Dienstag, 20. Juli 2010
dienstreisen II
hab ich hier ja schon einmal erwähnt: dienstreisen fehlen mir auch nicht.

besonders gerne dachte ich vorige woche daran, als es so wunderbar warm war hier und jedes lebewesen (ausgenommen echsen, schildkröten und artverwandte) sich nur mit maximal der halben üblichen geschwindigkeit bewegten. der schweiss lief in strömen, die menschen winselten, die tiere auch, und die luft stand unbeweglich und heiss über der stadt. das ozon stank zum himmel, jeder japste nach sauerstoff, man war nach einer dusche schneller wieder durchgeschwitzt als man sich abtrocknen konnte, und die pflanzen kriegten eine nach der anderen einen hitzeschock.

und da dachte ich so zurück an anno dunnemals, als die damalige gehaltzahlende fabrick mich im august mit einer dienstreise beglückte. belohnte, so wollte man mir das verkaufen. weil ich so brav gewesen war, kwasi.

wohin es gehen sollte? an die cote d'azur, nach nizza.

toll, sagte ich. wollen sie mich wirklich belohnen, ja? darf ich zuhause bleiben? oder meinethalben nach nordnorwegen, sibirien, oder den nordpol? oder wenigstens in die nähe eines dieser nützlichen länder? bittebittebitte, natürlich.

nix da, meine expertise werde gebraucht, und wenn ich das schon hörte dann wurde mir ganz schauerlich zumute. eigentlich sollte ja rein theoretisch und überhaupt jemand anders dorthin, den hätte ich auch noch ordentlich vorbereiten sollen (hahaha, füllen sie einmal 10 liter in einen 1 liter-topf), aber sicherheitshalber sollte dessen frau zu genau diesem termin das dritte kind werfen (da sollte sie doch eigentlich schon wissen wie das geht, aber nun ja), und jedenfalls: nix da.

nun denn. in wien war es schon ziemlich heiss, das hat man ja öfter im august, so ein mehr oder weniger letztes grosses hitzeflimmern. nun liegt ja nizza ein wenig südlicher, ergo ist es dort auch wärmer. besonders bei einem augüstlichen hitzeausbruch.

taxi, flughafen, flieger und wieder flughafen und taxi, alles klimatisiert, die paar minuten frischer luft liessen sich aushalten.

das hotel war auch klimatisiert, zimmer natürlich einzeln schaltbar, leider aber auch mit einzelnen klimaanlagen ausgestattet. diese klimaanlagen hingen vor dem fenster und machten so ein stetes, tinnitusähnliches surrgeräusch, egal auf welche stufe man sie stellte, der ton wurde lauter oder leiser, behielt aber die tonhöhe bei und war nicht wegzubekommen.

zur begrüssung gab es einen champagnerempfang auf der dachterrasse, um 21.00 uhr, abendkleidung bitte-danke, besonders die herren freuten sich, und mir wird heute noch ganz blümerant wenn ich daran denke.

sind sie schon einmal aus einem klimatisierten gebäude auf das dach desselben hinausgetreten, über den dächern von nizza, vor ihnen das meer, sonnenuntergang im hintergrund, palmen in den gärten, vor ihnen steht eine menge personal herum und wirft ihnen austern und lachs und kaviar zum frasse vor, und schenkt champagner aus einer unzahl von flaschen aus, und

es hat 40° bei absoluter windstille? um 21.00 uhr.

man konnte sehen wie es den leuten den schweiss aus jeder pore katapultierte, die herren warfen die jacketts und krawatten von sich, die damen zogen das dekolletee verzweifelt noch ein wenig tiefer und hoben den rocksaum über die knie oder krempelten die hosen auf, man riss servietten und alle verfügbaren unterlagen an sich um sich luft zuzufächeln, und es nutzte nix, man transpirierte und konnte nicht aufhören damit.

mineralwasser konnte nicht schnell genug herbeigekarrt werden, jeder goss sich kaltes wasser in die nach luft jappsenden münder, die herren gossen es sich heimlich auch über die köpfe und die damen gossen es sich ebenso heimlich in den ausschnitt, die eiswürfel - eigentlich zur kühlung der tabletts mit den delikatessen gedacht - waren die begehrteste beute des abends, die austern vertrockneten uns vor den augen und der lachs kringelte sich zu hässlichen, schillerlockenförmigen spiralen. die fischeier wurden zu einer tintenfarbenen, übelriechenden suppe, und bevor wir allesamt kollabierten oder vom dach sprangen nahmen wir nach einer halben stunde reissaus und begaben uns wieder ins haus.

oh, ja, scirocco! meinte mit stolzgeschwellter brust der empfangschef des hauses.

wir verliessen ebendieses haus nicht mehr bis zur abreise, der tinnitus dauerte bei einigen bis über eine woche nach der rückkehr an, und noch heute denke ich - wie man sieht - angstgeschüttelt daran zurück. austern habe ich sowieso nie besonders gemocht, lachs und kaviar wollte ich dann auch eine weile nicht mehr hören, sehen oder riechen, und zwar ganz unabhängig vom aggregatszustand.

das kind kam in einem klimatisierten kreisssaal zur welt, und der frischgebackene vater fürchtete sich noch eine lange, lange zeit vor mir.

dienstreisen - igitt.

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wer eine reise tut, kann aber was erzählen.
und wenn sie nicht gefahren wären, wüssten weder Sie noch wir, wie das so ist über den dächern von nizza.

fisch mag ich nur in Monaten mit RRRR ;-).

(das ist gelogen, auf dem vorgestrigen Traktor-Oldtimer-Fest im Nachbardorf aß ich lieber Fischbrötchen als Bratwurst. Sonst war es sehr schön. Ich liebe tuckernde alte Traktoren :-).)

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40
Grad um 21 Uhr? Kenne ich. Wenn es tagsueber 52 Grad hatte. Und dann dazu noch eine Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent, dass einem die Brillenglaeser anlaufen, wenn man aus dem Haus kommt. Man kann es ueberleben, es geht. Aber es ist nicht besonders angenehm. (Vor allem nicht, wenn der Wasserbehaelter auf dem Dach ist und sich ueber Nacht nicht sonderlich von den 52 Grad her abkuehlt. Merkt man dann morgens beim Duschen, wenn man den Hahn auf "eiskalt" stellt und sich verbrueht.)

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