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Samstag, 13. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 3
kelef, 15:37h
guter rat war teuer. ein telefon wäre eine hilfe gewesen, daber nun gab es an der grenzstation zwar telefone, aber mit denen durfte man mit sicherheit nicht nach hause telefonieren, soviel war sicher.
also zurück nach sopron, sind ja nur ein paar kilometer. dort die mädel und die hunde sicher im auto versperrt, und ein restaurant gesucht. das fand sich, und es fand sich auch ein netter deutscher mann, der frau kelef aufgrund ihrer weinerlich vorgetragenen schauergeschichte ein paar münzen schenkte, und also konnten kinder und hunde befreit und gefüttert werden, und: da war ein telefon. im restaurant. so ein richtiges, von dem aus man auch ohne voranmeldung ins ausland - vor allem nach hause - telefonieren konnte.
die aufgabenstellung war ganz einfach und logisch:
erstens musste der wohnungssitter ausgeforscht werden, damit dieser umgehend in frau kelefs wohnung eilen und von dort die dokumentenmappen von frau kelef, der tochter und den hunden holen möge. wie sonst hätte bewiesen werden können dass frau kelef ist wer sie ist, dass das tochterkind ihre tochter und die hunde die hunde waren?
zweitens mussten die eltern der tochterfreundin verständigt werden, auf dass die dokumentenmappe derselben ebenfalls ausgefasst werden könnte, weil wie sonst hätte bewiesen werden können dass die freundin die freundin ist?
drittens musste irgendwie irgendwer kohle herbeischaffen, weil: ohne geld keine musik. und frau kelef war ja in der zwischenzeit nicht nur scheck-, sondern auch bargeld- und benzinlos.
viertens mussten dokumentenmappen und geld via irgendwen oder irgendwas an die grenze in sopron gebracht werden. und zwar auf der stelle, mehr oder weniger.
und fünftens musste irgendwie eine vollmacht für frau kelef her- und bereitgestellt werden, damit diese denn dann auch die notwendigen papiere für die tochterfreundin erlangen könnte.
nun, punkt eins war am einfachsten, der wohnungssitter war in seiner wohnung anzutelefonieren, und frau kelef ist ein ordentlicher mensch und hat ihre zettelchen immer entsprechend sortiert und ergo auffindbar, auch wenn sie ausser landes ist.
punkt zwei war schon schwieriger, weil wie erklärt man menschen, die erst einmal im leben im ausland waren - in italien, mit der ganzen familie - wie das in einem volksdemokratischen land so abläuft? frau kelef war da ja nach den ddr-erfahrungen nicht nur geläutert, sondern auch erfahren und weder wirklich zu erschüttern noch zu erstaunen durch abstruse grenzerfahrungen, aber das ist eine andere geschichte. und nutzte damals auch gar nichts.
mehrere nervenzusammenbrüche, wein- und schreikrämpfe und so weiter später war den eltern der freundin der tochter klar, was benötigt wurde. der vater der jungen dame hingegen wollte seine arme kleine tochter nicht alleine lassen, und beschloss, er käme mit nach budapest. jetzt und hier und auf der stelle. nichts brachte ihn davon ab, schon gar nicht das heulen seiner tochter, die verbotenerweise nach dem telefonhörer gegrabscht hatte.
geld wurde von den wiener kontaktpersonen in den verschiedenen umliegenden wirtshäusern, der tankstelle, und bei ein paar bekannten zusammengeschnorrt. der vater der tochterfreundin hatte nur drei schecks zur scheckkarte, und einen seeehr begrenzten überziehungsrahmen für sein konto, seine frau hatte weder konto noch geld noch vollmacht für sein konto, konnte also auch den überziehungsrahmen nicht kurzfristig erhöhen lassen, und war überhaupt so innerlich zerstört dass ihr kein vernünftiges wort entkam.
das mit dem transport gestaltete sich wiederum einfacher, denn in einem der wirtshäuser fand sich ein taxifahrer, der gerade mit seiner frau gestritten hatte, und deshalb den kleinen ausflug gerne machte - so musste er nicht nach hause gehen, und zu erzählen hatte er obendrein was.
die sache mit der vollmacht erübrigte sich durch die in aussicht gestellte anwesenheit des vaters der tochterfreundin.
frau kelef trieb nun wieder alles was beine hatte zu paaren, setzte den traktor in betrieb und tuckerte zur grenze.
es dauerte nicht lange, da kam von der österreichischen seite ein wiener taxi angefahren. in der zwischenzeit war es zehn uhr abends vorbei, frau kelef und co. waren seit ca. 15 stunden auf den beinen, und entsprechend nicht mehr ganz so taufrisch, und mit der belastbarkeit stand es auch übel. in der zwischenzeit war es auch ziemlich schwül geworden, das hob die toleranzgrenze aller beteiligten auch nicht wirklich. vom zustand der nervenkostüme an sich wollen wir einmal gar nicht reden.
das taxi durfte sich nach verschiedenen telefonaten seitens der grenzer, nach einer passkontrolle aller darin befindlichen personen, und selbstverständlich erst nach erteilung eines visums pro kopf und nase nähern.
und dann stieg der vater der tochterfreundin aus. wurde schon erwähnt, dass das auto, traktor genannt, ein lada war? wohl ein grosser, viertüriger, aber eben ein lada. und bis an den rand vollgepackt.
der vater der tochterfreundin war, wie soll man sagen, ein wenig überdimensioniert. dick wäre nicht der richtige ausdruck, er war einfach fett. ziemlich fett. bei 1,75 cm hatte er elegante 150 kg, angstschweissgetränkt durch und durch, und olfaktorisch war das durchaus auch dann erkennbar, wenn man fünf meter gegen den wind entfernt von ihm stand - ein angstschwitzer, und das unter diesen umständen und bei dem wetter. schluchzend umarmten sich vater und tochter und bereiteten sich quasi auf ihr baldiges erschossenwerden vor, schien es. frau kelefs tochter war mehrfach auf ihre doch nicht ganz unmassgebliche beteiligung am herrschenden desaster hingewiesen worden und verhielt sich still und unauffällig, was wiederum den grenzern eher auffällig erschien. aber nun ja.
frau kelefs gehirnwindungen ratterten hörbar. die einzige möglichkeit war jetzt, den grenzern beizubringen dass der traktor ausgeladen und die verderbliche ware in das taxi umgeladen werden musste. und ein wenig wäsche etc. ebenfalls, erstens aus platz-, zweitens aus olfaktorischen, drittens aus verderblichkeits- (wurden die salami, der käse, das obst etc. schon erwähnt???), und letztlich auch aus gewichtsgründen.
ist nicht möglich. meinten die grenzer.
ob nicht vielleicht wenigstens die heulenden hunde ...?
ist nicht möglich, meinten die grenzer.
oder die lebensmittel?
siehe oben.
einige tränenflüsse seitens der mädels und des vaters der tochterfreundin später wurde wieder telefoniert, dann kam ein verständnisvoller grenzer herangeschritten und meinte, na gut, das sei ja nun wirklich, aber er müsse genau kontrollieren was da von dem einen auto in das andere geladen würde, denn es habe ja vorhin den zwischenfall gegeben, die schmuggler würden immer noch gesucht, und man könne ja nie wissen was die leute so über die grenze zu bringen gedächten. also müsse er kontrollieren, und zwar stück für stück. und die hunde müssten mit nach budapest, weil ohne papiere ginge da gar nichts.
dicke, dunkle wolken zogen auf, und es begann ganz leicht zu regnen.
am grenzübergang sopron - es war in der zwischenzeit fast mitternacht, standen:
das wiener taxi
der traktor
der taxifahrer
der wohnungssitter
frau kelef
die tochter
die tochterfreundin
der tochterfreundinvater
zwei rauhaardackel
mehrere grenzsoldaten
in trauter vielsamkeit und sortierten aus einem kofferraum in den anderen. sorgsam und pfleglich, stück für stück.
die lebensmittel wurden einzeln kontrolliert, wem gehört welche stange salami, wem welches glas gurken, und wem welcher käse, welche melone, welche limo, der wein ist aber nicht der von den mädchen?
die grosse wäsche, also badetücher, handtücher, pölster, decken, das war alles im fahrgastraum verstaut, alles leicht eingesandet und partiell nach nassem-hund-nach-schlammbad-mit-totem-fisch duftend, teils sassen die mädels darauf, teils die hunde, ein wenig lag auf der hutablage und ein wenig vor und auf dem beifahrersitz.
alles raus und bis auf drei decken ins taxi damit. lebensmittel, badetücher, decken, flaschen, ein wenig hundezubehör, frisbeescheiben etc. waren also schon einmal zumindest gedanklich in österreich.
dann kofferraum wieder auf, das zelt blieb unten liegen, und herr grenzdirektor holte die reisetaschen heraus. die mit der getragenen wäsche, dem waschzeug, und was man sonst noch so mithat.
und dann - noch heute erzeugt der gedanke eine ganz leise gänsehaut - geschah das unglaubliche. herr grenzdirektor besah sich die etiketten. die der wäsche. die der unterwäsche, und zwar einzeln.
die reisetasche der freundin der tochter war unproblematisch, zwar wurde jedes stück einzeln angeschaut, das arme kind wusste nicht ob es rot oder blass oder bewusstlos werden sollte, unterwäsche, badeanzüge, schuhe, schlapfen, alles zurück in die tasche und gut.
dann kam frau kelefs tasche dran, auch da herrschte grosse begeisterung ob der unterwäsche-, bademoden- und t-shirtshow, was gibt es denn auch schöneres als ein paar unbekannte männer die zu mitternächtlicher stunde bei leichtem nieselregen eine getragene unterhose nach der anderen im laternenlicht eines grenzüberganges auseinanderschütteln und von allen seiten begutachten? alles zurück in die tasche und gut.
und dann griff er nach der tasche von frau kelefs tochter, und frau kelef schwante böses, arg böses, und sie blickte den grenzdirektor an, dieser griff nach der ersten unterhose der tochter, beäugte das etikett, er erblasste, er schaute noch einmal genau, und beäugte eine zweite unterhose, ein leibchen, ein t-shirt, und er richtete sich zu doppelter höhe auf, und meinte, unter diesen umständen könne er jetzt gar nichts tun, man müsste auf höhere dienstränge warten, die wären aber erst montags verfügbar. das sei ja unglaublich, eine katastrophe, ein skandal, ...
was geschehen war? nun, das war gar nicht so einfach, oder eigentlich doch, man musste es nur wissen.
in den volksdemokratischen ländern wurde ja viel vom staat gesponsert, besonders kindersachen. und in der zeit ihrer tätigkeit in der ddr hatte frau kelef der tochter eine menge sachen dort gekauft, unter anderem, sie erraten es, wäsche. und kinderwäsche - sie erraten es ebenfalls - war gesponsert und durfte nur ausgeführt werden wenn das betreffende kind auch in dem betreffenden land gelebt hatte. die tochter von frau kelef hatte ja ein paar monate in der ddr gelebt, und also war alles rechtens und mit dem arbeitsvisum der mutter und dem besuchsvisum der tochter war damals eine verbringung ausser landes anstandslos möglich gewesen.
