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Mittwoch, 24. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 6
kelef, 12:39h
der campingplatz war wirklich ziemlich ausserhalb, in einer autobahnschleifentiefe, gelegen, und tatsächlich funkelnigelnagelneu. und es gab dort ebensolch neue, wirklich grosszügige bade- und toiletteanlagenhäuser, pingelig sauber, mit riesigen duschen und heissem wasser und spiegeln und alles war so ordentlich und roch so gut und ...
jedenfalls, der betreiber hatte auf frau kelef und die mannschaft gewartet, er sprach viel und laut und russisch, ungarisch, deutsch, englisch, französisch und noch ein paar sprachen, leider alle gleichzeitig und durcheinander, aber die herren x und y kannte er, die hatten ja angerufen, und er habe auch schon einen schönen platz für uns reserviert, gross und gemütlich unter einem dichten baum, es regne ja gerade ziemlich stark, und ob wir hilfe bräuchten.
frau kelef dankte dem himmel, zelt aufschlagen könne sie alleine, den angebotenen kaffee mit geschmack (russischer wodka ist ja bekanntlich eine hochwirksame medizin) nahm sie gerne, es wurden noch ein paar getränke für die zweibeiner mitgenommen, frau kelef dankte dem russischen engel der aussah wie einer der klitschko-brüder, nur ein wenig sehr viel gewichtiger, und auf ging es zum reservierten platz.
der war unter einem sehr grossen sehr alten baum mit riesigen blättern, immerhin, aber trotzdem: diesem gewitter wäre nicht einmal ein dreifacher regenschirm aus friesischem spezialgewebe gewachsen gewesen.
also: kofferraum auf, mannschaft im auto eingeschlossen, tipi heraus.
haben sie schon einmal bei wirklich strömendem regen, nachdem sie innerhalb der letzen 36 oder mehr stunden nur ein paar kurze nickerchen gehalten haben, ein paar hundert kilometer gefahren sind, und so weiter, versucht ein viermann-zelt in der finsternus der nacht mit ohne taschenlampe und mit ohne zeltplatzbeleuchtung (die anderen camper schliefen schon) alleine aufzubauen? insbesondere bei neumond? man sollte von sowas abstand nehmen, so irgend möglich.
die freundin der tochter und ihr vater hatten statt zweier linker hände eigentlich zwei linke füsse, so ungeschickt waren die, und die tochter musste die hunde bändigen, war zwar willens zu helfen, hatte aber auch noch tröstende funktionen zu erfüllen.
irgendwie waren dann aber doch alle häringe im matsch versenkt, ein spannseil wurde an der stossstange festgezurrt (matsch zu matschig), ein anderes am baum. musste ja nur bis zum nächsten morgen halten, es war auch schon spät. zeltstangen alle am richtigen ort, puh. die paar blaumeisen, die sich unter frau kelefs fingernägeln gebildet hatten, waren vernachlässigbar, ein indianer kennt keinen schmerz.
frau kelef hatte alles alleine geschafft, das tipi stand, war dicht, die paar grindigen badetücher und handtücher und hundedecken hinein, die zweibeiner noch in die badehäuser gejagt (somit waren auch die letzten halbwegs trockenen hand- und badetücher, die die reise mitgemacht hatten, durch und durch nass), mannschaft hineingejagt in das zelt, reissverschluss zu und: kusch jetzt, alle.
friedliche ruhe senkte sich über frau kelefs gemüt, und sie beschloss, komme was da wolle, jetzt eine heisse dusche, und dann schläft sie im traktor, und zwar alleine. heilige stille würde sein, kein greinen, kein schnaufen, kein fremder atemzug.
zahnbürste und -pasta, kamm und haarshampoo (mit wie wenig toiletteartikeln man doch auskommen kann!) unter den arm genommen, auf in das einladende badehaus, heisses, sauberes wasser, frau kelef konnte gar nicht genug davon bekommen. und dann war dort auch noch so ein riesenfön der aus der decke kam, unterwäsche gewaschen, unter dem fön getrocknet, unbeschreibliches glück.
sauber und duftend kehrte frau kelef barfüssig (die schuhe hätte sie im finstern im matsch sowieso nur verloren) durch den matsch und den regen zurück zum auto, öffnete die tür, fiel förmlich hinein, wer braucht schon kopfpolster und decke, fenster einen spalt auf, noch eine gute-nacht-zigarette, und: heihei.
es war unvorstellbar schön. die ruhe, die stille, die dunkle nacht, der nunmehr etwas gemässigte sommerregen der leise und friedlich auf das autodach prasselte, hach ja. frau kelef schlief jetzt und hier und auf der stelle ein.
nach gefühlten 21 sekunden hämmerte es auf das dach. der koloss, auch vater der freundin der tochter genannt, begehrte einlass. ihm sei kalt, es sei feucht, der boden sei hart, der wolf brenne und jucke, die dackel furzten und die kinder schnarchten - eigentlich schnarchte sein kind, aber gnade vor recht.
frau kelef beherrschte sich, richtete sich auf, öffnete die tür, liess den koloss auf den beifahrersitz, und hiess ihn sich lautlos zu verhalten, ansonsten bestünde gewaltige gefahr für sein leben.
der koloss schaffte es zwar wortlos zu bleiben, aber 150 kg können nicht lautlos leiden, und so schnaufte und kratzte und bebte und schniefte er vor sich hin dass es eine schande war.
eine flucht ins zelt war nicht ratsam, er hatte die mädel und die hunde schon einmal aufgeweckt, die schliefen gerade wieder und das ganze theater noch einmal: ohne frau kelef, bitte, danke. selbsthypnose ist ja auch was feines: ommmmm.
irgendwann begann es wieder hell zu werden, es hatte aufgehört zu regnen und frau kelef fand sich auf mystische weise auf einer parkbank wieder, die unter dem baum stand unter dem das auto und das zelt standen. bis dato war sie nie schlafgewandelt, man weiss nicht genau was passiert war, jedenfalls waren alle noch am leben, was relativ unerklärlich, aber unübersehbar war.
frau kelef kroch ins auto zurück, der koloss monierte dass man ihn geweckt und er jetzt zuwenig platz habe, und sein wolf, ... kusch jetzt, sprach frau kelef.
kurz darauf erschien auch der rest der mannschaft, weil kalt, feucht, hart, was auch immer, und krabbelte der reihe nach ins auto. liegesitze rauf, im sitzen kann man sich ja auch erholen, augen zu, und: ... kusch jetzt, sprach frau kelef.
eine stunde später, es war noch immer ziemlich früh, kühl und feucht, aber die hunde mussten mal, die mädels auch, der koloss hatte immer noch den wolf und hätte gerne genaueres dazu mitgeteilt, die mädels hatten ferner hunger und ihnen war kalt, und auch der boden wäre zu hart gewesen, und das auto sei zu klein für so viele menschen, der koloss begehrte ärztliche behandlung und die mädels frische kleidung, und ...
kusch, jetzt. das kannten die schon.
frau kelef schickte alle in die verschiedenen vorgeschriebenen richtungen, wies den koloss an sich gefälligst mit irgendeiner möglicherweise irgendwo im kofferraum befindlichen hautcreme zufrieden zu geben und sich weiterer äusserungen zu dieser thematik zu enthalten, ihr ferner nicht im wege zu stehen und sich überhaupt tunlichst unauffällig zu verhalten. warum er wien ohne zahnbürste verlassen hatte wurde nicht näher erörtert, sollte er eben den mund halten, war sowieso besser.
forint waren nur mehr wenige vorhanden, aber für die bezahlung des platzes und kaffee reichte es gerade noch.
zelt abgeschlagen, nasses zeug in den kofferraum gepfeffert, mannschaft zusammengetrommelt, dem riesigen russischen engel noch einmal gedankt, und hopp-hopp in den traktor. die botschaft wartete, und in ihr die reisepässe und die anderen papiere, und dann die polizeistelle und dann aber: nach hause.
auf dem weg zur botschaft noch bei einer bank angehalten, die öffnete dann auch schon nach einer halben stunde wartens, zwei schecks des vaters der freundin der tochter eingelöst, und dann weiter.
vor der botschaft angekommen - es stellten sich schon fast heimatliche gefühle ein, aber nur fast - fand sich der schon bekannte parkplatz besetzt, die freude war gross, also irgendjemand der obrigkeit schien tatsächlich angekommen zu sein, vielleicht war der auch anwesend, traktor abgestellt, mannschaft heraus- und zu paaren getrieben, und richtung schmiedeeisernes tor geschritten.
dieses war diesmal gar nicht versperrt, rein, durch den vorgarten, an der tür klingeln, freundlich grüssen, dem türsteher oder wer auch immer das war die begehr vorgetragen, der schaute wie nach einem zusammenstoss mit einem grossen, roten autobus und meinte:
"wenn sie keinen termin haben, kann ich sie nicht hereinlassen."
frau kelef versicherte ihn der tatsache, dass sie de facto sehr wohl einen termin habe, nur eben keine schriftliche bestätigung für diese tatsache, und dass man sie jetzt doch bitte ...
"wenn sie keinen termin haben, kann ich sie nicht hereinlassen."
ob der herr türöffnungs- und vorstehungsdirektor in seiner unbeschreiblichen freundlichkeit und gnade vielleicht so entgegenkommend sein und den jüngling mit lockichtem haar ausforschen könne, dieser wisse nämlich bescheid, und es sei doch auch so vereinbart, und ...
