Sonntag, 1. Februar 2009
nebel des grauens
kelef, 01:34h
weil dieser tage diese geschichte nebel auf der autobahn doch ziemliche wellen schlug hier, erinnerte sich frau kelef wieder einmal an was.
anno dunnemals, als frau kelef in der schönen ddr arbeitete, da fuhren sie und m. so oft es ging nach wien, da frau kelefs tochter ja wegen schule und so bei der frau, die frau kelef geboren hatte, geblieben war. das kind bei dieser frau zu lassen war zwar einer der grössten fehler, um nicht zu sagen der grösste, den frau kelef je begangen hat in ihrem leben, aber das war damals nicht absehbar. vor allem aber war frau kelef damals noch sehr viel jünger als heute und hatte einfach noch zu viel glauben an verstecktes gutes im menschen, und so, und glaubte auch noch an dinge wie anstand und ehre. das legte sich aber mit zunehmendem alter.
von eisenhüttenstadt mussten wir damals über frankfurt/oder, dann richtung berlin, berliner ring, dann transit richtung hof, dort über die grenze, dann durch die brd, dann durch österreich. transit für die tschechoslowakei war zu kompliziert wegen der visa, also lange strecke fahren.
einmal - es muss uns der teufel geritten haben - beschlossen wir aber uns einen zusätzlichen urlaubstag zu genehmigen und die schwester von m., die in der nähe von hagen lebte, kurz zu besuchen, relativ besehen ja kein grosser umweg.
für heimreisen hatten wir einen mercedes 280 SE angeschafft, mit allem pipapo, vor allem aber mit einem reservetank (sprit in der ddr mit ostmark zahlen und dann mit ostbenzin die gesamte strecke fahren zu können hatte ja was), und sitzen aus einem 450-mercedes, bequemer als jede sitzgarnitur. in der ddr fuhren wir mit meinem alten lada, der allerdings für längere strecken nur als nierensteinentferner zu gebrauchen war, und wir hatten ja gar keine.
innerhalb der ddr galten damals 100 kmh, bei 135 kmh mussten ausländische arbeitskräfte wie wir das land innerhalb von 24 stunden verlassen, die geldstrafen durften zwar in ost bezahlt werden, waren aber bis zu 3.000.--, das war jetzt nicht unbedingt erstrebenswert.
meist hatten wir die arbeitsteilung: die disziplinierte frau kelef fährt ddr, m. fährt brd, österreich teilen wir uns.
an jenem tag, da wir also richtung hagen fuhren, hatte m. tags zuvor etwas gegessen das seinem zarten organismus gar nicht wohlgetan hatte, man könnte auch sagen, er hatte eine ziemliche magen-darm-verstimmung, höflich ausgedrückt. ergo fuhren wir ein wenig später weg, und frau kelef dann doch ein wenig schneller, so mit 120, was ja immer noch das auto ächzen liess, denn das war so ein tempo für eigentlich den dritten oder vierten gang (bloss nicht bremsen, immer nur auskuppeln und runterschalten wenn was verdächtiges unterwegs ist). der phantasiebegabte autofahrer kann sich vorstellen, dass ein paar hundert kilometer bei nacht auf einer fast leeren autobahn mit einem 280 SE bei diesem tempo anstrengender sind als so richtig gas geben. nun war aber bekannt, dass ddr-autobahnen keineswegs einer west-autobahn gleichzusetzen waren, da gab es wendestellen mitten auf der strecke, querverkehr, militärisches sperrgebiet auf beiden seiten, ganz und gar keine pannenstreifen oder bankette, gerne auch wildwechsel oder einfach ein schild "30 kmh hier jetzt und auf der stelle" (fünf meter dahinter war dann irgendwas, eine bodenwelle, ein 30 cm tiefes loch in der strasse, ein autowrack, oder eine baustelle, jedenfalls hatte das volksdemoktratische hier und jetzt IMMER einen guten grund). man fuhr also gewohnt aufmerksam und vorsichtig, stets einer kontrolle gewärtig oder eines sonstigen unliebsamen ereignisses.
die nacht war trocken, der himmel klar, der vollmond leuchtete vom himmel, und jede menge sterne waren zu sehen. natürlich hätte es frau kelef stutzig machen können dass auf der unbekannten strasse plötzlich weniger schlaglöcher waren als woanders üblich. es hätte frau kelef auch nachdenklich stimmen können, dass rechts und links schilder mit "militärischer sperrbezirk" standen. aber frau kelef war müde, konzentrierte sich auf die einhaltung der verkehrsregeln und hatte noch ein paar hundert kilometer vor sich, wie es aussah, denn der m. hatte endlich genug von den boxenstops, oder schlichtweg nichts mehr in sich, und schlief in dem zurückgelegten sitz neben frau kelef friedlich und ruhig. auch eine tafel mit "kurve nach rechts" liess nichts böses ahnen, frau kelf ging aber mal sicherheitshalber runter auf 80, und lenkte um die ecke.