und die qualität war, das muss auch gesagt werden, wirklich hervorragend, ebenso design und passform, und natürlich hatte frau kelef damals die gelegenheit wahrgenommen und ein klitzekleinwenig auf vorrat gekauft, unterwäsche etc. kann man ja nicht genug haben, und wenn die sachen am anfang ein wenig grösser waren: man konnte sie ja auch zwei jahre später anziehen.
aber wie das mit den volkseigenen betrieben (vebs) so war, produzierte ein betrieb für den halben ostblock, quasi, und was in einem land gesponsert wurde, das wurde meist auch in den anderen ländern gesponsert. und ergo war eine menge der in ungarn verkauften kinderwäsche und -kleidung eben aus einem veb der ddr.
und nun stand da ein ungarischer grenzer, genaugenommen standen da mehrere, und jeder hielt mit zur seite geneigtem kopf eine getragene kinderunterhose in der hand und entzifferte die etiketten. veb, veb, veb, leibchen: veb, bluse: veb, t-shirt: veb, badeanzug: veb.
und sie sprachen hmhmhm und tststs,
frau kelef wurde schlecht.
kinderunterwäsche aus ungarn auszuführen sei bei hoher strafe verboten.
ist nicht aus ungarn, ist aus der ddr.
das kann nicht sein.
kann doch, sehr wohl, frau kelef habe in der ddr gearbeitet, das kind sei ebenfalls dort gewesen, alles rechtens.
das kann nicht sein.
wohl. ist sogar ganz sicher so.
ob frau kelef das beweisen könne? weil ansonsten drohten hohe geldstrafen, möglicherweise schlimmeres.
wegen kinderunterhosen?
ja.
klar könne frau kelef das beweisen, aber eigentlich nicht, denn arbeits- und besuchsvisa waren, sie erraten es, in den reisepässen, und die waren in der handtasche gewesen, und die war ja nun nicht mehr da, was ja auslöser dieses lustvollen disputs sei.
also kinderunterwäsche und -kleidung aus ungarn ausführen, das ginge nun aber gar nicht.
die diskussion zog sich eine weile, dann war das glück frau kelef und konsorten doch noch hold:
der wohnungssitter hatte in der eile einfach alle dokumentenmappen mitgenommen, und so fand sich denn zumindest der arbeitsvertrag für die ddr, und im hundedokumentenpool fanden sich ein paar alte grenzübertrittsgesundheitsbescheinigungszeugnisse der poliklinik für kleintiere in eisenhüttenstadt, für die dame elsa, und auch ein paar dokumente zur genehmigung der einfuhr eines fernsehapparates und einer elektrischen nähmaschine des binnenzollamtes frankfurt/oder, und diese wichtigen dokumente aus den jahren 1983/84 belegten den wahrheitsgehalt der getätigten aussagen und somit auch den rechtmässigen besitz der zur debatte stehenden kinderunterhosen und sonstigen kleidungsstücke, und so wurde frau kelef dann doch nicht inhaftiert, sondern durfte weiter sortieren, und sogar die getragenen kinderunterhosen vom lada in das taxi laden.
es war in der zwischenzeit zwei uhr früh geworden, und es regnete in strömen, alle waren pitschepatschenass, die notwendigsten dinge waren im lada, der rest im taxi, man verabschiedete sich, und während der wohnungssitter mit dem taxler nach wien zurückkehrte, da trieb frau kelef wieder einmal alles zu paaren und in den traktor.
leider konnte der vater der tochterfreundin nicht vorschriftsmässig angeschnallt werden weil in einem russischen auto einfach keine so dicken menschen transportiert werden dürfen und also der sicherheitsgurt zu kurz war, die russen scheinen damals ein mageres volk gewesen zu sein, aber wen wundert es. auch ersatzbrile war keine vorhanden, andererseits auch kein führerschein und keine fahrzeugpapiere, eigentlich hätte man - nach geltendem volksdemokratischem recht - den vater der tochterfreundin mit dem zug nach budapest schicken oder hinter dem auto nachlaufen lassen müssen, und frau kelef - die allerdings die einzige führerscheinbesitzerin - eigentlich ja aber auch nicht - war, hätte also den wagen nicht lenken dürfen, aber sei's drum, dachte sie , und man fuhr erst zu einer tankstelle, tankte voll (selten so auf reserve gefahren wie damals) und dann gen budapest.
sind sie schon einmal, nachdem sie neunzehn oder mehr stunden auf den beinen waren und eines gutteils ihres nervenkostüms verlustig gegangen waren, in einem krängenden lada auf einer zweispurigen volksdemokratischen betonplattenautobahn im strömenden regen ein paar hundert kilometer gefahren, während neben ihnen ein fettkoloss sich im wahrsten sinne des wortes einen wolf schwitzt und ihnen weinerlich/ängstlich ein ohr ablabert, und auf der rückbank zwei schluchzende, sich gegenseitig abwechselnd beschuldigende und tröstende elfjährige sowie zwei schon ziemlich übellaunige rauhaardackel um den nichtvorhandenen platz streiten?
wenn sie können: vermeiden sie dies.
to be continued.
also zurück nach sopron, sind ja nur ein paar kilometer. dort die mädel und die hunde sicher im auto versperrt, und ein restaurant gesucht. das fand sich, und es fand sich auch ein netter deutscher mann, der frau kelef aufgrund ihrer weinerlich vorgetragenen schauergeschichte ein paar münzen schenkte, und also konnten kinder und hunde befreit und gefüttert werden, und: da war ein telefon. im restaurant. so ein richtiges, von dem aus man auch ohne voranmeldung ins ausland - vor allem nach hause - telefonieren konnte.
die aufgabenstellung war ganz einfach und logisch:
erstens musste der wohnungssitter ausgeforscht werden, damit dieser umgehend in frau kelefs wohnung eilen und von dort die dokumentenmappen von frau kelef, der tochter und den hunden holen möge. wie sonst hätte bewiesen werden können dass frau kelef ist wer sie ist, dass das tochterkind ihre tochter und die hunde die hunde waren?
zweitens mussten die eltern der tochterfreundin verständigt werden, auf dass die dokumentenmappe derselben ebenfalls ausgefasst werden könnte, weil wie sonst hätte bewiesen werden können dass die freundin die freundin ist?
drittens musste irgendwie irgendwer kohle herbeischaffen, weil: ohne geld keine musik. und frau kelef war ja in der zwischenzeit nicht nur scheck-, sondern auch bargeld- und benzinlos.
viertens mussten dokumentenmappen und geld via irgendwen oder irgendwas an die grenze in sopron gebracht werden. und zwar auf der stelle, mehr oder weniger.
und fünftens musste irgendwie eine vollmacht für frau kelef her- und bereitgestellt werden, damit diese denn dann auch die notwendigen papiere für die tochterfreundin erlangen könnte.
nun, punkt eins war am einfachsten, der wohnungssitter war in seiner wohnung anzutelefonieren, und frau kelef ist ein ordentlicher mensch und hat ihre zettelchen immer entsprechend sortiert und ergo auffindbar, auch wenn sie ausser landes ist.
punkt zwei war schon schwieriger, weil wie erklärt man menschen, die erst einmal im leben im ausland waren - in italien, mit der ganzen familie - wie das in einem volksdemokratischen land so abläuft? frau kelef war da ja nach den ddr-erfahrungen nicht nur geläutert, sondern auch erfahren und weder wirklich zu erschüttern noch zu erstaunen durch abstruse grenzerfahrungen, aber das ist eine andere geschichte. und nutzte damals auch gar nichts.
mehrere nervenzusammenbrüche, wein- und schreikrämpfe und so weiter später war den eltern der freundin der tochter klar, was benötigt wurde. der vater der jungen dame hingegen wollte seine arme kleine tochter nicht alleine lassen, und beschloss, er käme mit nach budapest. jetzt und hier und auf der stelle. nichts brachte ihn davon ab, schon gar nicht das heulen seiner tochter, die verbotenerweise nach dem telefonhörer gegrabscht hatte.
geld wurde von den wiener kontaktpersonen in den verschiedenen umliegenden wirtshäusern, der tankstelle, und bei ein paar bekannten zusammengeschnorrt. der vater der tochterfreundin hatte nur drei schecks zur scheckkarte, und einen seeehr begrenzten überziehungsrahmen für sein konto, seine frau hatte weder konto noch geld noch vollmacht für sein konto, konnte also auch den überziehungsrahmen nicht kurzfristig erhöhen lassen, und war überhaupt so innerlich zerstört dass ihr kein vernünftiges wort entkam.
das mit dem transport gestaltete sich wiederum einfacher, denn in einem der wirtshäuser fand sich ein taxifahrer, der gerade mit seiner frau gestritten hatte, und deshalb den kleinen ausflug gerne machte - so musste er nicht nach hause gehen, und zu erzählen hatte er obendrein was.
die sache mit der vollmacht erübrigte sich durch die in aussicht gestellte anwesenheit des vaters der tochterfreundin.
frau kelef trieb nun wieder alles was beine hatte zu paaren, setzte den traktor in betrieb und tuckerte zur grenze.
es dauerte nicht lange, da kam von der österreichischen seite ein wiener taxi angefahren. in der zwischenzeit war es zehn uhr abends vorbei, frau kelef und co. waren seit ca. 15 stunden auf den beinen, und entsprechend nicht mehr ganz so taufrisch, und mit der belastbarkeit stand es auch übel. in der zwischenzeit war es auch ziemlich schwül geworden, das hob die toleranzgrenze aller beteiligten auch nicht wirklich. vom zustand der nervenkostüme an sich wollen wir einmal gar nicht reden.
das taxi durfte sich nach verschiedenen telefonaten seitens der grenzer, nach einer passkontrolle aller darin befindlichen personen, und selbstverständlich erst nach erteilung eines visums pro kopf und nase nähern.
und dann stieg der vater der tochterfreundin aus. wurde schon erwähnt, dass das auto, traktor genannt, ein lada war? wohl ein grosser, viertüriger, aber eben ein lada. und bis an den rand vollgepackt.
der vater der tochterfreundin war, wie soll man sagen, ein wenig überdimensioniert. dick wäre nicht der richtige ausdruck, er war einfach fett. ziemlich fett. bei 1,75 cm hatte er elegante 150 kg, angstschweissgetränkt durch und durch, und olfaktorisch war das durchaus auch dann erkennbar, wenn man fünf meter gegen den wind entfernt von ihm stand - ein angstschwitzer, und das unter diesen umständen und bei dem wetter. schluchzend umarmten sich vater und tochter und bereiteten sich quasi auf ihr baldiges erschossenwerden vor, schien es. frau kelefs tochter war mehrfach auf ihre doch nicht ganz unmassgebliche beteiligung am herrschenden desaster hingewiesen worden und verhielt sich still und unauffällig, was wiederum den grenzern eher auffällig erschien. aber nun ja.
