Montag, 9. Februar 2009
frau kelef sucht arbeit I
frau kelef ist ja nun seit einigen monaten arbeitslos, wie wir wissen. politisch korrekt heisst das natürlich arbeitssuchend, wie wir ebenfalls wissen.

um den formalitäten genüge zu tun, den vorschriften zu entsprechen und vor allem, um eine sozialversicherung zu haben und die arbeitslosenunterstützung zu erhalten, meldet man sich solchenfalls in wien/mitteleuropa am arbeitsamt an. so geschehen am 31. juli 2008.

nach genauem studium der mitgebrachten unterlagen meinte die wirklich sehr freundliche und entgegenkommende dame, mit mir hätte sie grosse freude, aufgrund der 50% erwerbsunfähigkeit und der diversen wehwehchen sowie der besonderen anforderungen an den arbeitsplatz, aber auch wegen der ärztlichen bescheinigung, solange das linke oberlid über die halbe pupille hänge sei ein bildschirmarbeitsplatz nicht möglich, da sei sie, die sehr nette dame, nämlich nicht zuständig. da müsse ein sonderbetreuer betraut werden mit der arbeitsvermittlung. nun denne. termin für mitte september.

frau kelef erscheint dort wie bestellt, und der sehr nette herr w. schaut und liest und fragt und so weiter, meint, das oberlid hänge noch immer, ob man da nicht kurzfristig was dagegen tun könne. ja logisch, meint frau kelef, mit einem leukoplast raufkleben, macht aber erstens ein trockenes auge, und zweitens auch ein zugeschwollenes, wegen der allergie gegen die in pflaster enthaltenen klebstoffe (und das noch im gesicht, ich krieg schon die krätze bei einem pflaster auf den händen).

der sehr nette herr w. bedauerte dies sehr, und teilte feierlich mit, dann müsse er umgehend und jedenfalls eine arbeitsmedizinische bewertung einholen, ob frau kelef damit ein problem hätte. nein, natürlich nicht, meinte frau kelef, und lächelte milde. der termin ward auf der stelle vereinbart, für in der woche vor weihnachten, schneller ging das nicht.

in der zwischenzeit könne frau kelef ja ein wenig weiterbildung betreiben, zum beispiel englisch für anfänger. wenn sie meinen lebenslauf und die zeugnisse gelesen hätten, meinte frau kelef daraufhin, und zum lesen habe ich ihnen die ja gerade vorhin gegeben, dann hätten sie daraus aufs allertrefflichste erkennen können, dass ich ein halbes dolmetschstudium in englisch hinter mir habe, und ausserdem in den letzten 25 jahren unter anderem fachübersetzungen, thema medizin, gemacht habe. oh, meinte der herr w., also englisch können sie schon. ja, meinte frau kelef, ein wenig.

da gäbe es noch etwas, meinte herr w., man kann jetzt einen computerführerschein machen, das heisst aber nur so, da lernt man wie man mit einem computer umgeht. sehr fein, meinte frau kelef, aber wissen sie, wenn sie meinen lebenslauf, ... (siehe oben), dann wüssten sie, dass ich den computerführerschein schon seit ein paar jahren habe. und solange ich das linke oberlid über die halbe pupille hängen habe, ist alles was mit länger als eine stunde hinter dem bildschirm sitzen zu tun hat sowieso sinnlos, weil nach dieser stunde hängt mir das linke oberlid über die ganze pupille, und das ist dann doch ziemlich störend.

es wurde dann noch ein kurs gefunden, zu dem man frau kelef schicken konnte, nämlich so ein allround-kurs-vorschlag wo man lernt wie man sich vor- und wieder wegstellt, einen lebenslauf schreibt, interkulturelle kommunikation, normen und werte, etc. kennenlernen kann. ist dringend notwendig für jemanden, der zwanzig jahre lang in internationalen konzernen gearbeitet hat und lauter ausländische kollegen hatte.

frau kelef sagte aber brav zu, vorausgesetzt, sie könne auf den angebotenen sesseln dort dann sitzen. leider hatte frau kelef an den betreffenden zwei tagen aber einen höllischen custer-kopfschmerz-anfall und musste also durch abwesenheit glänzen.

ab oktober war der nette herr w. krank, man konnte ihn nicht einmal über den grund des fernbleibens informieren, die ersatzzuständigen verteilten jeweils zu den vorgeschriebenen terminen einen anwesenheitsstempel und gut.

im anschreiben des arbeitsamtes steht übrigens, dass man versuchen wolle für frau kelef eine stelle als kaufmännische büroangestellte zu finden. hallo? frau kelef und kaufmännische büroangestellte? ob man das berichtigen könne? kann nur der herr w., der ist der betreuer von frau kelef, und krank. bleibt also stehen.

