Donnerstag, 1. Juni 2006
goldenes wienerherz, eingebürgert
der türkische fleischhauer, dessen nette, höfliche und kompetente art mit der qualität seiner ware wetteifert. immer entgegenkommend, immer hilfsbereit, nie ungeduldig, für besonders ungeübte kunden gibt er auch gerne detaillierte koch- und bratrezepte aus, schreibt diese gerne sorgsam auf einen zettel.

das ex-jugoslawische ehepaar mit den beiden wohlerzogenen söhnen, das seit jahr und tag die gärtnerei betreibt, in der sie vor zwanzig jahren als hilfsarbeiter angefangen haben - die gärtnerei haben sie in der zwischenzeit übernommen, züchten gemüse und pflanzen, setzen ihren ehrgeiz in besonders schöne bioware und beratung der kunden. wir sind seit jahren per du, heute: komm doch bitte in ein paar tagen wieder, das wetter war noch nicht gut genug für die kräuter, da hättest du keine freude damit.

der türkische ex-rauchfangkehrer, der die gastgewerbeprüfung machte und sich ein kleines restaurant zulegte, weil er vier töchter hat die keine lehrstelle fanden. jetzt lernen die koch/kellner, eine ordentliche ausbildung muss sein, sagt der vater, wir sind ja türken, keine idioten und auch keine schmarotzer. wer essen wilm muss arbeiten.

das chinesische ehepaar, das vor zwei wochen das restaurant an einen neuen geschäftsführer übergeben hat, nach dreissig jahren. mein mann kann einfach nicht mehr in der küche stehen, hat seine frau weinend gesagt, er ist schon alt, jeden tag seit dreissig jahren in der küche, von zehn uhr früh bis elf uhr abends. für jeden stammgast noch ein kleines abschiedsgeschenk, und ein extra danke schön. nein, wir werden uns nicht mehr sehen, ich muss mich jetzt um meinen mann kümmern, er konnte ja nie krank sein in der ganzen zeit, jetzt muss ich einmal mit ihm zu den ärzten gehen, er muss einfach wieder gesund werden.

ignacj, der serbe mit dem käppi und dem sorgsam gepflegten bart, der seit ein paar jahren in der wohlverdienten pension ist, mühsam am stock geht, immer noch nicht richtig deutsch kann. aber freundlich grüssen kann er immer, und fragen ob er helfen kann, und einem drei türen nacheinander aufhalten, lachend: ich habe ja nur stock in hand, sie so viele sackerl, tschuldigen ich kann nicht tragen in stock auffe.

die tunesischen pizza-kebab-usw.-restaurantbesitzer, ausgesucht höflich, nie dumme sprüche, aber gerne einmal lokalverbot erteilend an menschen, die sich nicht ordentlich benehmen oder den jungen mädchen von der nahegelegenen schule blöd hinterherreden.

die tschechische frau in der putzerei, die ich heute fragte ob sie mir vielleicht ein paar drahtkleiderbügel verkaufen tät, die man normalerweise mit den geputzten kleidern kriegt, nur ich nicht, weil ich keine chemische putzerei vertrage. sagt sie: die können wir nicht verkaufen, aber ich kann ihnen ein paar schenken. sag ich: oh, das ist aber sehr lieb von ihnen. sie schenken mir die kleiderhaken, und ich geb' ihnen was für die kaffeekasse. gibt sie mir dreissig kleiderhaken, sagt: sind das genug? sag ich: oh ja, vielen dank! und geb ihr fünf euro. sagt sie: nein, das geht nicht, drei sind genug, das ist aber sehr nett von ihnen.

die russische lehrerin für literatur, die in einem kleinen stoffgeschäft als verkäuferin arbeitet: wissen sie, hier in österreich geht es mir besser als zu hause. arbeiten muss ich überall, das macht nichts, aber ich kann hier so viel lernen, auch sprachen, und ins kino gehen, in den bibliotheken gibt es so viele bücher, schauen sie, was ich mir wieder ausgeborgt habe. dann tratschen wir ein wenig, und dann sagt sie: warten sie, bitte, kurz. und kommt nach ein paar minuten mit russischem tee und gebäck zurück, und wir reden weiter, über russland, und warum sie es verlassen hat, und so. nach zwei jahren spricht sie fast akzentfrei deutsch, jetzt macht sie gerade einen englischkurs, zur auffrischung, sie will so viele bücher auch im original lesen.

der baschkirische jude, der - natürlich - schuster ist, sich roberto nennt und in der zwischenzeit ein kleines schuhgeschäft hat mit "verrückte preise". keiner repariert schuhe so gut, schnell und preiswert wie er, die schuhgeschäfte schicken die kunden direkt zu ihm. ein paar leute, von denen er weiss, dass sie kein geld haben, kriegen die reparaturen immer wieder umsonst oder um den halben preis, höchstens. wos soll ich tun? wirft er grinsend die hände hoch, ich weiss, wie das ist, wenn man nichts hat. in seiner werkstatt sitzen immer ein oder zwei landsleute, die das handwerk beherrschen, und aus den seltsamsten ruinen immer noch wieder schuhe machen.

wollte ich auch alles einmal erwähnt haben, hier in aller öffentlichkeit.

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