Sonntag, 4. Dezember 2005
schon fast eine weihnachtsgeschichte
wie die geneigten leser bereits bemerkt haben, hat sich frau kelef eine unerschöpfliche quelle von geschichten erschlossen: der langjährigste und allerbeste freund von frau kelef übersetzt nämlich aus jux und tollerei geschichten aus dem russischen ins deutsche, so wegen der übung und so. und weil frau kelef mit ihrem schiefhals ja derzeit nicht wirklich in büchern lesen kann, sondern nur im internetz (da braucht man den schirm nicht halten und kann daher den kopf stützen), kriegt sie das lesematerial eben per e-mail. und damit alle was davon haben, pappt sie ab und an auch was hierher.

heute kam also diese mail:


Hasi,
eine liebe Tiergeschichte angesichts der Umweltkatastrophe in China unweit vom Amur - dort decken sich die Bewohner mit Wasser ein, aber wo trinken die Viecher? Da hilft kein Schutz gegen die Wilderer.

____________

Als ich noch die Volksschule besuchte, diente mein Vater auf einer kleinen Amurinsel. Da war China näher als Chabarowsk. Die Kälte im Winter war gewaltig, dichter Wald begann gleich am Ufer und die ussurischen Tiger kamen über den eisbedeckten Fluss dicht an die Häuser heran. In der Nacht konnte man vom Balkon beobachten, wie sie die Müllcontainer nach Fressbarem absuchten. Mein Vater, damals noch Oberleutnant, wurde jeden zweiten Tag zu den Aussenposten geflogen und erzählte manchmal unglaubliche Geschichten. Eines Tages kam ein Anruf von einem entlegenen Aussenposten. Der aufgeregte Grenzsoldat konnte vor Schreck nur stammeln: Genosse Oberleutnant, da steht vor uns eine, wie heisst die nur... Ein Tiger! - Wer? Ein Tiger? Gut, wenn er dich attackiert, sofort schiessen! – sagte Vater, es war ihm in diesem Moment schnuppe, dass der Tiger im Roten Buch eingetragen war - das Leben eines seiner Soldaten hatte Vorrang. – Wir kommen gleich! - Aber die Lage ist... Er sitzt seit etwa 20 Minuten ausserhalb des Postenbereichs und tut gar nichts, er glotzt mich nur an! Und es war für ihn schon grausig – so grosse Katzen hatte der arme Bursche noch nie in seinem Leben gesehen… Mein Vater griff zum Telefon, verständigte seine Vorgesetzten über den unerwarteten Einsatz, sprang in die Maschine und war bald vor Ort. Tatsächlich! Da sitzt friedlich und ganz regungslos ein Tiger und schaut. Genauer gesagt: eine Tigerin. So spielten sie minutenlang, wer wen "niederstarrt". Dann bemerkte mein Vater eine Bewegung zwischen den Bäumen hinter der Tigerin. Da schau her! Das sind doch ihre Jungen!!! Das Biest rührt sich nach wie vor nicht vom Fleck… - Genosse Oberleutnant! – mischte sich ein Sergeant ein, der kurz vor der Abmusterung stand und aus dieser Gegend stammte. – Im Wald gibt es für sie keine Beute mehr, sie bringt die Jungen her und will sie uns überlassen… - Was sollen wir mit denen anfangen? – wunderte sich Vater und liess sich wieder mit dem Stab verbinden. Der diensthabende Major, übrigens ausgerechnet für Verpflegung zuständig, galt als äusserst weiser und ausgeglichener Mensch. Er hörte sich die ganze Sache an und begann zu überlegen… Übernimmt man die Kleinen, dann gibt es lauter Scherereien - den Tiergarten in Chabarowsk verständigen, ein Fahrzeug einteilen, hinbringen und sich noch mit dem Papierkram herumschlagen! Ist nicht drinnen. Die Tigerin zu erschiessen geht auch nicht - sie macht das aus purer Not und es ist schade um das arme Vieh. Sie wird aber nicht weggehen und lieber hier in menschlicher Nähe krepieren, mit ihren Jungen. – Also, Oberleutnant, schwing dich ins Auto und komm zum Proviantlager, ich werde dort warten … Im Lager begann der Major zuerst in seinem Papierkram herumzuwühlen, dann dachte er nach und überliess meinem Vater eine Kuhhälfte aus der Gefrierfleischkammer: - Nimm das und füttere deine Tigerin. Aber, Gott behüte, vorsichtig, ich will keine Vorkommnisse in meiner Dienstzeit. - Leicht gesagt, aber wie? Die Kuhhälfte war irrsinnig schwer und der Schnee lag meterhoch. Mein Vater und der Sergeant hängten ihre MPs auf den Rücken um und schleppten das Fleisch zur Tigerin. Zuvor befahlen sie aber dem Soldaten auf dem Wachturm gut aufzupassen und notfalls sofort zu schiessen… Die Tigerin sass unbeweglich da und zwinkerte nur mit ihren riesigen gelben Augen. Sie liessen das Fleisch in sicherer Entfernung liegen und zogen sich etwas zurück… Die Tigerin erhob sich würdevoll, beschnupperte das Mitbringsel, schnappte es elegant mit den Zähnen und verschwand hinter den Bäumen. Alle atmeten erleichtert auf… Am übernächsten Tag hatte Vater wieder Dienst und musste die Nachtwache kontrollieren. Die Nacht war ruhig und der wunderschöne Himmel mit Sternen übersät. Vater legte eine Rauchpause ein, zündete ein Streichholz an und wurde fast ohnmächtig vor Schreck - in der Dunkelheit sass neben dem Zaun "seine" Tigerin und beobachtete ihn. Vater erstarrte und dachte sich - "Viel zu nah ist sie, ich kann nicht eimal meine Waffe ziehen". Plötzlich erhob sich die Tigerin, kam ruckartig und lautlos auf ihn zu… und blickte ihm direkt in die Augen. - Das ist das Ende… - dachte Vater. In diesem Moment machte die Tigerin die Augen zu, steckte ihm ihre Schnauze unter den Arm und begann sich an seinem Bein zu reiben, ganz wie unsere Hauskatze. Dann streifte sie ihn kurz mit ihrem Schwanz und verschwand genauso lautlos wie sie gekommen war.… Mein Vater erinnert sich noch heute an diese lange zurückliegende Begebenheit. Und bis heute ist er überzeugt, dass Tiere Dankbarkeit empfinden können. Und dass sie bei ihnen stärker ausgeprägt ist als bei uns, den Menschen.