"wenn sie keinen termin haben, kann ich sie nicht hereinlassen."
bei frau kelef setzte kurz die atmung aus, die mannschaft begann zu greinen/weinen/winseln, und herr anton, der rauhaardackel, fand es an der zeit wieder einmal irgendwohin zu pinkeln wohin er sonst nicht durfte, diesmal traf es die tür.
frau kelef atmete mehrmals tief durch, und sprach:
"und wenn sie mich jetzt nicht auf der stelle da hineinlassen und wir unsere pässe und papiere bekommen damit wir rechtzeitig auf der polizei um unsere visa ansuchen können, dann bin ich in 30 sekunden wieder da draussen vor der tür auf dem gehsteig im sitzstreik, und wir veranstalten einen krawall dass die fensterscheiben scheppern."
"das wagen sie nicht."
die tochter sagte nur "oh-oh-oh", mit jener besonderen betonung, frau kelef hingegen sagte gar nichts, sondern schritt hocherhobenen hauptes und verkrampften nervenkostüms durch den vorgarten und das schmiedeeiserne tor, die mannschaft folgte paarweise.
frau kelef nahm eines der bemerkenswerten badetücher und ein wenig werkzeug aus dem kofferraum, drapierte das tuch malerisch auf dem gehsteig, liess sich graziös darauf nieder, streckte das gesicht in die sonne und die beine über den gehsteig, liess schraubenschlüssel, wagenheber und hämmer erklingen und wies die mannschaft an die lautmalerische unterstützung ihrer rhythmischen darbietung umgehend beginnen zu lassen.
und so tönte es wieder huphuphup-pfeif-klapper-winsel-schepper-wauwauwau,
es brüllte ungarisch aus den umliegenden häusern, die fenster der botschaft klirrten, ein paar autos blieben stehen, ein paar fotoapparate wurden gezückt, aber es geschah sonst nichts weiter als dass die zeit verging.
frau kelef jedoch sass wieder vor der vertretung der österreicher in ungarn und streikte. hatte sie ja schon übung darin.
to be continued.
jedenfalls, der betreiber hatte auf frau kelef und die mannschaft gewartet, er sprach viel und laut und russisch, ungarisch, deutsch, englisch, französisch und noch ein paar sprachen, leider alle gleichzeitig und durcheinander, aber die herren x und y kannte er, die hatten ja angerufen, und er habe auch schon einen schönen platz für uns reserviert, gross und gemütlich unter einem dichten baum, es regne ja gerade ziemlich stark, und ob wir hilfe bräuchten.
frau kelef dankte dem himmel, zelt aufschlagen könne sie alleine, den angebotenen kaffee mit geschmack (russischer wodka ist ja bekanntlich eine hochwirksame medizin) nahm sie gerne, es wurden noch ein paar getränke für die zweibeiner mitgenommen, frau kelef dankte dem russischen engel der aussah wie einer der klitschko-brüder, nur ein wenig sehr viel gewichtiger, und auf ging es zum reservierten platz.
der war unter einem sehr grossen sehr alten baum mit riesigen blättern, immerhin, aber trotzdem: diesem gewitter wäre nicht einmal ein dreifacher regenschirm aus friesischem spezialgewebe gewachsen gewesen.
also: kofferraum auf, mannschaft im auto eingeschlossen, tipi heraus.
haben sie schon einmal bei wirklich strömendem regen, nachdem sie innerhalb der letzen 36 oder mehr stunden nur ein paar kurze nickerchen gehalten haben, ein paar hundert kilometer gefahren sind, und so weiter, versucht ein viermann-zelt in der finsternus der nacht mit ohne taschenlampe und mit ohne zeltplatzbeleuchtung (die anderen camper schliefen schon) alleine aufzubauen? insbesondere bei neumond? man sollte von sowas abstand nehmen, so irgend möglich.
die freundin der tochter und ihr vater hatten statt zweier linker hände eigentlich zwei linke füsse, so ungeschickt waren die, und die tochter musste die hunde bändigen, war zwar willens zu helfen, hatte aber auch noch tröstende funktionen zu erfüllen.
irgendwie waren dann aber doch alle häringe im matsch versenkt, ein spannseil wurde an der stossstange festgezurrt (matsch zu matschig), ein anderes am baum. musste ja nur bis zum nächsten morgen halten, es war auch schon spät. zeltstangen alle am richtigen ort, puh. die paar blaumeisen, die sich unter frau kelefs fingernägeln gebildet hatten, waren vernachlässigbar, ein indianer kennt keinen schmerz.
frau kelef hatte alles alleine geschafft, das tipi stand, war dicht, die paar grindigen badetücher und handtücher und hundedecken hinein, die zweibeiner noch in die badehäuser gejagt (somit waren auch die letzten halbwegs trockenen hand- und badetücher, die die reise mitgemacht hatten, durch und durch nass), mannschaft hineingejagt in das zelt, reissverschluss zu und: kusch jetzt, alle.
friedliche ruhe senkte sich über frau kelefs gemüt, und sie beschloss, komme was da wolle, jetzt eine heisse dusche, und dann schläft sie im traktor, und zwar alleine. heilige stille würde sein, kein greinen, kein schnaufen, kein fremder atemzug.
zahnbürste und -pasta, kamm und haarshampoo (mit wie wenig toiletteartikeln man doch auskommen kann!) unter den arm genommen, auf in das einladende badehaus, heisses, sauberes wasser, frau kelef konnte gar nicht genug davon bekommen. und dann war dort auch noch so ein riesenfön der aus der decke kam, unterwäsche gewaschen, unter dem fön getrocknet, unbeschreibliches glück.
sauber und duftend kehrte frau kelef barfüssig (die schuhe hätte sie im finstern im matsch sowieso nur verloren) durch den matsch und den regen zurück zum auto, öffnete die tür, fiel förmlich hinein, wer braucht schon kopfpolster und decke, fenster einen spalt auf, noch eine gute-nacht-zigarette, und: heihei.
es war unvorstellbar schön. die ruhe, die stille, die dunkle nacht, der nunmehr etwas gemässigte sommerregen der leise und friedlich auf das autodach prasselte, hach ja. frau kelef schlief jetzt und hier und auf der stelle ein.
nach gefühlten 21 sekunden hämmerte es auf das dach. der koloss, auch vater der freundin der tochter genannt, begehrte einlass. ihm sei kalt, es sei feucht, der boden sei hart, der wolf brenne und jucke, die dackel furzten und die kinder schnarchten - eigentlich schnarchte sein kind, aber gnade vor recht.
frau kelef beherrschte sich, richtete sich auf, öffnete die tür, liess den koloss auf den beifahrersitz, und hiess ihn sich lautlos zu verhalten, ansonsten bestünde gewaltige gefahr für sein leben.
der koloss schaffte es zwar wortlos zu bleiben, aber 150 kg können nicht lautlos leiden, und so schnaufte und kratzte und bebte und schniefte er vor sich hin dass es eine schande war.
eine flucht ins zelt war nicht ratsam, er hatte die mädel und die hunde schon einmal aufgeweckt, die schliefen gerade wieder und das ganze theater noch einmal: ohne frau kelef, bitte, danke. selbsthypnose ist ja auch was feines: ommmmm.
irgendwann begann es wieder hell zu werden, es hatte aufgehört zu regnen und frau kelef fand sich auf mystische weise auf einer parkbank wieder, die unter dem baum stand unter dem das auto und das zelt standen. bis dato war sie nie schlafgewandelt, man weiss nicht genau was passiert war, jedenfalls waren alle noch am leben, was relativ unerklärlich, aber unübersehbar war.
frau kelef kroch ins auto zurück, der koloss monierte dass man ihn geweckt und er jetzt zuwenig platz habe, und sein wolf, ... kusch jetzt, sprach frau kelef.
kurz darauf erschien auch der rest der mannschaft, weil kalt, feucht, hart, was auch immer, und krabbelte der reihe nach ins auto. liegesitze rauf, im sitzen kann man sich ja auch erholen, augen zu, und: ... kusch jetzt, sprach frau kelef.
eine stunde später, es war noch immer ziemlich früh, kühl und feucht, aber die hunde mussten mal, die mädels auch, der koloss hatte immer noch den wolf und hätte gerne genaueres dazu mitgeteilt, die mädels hatten ferner hunger und ihnen war kalt, und auch der boden wäre zu hart gewesen, und das auto sei zu klein für so viele menschen, der koloss begehrte ärztliche behandlung und die mädels frische kleidung, und ...
kusch, jetzt. das kannten die schon.
frau kelef schickte alle in die verschiedenen vorgeschriebenen richtungen, wies den koloss an sich gefälligst mit irgendeiner möglicherweise irgendwo im kofferraum befindlichen hautcreme zufrieden zu geben und sich weiterer äusserungen zu dieser thematik zu enthalten, ihr ferner nicht im wege zu stehen und sich überhaupt tunlichst unauffällig zu verhalten. warum er wien ohne zahnbürste verlassen hatte wurde nicht näher erörtert, sollte er eben den mund halten, war sowieso besser.
forint waren nur mehr wenige vorhanden, aber für die bezahlung des platzes und kaffee reichte es gerade noch.
zelt abgeschlagen, nasses zeug in den kofferraum gepfeffert, mannschaft zusammengetrommelt, dem riesigen russischen engel noch einmal gedankt, und hopp-hopp in den traktor. die botschaft wartete, und in ihr die reisepässe und die anderen papiere, und dann die polizeistelle und dann aber: nach hause.
auf dem weg zur botschaft noch bei einer bank angehalten, die öffnete dann auch schon nach einer halben stunde wartens, zwei schecks des vaters der freundin der tochter eingelöst, und dann weiter.
vor der botschaft angekommen - es stellten sich schon fast heimatliche gefühle ein, aber nur fast - fand sich der schon bekannte parkplatz besetzt, die freude war gross, also irgendjemand der obrigkeit schien tatsächlich angekommen zu sein, vielleicht war der auch anwesend, traktor abgestellt, mannschaft heraus- und zu paaren getrieben, und richtung schmiedeeisernes tor geschritten.
dieses war diesmal gar nicht versperrt, rein, durch den vorgarten, an der tür klingeln, freundlich grüssen, dem türsteher oder wer auch immer das war die begehr vorgetragen, der schaute wie nach einem zusammenstoss mit einem grossen, roten autobus und meinte:
"wenn sie keinen termin haben, kann ich sie nicht hereinlassen."
frau kelef versicherte ihn der tatsache, dass sie de facto sehr wohl einen termin habe, nur eben keine schriftliche bestätigung für diese tatsache, und dass man sie jetzt doch bitte ...