nach 50 metern muss jemand ein leintuch über das auto geworfen haben, denn rundum war es draussen: weiss und undurchsichtig. sehr weiss. und sehr undurchsichtig. der mercedesstern auf der kühlerhaube (den wider erwarten noch keiner geklaut hatte) war unsichtbar. frau kelef also brachte das auto (das ja leer alleine schon über 1,6 tonnen hatte) zum stehen, letztlich etwas ruckartig, und atmete tief aus. während sie sich noch den angstschweiss von der stirn wischte wachte m. ebenso abrupt auf wie das auto stehengeblieben war, fuhr in die höhe, schnappte nach luft und sagte "scheisse. ich muss mal." er öffnete die wagentür, stieg aus und war weg. ich meine, so richtig weg. putsch bumm und fort. ein vorsichtiges tasten mittels regenschirm nach draussen brachte das ergebnis: links offensichtlich strasse, rechts offensichtlich nichts. wo war m.? wo, um alles in der welt, war m.? frau kelef stieg ebenfalls aus, tastete sich mit taschenlampe und regenschirm langsam um die karosse herum, sichtweite ungefähr 50 cm, alles weiss. es roch ein wenig merkwürdig. links, vorne, hinten: strasse. rechts aussen: ein loch in der landschaft. "m.?" nichts. "M:?". nichts. nach ein paar minuten: "ich bin da wo hinuntergefallen, in ein gebüsch. wirfst mir bitte eine taschenlampe und klopapier herunter?"
m. kam dann irgendwie wieder hoch, die taschenlampe war nur von mässigem nutzen, aber an frau kelefs lieblichem gefluche konnte er sich recht gut orientieren.
nach einiger zeit wurde der nebel weniger undurchdringlich, und wir bewegten uns im schritttempo mit eingeschalteter warnblinkanlage (die sowieso keiner sah) vorsichtig langsam weiter: frau kelef lenkte den wagen, der aus mehreren metern tiefe zerschunden und zerkratzt wieder aufgetauchte m. ging voraus und dirigierte. gott sei dank hatten wir mehrere taschenlampen mit (eigentlich für jemand besorgt und vergessen auszuladen, in so einem auto ist ja für vieles platz).
wir waren mitten in eine militärische übung geraten, der arbeitstitel der veranstaltung war vermutlich "vernebelt die westis" oder so ähnlich, soll dort öfter passiert sein ward unter der hand berichtet. eingeborene wussten darum, um ausländer war sowieso nicht schade. wäre frau kelef damals ein wenig schneller gefahren, oder weniger vorsichtig, oder einen halben meter weiter rechts, könnte dieser eintrag nicht mehr verfasst werden. beim lokalaugenschein ein paar wochen später musste sie nämlich feststellen, dass es da rechts nicht nur nach ein paar metern ein paar büsche gab, die den sehr sportlichen m. aufgefangen hatten, nein, da ging es dann noch ganz schön weiter hinunter, und in einem sich überschlagenden wagen mit zwei randvollen benzintanks ...
eigentlich sollte man ja nun annehmen, dass sowas gar nicht passieren kann. vor allem sollte man aber annehmen, dass die herstellung derartiger nebeldecken ausschliesslich in gebieten zulässig ist, die weit, weit weg von allen zivilisierten lebewesen sind. eigentlich könnte man sich auch vorstellen, dass z.b. auch eine viehherde, die jählings von einem solchen ereignis ereilt wird, irgendwie durchdreht.
stimmen, die meinen, das was da hier vor kurzem berichtet in den medien wurde über kunstnebel und bundesheerübung könne ja so nicht gewesen sein und da hätte sicher wer übertrieben, die mögen also bitte schweigen, freundlicherweise. frau kelef wird immer noch recht mulmig zu mute wenn vor dem fenster nebel ist.
anno dunnemals, als frau kelef in der schönen ddr arbeitete, da fuhren sie und m. so oft es ging nach wien, da frau kelefs tochter ja wegen schule und so bei der frau, die frau kelef geboren hatte, geblieben war. das kind bei dieser frau zu lassen war zwar einer der grössten fehler, um nicht zu sagen der grösste, den frau kelef je begangen hat in ihrem leben, aber das war damals nicht absehbar. vor allem aber war frau kelef damals noch sehr viel jünger als heute und hatte einfach noch zu viel glauben an verstecktes gutes im menschen, und so, und glaubte auch noch an dinge wie anstand und ehre. das legte sich aber mit zunehmendem alter.