frau kelefs gehirnwindungen ratterten hörbar. die einzige möglichkeit war jetzt, den grenzern beizubringen dass der traktor ausgeladen und die verderbliche ware in das taxi umgeladen werden musste. und ein wenig wäsche etc. ebenfalls, erstens aus platz-, zweitens aus olfaktorischen, drittens aus verderblichkeits- (wurden die salami, der käse, das obst etc. schon erwähnt???), und letztlich auch aus gewichtsgründen.
ist nicht möglich. meinten die grenzer.
ob nicht vielleicht wenigstens die heulenden hunde ...?
ist nicht möglich, meinten die grenzer.
oder die lebensmittel?
siehe oben.
einige tränenflüsse seitens der mädels und des vaters der tochterfreundin später wurde wieder telefoniert, dann kam ein verständnisvoller grenzer herangeschritten und meinte, na gut, das sei ja nun wirklich, aber er müsse genau kontrollieren was da von dem einen auto in das andere geladen würde, denn es habe ja vorhin den zwischenfall gegeben, die schmuggler würden immer noch gesucht, und man könne ja nie wissen was die leute so über die grenze zu bringen gedächten. also müsse er kontrollieren, und zwar stück für stück. und die hunde müssten mit nach budapest, weil ohne papiere ginge da gar nichts.
dicke, dunkle wolken zogen auf, und es begann ganz leicht zu regnen.
am grenzübergang sopron - es war in der zwischenzeit fast mitternacht, standen:
das wiener taxi
der traktor
der taxifahrer
der wohnungssitter
frau kelef
die tochter
die tochterfreundin
der tochterfreundinvater
zwei rauhaardackel
mehrere grenzsoldaten
in trauter vielsamkeit und sortierten aus einem kofferraum in den anderen. sorgsam und pfleglich, stück für stück.
die lebensmittel wurden einzeln kontrolliert, wem gehört welche stange salami, wem welches glas gurken, und wem welcher käse, welche melone, welche limo, der wein ist aber nicht der von den mädchen?
die grosse wäsche, also badetücher, handtücher, pölster, decken, das war alles im fahrgastraum verstaut, alles leicht eingesandet und partiell nach nassem-hund-nach-schlammbad-mit-totem-fisch duftend, teils sassen die mädels darauf, teils die hunde, ein wenig lag auf der hutablage und ein wenig vor und auf dem beifahrersitz.
alles raus und bis auf drei decken ins taxi damit. lebensmittel, badetücher, decken, flaschen, ein wenig hundezubehör, frisbeescheiben etc. waren also schon einmal zumindest gedanklich in österreich.
dann kofferraum wieder auf, das zelt blieb unten liegen, und herr grenzdirektor holte die reisetaschen heraus. die mit der getragenen wäsche, dem waschzeug, und was man sonst noch so mithat.
und dann - noch heute erzeugt der gedanke eine ganz leise gänsehaut - geschah das unglaubliche. herr grenzdirektor besah sich die etiketten. die der wäsche. die der unterwäsche, und zwar einzeln.
die reisetasche der freundin der tochter war unproblematisch, zwar wurde jedes stück einzeln angeschaut, das arme kind wusste nicht ob es rot oder blass oder bewusstlos werden sollte, unterwäsche, badeanzüge, schuhe, schlapfen, alles zurück in die tasche und gut.
dann kam frau kelefs tasche dran, auch da herrschte grosse begeisterung ob der unterwäsche-, bademoden- und t-shirtshow, was gibt es denn auch schöneres als ein paar unbekannte männer die zu mitternächtlicher stunde bei leichtem nieselregen eine getragene unterhose nach der anderen im laternenlicht eines grenzüberganges auseinanderschütteln und von allen seiten begutachten? alles zurück in die tasche und gut.
und dann griff er nach der tasche von frau kelefs tochter, und frau kelef schwante böses, arg böses, und sie blickte den grenzdirektor an, dieser griff nach der ersten unterhose der tochter, beäugte das etikett, er erblasste, er schaute noch einmal genau, und beäugte eine zweite unterhose, ein leibchen, ein t-shirt, und er richtete sich zu doppelter höhe auf, und meinte, unter diesen umständen könne er jetzt gar nichts tun, man müsste auf höhere dienstränge warten, die wären aber erst montags verfügbar. das sei ja unglaublich, eine katastrophe, ein skandal, ...
was geschehen war? nun, das war gar nicht so einfach, oder eigentlich doch, man musste es nur wissen.
in den volksdemokratischen ländern wurde ja viel vom staat gesponsert, besonders kindersachen. und in der zeit ihrer tätigkeit in der ddr hatte frau kelef der tochter eine menge sachen dort gekauft, unter anderem, sie erraten es, wäsche. und kinderwäsche - sie erraten es ebenfalls - war gesponsert und durfte nur ausgeführt werden wenn das betreffende kind auch in dem betreffenden land gelebt hatte. die tochter von frau kelef hatte ja ein paar monate in der ddr gelebt, und also war alles rechtens und mit dem arbeitsvisum der mutter und dem besuchsvisum der tochter war damals eine verbringung ausser landes anstandslos möglich gewesen.
und die qualität war, das muss auch gesagt werden, wirklich hervorragend, ebenso design und passform, und natürlich hatte frau kelef damals die gelegenheit wahrgenommen und ein klitzekleinwenig auf vorrat gekauft, unterwäsche etc. kann man ja nicht genug haben, und wenn die sachen am anfang ein wenig grösser waren: man konnte sie ja auch zwei jahre später anziehen.
aber wie das mit den volkseigenen betrieben (vebs) so war, produzierte ein betrieb für den halben ostblock, quasi, und was in einem land gesponsert wurde, das wurde meist auch in den anderen ländern gesponsert. und ergo war eine menge der in ungarn verkauften kinderwäsche und -kleidung eben aus einem veb der ddr.
und nun stand da ein ungarischer grenzer, genaugenommen standen da mehrere, und jeder hielt mit zur seite geneigtem kopf eine getragene kinderunterhose in der hand und entzifferte die etiketten. veb, veb, veb, leibchen: veb, bluse: veb, t-shirt: veb, badeanzug: veb.
und sie sprachen hmhmhm und tststs,
frau kelef wurde schlecht.
kinderunterwäsche aus ungarn auszuführen sei bei hoher strafe verboten.
ist nicht aus ungarn, ist aus der ddr.
das kann nicht sein.
kann doch, sehr wohl, frau kelef habe in der ddr gearbeitet, das kind sei ebenfalls dort gewesen, alles rechtens.
das kann nicht sein.
wohl. ist sogar ganz sicher so.
ob frau kelef das beweisen könne? weil ansonsten drohten hohe geldstrafen, möglicherweise schlimmeres.
wegen kinderunterhosen?
ja.
klar könne frau kelef das beweisen, aber eigentlich nicht, denn arbeits- und besuchsvisa waren, sie erraten es, in den reisepässen, und die waren in der handtasche gewesen, und die war ja nun nicht mehr da, was ja auslöser dieses lustvollen disputs sei.
also kinderunterwäsche und -kleidung aus ungarn ausführen, das ginge nun aber gar nicht.
die diskussion zog sich eine weile, dann war das glück frau kelef und konsorten doch noch hold:
der wohnungssitter hatte in der eile einfach alle dokumentenmappen mitgenommen, und so fand sich denn zumindest der arbeitsvertrag für die ddr, und im hundedokumentenpool fanden sich ein paar alte grenzübertrittsgesundheitsbescheinigungszeugnisse der poliklinik für kleintiere in eisenhüttenstadt, für die dame elsa, und auch ein paar dokumente zur genehmigung der einfuhr eines fernsehapparates und einer elektrischen nähmaschine des binnenzollamtes frankfurt/oder, und diese wichtigen dokumente aus den jahren 1983/84 belegten den wahrheitsgehalt der getätigten aussagen und somit auch den rechtmässigen besitz der zur debatte stehenden kinderunterhosen und sonstigen kleidungsstücke, und so wurde frau kelef dann doch nicht inhaftiert, sondern durfte weiter sortieren, und sogar die getragenen kinderunterhosen vom lada in das taxi laden.
es war in der zwischenzeit zwei uhr früh geworden, und es regnete in strömen, alle waren pitschepatschenass, die notwendigsten dinge waren im lada, der rest im taxi, man verabschiedete sich, und während der wohnungssitter mit dem taxler nach wien zurückkehrte, da trieb frau kelef wieder einmal alles zu paaren und in den traktor.
leider konnte der vater der tochterfreundin nicht vorschriftsmässig angeschnallt werden weil in einem russischen auto einfach keine so dicken menschen transportiert werden dürfen und also der sicherheitsgurt zu kurz war, die russen scheinen damals ein mageres volk gewesen zu sein, aber wen wundert es. auch ersatzbrile war keine vorhanden, andererseits auch kein führerschein und keine fahrzeugpapiere, eigentlich hätte man - nach geltendem volksdemokratischem recht - den vater der tochterfreundin mit dem zug nach budapest schicken oder hinter dem auto nachlaufen lassen müssen, und frau kelef - die allerdings die einzige führerscheinbesitzerin - eigentlich ja aber auch nicht - war, hätte also den wagen nicht lenken dürfen, aber sei's drum, dachte sie , und man fuhr erst zu einer tankstelle, tankte voll (selten so auf reserve gefahren wie damals) und dann gen budapest.
sind sie schon einmal, nachdem sie neunzehn oder mehr stunden auf den beinen waren und eines gutteils ihres nervenkostüms verlustig gegangen waren, in einem krängenden lada auf einer zweispurigen volksdemokratischen betonplattenautobahn im strömenden regen ein paar hundert kilometer gefahren, während neben ihnen ein fettkoloss sich im wahrsten sinne des wortes einen wolf schwitzt und ihnen weinerlich/ängstlich ein ohr ablabert, und auf der rückbank zwei schluchzende, sich gegenseitig abwechselnd beschuldigende und tröstende elfjährige sowie zwei schon ziemlich übellaunige rauhaardackel um den nichtvorhandenen platz streiten?
wenn sie können: vermeiden sie dies.
to be continued.