"wenn sie keinen termin haben, kann ich sie nicht hereinlassen."
ob der herr türöffnungs- und vorstehungsdirektor in seiner unbeschreiblichen freundlichkeit und gnade vielleicht so entgegenkommend sein und den jüngling mit lockichtem haar ausforschen könne, dieser wisse nämlich bescheid, und es sei doch auch so vereinbart, und ...
"wenn sie keinen termin haben, kann ich sie nicht hereinlassen."
bei frau kelef setzte kurz die atmung aus, die mannschaft begann zu greinen/weinen/winseln, und herr anton, der rauhaardackel, fand es an der zeit wieder einmal irgendwohin zu pinkeln wohin er sonst nicht durfte, diesmal traf es die tür.
frau kelef atmete mehrmals tief durch, und sprach:
"und wenn sie mich jetzt nicht auf der stelle da hineinlassen und wir unsere pässe und papiere bekommen damit wir rechtzeitig auf der polizei um unsere visa ansuchen können, dann bin ich in 30 sekunden wieder da draussen vor der tür auf dem gehsteig im sitzstreik, und wir veranstalten einen krawall dass die fensterscheiben scheppern."
"das wagen sie nicht."
die tochter sagte nur "oh-oh-oh", mit jener besonderen betonung, frau kelef hingegen sagte gar nichts, sondern schritt hocherhobenen hauptes und verkrampften nervenkostüms durch den vorgarten und das schmiedeeiserne tor, die mannschaft folgte paarweise.
frau kelef nahm eines der bemerkenswerten badetücher und ein wenig werkzeug aus dem kofferraum, drapierte das tuch malerisch auf dem gehsteig, liess sich graziös darauf nieder, streckte das gesicht in die sonne und die beine über den gehsteig, liess schraubenschlüssel, wagenheber und hämmer erklingen und wies die mannschaft an die lautmalerische unterstützung ihrer rhythmischen darbietung umgehend beginnen zu lassen.
und so tönte es wieder huphuphup-pfeif-klapper-winsel-schepper-wauwauwau,
es brüllte ungarisch aus den umliegenden häusern, die fenster der botschaft klirrten, ein paar autos blieben stehen, ein paar fotoapparate wurden gezückt, aber es geschah sonst nichts weiter als dass die zeit verging.
frau kelef jedoch sass wieder vor der vertretung der österreicher in ungarn und streikte. hatte sie ja schon übung darin.
to be continued.
... link (11 Kommentare) ... comment
Montag, 22. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 5
kelef, 17:07h
frau kelef also sass, und streikte, und harrte der dinge die da kommen sollten.
der botschaftsjüngling glaubte das alles nicht und wähnte sich irgendwie in einem alptraum, was auch dem unverkennbaren alkoholgenuss der vornacht geschuldet gewesen sein mag.
die freundin der tochter greinte ein wenig, dazwischen war sie lästig, wurde aber alles ignoriert.
der vater der freundin der tochter hielt referate über geschwitzten wolf bei überdurchschnittlich wohlgenährten personen, und trug damit nicht wirklich positives zur situationsentspannung bei.
die dackel fanden das alles nur lustig, wenn sie sich lautstark mit den anderen hunden unterhalten konnten, was wiederum der entspannung auch eher abträglich war, um das einmal vorsichtig zu formulieren.
die tochter von frau kelef kannte frau kelef aus gründen schon länger als sie auf der welt war, es schwante ihr also böses auf mehreren ebenen, und das einzige was sie noch mehrfach hervorbrachte war ein entsprechend betontes "oh-oh-oh", und zwischendurch ein entschuldigend-fragendes "mama?"
frau kelef aber seufzte tief, mit geschlossenen augen an das schmiedeeiserne gitter im schönbrunner design gelehnt, die sonne schien, die vögel brüllten. die nachbarn brüllten fallweise auch, gottseidank auf ungarisch, das verstand frau kelef nicht, wäre ihr aber auch egal gewesen.
es verging eine stunde.
der botschaftsjüngling glaubte das alles langsam, es wurde ja auch später am vormittag, die spaziergänger sahen die versammlung vor der botschaft, ein oder zwei autos blieben stehen und schauten interessiert, ein oder zwei fotoapparate wurden gezückt obwohl doch auf dem schmiedeeisernen zaun ein grosses schild mit "fotogorafieren verboten" (in mehreren sprachen) prangte.
frau kelef räkelte sich mit geschlossenen augen in der sonne.
ein mildtätiger passant brachte eine plastikflasche voller wasser - für die hunde. immerhin.
frau kelef hätte ja gerne eine menge anderer dinge gehabt, vorzugsweise zuerst einmal kaffee, eine waschgelegenheit, geputzte zähne, und dann zum beispiel reisepässe, autopapiere, ausreisegenehmigungen, oder wenigstens den hals des botschafters zwischen den fingern, aber wasser für die hunde war ja schon einmal ein guter anfang.
kurz vor mittag hatte der jüngling es verstanden. frau kelef würde sich nicht entfernen, der rest der mannschaft hing mit unsichtbaren ketten untrennbar an ihr, er musste was tun.
"wie lange wollen sie denn noch da sitzen bleiben?" weckte er frau kelef rüde aus dem schlaf.
"raten sie einmal." wenn man frau kelef weckt, sollte man sicherheitshalber dafür sorge tragen dass mindestens ein meter sicherheitsluftlinie zwischen ihr und der weckenden person ist. das weiss der jüngling seither auch: frau kelef schlägt zuerst zu, dann macht sie die augen auf und schaut, wen sie getroffen hat.
als der jüngling wieder gerade stehen konnte und sich sein schmerzensgeheul (untermalt von den fröhlichen äusserungen der hunde die das alles für einen riesenspass hielten) gemildert hatte, fragte er mit gepresster stimme noch einmal genau nach.
frau kelef schilderte ihm die situation nochmals in kurzen, wenig freundlichen worten, zum mitschreiben für die besonders dummen, kwasi.
der jüngling bequemte sich infolge der bereits leicht gereizten stimmungslage frau kelefs doch dazu sich in die botschaft zu begeben, antragsformulare zu holen, diese frau kelef auszuhändigen und mit süffisanz festzuhalten das werde ihr aber gar nichts nützen, denn es würden auch noch passfotos benötigt, und zwar richtige, nix automat (den gäbe es ausserdem auch gar nicht), und das dauere allein ja schon ein paar tage. und dann sei der botschafter, wie er gerade gesehen habe, erst am mittwoch oder am donnerstag wieder da, frühestens, wahrscheinlich erst montag in einer woche.
"passfotos?" hyperventilierte frau kelef.
"ja, und zwar vorschriftsmässige."
"und die ausgefüllten anträge, und dann ist gut, und wir kriegen die papiere?"
"das dauerte dann nur ein paar tage."
"sie, ich sag ihnen jetzt gleich im voraus, und zwar ganz genau, ich komme demnächst mit den bildern, und dann aber will ich auf der stelle die papiere, und wenn ich auf der stelle sage dann meine ich das auch."
"und dann müssen sie mit den reisepässen noch zur lokalen polizei, wegen der ausreisevisa. das dauert wieder. und die haben nur vormittags amtsstunden."
frau kelef kroch wortlos hoch, hangelte sich am zaun entlang zum auto, eine hand krampfhaft um die wertvollen anträge gekrallt, die mannschaft wurde ins auto getrieben, motor an, und hinweg und hinfort.
richtung zentrum. da gab es grosse internationale hotels, menschen die deutsch sprachen, es war sonntag mittag, und da würde sich doch um wessen barmherzigkeit auch immer ein fotografengeschäft das offen haben würde finden. möglichkeitsform galore.
je nun. nix. nada. nothing. nincs. nemam.
wenn die laune frau kelefs aus den beschriebenen gründen nicht mehr ganz so lieblich ist wie sie das sein kann, dann sollte man ihr nicht widersprechen. schon gar nicht sollte man ihr erklären, dass es nicht möglich sei im jahre des herrn 1986 an einem sonnigen augustsonntagmittag mitten in budapest einen fotografen zu finden der innerhalb von ein paar stunden passfotos macht. weil, so beschloss frau kelef, den fotografen gibt es sicher, man muss den nur finden.
in der zwischenzeit schluchzten die drei zweibeiner nur mehr haltlos vor sich hin, die hunde winselten und hatten zudem das was sie im restaurant in sopron zu fressen bekommen hatten nicht wirklich gut vertragen.