von eisenhüttenstadt mussten wir damals über frankfurt/oder, dann richtung berlin, berliner ring, dann transit richtung hof, dort über die grenze, dann durch die brd, dann durch österreich. transit für die tschechoslowakei war zu kompliziert wegen der visa, also lange strecke fahren.
einmal - es muss uns der teufel geritten haben - beschlossen wir aber uns einen zusätzlichen urlaubstag zu genehmigen und die schwester von m., die in der nähe von hagen lebte, kurz zu besuchen, relativ besehen ja kein grosser umweg.
für heimreisen hatten wir einen mercedes 280 SE angeschafft, mit allem pipapo, vor allem aber mit einem reservetank (sprit in der ddr mit ostmark zahlen und dann mit ostbenzin die gesamte strecke fahren zu können hatte ja was), und sitzen aus einem 450-mercedes, bequemer als jede sitzgarnitur. in der ddr fuhren wir mit meinem alten lada, der allerdings für längere strecken nur als nierensteinentferner zu gebrauchen war, und wir hatten ja gar keine.
innerhalb der ddr galten damals 100 kmh, bei 135 kmh mussten ausländische arbeitskräfte wie wir das land innerhalb von 24 stunden verlassen, die geldstrafen durften zwar in ost bezahlt werden, waren aber bis zu 3.000.--, das war jetzt nicht unbedingt erstrebenswert.
meist hatten wir die arbeitsteilung: die disziplinierte frau kelef fährt ddr, m. fährt brd, österreich teilen wir uns.
an jenem tag, da wir also richtung hagen fuhren, hatte m. tags zuvor etwas gegessen das seinem zarten organismus gar nicht wohlgetan hatte, man könnte auch sagen, er hatte eine ziemliche magen-darm-verstimmung, höflich ausgedrückt. ergo fuhren wir ein wenig später weg, und frau kelef dann doch ein wenig schneller, so mit 120, was ja immer noch das auto ächzen liess, denn das war so ein tempo für eigentlich den dritten oder vierten gang (bloss nicht bremsen, immer nur auskuppeln und runterschalten wenn was verdächtiges unterwegs ist). der phantasiebegabte autofahrer kann sich vorstellen, dass ein paar hundert kilometer bei nacht auf einer fast leeren autobahn mit einem 280 SE bei diesem tempo anstrengender sind als so richtig gas geben. nun war aber bekannt, dass ddr-autobahnen keineswegs einer west-autobahn gleichzusetzen waren, da gab es wendestellen mitten auf der strecke, querverkehr, militärisches sperrgebiet auf beiden seiten, ganz und gar keine pannenstreifen oder bankette, gerne auch wildwechsel oder einfach ein schild "30 kmh hier jetzt und auf der stelle" (fünf meter dahinter war dann irgendwas, eine bodenwelle, ein 30 cm tiefes loch in der strasse, ein autowrack, oder eine baustelle, jedenfalls hatte das volksdemoktratische hier und jetzt IMMER einen guten grund). man fuhr also gewohnt aufmerksam und vorsichtig, stets einer kontrolle gewärtig oder eines sonstigen unliebsamen ereignisses.
die nacht war trocken, der himmel klar, der vollmond leuchtete vom himmel, und jede menge sterne waren zu sehen. natürlich hätte es frau kelef stutzig machen können dass auf der unbekannten strasse plötzlich weniger schlaglöcher waren als woanders üblich. es hätte frau kelef auch nachdenklich stimmen können, dass rechts und links schilder mit "militärischer sperrbezirk" standen. aber frau kelef war müde, konzentrierte sich auf die einhaltung der verkehrsregeln und hatte noch ein paar hundert kilometer vor sich, wie es aussah, denn der m. hatte endlich genug von den boxenstops, oder schlichtweg nichts mehr in sich, und schlief in dem zurückgelegten sitz neben frau kelef friedlich und ruhig. auch eine tafel mit "kurve nach rechts" liess nichts böses ahnen, frau kelf ging aber mal sicherheitshalber runter auf 80, und lenkte um die ecke.
