Donnerstag, 12. August 2010
bekanntschaft aus ungarn VI
hier wird schon wieder gedrängelt. tststs. also:

k. war wohlbehalten dort angekommen wo er zunächst einmal hatte hinwollen. das mit dem arbeiten funktionierte auch umgehend: während er erst bei der familie mithalf, suchte er sich gleichzeitig einen passenden job und fand den auch.

ein wenig später fand sich auch eine passende wohnung, ein wenig von der familie entfernt (denn merke: die ferne ist es nicht, und nicht die nähe), dazu lernte er ein paar neue menschen kennen und die diversen grenzen öffneten sich mehr und mehr, und so kam das eine zum anderen und ein ganz normales leben etablierte sich.

man telefonierte, vor allem weil: das konnte man ja nun. insbesondere frau kelef konnte, denn in der fabrick hatte sie freie durchwahl nach überallhin wo man durchwählen konnte auf der ganzen welt.

irgendwann so anno 1991 oder 1992, wenn die erinnerung nicht trügt, hatte frau kelef geschäftlich ein paar tage in deutschland zu verbringen, als besondere strafe für noch gar nicht begangene sünden, und so beschloss sie, bei der gelegenheit auch einen privaten besuch abzustatten. der sollte aber zunächst geheim bleiben, die geschichte erzähl' ich ihnen ein anderes mal.

die fabrick zahlte den flug hin und die ablöse des fluges zurück, frau kelef liess sich von der firmenlimousine standesgemäss zum bahnhof bringen und fuhr in die andere grosse stadt. zwecks unterbringung, vor allem aber auch weil sie ja überhaupt nicht neugierig ist, hatte sie sich vorweg telefonisch gar vorsichtig bei k. erkundigt, und der meinte umgehend: ich wohn' zwar ausserhalb, aber klar kannst du kommen und bleiben.

gesagt, getan. frau kelef schlug spätabends mit dem taxi vor der haustür auf, krabbelte heraus und wurde freundlich in empfang genommen. erstaunlicherweise verstand man sich immer noch sehr gut, obwohl da ja schon eine menge zeit vergangen war, und es ist ja immer ein unterschied ob man nun schreibt oder telefoniert oder sich so von angesicht zu angesicht unterhält.

so sprach man über dies und das, jenes und anderes, und war erstaunlicherweise immer noch der gleichen meinung über viele dinge. die geschichte mit dem kaffee in sopron war ein klitzekleines trauma bei k. und frau kelef, aber das werden sie sicherlich verstehen. es gibt ja so dinge im leben, die hängen einem ewig nach, obwohl eigentlich - wenn man es so ganz genau betrachtet und relativiert - eigentlich eben gar nichts passiert ist. vielleicht aber eben gerade deswegen. wie auch immer: es hatte keine konsequenzen gegeben, und auf jeden fall, nun war ja alles gut soweit, irgendwie. was auch immer damals hinter den kulissen passiert war, man weiss es nicht.

den ersten urlaub hatte k. auch schon hinter sich, raten sie mal, wo er den verbracht hatte: mallorca, natürlich. und was war eine - von frau kelef seither mit grosser freude und immer und immer wieder zitierte - quintessenz: "seit ich gesehen habe wie sich manche deutsche urlauber benehmen verstehe ich auch wieso die deutschen manchmal so unbeliebt sind." so eine aussage muss man sich unter diesen umständen ja auch einmal im mittelohr zergehen lassen.

natürlich war das nicht alles gewesen. schön war die insel, und überhaupt, und irgendwie wäre es schon nett dort zu leben, also jetzt: dort eine arbeit zu haben, und so weiter.

na ja, dann gehe hin und tue dies, sagte frau kelef, denn die ging das ja schliesslich eigentlich so was von gar nix an, andererseits konnte sie den wunsch schon gut verstehen. nicht wegen des konkreten ziels, sondern weil sie ja eigentlich ursprünglich auch alles andere vorgehabt hatte als in wien zu bleiben, oder auch nur in österreich, aber da war dann verschiedenes dazwischengekommen. mit einem kind so ohne netz und doppelten boden kann man ja nicht guten gewissens wie es einem gerade einfällt durch die weltgeschichte düsen, die sache mit der ddr hatte schon genügend blutige wunden geschlagen, und hier sei der bösen frau, also frau kelefs mutter, wieder einmal ein extra giftiger skorpion ins grab gewünscht, denn danach ging gar nichts mehr. wird wohl auch eine der vielen ewig schwärenden wunden bleiben.