"durchsage an alle: schnauze. jetzt. muss denken."
und es begab sich, dass denken half (das hat man ja oft), und so wurde ausgeschwärmt und nach schaukästen mit fotos gesucht. sowas hatte frau kelef bei ihren früheren besuchen in budapest schon gesehen, die gab es, fragte sich nur wo.
oh, am hoteleingang, wie überraschend logisch. adresse stand drauf, und das schicksal war gnädig, es waren eigentlich nur ein paar schritte, öffnungszeiten natürlich nicht am sonntag, hätte ja sogar frau kelef gewundert, aber der zweck heiligt die mittel und dass das kein atelier sondern eine privatadresse war - wtf, und also machte sich die mannschaft bestehend aus den bereits beschriebenen personen in ihrem sehr merkwürdigen zustand auf um dorthin zu gelangen.
die sache mit dem morgenfrischen teint wurde ersatzlos gestrichen, ebenso die sache mit ordentlicher kleidung und frisur und dem guten atem, man kann ja nicht alles haben und riechen würde man auf den bildern sowieso nix.
klingeling.
ein betörender duft nach mittagessen, frisch in zubereitung befindlich, kam durch die geschlossene tür.
man hatte ja draussen vor der tür eigentlich keinen appetit, aber riechen tat das, mein lieber scholli, und aber keiner machte auf.
klingelingeling (hatte man schon geübt) und wauwauwau.
hinter der tür hörte man ein empörtes gemurmel, dann öffnete sich die tür einen spalt, mit vorgelegter kette, und eine klitzekleine frau äugte heraus. also eigentlich nase mit goldrandbrille voraus, die frau war dahinter.
frau kelef, mit wörterbuch und anträgen und diebstahlsbestätigung und visitekarte und dokumentenmappen und noch ein paar forint in der hand versuchte ihr begehr vorzutragen.
"das hier ist meine privatwohnung, kommen sie bitte morgen ins geschäft." die frau sprach deutsch - von nun an konnte es nur besser werden.
frau kelef dankte vielmals im voraus für das ihr noch gar nicht entgegengebrachte verständnis, und entschuldigte sich äusserst überzeugt für die unverfrorenheit des unangebrachten klingelns und störens und erscheinens und überhaupt der eigenen existenz an sich, aber man möge doch die kindelein und die hündelein und überhaupt ...
die klitzekleine budapester fotografin ruckelte an ihrer goldrandbrille, schaute zu frau kelef auf, seufzte abgrundtief und herzerweichend, schaute die mannschaft an, seufzte noch abgrundtiefer, ruckelte noch einmal an der brille, und sprach die schicksalsschweren worte:
"oi, oi, oi, was a schlamassel, na da komme se herain, das mache mer schon, schalt ich nur den herd aus, kommt besuch dann, muss eben warten."
was soll man berichten: im ehemaligen kinderzimmer hatte diese beste, liebste, netteste, verständnisvollste, kleinste, grossnasigste und älteste fotografin der frau kelef jemals begegnet ist ein kleines atelier. und sie machte auf der stelle die besten, schönsten, vorschriftsmässigsten passbilder die von frau kelef jemals gemacht worden sind. und weil sie so begeistert von frau kelefs tochter und deren (zu diesem zeitpunkt höchst ungepflegter) haarpracht war, machte sie auch gleich noch ein paar künstlerische portraits von der jungen dame. und während sie in der küche kaffee kochte um frau kelefs lebensgeistern wieder auf die beine zu helfen, da entwickelte sie die bilder auch gleich, schnitt sie zu und drückte sie frau kelef hübsch sortiert in kleinen kartonmäppchen in die hand, und wollte noch nicht einmal geld nehmen: "man muss immer helfen wenn man kann, wir juden wissen das ja schon lange."
die preise waren allerdings im schaukasten angeschrieben gewesen, es wurde also ein wenig multipliziert und das geld der dame in die hand gedrückt, sie sträubte sich, geben sie es meinethalben bedürftigen, sagte frau kelef, und vielen dank auch. gott segne sie, sagten beide, die mädels hatten noch limonade bekommen und der vater der tochterfreundin auch einen kaffee (vertrug er aber nicht so gut, diese koffeinunmenge, der war dann auch noch wie auf speed, wolfsspeedig sozusagen), und man verabschiedete sich gar herzlich, und die fotografin heizte den herd wieder an, und frau kelef sagte zu sich:
"ha. geht doch wenn man will."
ein kurzer stopp in einem kleinen kaffeehaus wurde eingelegt, die anträge ausgefüllt, einmal tief durchatmen, und dann wurde die mannschaft zu paaren und in den traktor getrieben, zurück ging es zur botschaft.
bezeichnenderweise zogen über budapest zu diesem zeitpunkt ein paar wolken auf, und ein leichter wind begann stärker zu werden.
vor der botschaft angekommen wurde der traktor wieder auf den "reserviert für botschafter"-parkplatz geworfen, die türen öffneten sich und die mannschaft stand vor den toren der vertretung der österreicher in ungarn.
klingelingelingelingeling-huphup-pfeif-wauwauwau - diesmal gleich die ganze palette, wenn schon denn schon, und geübt war das ja.
der jüngling, in der zwischenzeit frisch gebadet und gekleidet, sah schon ein wenig menschlicher aus als zu früher morgenstunde, kriegte aber beim anblick der wohlbekannten und noch immer nicht liebgewonnenen gestalten eine leichte blässe im gesicht.
"schönen guten nachmittag" sprach frau kelef, "wir bringen dann hier die ausgefüllten anträge und die passfotos."
de wolken mehrten sich, wurden dunkler, und es donnerte.
"das kann nicht sein!" meinte der jüngling.
"das ist so." meine frau kelef.
ein kleines hin und her später hatte er dann offensichtlich so viel angst vor frau kelef, deren mannschaft und den ideen die sich in frau kelefs kopf zu diesem thema möglicherweise noch bilden könnten, dass er die gesammelten werke entgegennahm und schwor, im moment sei wirklich kein unterschriftsberechtiger vor ort, aber am nächsten vormittag seien die pässe etc. unterschrieben und abholbereit. und zwar rechtzeitig, um noch der ungarischen polizei zu den dortigen amtsstunden einen besuch abstatten und die ausreisevisa erhalten zu können.
und frau kelef sagte zu sich:
"ha. geht doch wenn man will."
die mannschaft in den traktor, und ab die post - wohin eigentlich?
es war in der zwischenzeit so gegen sechzehn uhr. der himmel wurde immer dunkler, der donner immer lauter, geld hatte man nicht sehr viel, und irgendwie, nachdem schlafen in der vergangenen nacht ja eher nicht auf dem programm gestanden hatte waren alle ein wenig übernächtigt, vor allem aber waren nunmehr endgültig alle: hungrig.
in budapest gab es immer schon die tollsten restaurants. und tolles essen. und noch viel tolleres personal, so von der sorte wie frau kelef es sehr schätzt, diese hervorragend ausgebildeten, soignierten, wohlerzogenen, erfahrenen kellner die sind wie sie sein sollen: liebenswürdig, unaufdringlich, und so weiter, aber ein klein wenig schauen die dann doch darauf dass die gäste die ins lokal kommen, nun ja, sagen wir einmal: auch hineinpassen. und: die kellner kriegen ja auch dafür bezahlt dass sie das tun, sollte man nicht vergessen.
und dann versuchen sie, sich den zustand vorzustellen in dem frau kelef und ihre mannschaft war nach den umtrieben der vergangenen stunden und tage, und dann versuchen sie in eines dieser restaurants hineinzukommen.
wenn sie es vermeiden können: versuchen sie es erst gar nicht. so viele reservierungen wie es da plötzlich gibt! an diesem sonntagabend muss die gesamte haute volée ungarns geplant haben essen zu gehen. dabei geht die gesellschaft doch eigentlich am sonntagabend nicht aus. nun ja.
es fand sich dann ein russisches restaurant mit schanigarten, in dem durften sich alle (nach kurzer schilderung für die gründe des äusseren zustandes) hinter der hecke niederlassen, ein paar büsche in kübeln wurden sorgsam so drapiert dass keiner hereinsehen konnte, und dann gaben die kellner ihr bestes: es wurde rekommandiert und erklärt und gebracht und geschleppt und eingegossen und bedauert und so weiter und so fort, ein labsal für seele und gaumen und magen, und dann noch "kompliment vom haus": rotwein von der krim, und kaffee und kuchen, und wodka, und eis für die jungen damen.
hotel, so beschied man uns, würde sich keines finden, man habe telefonisch schon nachgefragt, wegen der hunde, aber man hätte da - das zelt, wir erinnern uns, war ja noch in den tiefen des kofferraumes - einen etwas ausserhalb gelegenen campingplatz aufgetan. da wäre platz, und der betreiber sei erstens russe und zweitens sehr verständnisvoll wegen papieren und so, und drittens habe man ihm schon bescheid gesagt, sei alles sehr ordentlich und neu dort, und frau kelef möge sich doch bitte auf die herren x und y berufen, dann sei das schon in ordnung. ganz ungefragt hatten die das erledigt, wurde hier schon das hohe lied auf hervorragendes personal gesungen, besonders auf die kellner in russischen lokalen in budapest anno dunnemals? chapeau.
