Donnerstag, 19. November 2009
fortbildungsveranstaltungen
sind eine vorzügliche angelegenheit, besonders im sehr sensiblen bereich der pharmazeutischen industrie. da lädt man ja gerne einmal ein paar ärzte zu einem, sagen wir einmal, round table - gespräch ein, zum beispiel die bezirksärzte in die firma, wegen der kosten und all diesen dingen, und weil auch der ernnerungsfaktor bei "firma X" besser ist als bei "restaurant Y".

und es begab sich dereinst, dass ein hochqualifizierter pharmamanager zu einem derartigen event rief, und die bezirksärzte zu einem der üblichen treffen in die firma lud. es war ungefähr um diese jahreszeit, es war saukalt, der wind windete und der regen regnete. der plan war, von der hauseigenen küche snacks der besseren sorte (lachs, roastbeef, crevetten, käseplatte etc.) bereiten zu lassen und die ärzte ein wenig mit wissen (äusserlich) und speisen und getränken (innerlich) zu berieseln.

natürlich kann es schon einmal vorkommen, dass ein hochqualifizierter manager zwar datum und uhrzeit kommunizieren lässt (macht ja die sekretärin, liste liegt auf), aber nicht explizit auch essen und trinken in auftrag gibt. und so eine sekretärin, man versteht, hat ja auch was anderes zu tun als daran zu denken dass menschen um 19.00 uhr gerne was zwischen die kiemen bekommen wollen, besonders wenn das explizit auf der einladung steht.

und so kam es, dass die nicht eigens beauftragte sekretärin die sache mit dem leiblichen wohl ausser acht liess, und der herr manager einen wichtigen termin (es gab woanders was umsonst) hatte, und somit ein pharmaberater abgestellt wurde um das vorbereitete vorträglein zu halten und die unvermeidlichen power-point-folien zu zeigen.

und da frau kelef ja anno dunnemals immer bis in die puppen in der fabrick war blieb es nicht aus, dass der portier schon im 18.00 uhr anfragte, wie es denn diesmal mit dem begrüssungssekt sei. je moi? frug frau kelef, andere abteilung, gehen sie fort von mir mit solchen dingen.

die ärzte seien aber renitent, meinte der portier, und der herr pharmaberater wisse auch nicht was er tun solle. und in der küche sei seit zwei stunden niemand mehr.

frau kelef also, in ihrer grenzenlos gutmütigen art, hirschte in die eingangshalle der damaligen fabrick, und besah sich die ansammlung von 50 (in worten fünfzig) hungrigen und durstigen ärzten, die seit einer halben stunde herumstanden und des aperitifs harrten. toll.

der pharmaberater sass in einer ecke und fürchtete sich. auch toll.

der portier kündigte an, auf rundgang gehen zu müssen. noch toller - wenigstens konnte niemand mehr herein bei der türe, natürlich auch nicht wieder hinaus. noch toller.

also redete frau kelef eine kurze rede, entschuldigte sich bei den anwesenden für etwas, von dem sie noch nicht einmal genau wusste was es war, trat den pharmaberater richtung portier um diesem einen generalschlüssel abzunehmen und die küchenvorräte zu plündern: immerhin fanden wir ein paar kisten eingekühlten sekt, der zwar mit sicherheit für einen anderen zweck, aber je nun, der zweck und die mittel, sie verstehen. gläser fanden sich auch.

frau kelef dachte kurz nach, und sprintete dann im strömenden regen über die riesenkreuzung in das gegenüberliegende bierlokal des gehobenen standards, und brüllte nach dem geschäftsführer. diesem ward umgehend die problematik erklärt und ein entsprechender auftrag erteilt.

frau kelef sprintete zurück, trat die teilnehmer der veranstaltung in den einen saal der schon bestuhlt war (gott segne den elektriker, der hatte tolle pläne gezeichnet für den notfall, licht an, projektor an, klimaanlage an, heizung an), tische und sessel im nebensaal arrangiert (gott segne die hausarbeiter die die sessel und tische nicht in den vorgesehenen raum zwei stock tiefer geräumt hatten), paar blumen aus fremden zimmern geklaut (geht nix über dekoration).

prüfenden blick geworfen, dem portier einen doppelten schnaps weggesoffen, zurückgesprintet über die kreuzung.

dort hatte der geschäftsführer des lokals in der zwischenzeit vier leute abkommandiert, die brote schmierten. das war eine spezialität des lokals: riesenbrote mit verschiedenen aufstrichen, schön dekoriert, und vor allem: schmeckten alle sehr gut.

und dann die show: mehrere angestellte des lokals mit getränkerodeln sprinteten durch den regen über die kreuzung. eine rodel mit bierkisten, eine mit alkoholfreien getränken, eine mit weinkisten, vier mit brotarrangements und brezeln auf servierplatten, in kartons verpackt, eine mit gläsern und tellern, jeder rodelfahrer kflankiert von einem regenschirmträger, voran frau kelef, als nachhut der geschäftsführer.