frau kelef bemüht sich auch selber um eine neue arbeitsstelle, aber leider ist das, was sie bis jetzt gemacht hat eine ziemlich medizinische oder mit medizin(ern) verbundene sache, und hat sehr viel mit genauigkeit, internationalen datenbanken, marginal auch mit korrekturlesen zu tun, was alles nicht mit diesem verd... hängenden oberlid zu vereinbaren ist, weil immer wieder buchstaben zu einem fleck zu verschwimmen scheinen und dann statt dreiecksständer drecksständer (werbeplakate anlässlich der wahlen) gelesen wird, oder mg statt mcg (also milligramm statt microgramm), und 3 und 6 und 8 und 9 schauen auch ziemlich gleich aus, so wird das nix. nicht einmal lügen geht, weil, in den möglicherweise als potenzielle arbeitgeber ins auge zu fassenden firmen sitzen aus gegebenem anlass sehr viele mediziner, und denen genügt ein blick um zu sehen dass ... (siehe oben). auch die arthritisch verbogenen fingerchen sind so gut wie nicht zu verstecken, es sei denn, man setzt sich drauf, das kommt aber auch nicht sooo gut.

die untersuchung im dezember war interessant, weil, kaum die tür des zimmers, in das frau kelef bestellt war, öffnend, frau kelef einen heftigen asthmaanfall kriegte. die damen - es war ja kurz vor weihnachten - die darin residierten hatten mehrere verschiedene duftöllämpchen angeheizt und probierten gerade ein paar verschiedene parfüms aus. danke vielmals. nach einer halben stunde konnte frau kelef dann ihren begehr vorbringen und wurde ins wartezimmer geschickt.

die frau doktor untersuchte frau kelef sehr gründlich, meinte, so was erlebe sie auch selten, weil bei frau kelef sei ja - verbrieft und besiegelt - an allen ecken und enden was im argen, sie täte ihr ja eigentlich richtig leid. und ob frau kelef was dagegen hätte, sich auch noch einer neurologischen untersuchung zu unterziehen, das sei eine heikle sache, weil es gäbe keinen neurologen sondern nur einen psychiater an dieser amtsstelle. frau kelef hat nix zu verbergen, und willigt ein.

vier tage später also wieder dort, am anderen ende von wien. pünktlich war doppelt unterstrichen vor der angegebenen uhrzeit, und also musste frau kelef nur eine stunde warten. der psychiater hatte einen zettel mit kasteln zum ankreuzen, und stellte die entsprechenden fragen: wie geht es ihnen? - beschissen, wenn ich eine stunde in einem überheizten gang mit ohne klimaanlage auf einem sessel, der mir fast das kreuz bricht, warten muss. - äh, ja, und sonst? - beschissen, wenn jemand sagt ich soll nicht so ein gesicht schneiden. - na ja, aber solche menschen sind ja eigentlich unter jeder kritik, wer sagt denn sowas? - mein bruder, dann hab ich ihn einen trottel genannt und seither reden wir nicht mehr miteinander. - sind sie oft aggressiv? - nur, wenn mich jemand grundlos ärgert und ich mich nicht umdrehen und gehen kann. - haben sie probleme mit alkohol? - ja. - JA? GUT? ERZÄHLEN SIE EINMAL! - na ja, wenn ich zuviel trinke, ist mir am nächsten tag totenübel. - äh? und was machen sie da? - ich trink einfach nicht zuviel. - nie? - ganz und gar nie. - äh ...

dann das übliche, rauschgift, selbstmord, medikamentenmissbrauch, alles nach liste hinterfragt und angekreuzelt. das auge, könne er sich vorstellen, sei aber nicht von der operation so sondern von einem schlaganfall. hat frau kelef aber keinen gehabt, tut sorry, ob sie sicher sei, ja, ist sie, ganz bestimmt. er könne sich aber vorstellen ... schon möglich, meint frau kelef. - was? - na, dass sie sich das vorstellen können. - ja? - ja.

nun, es ward also in der woche vor weihnachten weiter gekreuzelt, und man versprach frau kelef eine umgehende ausfertigung und zusendung der evaluierung ihres gesamtheitlichen gesundheitszustandes.

am vorigen freitag nun, frau kelef ist wie bestellt am arbeitsamte, und der nette herr w. sitzt tatsächlich wieder in seinem zimmer. das arbeitsmarktservice ist ja voll computerisiert, und also konnte der nette herr w. frau kelef glaubwürdig versichern, dass ihm die kollegenschaft, die ihn vertreten hatte, für ein und denselben tag für ein und dieselbe uhrzeit fünf klienten eingeteilt habe, und im übrigen so weiter im halbstundentakt, und das ginge ja nun gar nicht, was frau kelef auch verstand.