wenn man niemanden hat der von einem abhängig und niemanden für den man verantwortlich ist, dann ist es einfach zu sagen: ich nehm' jetzt meinen hut und geh. und, glauben sie es ruhig: wenn man das kann, dann sollte man das auch tun. hat man entsprechenden anhang, dann muss sichergestellt sein dass dieser anhang auch entsprechend gekleidet und ernährt werden kann (und zwar im eigentlichen wie auch im übertragenen sinne), sonst wird das nix. das gibt nur schweiss und tränen, vor- und zerwürfnisse, und diskussionen um des kaisers bart. schaut man sich die lebensgeschichten in der umgebung so an, dann kommt man übrigens auf eine erstaunliche anzahl von menschen die das schon erfahren haben, in der einen oder anderen weise. wenn man andererseits die möglichkeit hat und nicht wahrnimmt, dann laboriert man irgendwie ein leben lang daran, und das ist auch wiederum oft der anfang von irgendeinem bösen ende.

frau kelef jedenfalls erledigte damals ihre angelegenheiten mit grossem vergnügen, schaute sich die grosse stadt an, k. verbröselte sich derweilen zu einer hochzeit oder sonstigen festivität irgendwo in der pampa und erklärte frau kelef genau, wo sie den wohnungsschlüssel hinterlassen sollte damit er nach ihrer abreise und bei seiner rückkehr seine wohnung auch wieder betreten könne ohne die tür aufbrechen zu müssen.

so geschah es auch, und frau kelef kehrte nach wien zurück.

man telefonierte immer noch ab und an. frau kelef war sehr dankbar und wollte sich für die erwiesene gastfreundschaft auch irgendwie revanchieren. k. meinte, wenn er mal nach wien käme würde er sich melden. einmal hätte das sogar schon fast geklappt, kam aber irgendwas dazwischen, und dann eben doch nicht.

und dann, im sommer 1993, läutete wieder einmal das telefon und k. war am anderen ende.

"ich hau jetzt ab nach mallorca. arbeit habe ich schon, ein bisschen geld gespart auch, und mein besitz passt in mein auto. ich will das einfach dort versuchen. ich lass mal ne karte 'rüberwachsen."

nun, um eine ansichtskarte wollte frau kelef wohl gebeten haben, weil sie die interessanten ja bekanntlich sammelt (übrigens: was ist aus dieser ansichtskartenversendungssitte eigentlich geworden???). andererseits hat frau kelef ja eine liebreizende tochter, die ebenfalls ansichtskarten verspricht, diese wohl auch kauft und frankiert, fallweise auch beschriftet, sie dann allerdings nicht abschickt sondern erst nach ihrer rückkehr überreicht. manchmal allerdings auch erst jahre nach ihrer rückkehr. hmpf.

es blieb also nur k. alles gute zu wünschen, und alles das was er sich selber auch wünschte und erträumte, denn so soll das ja sein.

das war dann, im jahre des herrn 1993, das letzte was frau kelef von ihm hörte. ansichtskarte kam keine, aber was weiss ein fremder was mit adressbüchern so passiert, und dann hatte frau kelef ja eine geheimnummer und die mobile telefonie war noch nicht erfunden. zudem hatte frau kelef ende 1993 die damalige fabrick verlassen, die durchwahlnummer dort gab es also auch nicht mehr, und wenn dann wollte eigentlich keiner wissen was ein anrufer da für eine auskunft bekommen hätte.

nun ist es ja grundsätzlich so dass es leuten, von denen man nichts hört oder liest, entweder sehr gut oder sehr schlecht geht. frau kelef fragte auch das internetz, und das meinte, k. scheine sich irgendwie selbständig machen zu wollen (wer kann schon spanische urkunden lesen, hä?), und so schien alles in ordnung zu sein. sich an die uralte adresse zu wenden war mehrfach in den gedankengängen, aber was weiss man in welches wespennest man da stechen kann, file under: experimente die die welt nicht braucht.

sie sehen also, das ist eine von den geschichten, die ihnen sonst keiner erzählt. nämlich eine von den ganz normalen geschichten, die wohl ein wenig kompliziert sind, aber doch trotz ost und west und versuchter republikflucht und fluchthilfe und weiss der kuckuck eine geschichte ohne mord und totschlag, ohne blut- und tränenvergiessen, ohne schlampige verhältniss und uneheliche kinder, ohne zeitungsartikel oder verfilmte dramatische szenen. eine von den geschichten, wie sie wohl die häufigsten waren in all diesen jahren, für aussenstehende unspektakulär und vor allem: sie endete vor 17 jahren.

der nachtrag kommt dann noch, hihihi.

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Sie!
Sie hatten aber nichts vorher von Teil VI.I gesagt! Sowas aber auch. Wie im Fernsehen, wo es dann heisst to be cntinued...

Ich warte.

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kapitel IV, erster absatz, letzter satz: und dann gibt es noch einen nachtrag. sie sollten mich doch schon kennen.

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