frau kelef, voll tiefster dankbarkeit, bedankte sich froh und glücklich, rief den segen der orthodoxen kirche auf die herren herab, schickte die zweibeiner noch mal an die bäume pinkeln und die hunde händewaschen, dann ward die mannschaft zu paaren und in den traktor getrieben.
und auf ging es richtung stadtautobahn zum campingplatz "etwas ausserhalb". es krachte, es donnerte, es begann endlich wieder zu schütten wie aus kübeln.
to be continued.
der botschaftsjüngling glaubte das alles nicht und wähnte sich irgendwie in einem alptraum, was auch dem unverkennbaren alkoholgenuss der vornacht geschuldet gewesen sein mag.
die freundin der tochter greinte ein wenig, dazwischen war sie lästig, wurde aber alles ignoriert.
der vater der freundin der tochter hielt referate über geschwitzten wolf bei überdurchschnittlich wohlgenährten personen, und trug damit nicht wirklich positives zur situationsentspannung bei.
die dackel fanden das alles nur lustig, wenn sie sich lautstark mit den anderen hunden unterhalten konnten, was wiederum der entspannung auch eher abträglich war, um das einmal vorsichtig zu formulieren.
die tochter von frau kelef kannte frau kelef aus gründen schon länger als sie auf der welt war, es schwante ihr also böses auf mehreren ebenen, und das einzige was sie noch mehrfach hervorbrachte war ein entsprechend betontes "oh-oh-oh", und zwischendurch ein entschuldigend-fragendes "mama?"
frau kelef aber seufzte tief, mit geschlossenen augen an das schmiedeeiserne gitter im schönbrunner design gelehnt, die sonne schien, die vögel brüllten. die nachbarn brüllten fallweise auch, gottseidank auf ungarisch, das verstand frau kelef nicht, wäre ihr aber auch egal gewesen.
es verging eine stunde.
der botschaftsjüngling glaubte das alles langsam, es wurde ja auch später am vormittag, die spaziergänger sahen die versammlung vor der botschaft, ein oder zwei autos blieben stehen und schauten interessiert, ein oder zwei fotoapparate wurden gezückt obwohl doch auf dem schmiedeeisernen zaun ein grosses schild mit "fotogorafieren verboten" (in mehreren sprachen) prangte.
frau kelef räkelte sich mit geschlossenen augen in der sonne.
ein mildtätiger passant brachte eine plastikflasche voller wasser - für die hunde. immerhin.
frau kelef hätte ja gerne eine menge anderer dinge gehabt, vorzugsweise zuerst einmal kaffee, eine waschgelegenheit, geputzte zähne, und dann zum beispiel reisepässe, autopapiere, ausreisegenehmigungen, oder wenigstens den hals des botschafters zwischen den fingern, aber wasser für die hunde war ja schon einmal ein guter anfang.
kurz vor mittag hatte der jüngling es verstanden. frau kelef würde sich nicht entfernen, der rest der mannschaft hing mit unsichtbaren ketten untrennbar an ihr, er musste was tun.
"wie lange wollen sie denn noch da sitzen bleiben?" weckte er frau kelef rüde aus dem schlaf.
"raten sie einmal." wenn man frau kelef weckt, sollte man sicherheitshalber dafür sorge tragen dass mindestens ein meter sicherheitsluftlinie zwischen ihr und der weckenden person ist. das weiss der jüngling seither auch: frau kelef schlägt zuerst zu, dann macht sie die augen auf und schaut, wen sie getroffen hat.
als der jüngling wieder gerade stehen konnte und sich sein schmerzensgeheul (untermalt von den fröhlichen äusserungen der hunde die das alles für einen riesenspass hielten) gemildert hatte, fragte er mit gepresster stimme noch einmal genau nach.
frau kelef schilderte ihm die situation nochmals in kurzen, wenig freundlichen worten, zum mitschreiben für die besonders dummen, kwasi.
der jüngling bequemte sich infolge der bereits leicht gereizten stimmungslage frau kelefs doch dazu sich in die botschaft zu begeben, antragsformulare zu holen, diese frau kelef auszuhändigen und mit süffisanz festzuhalten das werde ihr aber gar nichts nützen, denn es würden auch noch passfotos benötigt, und zwar richtige, nix automat (den gäbe es ausserdem auch gar nicht), und das dauere allein ja schon ein paar tage. und dann sei der botschafter, wie er gerade gesehen habe, erst am mittwoch oder am donnerstag wieder da, frühestens, wahrscheinlich erst montag in einer woche.
"passfotos?" hyperventilierte frau kelef.
"ja, und zwar vorschriftsmässige."
"und die ausgefüllten anträge, und dann ist gut, und wir kriegen die papiere?"
"das dauerte dann nur ein paar tage."
"sie, ich sag ihnen jetzt gleich im voraus, und zwar ganz genau, ich komme demnächst mit den bildern, und dann aber will ich auf der stelle die papiere, und wenn ich auf der stelle sage dann meine ich das auch."
"und dann müssen sie mit den reisepässen noch zur lokalen polizei, wegen der ausreisevisa. das dauert wieder. und die haben nur vormittags amtsstunden."
frau kelef kroch wortlos hoch, hangelte sich am zaun entlang zum auto, eine hand krampfhaft um die wertvollen anträge gekrallt, die mannschaft wurde ins auto getrieben, motor an, und hinweg und hinfort.
richtung zentrum. da gab es grosse internationale hotels, menschen die deutsch sprachen, es war sonntag mittag, und da würde sich doch um wessen barmherzigkeit auch immer ein fotografengeschäft das offen haben würde finden. möglichkeitsform galore.
je nun. nix. nada. nothing. nincs. nemam.
wenn die laune frau kelefs aus den beschriebenen gründen nicht mehr ganz so lieblich ist wie sie das sein kann, dann sollte man ihr nicht widersprechen. schon gar nicht sollte man ihr erklären, dass es nicht möglich sei im jahre des herrn 1986 an einem sonnigen augustsonntagmittag mitten in budapest einen fotografen zu finden der innerhalb von ein paar stunden passfotos macht. weil, so beschloss frau kelef, den fotografen gibt es sicher, man muss den nur finden.
in der zwischenzeit schluchzten die drei zweibeiner nur mehr haltlos vor sich hin, die hunde winselten und hatten zudem das was sie im restaurant in sopron zu fressen bekommen hatten nicht wirklich gut vertragen.
"durchsage an alle: schnauze. jetzt. muss denken."
und es begab sich, dass denken half (das hat man ja oft), und so wurde ausgeschwärmt und nach schaukästen mit fotos gesucht. sowas hatte frau kelef bei ihren früheren besuchen in budapest schon gesehen, die gab es, fragte sich nur wo.
oh, am hoteleingang, wie überraschend logisch. adresse stand drauf, und das schicksal war gnädig, es waren eigentlich nur ein paar schritte, öffnungszeiten natürlich nicht am sonntag, hätte ja sogar frau kelef gewundert, aber der zweck heiligt die mittel und dass das kein atelier sondern eine privatadresse war - wtf, und also machte sich die mannschaft bestehend aus den bereits beschriebenen personen in ihrem sehr merkwürdigen zustand auf um dorthin zu gelangen.
die sache mit dem morgenfrischen teint wurde ersatzlos gestrichen, ebenso die sache mit ordentlicher kleidung und frisur und dem guten atem, man kann ja nicht alles haben und riechen würde man auf den bildern sowieso nix.
klingeling.
ein betörender duft nach mittagessen, frisch in zubereitung befindlich, kam durch die geschlossene tür.
man hatte ja draussen vor der tür eigentlich keinen appetit, aber riechen tat das, mein lieber scholli, und aber keiner machte auf.
klingelingeling (hatte man schon geübt) und wauwauwau.
hinter der tür hörte man ein empörtes gemurmel, dann öffnete sich die tür einen spalt, mit vorgelegter kette, und eine klitzekleine frau äugte heraus. also eigentlich nase mit goldrandbrille voraus, die frau war dahinter.
frau kelef, mit wörterbuch und anträgen und diebstahlsbestätigung und visitekarte und dokumentenmappen und noch ein paar forint in der hand versuchte ihr begehr vorzutragen.