die karte der frau kelef, die die notwendigen stempel zu erfassen hat, wurde also an einen weiteren, sehr netten kollegen weitergegeben. der hat die evaluierung des kelefschen gesamtgesundheitszustandes zwar seit drei tagen im computer, kann frau kelef aber keine auskunft geben zu dieser thematik, das stünde ihm und ihr nicht zu. da sei höchstens der herr w., der aber keine zeit habe, weil erst seit drei tagen wieder da und überbelastet, möglicherweise zuständig. die arbeitsmedizinische bewertungsstelle werde das aber irgendwann einmal vielleicht sowieso direkt an frau kelef schicken, das begutachtungsschreiben. eine änderung von "kaufmännische büroangestellte" (wie um alles in der welt sind sie denn darauf gekommen, fragte frau kelef übrigens mehrfach. - na, das was sie gemacht haben kennen wir nur von autos. - wie bitte? - na ja, so ähnlich halt, und bei ihrer firma ist ja kollektivvertrag handel, deshalb. - na dann.). es seien für die arbeitssuche derzeit übrigens schwere zeiten, meinte der nette herr vertretung. dem konnte frau kelef zustimmen, besonders in einer branche, in der merger und zusätzlich entlassungen von nicht unter 10% der belegschaft an der tagesordnung sind, und hauptsächlich junge, kostengünstige arbeitskräfte gescuht werden, am liebsten über eine leiharbeitsfirma, da spart man sich dann die abfertigungen.

nächster termin: ende märz.

der versuch, fünf minuten vor zwölf (im wahrsten sinne des wortes) am freitag noch jemanden bei der arbeitsmedizinischen begutachtungsstelle zu erreichen, scheiterte kläglich.

aber es ist ja noch nicht aller tage abend, und als arbeitssuchende hat man ja sonst nix zu tun.

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Der
erste Schritt zur Europäischen Union ist bereits getan: man hat die Wirkungsweise der Arbeitsämter schon gleichgeschaltet auf Europaebene aneinander angepasst.

Ich erinnere mich nur an den Satz meiner Beraterin, als ich als 42jähriger Diplomingenieur mich arbeitslos meldete. Der lautete: "Sie wissen aber schon, dass wir für Sie keine Stelle finden werden?"

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ja, die strengen sich eben an.

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Kann ich ein Lied von singen. Abendfüllend.

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Schöne Geschichte. Verdienen Sie bitte schreibenderweise Ihr Geld.
Was schlagen Sie denn dem AMS vor, das Sie gerne beruflich täten?

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was soll ich denen vorschlagen, was ich gerne täte wenn ich sehen könnte was ich täte, wenn ich was tun könnte? fische kämmen oder flohflöhe dressieren?

und danke für das kompliment.

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Socken stricken!
(Ich hätte da Informationen zum Gründerprogramm ;-)

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So wie ich kennen gelernt habe (und hier schon seit längerem), haben Sie doch perfekte Kommunikationsfähigkeiten, gepaart mit langer Berufserfahrung. Pfeifen Sie auf die Arbeitsamtangebote und telefonieren selber zu den interessanten Firmen durch. Die Zeiten sind aktuell gar nicht so übel, man darf sich die Wirtschaftskrise nicht zu eigen machen (lassen).

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herr schmerles, die firmen kontaktieren ist nicht das problem, die haben derzeit aber alle aus guten und triftigen gründen aufnahmesperre, und wenn die wen suchen, dann möglichst billig über zeitarbeitsfirmen als aushilfen zum datenbankenfüttern oder korrekturlesen und druckfreigaben. dafür wird mir aber keine firma einen spezialarbeitsplatz einrichten, was ich meinerseits ja voll und ganz verstehe, so ist es ja nicht.

ich telefonier ja mit vielen kollegen von der ex-konkurrenz immer wieder, und höre überall das gleiche. und in absehbarer zeit kommt schon wieder ein gutes dutzend aus meiner spezialbranche auf den freien markt, zusätzlich zu den zwei dutzend die gerne auch würstel verkaufen täten wenn man sie denn liesse. die sind alle jünger und billiger als ich, und ziemlich verzweifelt und nehmen alles was geht, was ich auch wiederum verstehe. das gleiche erzählen mir auch die amtlichen stellen, mit denen ich ja auch lange genug guten kontakt pflegte.

und wölfchen, ich jammere nicht, ich prangere an, das ist was ganz anderes. weder verhungere ich, noch habe ich schulden abzubezahlen oder kinder zu erhalten. soll dem vernehmen aber menschen geben, die genausowenig für ihre situation können wie ich und weitaus mehr darunter leiden. und wenn man denen, die sich womöglich weniger helfen können als ich dann so wenig unterstützung angedeihen lässt, dann aber oha.

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Sie jammern nicht, ich wollte denen von Ihrem Arbeitsamt nur sagen, was für :Luschen! Dass Ihr nicht erkennt was Euch gegenüber sitzt. Die kelef steckt Euch doch alle in die Tasch!

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"Die kelef steckt Euch doch alle in die Tasch!"

Und genau das ist das Problem. Diese Typen wissen genau wie unterlegen sie ihren Gegenüber meist sind.
Da macht es doch richtig Spass seine Macht auszuspielen.
Das tun sie dann auch.
Angefangen vom "kleinen" Schalterbeamten bis zur Psychologin.
Könnte letztere was wäre sie nicht beim Amt.

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