... link (11 Kommentare) ... comment
Donnerstag, 11. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 2
kelef, 14:30h
irgendwie fand sich die polizeistation, und wie das so ist in einem land mit einer völlig fremden sprache, frau kelef und die mädels konnten nicht ungarisch, die polizei konnte nicht deutsch. sagten sie zumindest. englisch konnten sie auch nicht, was schon glaubhafter war. einer fand sich dann doch, der zumindest verstand dass einen dolmetscher zu rate zu ziehen nicht unangebracht wäre.
nur - es war samstag mittag, und die mittagsruhe ist heilig, und so weiter. es fand sich dann aber eine sehr nette dolmetscherin, die trotzalledem erschien und übersetzte, hin und her und her und hin. das einzige ausweispapier, das frau kelef vorlegen konnte, war eine visitekarte, die als ausweispapier wohl nirgends auf der welt durchgegangen wäre - wiewohl es ihre eigene war, aber das war ja nachvollziehbar, hätte ja jeder kommen.
ein grosser spass ist es übrigens, mit zwei greinenden, hungrigen, durstigen und ängstlichen elfjährigen und zwei nach nassem-hund-nach-schlammbad-mit-totem-fisch duftenden, ebenfalls durstigen und hungrigen und ergo greinenden strubbeligen dackeln auf einer polizeistation rede und antwort stehen zu müssen. und zwar ein paar stunden lang.
die polizisten waren wirklich nett, brachten allen was zu trinken, frau kelef kriegte sogar ein paar zigaretten, und dann wurde eine riesenakte angelegt, und ein riesenpapier mit stempeln und bestätigungen und übersetzungen wurde ausgefertigt über diebstahl und verlust von papieren und dokumenten und so weiter und so fort, der verlust von frau kelefs nervenkostüm und haarfarbe (jajaja, frau marion) schienen allerdings nicht anführenswert.
und was nun? also eigentlich müsse frau kelef mit den beiden mädels und den beiden hunden jetzt nach budapest fahren, zur österreichischen botschaft gehen und dort neue papiere beantragen. reisepass insbesondere, und gesundheitszeugnisse für die hunde. mit diesen neu ausgestellten papieren könne frau kelef dann in budapest zur fremdenpolizei gehen und ihre ausreise beantragen. allerdings sei das nur für frau kelef und deren tochter möglich, für das fremde kind liege ja keine vollmacht mehr vor, weil die sei ja in der handtasche gewesen und die sei ja nun einmal weg.
der kalte schweiss floss in strömen. und wie lange so was denn dauern könne?
oh, erfahrungsgemäss brauche erst die botschaft mindestens drei tage, dann die fremdenpolizei allerhöchstens eine woche. mache also alles in allem zehn tage, maximal, obwohl, es sei ja urlaubszeit.
frau kelef biss ein paar stücke aus den schreibtischplatten, schluchzte leise auf, und wurde fast bewusstlos.
die mädels greinten nicht mehr sondern schluchzten, anton pinkelte heimlich an ein sesselbein, und elsa hatte ein problem mit dem erschnorrten frühstück vom campingplatz. nachdem frau kelef gerne den boden der polizeistation geputzt hatte - man gönnt sich ja sonst nix - die mädels halbwegs beruhigt und mit geschnorrten papiertaschentüchern ausgestattet hatte (sie ahnen, wo frau kelefs papiertaschentuchvorrat war?), da kam dann aber einem mitleidigen polizeioberinspektor eine idee, die er umgehend übersetzen liess.
frau kelef solle doch versuchen, schnell nach heiligenkreuz zu kommen, und dort über die grenze fahren. das sei erstens nicht so weit wie sopron - zumindest nicht auf der ungarischen seite - und zweitens sei das ein kleiner grenzübergang an dem die abfertigung meist viel schneller und unkomplizierter erfolge als in sopron. mit den von ihm ausgestellten papieren könnte das funktionieren, und er selbst sei bis 20.00 uhr im dienst, man könne ihn auch telefonisch kontaktieren.
im geiste küsste frau kelef demütig seine füsse, das kleingeld im portemonnaie reichte für benzin und noch eine wurstsemmel pro kopf und nase, die mädels wollten sich noch ein wenig die beine vertreten und luft schnappen, die hunde ebenfalls, und los gings.
der grenzübergang heiligenkreuz war damals ein ziemlich ländlich-sittlicher welcher, im gegensatz zu sopron, wollte man allerdings nach wien war auf der österreichischen seite ein ziemlicher umweg zu fahren, aber was sollte diese überlegung.
brumm, brumm machte der lada, auch traktor genannt, und schipperte mit seiner grindigen fuhre gen heiligenkreuz.
das dauerte auch nicht allzu lange, denn frau kelef wollte nach hause, subito, und die mädels auch, und überhaupt.
schon von weitem konnte man sehen dass das grenzüberquerende aufkommen am schlagbaum der österreichisch-ungarischen grenze ein relativ geringes war, und frau kelef besann sich auf das, was in solchen fällen noch immer am besten geholfen hat: beten. auch die mädels wurden aufgefordert zu welchem gott auch immer zu flehen, und mit welchen worten auch immer, nur bitte bitte bitte.
man näherte sich der grenze.
der balken war geöffnet, nur ein paar autos vor uns, die grenzer waren freundlich und scherzten, und alle waren froh und voller hoffnung.
zwei autos vor dem traktor.
ein auto vor dem traktor.
kein auto vor dem traktor.
ein telefonläuten, grenzbalken runter, pistolen zurechtgerückt, mehrere militärstreifen kamen aus dem nirgendwo, ein panzer erschien im hintergrund auf der bildfläche, und dann noch ein zweiter.
unbeeindruckt - frau kelef war ja schon zigmal über diesen grenzübergang gefahren - reichte sie das ersatzpapier aus dem autofenster, und der grenzsoldat nahm und studierte es, und rief einen zweiten herbei, der es nahm und studierte, frau kelef musste den motor abstellen, aussteigen und an das grenzhüttchen treten, ein grenzer rief drei weitere herbei, und das papier ward herumgereicht und studiert, und die köpfe warden zusammengesteckt und geschüttelt und es wurde hmhmhm gesprochen und tststs, und es wurde telefoniert und frau kelef durfte nicht mehr in die nähe des traktors gehen, und auch nicht mit den mädels sprechen, die pistolen warden herumgerückt, irgendwo knallte es, immerhin sprachen die herren alle sehr gut deutsch und waren auch sehr freundliche, und die mädels weinten gar bitterlich und die hunde heulten gar erschröckerlich, und jedenfalls nach einer weile ward erklärt, da sei in sopron vor einigen minuten was passiert, und der grenzübergang heiligenkreuz sei geschlossen. jetzt und hier und auf der stelle. die autos hinter frau kelef würden schon zurückdirigiert.
frau kelef schaute die brüder an mit fremdem graus, und fürchtet' sich und konnte nicht nach haus, und weinte leise in sich hinein, aber das nutzte alles nix, ab nach sopron hiess es. sie solle ihr glück dort versuchen, es könne ja sein, obwohl, aber es wäre wohl den versuch wert, sonst nach budapest, aber das wollte ja keiner. besonders frau kelef nicht.
das benzin sollte noch reichen, also auf ins vergnügen und zurück auf die schnellstrasse, oder was auch immer das war.
holterdipolter durch ein paar kleine orte, immer noch schöne gegend, langsam merkte man dass es abend wurde, und irgendwann war auch sopron erreicht. durch die stadt durch, die benzinanzeige meldete sich vorsichtig, aber dann war es ja nicht mehr weit und so und bis zum grenzübergang ...
hurra, angekommen.
offensichtlich waren auch noch andere grenzübergänge kurzfristig geschlossen, oder alle waren auf der flucht, oder weiss der kuckuck, die schlange war elendslang vor dem schlagbaum.
also eingereiht und gewartet, ein auto nach dem anderen, bis auch der traktor mit seinem innerlich wie äusserlich nicht mehr sonderlich repräsentativen inhalt an der reihe war.
hmhmhm und tststs machte der grenzer, und schüttelte den kopf und rückte an der pistole und dem volksdemokratischen schlagstöckchen, das diese herren immer so nützlich bei sich führten, und die mädels greinten und die hunde bellten, und es kam ein soldat nach dem anderen, und ein grenzwächter nach dem anderen, und es kam auch die rendörség (zu deutsch polizie, aber das hätte ja jeder verstanden), und es ward kund und zu wissen getan, dass man eben vorhin ein paar rauschgiftschmuggler habe verhaften müssen, die offensichtlich nicht alleine unterwegs gewesen seien, und also wäre jetzt strenge kontrolle angesagt.
was nun zu tun sei?
oh, fahren sie nach budapest, zur österreichischen botschaft, und dann weiter wie schon in fonyod vernommen.
mit ohne geld, ohne papiere, da kann man ja nicht einmal auf einem campingplatz platz finden, und vor allem: mit ohne geld und ohne benzin, wie kommt man da nach budapest?
da könne er, versicherte der herr grenzdirektor, zu seinem leidwesen auch nicht helfen. das war nun keine hilfe, und so war nachdenken angesagt. und zwar schnell.
nun gehört ja frau kelef, dem himmel sei dank, zur spezies mensch die sich immer nachher schreckt. eine panik wurde also im keim erstickt, die mädels sicherheitshalber so angebrüllt dass sie ihrerseits zur salzsäule erstarrten, den hunden standen die rauen haare zu berge dass sie ihrer rasse alle ehre machten, und es ging zurück in das schöne sopron.
to be continued.
nur - es war samstag mittag, und die mittagsruhe ist heilig, und so weiter. es fand sich dann aber eine sehr nette dolmetscherin, die trotzalledem erschien und übersetzte, hin und her und her und hin. das einzige ausweispapier, das frau kelef vorlegen konnte, war eine visitekarte, die als ausweispapier wohl nirgends auf der welt durchgegangen wäre - wiewohl es ihre eigene war, aber das war ja nachvollziehbar, hätte ja jeder kommen.
ein grosser spass ist es übrigens, mit zwei greinenden, hungrigen, durstigen und ängstlichen elfjährigen und zwei nach nassem-hund-nach-schlammbad-mit-totem-fisch duftenden, ebenfalls durstigen und hungrigen und ergo greinenden strubbeligen dackeln auf einer polizeistation rede und antwort stehen zu müssen. und zwar ein paar stunden lang.
die polizisten waren wirklich nett, brachten allen was zu trinken, frau kelef kriegte sogar ein paar zigaretten, und dann wurde eine riesenakte angelegt, und ein riesenpapier mit stempeln und bestätigungen und übersetzungen wurde ausgefertigt über diebstahl und verlust von papieren und dokumenten und so weiter und so fort, der verlust von frau kelefs nervenkostüm und haarfarbe (jajaja, frau marion) schienen allerdings nicht anführenswert.
und was nun? also eigentlich müsse frau kelef mit den beiden mädels und den beiden hunden jetzt nach budapest fahren, zur österreichischen botschaft gehen und dort neue papiere beantragen. reisepass insbesondere, und gesundheitszeugnisse für die hunde. mit diesen neu ausgestellten papieren könne frau kelef dann in budapest zur fremdenpolizei gehen und ihre ausreise beantragen. allerdings sei das nur für frau kelef und deren tochter möglich, für das fremde kind liege ja keine vollmacht mehr vor, weil die sei ja in der handtasche gewesen und die sei ja nun einmal weg.
der kalte schweiss floss in strömen. und wie lange so was denn dauern könne?