"das hier ist meine privatwohnung, kommen sie bitte morgen ins geschäft." die frau sprach deutsch - von nun an konnte es nur besser werden.
frau kelef dankte vielmals im voraus für das ihr noch gar nicht entgegengebrachte verständnis, und entschuldigte sich äusserst überzeugt für die unverfrorenheit des unangebrachten klingelns und störens und erscheinens und überhaupt der eigenen existenz an sich, aber man möge doch die kindelein und die hündelein und überhaupt ...
die klitzekleine budapester fotografin ruckelte an ihrer goldrandbrille, schaute zu frau kelef auf, seufzte abgrundtief und herzerweichend, schaute die mannschaft an, seufzte noch abgrundtiefer, ruckelte noch einmal an der brille, und sprach die schicksalsschweren worte:
"oi, oi, oi, was a schlamassel, na da komme se herain, das mache mer schon, schalt ich nur den herd aus, kommt besuch dann, muss eben warten."
was soll man berichten: im ehemaligen kinderzimmer hatte diese beste, liebste, netteste, verständnisvollste, kleinste, grossnasigste und älteste fotografin der frau kelef jemals begegnet ist ein kleines atelier. und sie machte auf der stelle die besten, schönsten, vorschriftsmässigsten passbilder die von frau kelef jemals gemacht worden sind. und weil sie so begeistert von frau kelefs tochter und deren (zu diesem zeitpunkt höchst ungepflegter) haarpracht war, machte sie auch gleich noch ein paar künstlerische portraits von der jungen dame. und während sie in der küche kaffee kochte um frau kelefs lebensgeistern wieder auf die beine zu helfen, da entwickelte sie die bilder auch gleich, schnitt sie zu und drückte sie frau kelef hübsch sortiert in kleinen kartonmäppchen in die hand, und wollte noch nicht einmal geld nehmen: "man muss immer helfen wenn man kann, wir juden wissen das ja schon lange."
die preise waren allerdings im schaukasten angeschrieben gewesen, es wurde also ein wenig multipliziert und das geld der dame in die hand gedrückt, sie sträubte sich, geben sie es meinethalben bedürftigen, sagte frau kelef, und vielen dank auch. gott segne sie, sagten beide, die mädels hatten noch limonade bekommen und der vater der tochterfreundin auch einen kaffee (vertrug er aber nicht so gut, diese koffeinunmenge, der war dann auch noch wie auf speed, wolfsspeedig sozusagen), und man verabschiedete sich gar herzlich, und die fotografin heizte den herd wieder an, und frau kelef sagte zu sich:
"ha. geht doch wenn man will."
ein kurzer stopp in einem kleinen kaffeehaus wurde eingelegt, die anträge ausgefüllt, einmal tief durchatmen, und dann wurde die mannschaft zu paaren und in den traktor getrieben, zurück ging es zur botschaft.
bezeichnenderweise zogen über budapest zu diesem zeitpunkt ein paar wolken auf, und ein leichter wind begann stärker zu werden.
vor der botschaft angekommen wurde der traktor wieder auf den "reserviert für botschafter"-parkplatz geworfen, die türen öffneten sich und die mannschaft stand vor den toren der vertretung der österreicher in ungarn.
klingelingelingelingeling-huphup-pfeif-wauwauwau - diesmal gleich die ganze palette, wenn schon denn schon, und geübt war das ja.
der jüngling, in der zwischenzeit frisch gebadet und gekleidet, sah schon ein wenig menschlicher aus als zu früher morgenstunde, kriegte aber beim anblick der wohlbekannten und noch immer nicht liebgewonnenen gestalten eine leichte blässe im gesicht.
"schönen guten nachmittag" sprach frau kelef, "wir bringen dann hier die ausgefüllten anträge und die passfotos."
de wolken mehrten sich, wurden dunkler, und es donnerte.
"das kann nicht sein!" meinte der jüngling.
"das ist so." meine frau kelef.
ein kleines hin und her später hatte er dann offensichtlich so viel angst vor frau kelef, deren mannschaft und den ideen die sich in frau kelefs kopf zu diesem thema möglicherweise noch bilden könnten, dass er die gesammelten werke entgegennahm und schwor, im moment sei wirklich kein unterschriftsberechtiger vor ort, aber am nächsten vormittag seien die pässe etc. unterschrieben und abholbereit. und zwar rechtzeitig, um noch der ungarischen polizei zu den dortigen amtsstunden einen besuch abstatten und die ausreisevisa erhalten zu können.
und frau kelef sagte zu sich:
"ha. geht doch wenn man will."
die mannschaft in den traktor, und ab die post - wohin eigentlich?
es war in der zwischenzeit so gegen sechzehn uhr. der himmel wurde immer dunkler, der donner immer lauter, geld hatte man nicht sehr viel, und irgendwie, nachdem schlafen in der vergangenen nacht ja eher nicht auf dem programm gestanden hatte waren alle ein wenig übernächtigt, vor allem aber waren nunmehr endgültig alle: hungrig.
in budapest gab es immer schon die tollsten restaurants. und tolles essen. und noch viel tolleres personal, so von der sorte wie frau kelef es sehr schätzt, diese hervorragend ausgebildeten, soignierten, wohlerzogenen, erfahrenen kellner die sind wie sie sein sollen: liebenswürdig, unaufdringlich, und so weiter, aber ein klein wenig schauen die dann doch darauf dass die gäste die ins lokal kommen, nun ja, sagen wir einmal: auch hineinpassen. und: die kellner kriegen ja auch dafür bezahlt dass sie das tun, sollte man nicht vergessen.
und dann versuchen sie, sich den zustand vorzustellen in dem frau kelef und ihre mannschaft war nach den umtrieben der vergangenen stunden und tage, und dann versuchen sie in eines dieser restaurants hineinzukommen.
wenn sie es vermeiden können: versuchen sie es erst gar nicht. so viele reservierungen wie es da plötzlich gibt! an diesem sonntagabend muss die gesamte haute volée ungarns geplant haben essen zu gehen. dabei geht die gesellschaft doch eigentlich am sonntagabend nicht aus. nun ja.
es fand sich dann ein russisches restaurant mit schanigarten, in dem durften sich alle (nach kurzer schilderung für die gründe des äusseren zustandes) hinter der hecke niederlassen, ein paar büsche in kübeln wurden sorgsam so drapiert dass keiner hereinsehen konnte, und dann gaben die kellner ihr bestes: es wurde rekommandiert und erklärt und gebracht und geschleppt und eingegossen und bedauert und so weiter und so fort, ein labsal für seele und gaumen und magen, und dann noch "kompliment vom haus": rotwein von der krim, und kaffee und kuchen, und wodka, und eis für die jungen damen.
hotel, so beschied man uns, würde sich keines finden, man habe telefonisch schon nachgefragt, wegen der hunde, aber man hätte da - das zelt, wir erinnern uns, war ja noch in den tiefen des kofferraumes - einen etwas ausserhalb gelegenen campingplatz aufgetan. da wäre platz, und der betreiber sei erstens russe und zweitens sehr verständnisvoll wegen papieren und so, und drittens habe man ihm schon bescheid gesagt, sei alles sehr ordentlich und neu dort, und frau kelef möge sich doch bitte auf die herren x und y berufen, dann sei das schon in ordnung. ganz ungefragt hatten die das erledigt, wurde hier schon das hohe lied auf hervorragendes personal gesungen, besonders auf die kellner in russischen lokalen in budapest anno dunnemals? chapeau.
frau kelef, voll tiefster dankbarkeit, bedankte sich froh und glücklich, rief den segen der orthodoxen kirche auf die herren herab, schickte die zweibeiner noch mal an die bäume pinkeln und die hunde händewaschen, dann ward die mannschaft zu paaren und in den traktor getrieben.
und auf ging es richtung stadtautobahn zum campingplatz "etwas ausserhalb". es krachte, es donnerte, es begann endlich wieder zu schütten wie aus kübeln.
to be continued.
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Mittwoch, 17. März 2010
sitzstreik in budapest, teil 4
kelef, 12:28h
man war also wieder auf achse. zweihundert und einige kilometer, etliche wolkenbrüche, pinkelpausen im grünen, sehr viele sehr laute ordnungsrufe seitens frau kelef und quengelige greinattacken der restlichen mannschaft später war man sogar in budapest.
es war früher morgen, es hatte aufgehört zu regnen, am horizont begann es zu dämmern, wie das ende august so gegen halb fünf uhr früh so zu sein pflegt.
so weit, so gut. auf unerklärliche weise hatte auch der stadtplan von budapest neben der karte von ungarn im handschuhfach die reise mitgemacht, und so wäre alles gut gewesen wenn auf dem vermaledeiten stadtplan die österreichische botschaft eingezeichnet gewesen wäre. oder irgendeine menschenseele, womöglich auch noch eine deutschsprachige, sich auf der strasse hätte blicken lassen. es wurden dann fallweise einige personen angehalten, aber irgendwie fürchteten die sich vor dem auto mit der merkwürdigen besatzung und ergriffen die flucht, ohne dass eine nähere kontaktaufnahme möglich gewesen wäre.
und wie das so war mit den volksdemokratischen wach- und sicherheitspersonen: wenn man sie brauchte waren sie wie vom erdboden verschluckt. das schien ja immer system zu haben. aber wehe man brauchte sie gerade nicht unbedingt ...
des einen herrn rendörség konnte man allerdings habhaft werden, und der war auch kommunikationsbereit, allerdings auf ungarisch. das wörterbuch (sie haben ja keine ahnung was frau kelef da alles im auto gebunkert hatte) war hilfreich, und so konnte auf der karte der weg zur österreichischen vertretung angezeichnet werden. natürlich hatte frau kelef die botschaft eher im zentrum vermutet, dort war man auch gut gelandet, aber, sie erraten es, sie war weit, weit ausserhalb. aber sie ward gefunden, in einem idyllischen villenviertel, schönbrunenr stil, traumhafte strasse, ruhig, mit schmiedeeisernem zaun und wachkameras und schattenspendenden bäumen zwischen gehsteig und strasse.
am tor war eine klingel. frau kelef drückte darauf: nix. mehrmaliges läuten: nix.
frau kelef schaute auf die uhr, es war so gegen sechs uhr früh, 24 stunden wachzustand fast, also bevor jetzt ein unglück passiert, dachte sie, da versuch ich noch eine runde zu schlafen, das macht erstens einen rosigen teint und zweitens ist das ja angeblich gesund, das schlafen. wie ging das nochmal: ah ja, bett, hineinlegen, augen zu, ...
der lada hatte liegesitze, aber: haben sie schon einmal versucht, in einem lada den liegesitz herunterzuklappen während hinter ihnen auf der vollbesetzten rückbank zwei elfjährige mädchen und zwei rauhaardackel sich um die beste sitzposition streiten? und haben sie schon einmal versucht, während neben ihnen ein fettkoloss schnauft und schnieft und von seinem erschwitzten wolf erzählt und überhaupt alle jammern und wehklagen, ein auge zuzutun?