____________


solche geschichten gibt es nur aus russland, besonders schön sind die aus sibirien. und das tollste daran ist, dass die geschichten meistens genauso passiert sind, wie sie erzählt werden. auch das gibt es nur in russland, und besonders in sibirien.

... link (3 Kommentare)   ... comment


ping-pong-geschichte
vor ca. einem halben jahr stand eine geschichte in einer wiener zeitung, keine ahnung in welcher. sehr gelacht, damals.

und was tut gott? vor wenigen tagen kriegt frau kelef wieder einmal die übersetzung einer geschichte aus einer russischen zeitung zugeschickt, unter dem titel:

Wie sind sie dort, die Österreicher?

In den Semesterferien kam unsere in Wien studierende Tochter nach Moskau und hatte viel zu erzählen, zum Beispiel diese Geschichte: Eines Tages fuhr sie mit der U-Bahn zu ihrer Uni. An einer Haltestelle stieg ein Farbiger mit einem Päckchen Kartoffelchips in der Hand ein, und setzte sich gegenüber einer typisch österreichischen älteren Dame - es gibt dort so einen Typ von gut erhaltenen Beisszangen, sorgfältig hergerichtet und ewig unzufrieden. Daraufhin begann sich die Dame aufzuregen - da kommen halt welche daher, wo sie ruhig bei sich in Afrika auf ihren Palmen bleiben könnten statt hier in Herden herumzurennen. Und so weiter und so fort. Der ganze Waggon konnte es hören und hatte langsam genug. Der farbige Bursche, er machte übrigens einen ziemlich intelligenten Eindruck, saß ungerührt vis-a-vis und knabbert ohne Hast an seinen Chips. Das bringt die alte Dame noch mehr in Schwung und ihr Redefluss wird noch heftiger - man kann in Wien nicht mehr auf die Strasse gehen, weil überall irgendwelche Gestalten herumlungern, und die U-Bahn schaut wegen dieser Ausländer immer meht verlottert und dreckig aus. Der Farbige nimmt nach wie vor keine Notiz von ihr und setzt sein genüssliches Knabbern fort. Plötzlich kommt die Fahrscheinkontrolle. In Wien kannst du jahrelang ohne Fahrschein unterwegs sein und wirst so gut wie nie kontrolliert. Aber wehe dem, der sich einmal erwischen lässt - da sind sie wie die Bluthunde, da gibt's keinen Kompromiss und da helfen keine Tränen. Der Kontrolleur checkt pedantisch jeden Fahrschein und überprüft die Abstempelzeit, ganz nach Vorschrift, wie es sich gehört. Die alte Dame hält bereits ihren Fahrschein in der Hand und hört aber nicht auf zu meckern - dieser Schwarzer fährt sicher schwarz und warum soll ausgerechnet sie von ihrem ehrlich verdienten Geld für die Affen zahlen. Können die nicht in ihrem Heimatland bleiben anstatt hier die Luft zu verpesten? Und der schwarze Bursche saß noch immer emotionslos da und verputzte konzentriert seine Chips. Irgenwann kam die alte Dame an die Reihe, aber kurz bevor sich der Kontrolleur zu ihr umgedreht hatte, schnappte der Neger seelenruhig nach ihrem Fahrschein und schob ihn sich in den kauenden Mund. Die alte Dame war wie versteinert, glotzte stumpf auf ihre leeren Finger, die noch vor einer Sekunde ihren redlich bezahlten Fahrschein hielten. Sie schnappte nach Luft und die Worte schienen sich in ihrem Hals zu drängen und gegenseitig am Verlassen der Zunge zu hindern. In diesem Moment drehte sich der Kontrolleur um und fragte nach ihrem Fahrschein. Die arme Frau konnte gerade noch zischen – «Dieser Neger hat ihn verschluckt!». Der Farbige grinste über das ganze Gesicht, machte mit dem Finger eine kreisende Bewegung an seiner Schläfe, holte aus der Brusttasche seinen Fahrschein und wechselte mit dem Kontrolleur einige Worte in einwandfreiem Deutsch. Nach dieser Szene wurde die ob dieses Husarenstückes verstummte Dame aus dem Waggon geholt und an die Polizei übergeben. Der Negerbursche setzte die methodische Vernichtung seiner Chips fort und zwinkerte schelmisch mit den Augen zu den Fahrgästen...

in der österreichischen zeitungsversion fehlte natürlich die geschichte mit der tochter, und auch an die chips kann ich mich nicht erinnern. aber den aufgefressenen fahrschein hat sich frau kelef gemerkt.

und man muss sagen: wer wien und die freundlichen wiener kennt hat nicht den geringsten zweifel daran, dass das so passiert sein kann, und hoffentlich zumindest EINER bissgurren passiert ist.

... link (1 Kommentar)   ... comment