oh, erfahrungsgemäss brauche erst die botschaft mindestens drei tage, dann die fremdenpolizei allerhöchstens eine woche. mache also alles in allem zehn tage, maximal, obwohl, es sei ja urlaubszeit.
frau kelef biss ein paar stücke aus den schreibtischplatten, schluchzte leise auf, und wurde fast bewusstlos.
die mädels greinten nicht mehr sondern schluchzten, anton pinkelte heimlich an ein sesselbein, und elsa hatte ein problem mit dem erschnorrten frühstück vom campingplatz. nachdem frau kelef gerne den boden der polizeistation geputzt hatte - man gönnt sich ja sonst nix - die mädels halbwegs beruhigt und mit geschnorrten papiertaschentüchern ausgestattet hatte (sie ahnen, wo frau kelefs papiertaschentuchvorrat war?), da kam dann aber einem mitleidigen polizeioberinspektor eine idee, die er umgehend übersetzen liess.
frau kelef solle doch versuchen, schnell nach heiligenkreuz zu kommen, und dort über die grenze fahren. das sei erstens nicht so weit wie sopron - zumindest nicht auf der ungarischen seite - und zweitens sei das ein kleiner grenzübergang an dem die abfertigung meist viel schneller und unkomplizierter erfolge als in sopron. mit den von ihm ausgestellten papieren könnte das funktionieren, und er selbst sei bis 20.00 uhr im dienst, man könne ihn auch telefonisch kontaktieren.
im geiste küsste frau kelef demütig seine füsse, das kleingeld im portemonnaie reichte für benzin und noch eine wurstsemmel pro kopf und nase, die mädels wollten sich noch ein wenig die beine vertreten und luft schnappen, die hunde ebenfalls, und los gings.
der grenzübergang heiligenkreuz war damals ein ziemlich ländlich-sittlicher welcher, im gegensatz zu sopron, wollte man allerdings nach wien war auf der österreichischen seite ein ziemlicher umweg zu fahren, aber was sollte diese überlegung.
brumm, brumm machte der lada, auch traktor genannt, und schipperte mit seiner grindigen fuhre gen heiligenkreuz.
das dauerte auch nicht allzu lange, denn frau kelef wollte nach hause, subito, und die mädels auch, und überhaupt.
schon von weitem konnte man sehen dass das grenzüberquerende aufkommen am schlagbaum der österreichisch-ungarischen grenze ein relativ geringes war, und frau kelef besann sich auf das, was in solchen fällen noch immer am besten geholfen hat: beten. auch die mädels wurden aufgefordert zu welchem gott auch immer zu flehen, und mit welchen worten auch immer, nur bitte bitte bitte.
man näherte sich der grenze.
der balken war geöffnet, nur ein paar autos vor uns, die grenzer waren freundlich und scherzten, und alle waren froh und voller hoffnung.
zwei autos vor dem traktor.
ein auto vor dem traktor.
kein auto vor dem traktor.
ein telefonläuten, grenzbalken runter, pistolen zurechtgerückt, mehrere militärstreifen kamen aus dem nirgendwo, ein panzer erschien im hintergrund auf der bildfläche, und dann noch ein zweiter.
unbeeindruckt - frau kelef war ja schon zigmal über diesen grenzübergang gefahren - reichte sie das ersatzpapier aus dem autofenster, und der grenzsoldat nahm und studierte es, und rief einen zweiten herbei, der es nahm und studierte, frau kelef musste den motor abstellen, aussteigen und an das grenzhüttchen treten, ein grenzer rief drei weitere herbei, und das papier ward herumgereicht und studiert, und die köpfe warden zusammengesteckt und geschüttelt und es wurde hmhmhm gesprochen und tststs, und es wurde telefoniert und frau kelef durfte nicht mehr in die nähe des traktors gehen, und auch nicht mit den mädels sprechen, die pistolen warden herumgerückt, irgendwo knallte es, immerhin sprachen die herren alle sehr gut deutsch und waren auch sehr freundliche, und die mädels weinten gar bitterlich und die hunde heulten gar erschröckerlich, und jedenfalls nach einer weile ward erklärt, da sei in sopron vor einigen minuten was passiert, und der grenzübergang heiligenkreuz sei geschlossen. jetzt und hier und auf der stelle. die autos hinter frau kelef würden schon zurückdirigiert.
frau kelef schaute die brüder an mit fremdem graus, und fürchtet' sich und konnte nicht nach haus, und weinte leise in sich hinein, aber das nutzte alles nix, ab nach sopron hiess es. sie solle ihr glück dort versuchen, es könne ja sein, obwohl, aber es wäre wohl den versuch wert, sonst nach budapest, aber das wollte ja keiner. besonders frau kelef nicht.
das benzin sollte noch reichen, also auf ins vergnügen und zurück auf die schnellstrasse, oder was auch immer das war.
holterdipolter durch ein paar kleine orte, immer noch schöne gegend, langsam merkte man dass es abend wurde, und irgendwann war auch sopron erreicht. durch die stadt durch, die benzinanzeige meldete sich vorsichtig, aber dann war es ja nicht mehr weit und so und bis zum grenzübergang ...
hurra, angekommen.
offensichtlich waren auch noch andere grenzübergänge kurzfristig geschlossen, oder alle waren auf der flucht, oder weiss der kuckuck, die schlange war elendslang vor dem schlagbaum.
also eingereiht und gewartet, ein auto nach dem anderen, bis auch der traktor mit seinem innerlich wie äusserlich nicht mehr sonderlich repräsentativen inhalt an der reihe war.
hmhmhm und tststs machte der grenzer, und schüttelte den kopf und rückte an der pistole und dem volksdemokratischen schlagstöckchen, das diese herren immer so nützlich bei sich führten, und die mädels greinten und die hunde bellten, und es kam ein soldat nach dem anderen, und ein grenzwächter nach dem anderen, und es kam auch die rendörség (zu deutsch polizie, aber das hätte ja jeder verstanden), und es ward kund und zu wissen getan, dass man eben vorhin ein paar rauschgiftschmuggler habe verhaften müssen, die offensichtlich nicht alleine unterwegs gewesen seien, und also wäre jetzt strenge kontrolle angesagt.
was nun zu tun sei?
oh, fahren sie nach budapest, zur österreichischen botschaft, und dann weiter wie schon in fonyod vernommen.
mit ohne geld, ohne papiere, da kann man ja nicht einmal auf einem campingplatz platz finden, und vor allem: mit ohne geld und ohne benzin, wie kommt man da nach budapest?
da könne er, versicherte der herr grenzdirektor, zu seinem leidwesen auch nicht helfen. das war nun keine hilfe, und so war nachdenken angesagt. und zwar schnell.
nun gehört ja frau kelef, dem himmel sei dank, zur spezies mensch die sich immer nachher schreckt. eine panik wurde also im keim erstickt, die mädels sicherheitshalber so angebrüllt dass sie ihrerseits zur salzsäule erstarrten, den hunden standen die rauen haare zu berge dass sie ihrer rasse alle ehre machten, und es ging zurück in das schöne sopron.
to be continued.
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sitzstreik in budapest, teil 1
kelef, 13:03h
es ist schon mehr als zwanzig jahre her, genaugenommen war es 1986, und es war heiss, und sommer, und urlaubszeit.
und also beschloss frau kelef, es sei an der zeit auch wieder auf urlaub zu fahren, mit der tochter, und damit dem kinde nicht allzu langweilig werde einerseits, und damit frau kelef ein wenig freiraum habe andererseits, da wurde die beste freundin gefragt ob sie denn mitfahren wolle. hurra, meinte diese, und nach langwierigen und heiklen besprechungen mit den ausserordentlich besorgten eltern der jungen dame war alles geregelt.
die mädels waren elf jahre alt, meine tochter ein schlüsselkind aufgrund standhafter weigerung einen hort zu besuchen. da kam es einerseits sehr gelegen, dass die beiden rauhaardackel, mutter elsa (frau kelefs hund) und sohn anton (tochterhund), grundsätzlich sehr freundliche tiere, auch im kelef'schen haushalt lebten, und das kind also nicht allein zuhaus war. die freundin wiederum hätte gerne eine hund gehabt (durfte aber nicht), also gingen die beiden gerne nachmittags zusammen spazieren, und oft genug ward frau kelefs tochter bei der freundin verköstigt und verlustiert, mitsamt den hunden. es war also nur gut und billig, dass frau kelef die im übrigen sehr nette tochterfreundin auch mal versorgte.
auf ging es also, nach siofok an den schönen plattensee in das ebenso schöne ungarn. in den alten lada (das war ein auto, btw.) wurden also ein grosses zelt, die beiden elfjährigen, die beiden hunde, und alles notwendige zubehör gepackt, und auf ging es. ordentlicher mensch, der frau kelef ja immer war, waren sämtliche impfpässe aller fünf lebewesen, sämtliche versicherungsurkunden und was man sonst noch so brauchte in einem fremden land säuberlich mit von der partie.
es war ein toller urlaub, konnte man nicht meckern. da wir auf einem eigentlich den volksdemokratischen völkern vorbehaltenen campingplatz landeten, war es auch für die kinder unproblematisch: ddr-nachbarn, die hatten meist ein wenig angst vor west-kontakt, aus gründen wie man weiss, aber die kinder waren jung genug, die durften kontakt haben, und es waren viele andere kinder da, und die ernährung gestaltete sich einfach: hamburger, grillhühnchen, waffeln, und was die büdchen so hergaben an kulinarischem firlefanz, und das täglich! frisches, reifes obst der saison, am morgen noch am baum, zu mittag im magen, hervorragende eiscreme und, nicht zu vergessen: die ungarn machten limonaden aus allem und jedem, eine besser als die andere.
für frau kelef gab es zudem feine weine, den herrlichen ungarischen kaffee (miniportion im glas, und so stark dass der löffel drinnen stecken bleibt).
die hunde konnte man getrost auslassen, die kannten sich aus und fanden immer zurück zum tipi. elsa konnte die luftrichtung bestimmen und nahm immer den kürzesten weg zurück, anton hingegen war männlich und suchte die spur, kam ergo immer ein wenig später und im zickzack. manchmal schnorrten die köter so viel zusammen bei den zeltnachbarn, dass ihnen aber gar nicht gut war. haben sie schon einmal in einer heissen sommernacht in einem zelt geschlafen, neben ihnen zwei elfjährige die jeweils platz für drei brauchen, und dann noch mit zwei elendiglich furzenden und rülpsenden hunden, die alpträume haben? wenn sie die chance haben: vermeiden sie das.
nun, es waren zwei wunderbare wochen. sonne, sandstrand, schwimmen, spazierengehen, ein wenig die gegend anschauen, ein wenig geld ausgeben.