wir kamen gerade rechtzeitig zum schluss des vortrages, warfen schwungvoll geliehene tischtücher über die tische, karrten weitere teller und esswerkzeuge aus der firmeneigenen küche, stellten gläser bereit und verteilten brote.

zur allseitigen erheiterung erklärte frau kelef dann den anwesenden in liebreich-blumigen worten wie es denn zu dieser situation gekommen sei, entschuldigte sich noch einmal, wünschte guten appetit und wurde kurzfristig bewusstlos, oder so, bevor sie auf der riesenküchenkaffeemaschine kaffee zu brühen begann - muss man ja auch einmal können. mit milchschaum, cafe latte gab es damals noch nicht, aber espresso kurz und lang, cappuccino, braune und verlängerte solche, erinnern sie mich nicht daran.

waren zum schluss alle satt, lustig und zufrieden. die veranstaltung dauerte eine stunde länger als gewohnt.

ein arzt hat so einen spass gehabt, dass er mir am nächsten tag blumen gebracht hat.

der geschäftsführer des bierlokals lachte sich scheckig ob der abendgestaltung, und lud frau kelef zur beruhigung anschliessend auf ein paar schnäpse und für einen der folgenden tage zum abendessen ein, und frau kelef wird ihm und seiner crew ein - wie man hier lesen kann - ewig gutes andenken bewahren, die waren alle sowas von toll, unglaublich.

der pharmareferent war zwei wochen lang mit einem nervenzusammenbruch im krankenstand und wechselte anschliessend den beruf.

der hochqualifizierte pharmamanager holte sich ein wohlverdientes "du elendiges arschloch, du verkrätztes, verflohtes und verzecktes" als er meinte, er hätte so viel zu tun und da könne man schon mal was vergessen, und frau kelef hätte die leute doch einfach heimschicken sollen - ja klar.

der geschäftsführer der pharmafabrick zitierte frau kelef zu sich und meinte, da wäre er liebend gerne dabeigewesen, überreichte ihr zum dank eine flasche champagner (veuve cliquot) und ging fortan des öfteren in das gegenüberliegende lokal essen.

zwei jahre später traf frau kelef wieder auf dieselbe gruppe ärzte, ebenfalls bei einer derartigen veranstaltung, und was soll ich ihnen sagen: die konnten sich an den regen, das chaos, den ärger, den spass, die witze, die brote, den sekt und den wein und das bier und die brezeln, und die klatschnasse frau kelef hinter der kaffeemaschine erinnern, aber um's verrecken nicht an das, was man ihnen erzählt hatte bei dem wichtigen ärztetreffen.

fiel mir gerade wieder ein beim thema "pharmaveranstaltungen".

... comment

 
Sie
sollten einen Heilungsratgeber herausgeben, der detailliert beschreibt, mit welchen pharmakonzernunbekannten "Hausmittelchen" bestimmte Hirnregionen (viellleicht bei Alzheimer?) langfristig stimuliert werden koennen. Gut, das mit dem Regen bekommt nicht jeder hin, aber die anderen Rezeptzutaten, die kann man da doch verwenden.

... link  

 
vielleicht sollte ich manche meiner erlebnisse wirklich in ein man-nehme-rezept umarbeiten.

man merkt sich ja immer das ungewöhnlich gute, schlechte oder auch unerwartete sehr viel besser und detaillierter als das normale, erwartete.

daraus liesse sich natürlich einiges ableiten. aber meine aufgabe ist das nicht mehr, war es auch nur eine zeitlang, gott sei's getrommelt und gepfiffen.

... link  

 
Hach, Frau Kelef,
das ist wieder mal so ein Beitrag den ich mir abspeichern, ausdrucken und tief im Herzen behalten werde. Weil: was wären all die tollen Weltkonzerne ohne genau DIESE Mitarbeiter... (die womöglich noch eine Anschiss kassieren weil sie zuviel Geld ausgegeben haben, unbudgetiert...)

Und, da der Mensch ja immer nur das ganz Gute (Lustige, Aussergewöhnliche) behält im Gedächtnis ist es völlig logisch dass die Herren Ärzte nur das Surrounding, nicht aber den (völlig unwichtigen, weil es ging ja eh nur um Gratis-Futter und socializing) Vortrag oder die Infos im Kopf behalten haben.

Seien Sie sicher dass Sie in 50 Familien, und allenfalls deren persönlichem Kreis, unvergesslich sind (wenn auch ziemlich sicher nicht mehr namentlich bekannt) und eine ever-loved-Anekdote hinterlassen haben.

Made my day, Frau Kelef, mal wieder. Danke!

... link  

 
freut mich, dass ich sie erheitern konnte.

und den finanziellen anschiss haben die anderen gekriegt: meine blitz-aktion war auch noch billiger als das hausinterne angebot.

bei allen pr- und marketingaktionen geht es ja grundsätzlich um den erinnerungswert. nur hat es sich bei den profis oft noch nicht durchgesprochen, dass es auch anderes gibt als die zu bewerbenden produkte, also muss man sich eben einen entsprechenden aufhänger suchen, ein system einführen und dann nicht davon abweichen, das funktioniert.

leider ist es ja mode, die zuständigkeiten innerhalb von abteilungen zu ändern, und jede(r) neue will seine neue idee durchsetzen (kennworte: jung und dynamisch, innovativ und kreativ). da kommen dann sachen heraus, die erzähl ich ein anderes mal. sind auch zum lachen, oder eigentlich nicht.