wenn sie solches vermeiden können, dann tun sie dies.
ein wenig kühl war es draussen auch, und so meinte ein teil der mannschaft man müsse die fenster geschlossen halten, frau kelef mag es ja an sich schon eher kühl, und kühle kühlt auch hitzige gemüter, sagt man, kurzum, es war recht kurzweilig, kurzfristig stand man auch kurz vor mord und totschlag.
gegen acht war das alles nicht mehr auszuhalten. jeder hatte hunger, jede hatte durst, jeder musste pinkeln und mehr, keiner hatte geputzte zähne, jeder hatte grind unter den fingernägeln, keiner hatte was sauberes an, jeder hatte wieder hunger (besonders der koloss), und jeder wollte nach hause, zumindest telefonieren. und die grösste dramatik: frau kelef hatte keinen kaffee. das alleine schon ist ja ein gefahrenmoment für die umgebung.
frau kelef also, in der zwischenzeit von wenig ansprechendem äusseren (siehe oben) und auch ansonsten gezeichnet von den geschehnissen der letzten 24 stunden, entschloss sich, der vertretung der österreicher in ungarn nunmehr energischer nahezutreten.
klingelingeling. nix.
klingelingelingelingeling. nix.
klingelingelingelingelingelingelinge. nix.
elsa und anton, die rauhaardackel, sch*ssen jeweils einmal fröhlich vor die botschaft. man konnte ihnen dies nachfühlen, und ausserdem waren sie kurz angebunden, also an der leine, und konnten sich entsprechend nicht weit entfernen. die beiden waren übrigens die einzigen mit zuordenbarem ausweisdings, nämlich den hundemarken. aber die galten ja nix, damals in ungarn.
klingelingelingelinge-hallo-lingelinge-huuphuuphuup-wauwau-klingelinge-SIE! HERR BOTSCHAFT! nix.
obiges, wiederholt, crescendierend, und was tat gott? er erweckte einen jüngling mit lockichtem haar, der widerwilig den kopf aus einem fenster im ersten stock streckte, zerzaust und gezeichnet von man will gar nicht wissen was, und er öffnete den mund und sagte:
"was wollen SIE denn???"
nun, wenn er schon so unverblümt grusslos zur sache kam, so dachte frau kelef, dann könnte man ihm doch gleich sachlich näherbringen was das begehr sei, also:
"drei reisepässe, fahrzeugpapiere, führerscheinersatzbestätigung, ausreisepapiere für zwei hunde."
bumm. fenster zu.
klingelinge....
"was WOLLEN sie denn?"
"drei reisepässe, fahrzeugpapiere, führerscheinersatzbestätigung, ausreisepapiere für zwei hunde."
"wieso?"
"sind gestohlen worden."
"da müssen sie eine anzeige machen!"
"hab ich schon."
"da müssen sie morgen kommen, heute ist sonntag, am montag - aber da ist keine sprechstunde, also am dienstag - da können sie einen antrag stellen, nach einer woche bekommen sie dann ..."
"sie, ich muss morgen wieder arbeiten gehen, so rein theoretisch, ich hab kein geld und keine papiere, wie stellen sie sich das vor, die beiden mädchen sind elf jahre alt ..."
"da kann ich nichts dafür."
"wenn sie nicht sofort und auf der stelle und hier und jetzt und umgehend dafür sorge ..."
bumm. fenster zu.
klingelinge-wau-hup-schrei-pfeif-dröhn-schepper...
wussten sie, warum man immer genügend werkzeug im auto haben muss? damit man vor der österreichischen botschaft in budapest im zweifelsfall zusätzlichen lärm erzeugen kann. und zwar lärm, den man drei strassen weiter auch noch hört, so kurz nach acht an einem heiligen sonntagmorgen. das hätten sie jetzt auch nicht gedacht - und die damalige umgebung erst recht nicht.
jedenfalls, es erhoben sich erst um ruhe flehende, dann um ruhe ersuchende, dann vehement ruhe fordernde stimmen aus den umliegenden häusern. mehrsprachig, schien das diplomatenviertel zu sein.
frau kelef schaltete auf akustischen durchzug.
klinge-wau-hup-schepper-dröhn-wein-grein-schrei...wauwauwauwau .
eine pfeife hatte sich auch noch gefunden, wohl für die hunde gedacht, aber daher umso hervorragender dazu geeignet die wachhunde der umliegenden häuser in die sonntagmorgenmusik mit einstimmen zu lassen.
was ein spass.
herr botschaftsjüngling stolperte nach einer viertelstunde aus der tür, und näherte sich dem schmiedeeisernen zaun.
"was wollen sie eigentlich wirklich?"
"sie, ich hab das ernst gemeint, uns sind die papiere gestohlen worden, hier die anzeige von der polizei, hier eine visitekarte, hier die ordner mit unseren dokumenten, den abgelaufenen reisepässen, wir hätten bitte, gerne, ersatzpapiere damit wir nach hause fahren können, danke vielmals im voraus."
"da müssen sie am dienstag wiederkommen, das hab ich ihnen ja schon gesagt."
und in diesem moment platzte frau kelef der kragen, und sie brüllte den jüngling ein wenig an, unflätig, wenn die erinnerung nicht täuscht, und erinnerte sich auch daran dass ein ihr bekannter mitarbeiter des auswärtigen amtes, der mehrfach die botschafter in moskau, budapest, und noch ein paar ländern, vertreten hatte, die abhandlung von derlei geschehnissen (die ja per se nichts wirklich aussergewöhnliches sind) anders dargestellt hatte. der jüngling ward darüber informiert, insistierte jedoch auf einem wiederkommen am dienstag, und dann
trat frau kelef eben in sitzstreik. vor der botschaft in budapest.
frau kelef lehnte sich mit dem rücken an den schmiedeeisernen zaun, die sonne schien ihr ins gesicht, die vögel brüllten, die mannschaft schaute verwundert, der jüngling noch verwunderter, frau kelef aber seufzte tief und zufrieden, zog die schuhe aus, streckte die schmutzigen füsse quer über den gehsteig richtung sonne, und teilte dem jüngling mit ihrer süssesten stimme mit, sie hätte jetzt genug, sei nicht mehr fahrtauglich, ergo könne sie den traktor auch nicht von dem für botschaftsangehörige reservierten parkplatz wegbewegen, ergo müsse sie sich jetzt einmal ausschlafen.
weiters sässe sie hier sehr bequem (ein riesiges badetuch hatte sich noch gefunden), und da der jüngling mit oder ohne lockichtem haar sich als uneinsichtig erwiesen habe, hielte frau kelef jetzt eben sitzstreik bis zur erfüllung ihrer wünsche. denn ohne papiere kriege sie ja auch keine unterkunft, und ohne geld könne sie ja auch keine bezahlen, und überhaupt.
und wenn sich bis in einer kleinen weile das alles nicht zu frau kelefs wohlgefallen gelöst haben würde, dann wäre sie glattweg imstande sich aufzuraffen und weitere massnahmen zu ergreifen, als da seien:
weitere ohren- und nerventötende geräuscherzeugung
in der folge: rendörseg
in der folge: anzeige
in der folge: telefon nach hause
in der folge: verständigung der presse
in der folge: nette leute aus frau kelefs freundeskreis würden kommen
in der folge: nette artikel in der presse, gerne auch tv
in der folge: das mit der unterbringung und all diesen dinge würde wohl schnell funktionieren
in der folge: herr jungling hätte wohl einen klitzekleinen erklärungsbedarf mehr
in der folge: das auswärtige amt hätte erst recht einen erklärungsbedarf
in der folge: das könne der jüngling sich ja gerne selber ausmalen
und im übrigen wünsche frau kelef jetzt nicht mehr angeredet zu werden. sie persönlich hielte jetzt eben ihren sitzstreik, und der rest der mannschaft könne machen was er wolle, sie sei jetzt einfach nicht mehr in der lage ihr französisches hollywoodnervenkostüm weiter zu belasten, aus medizinischen und anderen gründen.
to be continued.
es war früher morgen, es hatte aufgehört zu regnen, am horizont begann es zu dämmern, wie das ende august so gegen halb fünf uhr früh so zu sein pflegt.
so weit, so gut. auf unerklärliche weise hatte auch der stadtplan von budapest neben der karte von ungarn im handschuhfach die reise mitgemacht, und so wäre alles gut gewesen wenn auf dem vermaledeiten stadtplan die österreichische botschaft eingezeichnet gewesen wäre. oder irgendeine menschenseele, womöglich auch noch eine deutschsprachige, sich auf der strasse hätte blicken lassen. es wurden dann fallweise einige personen angehalten, aber irgendwie fürchteten die sich vor dem auto mit der merkwürdigen besatzung und ergriffen die flucht, ohne dass eine nähere kontaktaufnahme möglich gewesen wäre.
und wie das so war mit den volksdemokratischen wach- und sicherheitspersonen: wenn man sie brauchte waren sie wie vom erdboden verschluckt. das schien ja immer system zu haben. aber wehe man brauchte sie gerade nicht unbedingt ...
