Dienstag, 3. August 2010
bekanntschaft aus ungarn IV
hören sie auf mich zu drängen. ich hätte die geschichte nicht angefangen wenn sie kein anständiges ende hätte. aber das kriegen wir dann - für die interessierten - im kapitel VI. und dann gibt es noch einen nachtrag.

sopron also.

die vorbereitungen wurden getroffen. die personen des vertrauens wurden in ebendieses gezogen, frau kelef hatte hier ja auch noch eine tochter die nicht alles wissen musste/sollte/durfte, passende und erklärende schreiben wurden verfasst und deponiert, der treffpunkt wurde vereinbart, die telefonische kryptik feierte ein kleines fest, ein vielfrequentiertes lokal auf der ausfallsstrasse richtung grenze wurde als treffpunkt auserkoren.

dort konnte man nämlich hervorragend essen - wie überhaupt in ungarn, wenn man wusste/weiss was man bestellt(e), und das war die offizielle begründung für die wahl - frau kelef nahm sich einen urlaubstag und fuhr einkaufen. damit einmal nix sein konnte. weil, einkaufen in sopron war ja damals praktisch eine wiener pflichtübung, daher: kofferraum vollgeladen mit allem erlaubten, als da waren zigaretten, käse, salami, tokajer, schnappes, ein paar ersatzteile für den lada oder artverwandte gefährte (ward hier schon erwähnung des mechanikers getan? nein, die geschichte kommt noch.).

ein wenig werkzeug, schrauben, nägel, und: das anlässlich dieser expedition käuflich erworbene in der ddr hergestellte stemmeisen steht unter denkmalschutz, wenn wer fragen sollte. es ist das mit dem blauen griff.

zwei stunden vor der vereinbarten zeit war frau kelef fertig mit den vorbereitungen und begab sich richtung restaurant. da waren rundherum auch noch eine werkstatt, eine tankstelle, verschiedene shops, es konnte also unauffällig herumgelungert werden. besonders mit einem reisepass, der einerseits fast funkelnagelneu war und andererseits ja schon einige ein- und ausreisestempel trug. der emmentaler, und so, sie verstehen. also eigentlich war es ja keineswegs der emmentaler, aber die begründung glaubte damals jeder.

frau kelef also stand herum und schlenderte herum und lungerte herum, kaufte noch mehr unnotwendiges und betete, kann ja nie schaden.

dann war es eine halbe stunde vor der vereinbarten zeit, und frau kelef begab sich in das restaurant, an den bestellten und reservierten platz, und orderte erst einmal einen kaffee. mit dem essen wolle sie warten.

sie wartete auch. eine stunde, dann, langsam, kamen leise bedenken auf.

nun, schiss konnte ziemlich ausgeschlossen werden. verständlich wäre es gewesen, durchaus, aber irgendwie passte schiss nicht. bauchgefühl vor logik und panik. die möglichen alternativen waren wenig erbaulich. sie glauben ja gar nicht, wie gottgläubig man manchmal sein kann in prekären situationen.

frau kelef bestellte eine vorspeise, eine ausführliche: gänseleber, keine stopfleber natürlich, aber in madeira-fragen sie nicht was-sauce. dauerte eine weile.

als zwischengericht: hühnersuppe. soll ja gesund sein.

als hauptgericht: rindslendchen mit pilzen und nockerln, also keine spätzle: ungarische nockerln. alles frisch: dauerte eine weile.

dann ein schnappes, der war nötig.

draussen wurde es langsam dunkel. kein bild, kein ton. ein paar mal kam die rendörseg vorbei, warf prüfende blicke, besonders in richtung von frau kelef, und ging wieder. zwischendurch kam auch einmal die grenzpolizei, und dann noch zweimal irgendein anderes uniformiertes komplott auf hinterbeinen mit schiesseisen an der hosennaht, fragen sie nicht wer das wiederum war. sah nach höherer grenzpolizei aus, wollte frau kelef aber nicht so genau wissen. es gibt ja grundsätzlich im leben manchmal so situtationen, in denen man nicht alles so ganz genau wissen will, sicherheitshalber.

frau kelef wartete also ein wenig, und dann noch ein wenig mehr, und dann noch ein wenig länger. eigentlich - so war die verabredete geschichte - wollte man sich ja nur treffen um ein wenig zu schnaken, höchst unschuldig und über vergangene zeiten und gemeinsame erinnerungen, oder was dachten sie? konnte ja nicht verboten sein, sowas.

es wurde dunkel.

und dunkler.

auch innerlich, sozusagen.

frau kelef trank den weiss-man-nicht-wievielten kaffee, und diese kleinen moccas in ungarn waren sowieso der deibel, sowas von stark. aber was uns nicht umbringt macht uns nur härter. und wache sinne werden ja manchmal unterbewertet.

dann begann das personal im restaurant langsam diejenigen teile des lokals, in dem sich keine gäste mehr befanden, abzudunkeln, es wurde mitternacht, und es war klar: das mit dem gemeinsamen kaffeetrinken würde wohl nichts mehr werden.

sind sie unter solchen umständen schon einmal in einem lokal in einem land, dessen sprache sie nicht verstehen, unter solchen umständen, der letzte gast gewesen? wollen sie auch nicht sein, glauben sie mir. wollen sie gar nicht. was einem da alles durch den kopf geht ist nicht ohne. prägt aber.

sperrstunde, dann.

frau kelef kroch gebückt und leise vor sich hinschluchzend in den alten lada und begab sich wieder richtung österreichischer grenze.

unterwegs - auf dem grüngelände zwischen den beiden staaten - wurde ein paarmal sehr laut herumgeschrien und ein wenig scharf geschossen, ein junger baum beendete versehentlich sein ebenso junges leben und fiel einfach um, scheinwerfer leuchteten im kreis, frau kelef wurde immer gottgläubiger und nach den vier kilometern bis zur grenze war sie schon beinahe fast wieder bereit sich taufen zu lassen.

und, was soll man sagen: die ungarn schauten noch nicht einmal in den reisepass, schon gar nicht in den kofferraum, und auch unter der hinteren sitzbank hätten sich gerne ein paar personen verstecken können. hat keiner nachgeschaut. war auch keiner da. die österreicher winkten sowieso nur durch, die waren sichtlich weniger wach als frau kelef.

der emmentaler und die salami und der tokajer und die restliche ware landeten gut in wien-mitteleuropa, so um drei uhr früh, frau kelef zerdrückte ein paar weitere tiefempfundene tränchen im augenwinkel, und ging am nächsten tag dem alltsgeschäft nach.

was auch immer passiert sein mochte: man wusste es nicht. das nabelsausen blieb, das telefon war unter steter beobachtung, frau kelefs tochter schaute ungefähr drei dutzend mal täglich in den briefkasten. kein bild, kein ton.

eine woche lang.

zwei wochen lang.

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