwischen andere Kunden bedienen, inkl. Frau Kelef, statt Choristen in dieser Tragikomödie zu spielen
3) täte die uralte Apothekenbesitzerin rettend eingreifen, wenn 1) und 2) nicht funktionieren.

Oder ist das am Ende doch die beste Apotheke in Wien?

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die apotheke ist schon in ordnung, und die besitzerin auch. das traumgeschöpf wurde probehalber ein-, und anschliessend auch gleich wieder ausgestellt.

bei der einstellung handelte es sich um eine gefälligkeit gegenüber dem mit der besitzerin verwandten vater (verwandte kann man sich nicht aussuchen, meinte die besitzerin).

und die anderen damen bedienten ja fleissig die restlichen kunden. nur dass die vor lauter zuhorchen und -schauen halt dann ein wenig länger brauchten als sonst.

wenn ich zeit hab, und lust und laune, machen mir solche sachen nicht wirklich was aus:
1) interessiert mich immer, was so kreucht und fleucht auf wiens strassen
2) komm ich so immer an informationen, an die ich sonst nicht komm
3) hab ich ja meinen spass dabei, bis zu einem gewissen grad
4) kann in solchen fällen der kunde viel leichter agieren als die angestellten
5) krieg ich ja meist eine belohnung - die katzen haben immer noch freude am baldrian
6) wie käm ich sonst zu meinen geschichten? ich werd mir doch keine ausdenken, dann artete die bloggerei ja in arbeit aus.

fazit: passt schon. bleibt die apotheke meines vertrauens, aus vielen sehr guten gründen seit vielen jahren. und das reizende geschöpfchen ist ja nicht mehr dort, ihr gastspiel dauerte nur drei tage, dann kam ich.

schlimm sind ja eigentlich die unbedarftheit, mit der viele von den universitäten entlassen werden, die masslose falscheinschätzung der eigenen fähigkeiten resp. der fähigkeiten der nachfahren, und die erpresserische rücksichtslosigkeit, mit der in zeiten wie diesen jobs gefordert werden. wie die alte apothekenbesitzerin ja auch sagte: "eine, die apothekenhelferin gelernt hat, gerne mit menschen umgeht und ein wirkliches interesse an dieser art von arbeit hat ist mir zehnmal lieber als so ein studiertes tramperl."

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