aber auch der schönste urlaub neigt sich dem ende zu, es war samstag vormittag, und es musste eingepackt werden, das tipi abgeschlagen und noch ein paar mitbringsel verstaut, der lada bog sich quasi nach aussen. und wie es so ist nach einem solchen urlaub, wir stopften einfach alles in den kofferraum was drinnen platz hatte. wenig sortiert, dafür umsomehr müffelnd, weil der geruch von sonnenölgetränkten handtüchern, verschwitzter wäsche, ein wenig wurst und käse, ein paar kilo frischem obst, und nicht zu vergessen das odeur "nasser hund nach schlammbad mit totem fisch", das alles zusammen, aber nun gut, waren ja nur ein paar stunden, und aber zu hause dann ist ja die waschmaschine.
ein wenig gepäck war auch im fahrgastraum - das olfaktorisch vertretbare - und dann waren da eben noch drei personen und die hunde. los gings.
den plattensee entlang konnte man damals in der urlaubszeit nur quasi im schritt fahren, und so genossen alle noch ein wenig die aussicht, ist ja sehr schön dort, und dann lichtete sich der verkehr, wir waren im schönen fonyod, und alsogleich sprach die freundin der tochter, sie müsse mal händewaschen und so, und ausserdem hätte sie noch ein wenig geld übrig und den eltern gerne um diese restsumme ein kleines geschenk gekauft.
gutes kind, sprach frau kelef, sonst noch jemand was zu erledigen? klar, die hunde immer, frau kelefs tochter jedoch meinte, sie würde im auto warten wollen, weil müde.
frau kelef also die hunde raus aus dem auto, einmal um ein paar bäume, hunde rein in das auto, tochterfreundin derweilen händewaschen und so, und dann wollten wir doch gleich in das kaufhaus, das da stand.
tochter, sprach frau kelef, da sind millionen leute, und ich habe reisepässe, impfpässe, autopapiere, schecks, scheckkarte, einiges bargeld, etc., schon für die grenze hergerichtet, in der handtasche. mag ich jetzt nicht unbedingt damit in das kaufhaus. kann ich das im auto lassen? ich nehm dann nur die geldbörse mit den kleineren banknoten mit, ich brauch ja eigentlich nicht wirklich was, aber ddr-geschult: man weiss ja nie.
logo, sprach das kind.
aber cave, sagte die mutter, schliesse die türen und fenster des autos von innen, und nimm die handtasche zu dir nach hinten, weil, man weiss ja nie.
logo, sprach das kind.
versprochen? frug frau kelef sicherheitshalber.
MAMA!
na denne.
nach zwanzig minuten kehrten tochterfreundin und frau kelef wieder zurück zum auto, tochterfreundin hatte einen sehr schönen handbemalten keramikbratentopf käuflich erworben und war stolz wie bolle, tochter hatte es sich ein wenig bequem gemacht auf dem rücksitz, und wegen der frischen luft hatte sie ein wenig die vorderen fenster geöffnet.
frau kelef und tochterfreundin stiegen ein, frau kelef fragt nach ihrer tasche, weil da waren auch die zigaretten drinnen, und die tochter sagte, die tasche liegt neben dir.
da, sprach frau kelef, ist keine tasche.
doch, hab ich dort hin gelegt.
?????
ja, wie ich das fenster aufgemacht habe, aber nur einen spalt.
das fenster, o tochter, ist ziemlich weit offen auf der beifahrerseite.
äh.
und?
ich weiss nicht.
?????
ich war so müde, und da hab ich mich zurückgelegt, und da war die luft so heiss, und da hab ich das fenster aufgemacht, aber nur ganz wenig, und dann bin ich eingeschlafen, und auf einmal waren die hunde ganz verrückt und sind auf die hutablage und haben gebellt und ein paar jugendliche haben das auto so geschaukelt und ich hab mich umgedreht und geschimpft und dann bist du schon gekommen.
frau kelef hatte tatsächlich ein paar jugendliche in einem affentempo davondüsen sehen, aber das nutzte nun auch nichts. offensichtlich hatten ein paar von denen kind und hunde abgelenkt, und andere hatten dann die scheibe ein wenig weiter hinuntergedrückt und die handtasche aus dem auto geklaut.
toll.
frau kelef erstarrte sicherheitshalber zur salzsäule, ihre eloquenz versiegte schlagartig, man möchte fast sagen sie ward stumm, kleine kalte schweissperlen bildeten sich auf ihrer stirn, sie begann unkontrolliert zu zittern und zu hyperventilieren.
in der - im übrigen schweineteuren - handtasche waren: die drei reisepässe mit visa, die impfpässe der hunde, die impfpässe der kinder, die vollmacht für frau kelef wegen der tochterfreundin, die gesundheitszeugnisse der hunde (conditio sine qua non für grenzübertritt), die versicherungspapiere, die autopapiere, eine goldene mont blanc-füllfeder, die ersatzbrille (conditio sine qua non für autofahren), acht schecks, die scheckkarte, und noch ein wenig schnickschnack.
in einer volksdemokratie. in einem land dessen sprache man nicht spricht. mit einem fremden kind. in einem auto in dem es roch wie, nun ja, oben beschrieben. at high noon, man könnte auch sagen am hellichten mittag, genaugenommen fünf nach zwölf, und in volksdemokratien war die genaue einhaltung der mittagsruhe und geschäftszeiten ja heiliger als woanders eine herde kühe. nicht zu vergessen die hunde, die langsam meinten das sei ziemlich langweilig alles, ob man jetzt nicht weiterfahren oder was unternehmen könnte. ausserdem hätten sie durst, die kinder auch, dann randalierten die hunde bei allen weiteren jugendlichen (die wussten ja warum), tochter und tochterfreundin begannen leise zu schluchzen, es hatte 35°c im schatten, es gab keine öffentlichen telefonzellen von denen man hätte nach hause telefonieren können, und die post, von der aus man hätte nach hause telefonieren können, die hatte seit zwölf uhr mittagspause. bis 16.00 uhr, weil volksdemokratie und siehe oben.
ganz toll.
to be continued.
und also beschloss frau kelef, es sei an der zeit auch wieder auf urlaub zu fahren, mit der tochter, und damit dem kinde nicht allzu langweilig werde einerseits, und damit frau kelef ein wenig freiraum habe andererseits, da wurde die beste freundin gefragt ob sie denn mitfahren wolle. hurra, meinte diese, und nach langwierigen und heiklen besprechungen mit den ausserordentlich besorgten eltern der jungen dame war alles geregelt.
die mädels waren elf jahre alt, meine tochter ein schlüsselkind aufgrund standhafter weigerung einen hort zu besuchen. da kam es einerseits sehr gelegen, dass die beiden rauhaardackel, mutter elsa (frau kelefs hund) und sohn anton (tochterhund), grundsätzlich sehr freundliche tiere, auch im kelef'schen haushalt lebten, und das kind also nicht allein zuhaus war. die freundin wiederum hätte gerne eine hund gehabt (durfte aber nicht), also gingen die beiden gerne nachmittags zusammen spazieren, und oft genug ward frau kelefs tochter bei der freundin verköstigt und verlustiert, mitsamt den hunden. es war also nur gut und billig, dass frau kelef die im übrigen sehr nette tochterfreundin auch mal versorgte.
auf ging es also, nach siofok an den schönen plattensee in das ebenso schöne ungarn. in den alten lada (das war ein auto, btw.) wurden also ein grosses zelt, die beiden elfjährigen, die beiden hunde, und alles notwendige zubehör gepackt, und auf ging es. ordentlicher mensch, der frau kelef ja immer war, waren sämtliche impfpässe aller fünf lebewesen, sämtliche versicherungsurkunden und was man sonst noch so brauchte in einem fremden land säuberlich mit von der partie.
es war ein toller urlaub, konnte man nicht meckern. da wir auf einem eigentlich den volksdemokratischen völkern vorbehaltenen campingplatz landeten, war es auch für die kinder unproblematisch: ddr-nachbarn, die hatten meist ein wenig angst vor west-kontakt, aus gründen wie man weiss, aber die kinder waren jung genug, die durften kontakt haben, und es waren viele andere kinder da, und die ernährung gestaltete sich einfach: hamburger, grillhühnchen, waffeln, und was die büdchen so hergaben an kulinarischem firlefanz, und das täglich! frisches, reifes obst der saison, am morgen noch am baum, zu mittag im magen, hervorragende eiscreme und, nicht zu vergessen: die ungarn machten limonaden aus allem und jedem, eine besser als die andere.
für frau kelef gab es zudem feine weine, den herrlichen ungarischen kaffee (miniportion im glas, und so stark dass der löffel drinnen stecken bleibt).
die hunde konnte man getrost auslassen, die kannten sich aus und fanden immer zurück zum tipi. elsa konnte die luftrichtung bestimmen und nahm immer den kürzesten weg zurück, anton hingegen war männlich und suchte die spur, kam ergo immer ein wenig später und im zickzack. manchmal schnorrten die köter so viel zusammen bei den zeltnachbarn, dass ihnen aber gar nicht gut war. haben sie schon einmal in einer heissen sommernacht in einem zelt geschlafen, neben ihnen zwei elfjährige die jeweils platz für drei brauchen, und dann noch mit zwei elendiglich furzenden und rülpsenden hunden, die alpträume haben? wenn sie die chance haben: vermeiden sie das.
nun, es waren zwei wunderbare wochen. sonne, sandstrand, schwimmen, spazierengehen, ein wenig die gegend anschauen, ein wenig geld ausgeben.
aber auch der schönste urlaub neigt sich dem ende zu, es war samstag vormittag, und es musste eingepackt werden, das tipi abgeschlagen und noch ein paar mitbringsel verstaut, der lada bog sich quasi nach aussen. und wie es so ist nach einem solchen urlaub, wir stopften einfach alles in den kofferraum was drinnen platz hatte. wenig sortiert, dafür umsomehr müffelnd, weil der geruch von sonnenölgetränkten handtüchern, verschwitzter wäsche, ein wenig wurst und käse, ein paar kilo frischem obst, und nicht zu vergessen das odeur "nasser hund nach schlammbad mit totem fisch", das alles zusammen, aber nun gut, waren ja nur ein paar stunden, und aber zu hause dann ist ja die waschmaschine.
ein wenig gepäck war auch im fahrgastraum - das olfaktorisch vertretbare - und dann waren da eben noch drei personen und die hunde. los gings.
den plattensee entlang konnte man damals in der urlaubszeit nur quasi im schritt fahren, und so genossen alle noch ein wenig die aussicht, ist ja sehr schön dort, und dann lichtete sich der verkehr, wir waren im schönen fonyod, und alsogleich sprach die freundin der tochter, sie müsse mal händewaschen und so, und ausserdem hätte sie noch ein wenig geld übrig und den eltern gerne um diese restsumme ein kleines geschenk gekauft.
gutes kind, sprach frau kelef, sonst noch jemand was zu erledigen? klar, die hunde immer, frau kelefs tochter jedoch meinte, sie würde im auto warten wollen, weil müde.
frau kelef also die hunde raus aus dem auto, einmal um ein paar bäume, hunde rein in das auto, tochterfreundin derweilen händewaschen und so, und dann wollten wir doch gleich in das kaufhaus, das da stand.
tochter, sprach frau kelef, da sind millionen leute, und ich habe reisepässe, impfpässe, autopapiere, schecks, scheckkarte, einiges bargeld, etc., schon für die grenze hergerichtet, in der handtasche. mag ich jetzt nicht unbedingt damit in das kaufhaus. kann ich das im auto lassen? ich nehm dann nur die geldbörse mit den kleineren banknoten mit, ich brauch ja eigentlich nicht wirklich was, aber ddr-geschult: man weiss ja nie.
logo, sprach das kind.
aber cave, sagte die mutter, schliesse die türen und fenster des autos von innen, und nimm die handtasche zu dir nach hinten, weil, man weiss ja nie.
logo, sprach das kind.
versprochen? frug frau kelef sicherheitshalber.
