Dienstag, 23. Mai 2006
to mi nje lecker!
sagte vor kurzem dominik, der zweisprachig (deutsch und polnisch) erzogene sohn von frau kelefs freundin m., und wollte damit sagen "das schmeckt mir nicht".

dominik ist fünfeinhalb, und eigentlich ist polnisch seine muttersprache. da er so wie seine mutter in österreich lebt, wird aber zu hause so gut wie immer deutsch gesprochen, ebenso natürlich im kindergarten. nur seine oma macht da oft eine ausnahme.

seine mutter bemüht sich, ihr deutsch zu perfektionieren, und entsprechend auch das ihres sohnes.

leider bringt der knabe wunderhold aus dem kindergarten dann immer wieder die derzeit modernen ausdrücke mit, die er dann so lange verwendet, bis auch seine mutter infiziert ist, und die oma sowieso gleich mit.

und dann entstehen sätze wie der obige. grausam.

lecker ist für frau kelef ja sowieso ein reizwort erster güte, und das hat eine lange geschichte.

frau kelefs mutter brachte oft mahlzeiten aus der bank in der sie arbeitete mit nach hause, oft unbekannte speisen, auf die frage "wie schmeckt das" kam dann die antwort "gut". himmel arsch und zwirn, was sollte man sich darunter vorstellen? süss, salzig, scharf, gemüsig, käsig, fleischig, vegetarisch, ...? die abneigung gegen "gut" erfuhr ihre steigerung, als sie die beschreibung präzisierte mit "aus der bank, aber guuuut!". dieses "aber guuut" hatte meist etwas damit zu tun, dass z.b. im kaiserschmarren vanille war, und noch heute führt eine ganz bestimmte betonung von "aber guuut", in welchem zusammenhang auch immer, dazu, dass frau kelef geschmack und geruch von vanille zu verspüren meint. pfui deibel, dabei mag sie gerade noch vanillekipferln und vanillepflanzen, und das war es dann mit der vanille. und vanille im kaiserschmarrn ist eine todsünde, ihrer meinung nach.

schon damals hatten frau kelef, ihr vater und ihr bruder (die reihenfolge dürfen sie sich aussuchen) allergische reaktionen. "wenn es dir schmeckt, heisst das nicht, dass es uns schmeckt. also bitte, sag wo das zeug herkokmmt, und was es ist, was schlechtes wirst du uns ja nicht auf den tisch tun!" - na ja, konnte man nicht so sicher sein, das kochrepertoire von frau kelefs mutter war, sagen wir einmal, nicht sehr gross. aber das nur nebstbei.

nun ward (verstehen sie dieses wort in ihren kreisen, ja? das heisst: wurde) frau kelef zu ihrem entsetzen vor einiger zeit schon der tatsache gewahr, dass im österreichischen sprachgebrauch "gut" immer öfter durch "lecker" ersetzt wird. in deutschland kann man ihrethalben lecker sagen, so oft man will, obwohl sätze wie "da hat mama leckeren kuchen gebacken, und dann haben wir lecker teezeit gemacht, das hat uns lecker geschmeckt" ja nicht wirklich von wortgewalt zeugen, und einen gewissen schauder des entsetzens über frau kelefs rücken jagen. aber soll sein.

aber wie klingt denn das, mit wiener dialekt noch dazu: "wir haben leckeren guglhupf gegesssen". und no na, grauslichen, schimmeligen, vertrockneten werden wir gegessen haben. "wir haben alles aufgegessen, das war sehr lecker". no na, wir haben den mist restlos hinuntergewürgt unter auferbietung allen mutes, obwohl es uns geschüttelt und gewürgt hat. "mutti macht lecker palatschinken" - was heisst das denn eigentlich? dass muttis palatschinken von exorbitant hoher qualität sind? dass sie dem kinde munden? dass palatschinken sehr beliebt sind? dass mutti beim palatschinkenmachen appetitlich aussieht? dass das kind sich auf das essen freut? in frau kelefs fall vielleicht auch noch, dass keine vanille drinnen ist (gehört ja sowieso nicht hinein, aber was weiss ein fremder in zeiten wie diesen). möglicherweise soll auch zum ausdruck gebracht werden, dass die palatschinken nicht aus irgendeiner fertigmischung hergestellt wurden; oder auch, dass vati beim anblick der palatschinkenmachenden mutti auf ideen für nach-dem-licht-ausmachen kommt ...

gibt es als beschreibung für ein nahrungsmittel oder gerichte nur mehr "lecker" oder "nicht lecker"? und wenn ja, woher kommt das?
nähern wir uns einer biblischen deine-rede-sei-ja-ja-und-nein-nein - sprache? gibt es bald nur mehr
in oder nicht in
cool oder nicht cool
angesagt oder nicht angesagt
lecker oder nicht lecker
und so weiter, je nach in-wort (und was ist eigentlich das deutsche gegenteil von in-wort? aus-wort oder raus-wort oder hinaus-wort oder draussen-wort ?) der saison?
sind hummer für eiweissallergiker einfach nicht lecker, ebenso wie versalzene torte und verbrannte schnitzel und verschimmeltes gemüse? während z.b. alko-pops, weil gerade in (oder was ist diesen monat das richtige wort?) lecker sind, ebenso wie döner und pizza? in einem jahr dafür ist döner nicht lecker, aber sushi?

o tempora, o mores.

frau kelef geht jetzt übrigens lecker essen in das leckere lokal an der ecke, sie wissen schon, wo es immer die leckeren menüs gibt, die so lecker schmecken, und den leckeren wein. neulich: leckeres risotto mit lecker geegrilltem fisch. hat das lecker geschmeckt.

ich präferier' (verstehen sie dieses wort ihren kreisen, ja? das heisst vorziehen, den vorzug geben) ja eher folgende formulierung:

ich geh jetzt in mein stammbeisl am eck, in dem mir das essen immer so gut schmeckt. sie wissen schon, wo es immer ausgesuchte menüs nach meinem geschmack gibt, und den jugoslawischen vranac. neulich hatten sie da bärlauchrisotto mit gegrillten, eingelegten tomaten und wiesenchampignons, und dazu auf dem lavagrill gebratene zanderfilets. mir läuft heute noch das wasser im mund zusammen beim gedanken daran.

oh, und fühlen sie sich durch die vielzitierten kreise nicht persönlich angesprochen, die meisten von ihnen jedenfalls. die, die es angeht, merken es aber wahrscheinlich sowieso nicht. die kreisen vermutlich, um sich selbst oder so.

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