des einen herrn rendörség konnte man allerdings habhaft werden, und der war auch kommunikationsbereit, allerdings auf ungarisch. das wörterbuch (sie haben ja keine ahnung was frau kelef da alles im auto gebunkert hatte) war hilfreich, und so konnte auf der karte der weg zur österreichischen vertretung angezeichnet werden. natürlich hatte frau kelef die botschaft eher im zentrum vermutet, dort war man auch gut gelandet, aber, sie erraten es, sie war weit, weit ausserhalb. aber sie ward gefunden, in einem idyllischen villenviertel, schönbrunenr stil, traumhafte strasse, ruhig, mit schmiedeeisernem zaun und wachkameras und schattenspendenden bäumen zwischen gehsteig und strasse.
am tor war eine klingel. frau kelef drückte darauf: nix. mehrmaliges läuten: nix.
frau kelef schaute auf die uhr, es war so gegen sechs uhr früh, 24 stunden wachzustand fast, also bevor jetzt ein unglück passiert, dachte sie, da versuch ich noch eine runde zu schlafen, das macht erstens einen rosigen teint und zweitens ist das ja angeblich gesund, das schlafen. wie ging das nochmal: ah ja, bett, hineinlegen, augen zu, ...
der lada hatte liegesitze, aber: haben sie schon einmal versucht, in einem lada den liegesitz herunterzuklappen während hinter ihnen auf der vollbesetzten rückbank zwei elfjährige mädchen und zwei rauhaardackel sich um die beste sitzposition streiten? und haben sie schon einmal versucht, während neben ihnen ein fettkoloss schnauft und schnieft und von seinem erschwitzten wolf erzählt und überhaupt alle jammern und wehklagen, ein auge zuzutun?
wenn sie solches vermeiden können, dann tun sie dies.
ein wenig kühl war es draussen auch, und so meinte ein teil der mannschaft man müsse die fenster geschlossen halten, frau kelef mag es ja an sich schon eher kühl, und kühle kühlt auch hitzige gemüter, sagt man, kurzum, es war recht kurzweilig, kurzfristig stand man auch kurz vor mord und totschlag.
gegen acht war das alles nicht mehr auszuhalten. jeder hatte hunger, jede hatte durst, jeder musste pinkeln und mehr, keiner hatte geputzte zähne, jeder hatte grind unter den fingernägeln, keiner hatte was sauberes an, jeder hatte wieder hunger (besonders der koloss), und jeder wollte nach hause, zumindest telefonieren. und die grösste dramatik: frau kelef hatte keinen kaffee. das alleine schon ist ja ein gefahrenmoment für die umgebung.
frau kelef also, in der zwischenzeit von wenig ansprechendem äusseren (siehe oben) und auch ansonsten gezeichnet von den geschehnissen der letzten 24 stunden, entschloss sich, der vertretung der österreicher in ungarn nunmehr energischer nahezutreten.
klingelingeling. nix.
klingelingelingelingeling. nix.
klingelingelingelingelingelingelinge. nix.
elsa und anton, die rauhaardackel, sch*ssen jeweils einmal fröhlich vor die botschaft. man konnte ihnen dies nachfühlen, und ausserdem waren sie kurz angebunden, also an der leine, und konnten sich entsprechend nicht weit entfernen. die beiden waren übrigens die einzigen mit zuordenbarem ausweisdings, nämlich den hundemarken. aber die galten ja nix, damals in ungarn.
klingelingelingelinge-hallo-lingelinge-huuphuuphuup-wauwau-klingelinge-SIE! HERR BOTSCHAFT! nix.
obiges, wiederholt, crescendierend, und was tat gott? er erweckte einen jüngling mit lockichtem haar, der widerwilig den kopf aus einem fenster im ersten stock streckte, zerzaust und gezeichnet von man will gar nicht wissen was, und er öffnete den mund und sagte:
"was wollen SIE denn???"
nun, wenn er schon so unverblümt grusslos zur sache kam, so dachte frau kelef, dann könnte man ihm doch gleich sachlich näherbringen was das begehr sei, also:
"drei reisepässe, fahrzeugpapiere, führerscheinersatzbestätigung, ausreisepapiere für zwei hunde."
bumm. fenster zu.
klingelinge....
"was WOLLEN sie denn?"
"drei reisepässe, fahrzeugpapiere, führerscheinersatzbestätigung, ausreisepapiere für zwei hunde."
"wieso?"
"sind gestohlen worden."
"da müssen sie eine anzeige machen!"
"hab ich schon."
"da müssen sie morgen kommen, heute ist sonntag, am montag - aber da ist keine sprechstunde, also am dienstag - da können sie einen antrag stellen, nach einer woche bekommen sie dann ..."
"sie, ich muss morgen wieder arbeiten gehen, so rein theoretisch, ich hab kein geld und keine papiere, wie stellen sie sich das vor, die beiden mädchen sind elf jahre alt ..."
"da kann ich nichts dafür."
"wenn sie nicht sofort und auf der stelle und hier und jetzt und umgehend dafür sorge ..."
bumm. fenster zu.
klingelinge-wau-hup-schrei-pfeif-dröhn-schepper...
wussten sie, warum man immer genügend werkzeug im auto haben muss? damit man vor der österreichischen botschaft in budapest im zweifelsfall zusätzlichen lärm erzeugen kann. und zwar lärm, den man drei strassen weiter auch noch hört, so kurz nach acht an einem heiligen sonntagmorgen. das hätten sie jetzt auch nicht gedacht - und die damalige umgebung erst recht nicht.
jedenfalls, es erhoben sich erst um ruhe flehende, dann um ruhe ersuchende, dann vehement ruhe fordernde stimmen aus den umliegenden häusern. mehrsprachig, schien das diplomatenviertel zu sein.
frau kelef schaltete auf akustischen durchzug.
klinge-wau-hup-schepper-dröhn-wein-grein-schrei...wauwauwauwau .
eine pfeife hatte sich auch noch gefunden, wohl für die hunde gedacht, aber daher umso hervorragender dazu geeignet die wachhunde der umliegenden häuser in die sonntagmorgenmusik mit einstimmen zu lassen.
was ein spass.
herr botschaftsjüngling stolperte nach einer viertelstunde aus der tür, und näherte sich dem schmiedeeisernen zaun.
"was wollen sie eigentlich wirklich?"
"sie, ich hab das ernst gemeint, uns sind die papiere gestohlen worden, hier die anzeige von der polizei, hier eine visitekarte, hier die ordner mit unseren dokumenten, den abgelaufenen reisepässen, wir hätten bitte, gerne, ersatzpapiere damit wir nach hause fahren können, danke vielmals im voraus."
"da müssen sie am dienstag wiederkommen, das hab ich ihnen ja schon gesagt."
und in diesem moment platzte frau kelef der kragen, und sie brüllte den jüngling ein wenig an, unflätig, wenn die erinnerung nicht täuscht, und erinnerte sich auch daran dass ein ihr bekannter mitarbeiter des auswärtigen amtes, der mehrfach die botschafter in moskau, budapest, und noch ein paar ländern, vertreten hatte, die abhandlung von derlei geschehnissen (die ja per se nichts wirklich aussergewöhnliches sind) anders dargestellt hatte. der jüngling ward darüber informiert, insistierte jedoch auf einem wiederkommen am dienstag, und dann
trat frau kelef eben in sitzstreik. vor der botschaft in budapest.
frau kelef lehnte sich mit dem rücken an den schmiedeeisernen zaun, die sonne schien ihr ins gesicht, die vögel brüllten, die mannschaft schaute verwundert, der jüngling noch verwunderter, frau kelef aber seufzte tief und zufrieden, zog die schuhe aus, streckte die schmutzigen füsse quer über den gehsteig richtung sonne, und teilte dem jüngling mit ihrer süssesten stimme mit, sie hätte jetzt genug, sei nicht mehr fahrtauglich, ergo könne sie den traktor auch nicht von dem für botschaftsangehörige reservierten parkplatz wegbewegen, ergo müsse sie sich jetzt einmal ausschlafen.
weiters sässe sie hier sehr bequem (ein riesiges badetuch hatte sich noch gefunden), und da der jüngling mit oder ohne lockichtem haar sich als uneinsichtig erwiesen habe, hielte frau kelef jetzt eben sitzstreik bis zur erfüllung ihrer wünsche. denn ohne papiere kriege sie ja auch keine unterkunft, und ohne geld könne sie ja auch keine bezahlen, und überhaupt.
und wenn sich bis in einer kleinen weile das alles nicht zu frau kelefs wohlgefallen gelöst haben würde, dann wäre sie glattweg imstande sich aufzuraffen und weitere massnahmen zu ergreifen, als da seien:
weitere ohren- und nerventötende geräuscherzeugung
in der folge: rendörseg
in der folge: anzeige
in der folge: telefon nach hause
in der folge: verständigung der presse
in der folge: nette leute aus frau kelefs freundeskreis würden kommen
in der folge: nette artikel in der presse, gerne auch tv
in der folge: das mit der unterbringung und all diesen dinge würde wohl schnell funktionieren
in der folge: herr jungling hätte wohl einen klitzekleinen erklärungsbedarf mehr
in der folge: das auswärtige amt hätte erst recht einen erklärungsbedarf
in der folge: das könne der jüngling sich ja gerne selber ausmalen
und im übrigen wünsche frau kelef jetzt nicht mehr angeredet zu werden. sie persönlich hielte jetzt eben ihren sitzstreik, und der rest der mannschaft könne machen was er wolle, sie sei jetzt einfach nicht mehr in der lage ihr französisches hollywoodnervenkostüm weiter zu belasten, aus medizinischen und anderen gründen.
to be continued.
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