MAMA!
na denne.
nach zwanzig minuten kehrten tochterfreundin und frau kelef wieder zurück zum auto, tochterfreundin hatte einen sehr schönen handbemalten keramikbratentopf käuflich erworben und war stolz wie bolle, tochter hatte es sich ein wenig bequem gemacht auf dem rücksitz, und wegen der frischen luft hatte sie ein wenig die vorderen fenster geöffnet.
frau kelef und tochterfreundin stiegen ein, frau kelef fragt nach ihrer tasche, weil da waren auch die zigaretten drinnen, und die tochter sagte, die tasche liegt neben dir.
da, sprach frau kelef, ist keine tasche.
doch, hab ich dort hin gelegt.
?????
ja, wie ich das fenster aufgemacht habe, aber nur einen spalt.
das fenster, o tochter, ist ziemlich weit offen auf der beifahrerseite.
äh.
und?
ich weiss nicht.
?????
ich war so müde, und da hab ich mich zurückgelegt, und da war die luft so heiss, und da hab ich das fenster aufgemacht, aber nur ganz wenig, und dann bin ich eingeschlafen, und auf einmal waren die hunde ganz verrückt und sind auf die hutablage und haben gebellt und ein paar jugendliche haben das auto so geschaukelt und ich hab mich umgedreht und geschimpft und dann bist du schon gekommen.
frau kelef hatte tatsächlich ein paar jugendliche in einem affentempo davondüsen sehen, aber das nutzte nun auch nichts. offensichtlich hatten ein paar von denen kind und hunde abgelenkt, und andere hatten dann die scheibe ein wenig weiter hinuntergedrückt und die handtasche aus dem auto geklaut.
toll.
frau kelef erstarrte sicherheitshalber zur salzsäule, ihre eloquenz versiegte schlagartig, man möchte fast sagen sie ward stumm, kleine kalte schweissperlen bildeten sich auf ihrer stirn, sie begann unkontrolliert zu zittern und zu hyperventilieren.
in der - im übrigen schweineteuren - handtasche waren: die drei reisepässe mit visa, die impfpässe der hunde, die impfpässe der kinder, die vollmacht für frau kelef wegen der tochterfreundin, die gesundheitszeugnisse der hunde (conditio sine qua non für grenzübertritt), die versicherungspapiere, die autopapiere, eine goldene mont blanc-füllfeder, die ersatzbrille (conditio sine qua non für autofahren), acht schecks, die scheckkarte, und noch ein wenig schnickschnack.
in einer volksdemokratie. in einem land dessen sprache man nicht spricht. mit einem fremden kind. in einem auto in dem es roch wie, nun ja, oben beschrieben. at high noon, man könnte auch sagen am hellichten mittag, genaugenommen fünf nach zwölf, und in volksdemokratien war die genaue einhaltung der mittagsruhe und geschäftszeiten ja heiliger als woanders eine herde kühe. nicht zu vergessen die hunde, die langsam meinten das sei ziemlich langweilig alles, ob man jetzt nicht weiterfahren oder was unternehmen könnte. ausserdem hätten sie durst, die kinder auch, dann randalierten die hunde bei allen weiteren jugendlichen (die wussten ja warum), tochter und tochterfreundin begannen leise zu schluchzen, es hatte 35°c im schatten, es gab keine öffentlichen telefonzellen von denen man hätte nach hause telefonieren können, und die post, von der aus man hätte nach hause telefonieren können, die hatte seit zwölf uhr mittagspause. bis 16.00 uhr, weil volksdemokratie und siehe oben.
ganz toll.
to be continued.
... link (9 Kommentare) ... comment
Mittwoch, 10. März 2010
norik
kelef, 13:55h
war der schönste schäferhund, den ich je gesehen habe. ich lernte ihn anno dunnemals in der schönen alten ddr kennen. im jahre des herrn 1983, im lieblichen ei-hü, also eisenhüttenstadt, südlich von frankfurt an der oder.
norik war ein dunkler russischer schäferhund, ein riesiger langhaariger unkastrierter rüde, mannscharf - also abgerichtet zur bewachung von straflagern in der schönen udssr.
norik war damals vier jahre alt, hatte ein gebiss wie ein löwe, eine ähnliche mähne, eine widerristhöhe von 75 cm und ein kampfgewicht von 50 kg.
norik hatte eine unmenge von papieren die seine edle herkunft, seine ausbildung und seine gesundheit bescheinigten.
norik konnte einen maschendrahtzaun von 2 metern überwinden.
norik hatte tatzen wie teller, konnte türen öffnen, seinen kopf problemlos auf teller legen die auf dem tisch standen, und aus dem ersten stock aus dem fenster springen (die wohnbaracken der siedlung hatten eine raumhhöhe von nur 2.30 m).
norik konnte natürlich auch noch eine menge anderer dinge, wie zum beispiel autos fangen: bei 40 km/h begann er zu überholen.
norik war verkauft worden, weil er zu freundlich war für den job, für den er ausgebildet worden war: eine handaufzucht, viel zu menschenbezogen. da nutzte die ganze harte schule nix mehr.
noriks besitzer war nun ein komplexbeladener österreichischer direktorssohn, der diesen hund in russland gekauft hatte: als aufwertung seiner person, als machtdemonstration, und als kompensation für das eigene äussere, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
der hund muss seinem herrn gehorchen, heisst es ja. norik konnte das nicht so sehen. sein herrchen hatte brav alle kommandos in lautschrift aufgemalt, und versuchte sich in fremdsprachen. norik blickte ihn aufmerksam an, und tat den deibel.
komm her, sitz, fuss, steh auf, geh weg, platz: norik blickte seinen herrn interessiert an, lächelte ein wenig und ging seiner wege.
norik schlief im bett, mit decke und zwei kopfpolstern. herrchen schlief auf der matratze auf dem boden, mit decke und ohne kopfpolster.
wenn norik sich was vom teller seines herrn nahm, blickte dieser stumm um den ganzen tisch herum, winselte ein wenig und ging in die küche um dort zu essen. norik fand übrigens gefallen und geschmack an vielen speisen, auch suppen und desserts verschmähte er nicht. kartoffeln und nudeln liess er übrig.
als sein herrchen ihn einmal im camp-eigenen club an den röhren der (gott sei dank abgedrehten) zentralheizung angebunden und nach einer stunde noch immer nicht abgeholt hatte, verspürte norik durst. da er wusste, wo seine wasserschüssel stand, ging er dorthin um zu trinken. leiderleider hing letztendlich ein gutteil der heizungsrohre mit ein wenig heizkörper am anderen ende der leine, aber der durst ist ein luder, wie man weiss, und schliesslich war hochsommer.
kurzum, norik war ein seelchen.
dass ich ein wenig russisch konnte, tat unserer freundschaft nix, und norik konnte auch handzeichen, deutsch und englisch, und ein wenig französisch, serbokroatisch und polnisch, was eben gerade gesprochen wurde. norik verstand einfach jeden, wenn er ihn denn akzeptierte, und wenn er jemanden nicht akzeptierte, dann nutzte auch ein dolmetscher nichts.
nie werde ich vergessen, wie ich ihn zu beginn unserer bekanntschaft auf russisch ansprach. er schaute mich an, dachte nach, und machte was ich wollte. völlig ohne irgendwelche sperenzchen. und dann ritt mich der teufel, und ich sagte "gib mir einen kuss" und er kam zu mir und öffnete seinen wirklich riesigen fang ein wenig, und die runde erstarrte, und ich neigte mich zu ihm, und er sabberte mir mit der zunge ein ganz klein wenig vorsichtig über die nase. "liebst du mich?" und er legte mir den kopf auf die schulter, kniff die augen ein wenig zu und seufzte tief und zufrieden.
ein paar von den vielleicht hundert leuten, die in der verwaltung arbeiteten, hatten hundeerfahrung, und natürlich hatten auch die kein problem mit norik. ja ist ja, nein ist nein, und gut war es.
einige hatten in norik also einen verlässlichen, lieben freund. norik ging fuss, legte sich unter den schreibtisch, norik kam und ging, brachte dinge zu verschiedenen personen, und der fleischhauer war sein besonderer freund: das war der, der die vollen schüsseln verteilte. norik wurde einmal erklärt (auf steirisch, das ist auch eine eigene sprache) dass es mit der selbstbedienung nichts werden könne für ihn, auch wenn er unbestritten so eine kalbshälfte hätte wegtransportieren können. norik sass also manierlich vor unmengen toten fleisches und wartete, bis er seine volle schüssel bekam. dann gab er manierlich die pfote, und schlug sich anschliessend den magen voll.
sein herrchen konnte ihn nicht einmal dazu bewegen ins auto zu steigen, mit vielen von uns fuhr er gerne mit und liess sich den fahrtwind um die ohren wehen.
norik konnte menschen ignorieren wie niemand sonst, katzen waren unter seiner würde, aber mäuse fangen war ein riesenspass, ebenso wie fischen.
als ich meine kleine bayrische rauhaardackeldame, damals drei monate alt, mitbrachte, kriegte noriks herrchen einen mittelprächtigen atemstillstand, norik würde die kleine umgehend zerfleischen, auffressen, und überhaupt ums leben bringen, und dann sei doch der hund so gut mit mir, ob ich denn die eifersucht nicht bedacht hätte.
na ja, also grundsätzlich steh ich ja auf dem standpunkt, dass ein gesunder rüde einem sehr jungen weibchen sowieso nichts tut, und wenn, dann gehört der hund ordentlich verwahrt, mindestens, weil normal ist das nicht.
norik, sprach ich also, schau mal, ein baby! das ist elsa! toll, meinte norik, ein wenig klein, die kann ich ja quasi im ganzen schlucken! norik, sprach ich also, die elsa musst du liebhaben und auf sie aufpassen! ist okeh, meinte norik, sabberte die kleine einmal ordentlich nass und zeigte ihr die umgebung.
norik blieb manchmal ein paar tage bei mir, wenn sein herrchen ausser landes fuhr, und wie auch immer: hunde schliefen auf hundeplatz, ich auf menschenplatz. ich brauchte dem hund noch nicht einmal sagen, dass er meinen teller noch nicht einmal anzusehen habe, wusste er selber. elsa konnte ihn in die lefzen beissen, an seinen ohren knabbern, und ihn am schwanz ziepen: er brummte nicht einmal.