nach 50 metern muss jemand ein leintuch über das auto geworfen haben, denn rundum war es draussen: weiss und undurchsichtig. sehr weiss. und sehr undurchsichtig. der mercedesstern auf der kühlerhaube (den wider erwarten noch keiner geklaut hatte) war unsichtbar. frau kelef also brachte das auto (das ja leer alleine schon über 1,6 tonnen hatte) zum stehen, letztlich etwas ruckartig, und atmete tief aus. während sie sich noch den angstschweiss von der stirn wischte wachte m. ebenso abrupt auf wie das auto stehengeblieben war, fuhr in die höhe, schnappte nach luft und sagte "scheisse. ich muss mal." er öffnete die wagentür, stieg aus und war weg. ich meine, so richtig weg. putsch bumm und fort. ein vorsichtiges tasten mittels regenschirm nach draussen brachte das ergebnis: links offensichtlich strasse, rechts offensichtlich nichts. wo war m.? wo, um alles in der welt, war m.? frau kelef stieg ebenfalls aus, tastete sich mit taschenlampe und regenschirm langsam um die karosse herum, sichtweite ungefähr 50 cm, alles weiss. es roch ein wenig merkwürdig. links, vorne, hinten: strasse. rechts aussen: ein loch in der landschaft. "m.?" nichts. "M:?". nichts. nach ein paar minuten: "ich bin da wo hinuntergefallen, in ein gebüsch. wirfst mir bitte eine taschenlampe und klopapier herunter?"
m. kam dann irgendwie wieder hoch, die taschenlampe war nur von mässigem nutzen, aber an frau kelefs lieblichem gefluche konnte er sich recht gut orientieren.
nach einiger zeit wurde der nebel weniger undurchdringlich, und wir bewegten uns im schritttempo mit eingeschalteter warnblinkanlage (die sowieso keiner sah) vorsichtig langsam weiter: frau kelef lenkte den wagen, der aus mehreren metern tiefe zerschunden und zerkratzt wieder aufgetauchte m. ging voraus und dirigierte. gott sei dank hatten wir mehrere taschenlampen mit (eigentlich für jemand besorgt und vergessen auszuladen, in so einem auto ist ja für vieles platz).
wir waren mitten in eine militärische übung geraten, der arbeitstitel der veranstaltung war vermutlich "vernebelt die westis" oder so ähnlich, soll dort öfter passiert sein ward unter der hand berichtet. eingeborene wussten darum, um ausländer war sowieso nicht schade. wäre frau kelef damals ein wenig schneller gefahren, oder weniger vorsichtig, oder einen halben meter weiter rechts, könnte dieser eintrag nicht mehr verfasst werden. beim lokalaugenschein ein paar wochen später musste sie nämlich feststellen, dass es da rechts nicht nur nach ein paar metern ein paar büsche gab, die den sehr sportlichen m. aufgefangen hatten, nein, da ging es dann noch ganz schön weiter hinunter, und in einem sich überschlagenden wagen mit zwei randvollen benzintanks ...
eigentlich sollte man ja nun annehmen, dass sowas gar nicht passieren kann. vor allem sollte man aber annehmen, dass die herstellung derartiger nebeldecken ausschliesslich in gebieten zulässig ist, die weit, weit weg von allen zivilisierten lebewesen sind. eigentlich könnte man sich auch vorstellen, dass z.b. auch eine viehherde, die jählings von einem solchen ereignis ereilt wird, irgendwie durchdreht.
stimmen, die meinen, das was da hier vor kurzem berichtet in den medien wurde über kunstnebel und bundesheerübung könne ja so nicht gewesen sein und da hätte sicher wer übertrieben, die mögen also bitte schweigen, freundlicherweise. frau kelef wird immer noch recht mulmig zu mute wenn vor dem fenster nebel ist.
... comment
langhans,
Sonntag, 1. Februar 2009, 08:44
Noch ein Stück Biografie!
... link
... comment
sheepish,
Sonntag, 1. Februar 2009, 12:31
Nicht lustig!
Aber ich musste stellenweise trotzdem schallend lachen. *g* Und war so spannend zu lesen wie mein Tintenbuch. Herrlich.
... link
kelef,
Sonntag, 1. Februar 2009, 13:59
im nachhinein lach ich auch, wenn ich an den jählings verschwundenen ex denke. aber in dem moment damals war mir eigentlich nach allem anderen zumute.
wenn man so eine situation einmal erlebt hat, dann kann man allerdings - so entsetzlich das geschehene auch ist - nur sagen, gott sei dank ist nicht noch mehr passiert.
und die tante jolesch tät sagen, gott soll abhüten vor allem, was noch ein glück ist.
wenn man so eine situation einmal erlebt hat, dann kann man allerdings - so entsetzlich das geschehene auch ist - nur sagen, gott sei dank ist nicht noch mehr passiert.
und die tante jolesch tät sagen, gott soll abhüten vor allem, was noch ein glück ist.
... link
... comment