Donnerstag, 15. Dezember 2005
Der Wunsch, ein Spanier zu sein
Es war das Jahr 1984.

Ich stand wie angewurzelt vor dem TASS-Gebäude am Twerskoj-Boulevard. In den grossen Auslagefenstern leuchtete die offizielle Fotochronik. Auf dem Mittelfoto, auf dem Sobor-Platz des Kreml, streng en face abgebildet, standen dicht aneinander der spanische König Juan Carlos und der Genosse Tschernenko. An der Hand Juan Carlos’ die Königin Sofia; mit dabei an der Seite des Genossen Tschernenko seine Gattin. In ihren Händen hielt sie verkamft ein Täschchen der Sorte Ridikül. Aber weniger das Täschchen, es waren die Gesichter!

Zwei da und zwei daneben.

Ich wurde von einem anthropologischen Entsetzen ergriffen.

Ich war kein Dissident, ich war ein Freidenker im erlaubten Rahmen, aber dieser Kontrast versetzte mir einen Stich in mein Herz. Ich verspürte plötzlich eine fürchterliche Scham, eine Scham dafür, dass unser Land in der Welt und im Weltall von diesen und nicht von denen vertreten wird.

In dieser Sekunde war ich ein antisowjetischer Mensch – aus ästhetischen Überlegungen.

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so, und nicht anders, wollen wir frau godanys überlegungen zu einem anderen thema, nämlich diesem: http://babble.antville.org/stories/1283875, abschliessend beantworten.

aus ästhetischen überlegungen.

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