den meisten spass hatten die beiden im club: sekt war für uns aus dem westen sehr billig, und wurde entsprechend oft bestellt. und dann war eines ganz wichtig: zum öffnen aufstehen, flasche schütteln, warten dass die hunde das sehen, und dann den korken knallen lassen, so dass dieser wild durch den raum flog. sowie der knall ertönte, hielten alle eingeweihten alles zerbrechliche fest, denn norik und elsa versuchten den korken zu fangen, norik möglichst aus der luft, elsa dackelkrummbeinig unter den tischen suchend. ich glaube immer noch, norik hat die kleine manchmal einfach gewinnen lassen. sie hat ihm den korken ja sowieso immer gebracht zum zerbeissen.
norik musste mit seinem herrchen dann nach österreich, da hatte er einen grossen garten von ganzen 2.000 m² (was ist das schon für so einen hund) aber keine beschäftigung, und also wurde er zusätzlich von unfolgsam auch noch unleidlich und nach zwei jahren weitergegeben, und ich habe leider keine ahnung was aus ihm geworden ist. tut mir immer noch in der seele leid um ihn und für ihn.
aber wenn ich die hundedebatten höre, und die sache mit guter hund - schlechter hund - scharfer hund - kampfhund - wachhund, dann denke ich an ihn, weil er eben so ein typisches beispiel für ein verkanntes genie war. in den richtigen händen wäre norik von anfang an eine tolle laufbahn beschieden gewesen, als behindertenhund vielleicht, oder auch als blindenhund, polizeihund, therapiehund.
das problem ist am anderen ende der leine, und eigentlich sollte jeder, der sich auch nur einen goldfisch zulegt, erst einmal vorbeten können was so ein fisch zum leben und wohlfühlen braucht bevor er das tier in einem sackerl mit nach hause bekommt. und also: ja zum meerschweinführschein, zum kanariführschein, um zum katzeführschein, und überhaupt.
norik war ein dunkler russischer schäferhund, ein riesiger langhaariger unkastrierter rüde, mannscharf - also abgerichtet zur bewachung von straflagern in der schönen udssr.
norik war damals vier jahre alt, hatte ein gebiss wie ein löwe, eine ähnliche mähne, eine widerristhöhe von 75 cm und ein kampfgewicht von 50 kg.
norik hatte eine unmenge von papieren die seine edle herkunft, seine ausbildung und seine gesundheit bescheinigten.
norik konnte einen maschendrahtzaun von 2 metern überwinden.
norik hatte tatzen wie teller, konnte türen öffnen, seinen kopf problemlos auf teller legen die auf dem tisch standen, und aus dem ersten stock aus dem fenster springen (die wohnbaracken der siedlung hatten eine raumhhöhe von nur 2.30 m).
norik konnte natürlich auch noch eine menge anderer dinge, wie zum beispiel autos fangen: bei 40 km/h begann er zu überholen.
norik war verkauft worden, weil er zu freundlich war für den job, für den er ausgebildet worden war: eine handaufzucht, viel zu menschenbezogen. da nutzte die ganze harte schule nix mehr.
noriks besitzer war nun ein komplexbeladener österreichischer direktorssohn, der diesen hund in russland gekauft hatte: als aufwertung seiner person, als machtdemonstration, und als kompensation für das eigene äussere, um es einmal vorsichtig auszudrücken.
der hund muss seinem herrn gehorchen, heisst es ja. norik konnte das nicht so sehen. sein herrchen hatte brav alle kommandos in lautschrift aufgemalt, und versuchte sich in fremdsprachen. norik blickte ihn aufmerksam an, und tat den deibel.
komm her, sitz, fuss, steh auf, geh weg, platz: norik blickte seinen herrn interessiert an, lächelte ein wenig und ging seiner wege.
norik schlief im bett, mit decke und zwei kopfpolstern. herrchen schlief auf der matratze auf dem boden, mit decke und ohne kopfpolster.
wenn norik sich was vom teller seines herrn nahm, blickte dieser stumm um den ganzen tisch herum, winselte ein wenig und ging in die küche um dort zu essen. norik fand übrigens gefallen und geschmack an vielen speisen, auch suppen und desserts verschmähte er nicht. kartoffeln und nudeln liess er übrig.
als sein herrchen ihn einmal im camp-eigenen club an den röhren der (gott sei dank abgedrehten) zentralheizung angebunden und nach einer stunde noch immer nicht abgeholt hatte, verspürte norik durst. da er wusste, wo seine wasserschüssel stand, ging er dorthin um zu trinken. leiderleider hing letztendlich ein gutteil der heizungsrohre mit ein wenig heizkörper am anderen ende der leine, aber der durst ist ein luder, wie man weiss, und schliesslich war hochsommer.
kurzum, norik war ein seelchen.
dass ich ein wenig russisch konnte, tat unserer freundschaft nix, und norik konnte auch handzeichen, deutsch und englisch, und ein wenig französisch, serbokroatisch und polnisch, was eben gerade gesprochen wurde. norik verstand einfach jeden, wenn er ihn denn akzeptierte, und wenn er jemanden nicht akzeptierte, dann nutzte auch ein dolmetscher nichts.
nie werde ich vergessen, wie ich ihn zu beginn unserer bekanntschaft auf russisch ansprach. er schaute mich an, dachte nach, und machte was ich wollte. völlig ohne irgendwelche sperenzchen. und dann ritt mich der teufel, und ich sagte "gib mir einen kuss" und er kam zu mir und öffnete seinen wirklich riesigen fang ein wenig, und die runde erstarrte, und ich neigte mich zu ihm, und er sabberte mir mit der zunge ein ganz klein wenig vorsichtig über die nase. "liebst du mich?" und er legte mir den kopf auf die schulter, kniff die augen ein wenig zu und seufzte tief und zufrieden.
ein paar von den vielleicht hundert leuten, die in der verwaltung arbeiteten, hatten hundeerfahrung, und natürlich hatten auch die kein problem mit norik. ja ist ja, nein ist nein, und gut war es.
einige hatten in norik also einen verlässlichen, lieben freund. norik ging fuss, legte sich unter den schreibtisch, norik kam und ging, brachte dinge zu verschiedenen personen, und der fleischhauer war sein besonderer freund: das war der, der die vollen schüsseln verteilte. norik wurde einmal erklärt (auf steirisch, das ist auch eine eigene sprache) dass es mit der selbstbedienung nichts werden könne für ihn, auch wenn er unbestritten so eine kalbshälfte hätte wegtransportieren können. norik sass also manierlich vor unmengen toten fleisches und wartete, bis er seine volle schüssel bekam. dann gab er manierlich die pfote, und schlug sich anschliessend den magen voll.
sein herrchen konnte ihn nicht einmal dazu bewegen ins auto zu steigen, mit vielen von uns fuhr er gerne mit und liess sich den fahrtwind um die ohren wehen.
norik konnte menschen ignorieren wie niemand sonst, katzen waren unter seiner würde, aber mäuse fangen war ein riesenspass, ebenso wie fischen.
als ich meine kleine bayrische rauhaardackeldame, damals drei monate alt, mitbrachte, kriegte noriks herrchen einen mittelprächtigen atemstillstand, norik würde die kleine umgehend zerfleischen, auffressen, und überhaupt ums leben bringen, und dann sei doch der hund so gut mit mir, ob ich denn die eifersucht nicht bedacht hätte.
na ja, also grundsätzlich steh ich ja auf dem standpunkt, dass ein gesunder rüde einem sehr jungen weibchen sowieso nichts tut, und wenn, dann gehört der hund ordentlich verwahrt, mindestens, weil normal ist das nicht.
norik, sprach ich also, schau mal, ein baby! das ist elsa! toll, meinte norik, ein wenig klein, die kann ich ja quasi im ganzen schlucken! norik, sprach ich also, die elsa musst du liebhaben und auf sie aufpassen! ist okeh, meinte norik, sabberte die kleine einmal ordentlich nass und zeigte ihr die umgebung.
norik blieb manchmal ein paar tage bei mir, wenn sein herrchen ausser landes fuhr, und wie auch immer: hunde schliefen auf hundeplatz, ich auf menschenplatz. ich brauchte dem hund noch nicht einmal sagen, dass er meinen teller noch nicht einmal anzusehen habe, wusste er selber. elsa konnte ihn in die lefzen beissen, an seinen ohren knabbern, und ihn am schwanz ziepen: er brummte nicht einmal.
den meisten spass hatten die beiden im club: sekt war für uns aus dem westen sehr billig, und wurde entsprechend oft bestellt. und dann war eines ganz wichtig: zum öffnen aufstehen, flasche schütteln, warten dass die hunde das sehen, und dann den korken knallen lassen, so dass dieser wild durch den raum flog. sowie der knall ertönte, hielten alle eingeweihten alles zerbrechliche fest, denn norik und elsa versuchten den korken zu fangen, norik möglichst aus der luft, elsa dackelkrummbeinig unter den tischen suchend. ich glaube immer noch, norik hat die kleine manchmal einfach gewinnen lassen. sie hat ihm den korken ja sowieso immer gebracht zum zerbeissen.
norik musste mit seinem herrchen dann nach österreich, da hatte er einen grossen garten von ganzen 2.000 m² (was ist das schon für so einen hund) aber keine beschäftigung, und also wurde er zusätzlich von unfolgsam auch noch unleidlich und nach zwei jahren weitergegeben, und ich habe leider keine ahnung was aus ihm geworden ist. tut mir immer noch in der seele leid um ihn und für ihn.
aber wenn ich die hundedebatten höre, und die sache mit guter hund - schlechter hund - scharfer hund - kampfhund - wachhund, dann denke ich an ihn, weil er eben so ein typisches beispiel für ein verkanntes genie war. in den richtigen händen wäre norik von anfang an eine tolle laufbahn beschieden gewesen, als behindertenhund vielleicht, oder auch als blindenhund, polizeihund, therapiehund.
das problem ist am anderen ende der leine, und eigentlich sollte jeder, der sich auch nur einen goldfisch zulegt, erst einmal vorbeten können was so ein fisch zum leben und wohlfühlen braucht bevor er das tier in einem sackerl mit nach hause bekommt. und also: ja zum meerschweinführschein, zum kanariführschein, um zum katzeführschein, und überhaupt.
... link (8 Kommentare) ... comment
man soll ja nicht meckern
kelef, 13:11h
das bundesrechnungsamt hat einen netten brief geschrieben, und auch die neue auszahlungssumme bestätigt. offizieller alterspensionsantritt 01.03.2012.
und alle anderen diesbezüglichen amtstermine sind hinfällig.
wieder was erledigt.
und alle anderen diesbezüglichen amtstermine sind hinfällig.
wieder was erledigt.
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