Montag, 4. Juli 2005
der schuster-flurl
war eines der originale, die ich in meiner kindheit kennenlernen durfte, in
rohr im gebirge.



im heurigen urlaub besuchten die hunt, der katz und ich das in diesem orte neu eröffnete kaffeehaus - sehr nett geworden übrigens, und sehr gemütlich. eine der besonderheiten des lokals ist die freundin des besitzers, die doch tatsächlich mitten in der pampas hinter den sieben bergen bei den sieben zwergen shiatsu-massagen macht. und nicht bloss so, sie hat das wirklich gelernt, und sich ausserdem auch noch meiner alten knochen erbarmt um halb zehn am abend, als ich mich gar nicht mehr bewegen konnte.

die andere besonderheit ist, dass ebendiese liebe andrea mir nicht nur die gelenke zurechtrücken konnte, sondern das lokal auch mit sehr schön aufgearbeiteten bildern aus alten zeiten dekorierte. eines davon zeigt den schuster-flurl, und das bild hat sie mir dann, wie versprochen, geschickt. an dieser stelle also: vielen dank noch einmal!

der schuster-flurl hiess eigentlich florian p. und war, wie sein name schon sagt, von beruf eigentlich schuster.

im 2. weltkrieg als nicht mehr ganz junger mann war er in frankreich stationiert, und verliebte sich dort unsterblich in eine frau, von der er auch jahrzehnte später immer noch sprach. keine war so schön, so klug, so überhaupt besser als alle anderen wie sie. und sie hatte einen - wenn man den unterstreichenden bewegungen seiner hände glauben durfte - riesigen vorbau und einen ebensolchen hintern. und kochen konnte die! von beruf war sie, nun ja, eigentlich n*tte. aber eine nette. und wo die liebe hinfällt ...

als der flurl zurückkam aus dem krieg, war das mit dem schuhhandwerk nicht mehr so ausschliesslich zum leben geeignet in dem kleinen ort, und so verdingte er sich sommers als holzfäller und kriegte irgendwie den spitznamen "mecki". im winter war er schuhmacher. mein opa, der im ersten weltkrieg sieben jahre in russischer gefangenschaft in sibirien verbringen durfte, bekam von ihm die besten und schönsten filzstiefel, die ich je gesehen habe. handgemacht, aus weichem und doch formstabilen filz, wasserfest, mit genähten ledersohlen und -kappen, und gut beschlagen, damit man auch die widrigsten wege damit stapfen konnte.

mein vater ging oft zu ihm tratschen, der flurl wusste eine menge, hatte eine menge gelesen und gesehen, konnte wegen seiner grossen liebe sehr gut französisch, hatte auch englisch gelernt, kurzum, er war alles andere als der "pleampl", als der er sich oft gab. auch politisieren tat er gern.

sein leben war einfach, aber nicht einfach. er wohnte in einem kleinen steinhaus, ohne strom: "wann's finster ist, geht ma schlofn oder zum wirtn".

im sommer ging er montag früh "in schlog" (auf den holzschlag), und am freitag oder samstag kam er wieder herunter. mitgenommen wurden eine seite speck, mehl und salz, eine kleine eisenpfanne (alles zum sterzmachen), eine decke, das werkzeug. wasser und beeren und pflanzen, die man essen konnte, gab es unterwegs. geschlafen hat er unter ein paar tannen- oder fichtenästen, aus denen er sich so eine art hütte baute, immer dort, wo er gerade arbeitete, nie was festes.

aber wenn er zurückkam in den ort, dann tanzten die puppen. damals wurde noch wöchentlich ausbezahlt, und der mecki hat meist alles gleich unter die leut gebracht. eine freundin meiner grossmutter hatte ein kleines wirtshaus dort, und ich schwöre, ich hab nicht einmal gesehen wie der mecki eine eierspeis aus 24 eiern aufass, mit speck darunter, und einem ganzen brot dazu. und der notwendigen menge alkohol, versteht sich, wegen der erhöhung der überlebenschancen nach dem cholesterinschock.

ich kann mich gut daran erinnern, wie der flurl meine kleine hand in seine etwas weniger kleine nahm, ganz vorsichtig, und mit mir und meinem vater durch den wald ging. er sah so viel mehr davon als die meisten anderen, und er konnte so wunderbar spuren lesen und sie einem kleinen mädchen auch erklären. er war einer von denen, die mich die ehrfurcht vor dem leben lehrten, und den respekt gegenüber auch dem kleinsten lebewesen. wenige konnten eine ameisenburg so andächtig betrachten und auch zeigen, wie organisiert das leben dort abläuft. und wie diese völkchen für ihre gemeinschaft da sind, und wie sehr sie sich umeinander bemühen.

der flurl konnte aber auch geschichten erzählen, von seiner dulcinea, aus frankreich, von büchern die er gelesen hatte. er konnte, wenn es denn notwendig war, auch watschen austeilen von denen sich die be- und getroffenen längere zeit nicht erholten.

vor einigen jahren wurde beim kelleraufräumen auf einem hof, der schon ein paar jahrhunderte steht, ein kinderschuh gefunden. gemessene 12 cm lang, vielfach geflickt, leicht zerfallen, weiss keiner mehr ob mädchen- oder bubenschuh. solche dinge hat der mecki auch immer mit ehrfurcht behandelt: handwerksstücke, an denen man so genau sehen kann wie viel arbeit drinnen steckte, wie viele stunden, wie viele verschiedene arbeitsvorgänge, alles immer so, dass man es auch reparieren konnte, immer wieder.









manchmal sollte man über diese dinge nachdenken, und, vielleicht, sogar ein bissel was daraus lernen.

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