... link  

 
am besten gefiel mir der vorletzte Absatz, denn ich hätte genau das auch erwartet: kein Orden, kein Veuve Dingens, sondern: ein Anschiss. Und diese direkte Anerkennung tut gut, auch jetzt mir beim Lesen.

Gute alte Zeiten sozusagen.

Und:wunderbar gemacht. So geht arbeiten. Aus den ersten Jahren meiner Berufstätigkeit könnte ich ähnliches erzählen, (nicht so spektakulär natürlich, aber ähnliches Prinzip). Momentan beharre ich auf "je moi?non.jamais"

... link  

 
mit innovativen ansätzen
kann ich auch dienen, von der anderen seite.
beginnt beim essen, das man ohne dritte hand meist nicht unfallfrei zu sich nehmen kann (was ist eigentlich schlecht an geschmierten brötchen?), geht über furchtbar langweilige präsentationen (wahrscheinlich in der hoffnung, das gegenüber pennt damit besser ein und stellt keine fragen mehr) über wildgewordene marketingabteilungen mit inhaltslosen stehsätzen (value for the customer!) bis hin zu orten, zu denen man ohne stadtplan und navigationssystem nicht hinfindet.
immer wieder ein quell der freude.

... link  

 
auch immer gerne getroffen: designer-möbel.

sitzgarnituren die so niedrig sind, dass man nur hinunterfallen und dann ums verrecken nicht mehr aufstehen kann. tische die so niedrig sind, dass man auch aus der halbliegenden position der niedrigen sofas nichts draufstellen kann - besonders nicht frauen mit auch nur dem kleinsten dekolletee, den grund kann man sich selber vorstellen.

zu meinen favoriten gehören auch die merkwürdigen schalensessel mit armlehnen, in denen man über 15° C so schwitzt (besonders in dünnerer sommerkleidung), dass man nach dem aufstehen das gefühl hat es sei einem der angstschweiss über den rücken gelaufen. gerne werden diese sessel auf teppichböden aufgestellt, auf denen man sie nur bewegen kann wenn man aufsteht, um den verd... sessel herumgeht und ihn dann so stellt, dass man den nächsten sprecher anschauen kann: bewährt sich besonders bei round-table-gesprächen.

gerne auch keine teller für die kekse welcher art auch immer: die fettigen finger kann man sich dann ja gerne in den sparsam-dünnen einlagigen papierservietten abwischen, oder an der kleidung.

ein flaschenöffner für alle.

kann man beliebig fortsetzen. und, man glaubt es kaum: das merken sich die leute ausgezeichnet. für das, was vorgetragen wird, haben die gar keine zeit, und ausserdem gibt es ja dann das protokoll.

... link  

 
räume ohne klimaanlagen im obersten stock, möglichst mit vollverglasung. trägt ungemein zur stimmung aller beteiligten bei.
(um mal ein gegenbeispiel zu nennen: limitlose verteilung von hartem alkohol. kann je nach klientel die hallen recht schnell leeren.)

... link  

 
mit klimaanlage im hochsommer im dreissigsten stock ist auch nicht ohne.

bei ihrer erwähnung hochprozentigen alkohols fällt mit übrigens eine meiner lieblingsgeschichten ein.

von wegen unpragmatisch. freuen sie sich schon einmal.

... link  

 
schön ist auch, wenn das essen aus ist und es sind noch nicht alle satt. das sorgt garantiert für einen nachhaltigen eindruck :)

... link  

 
au ja. drei kanapees pro kopf und nase, ein beliebter klassiker.

... link  


... comment
 
Herrlich :))

... link  


... comment
 
Frau kelef, wann genau erscheinen Ihre Memoiren zwischen zwei Buchdeckeln?

... link  

 
ich such noch einen guten rechtsanwalt, wegen der wiedererkennungsgefahr, ...

... link  

 
Den können Sie sich sparen: Ihre Schilderungen treffen auf mehrere Giftmischer zu. Dafür gibt's Zeugen. Jeder selbst schuld, der zugibt, dass er sich wiedererkennt. (Eine Frau kelef dürften sie sich allerdings alle wünschen.)

... link  


... comment
 
Ich liebe Sie sehr für dieses Post! Mit Menschen wie Ihnen kann man auf die einsame Insel, Pragmatismus rulez! ,-)

... link  


... comment
 
die Alternative: jedem Arzt ein Drops gegeben
und er soll morgen wieder kommen, wenn es nicht besser wird.

... link  

 
im vorliegenden fall konnten die ärzte nichts dafür, sonst wäre mir das womöglich wirklich eingefallen. hätte sicherlich auch wiedererkennungswert gehabt, wenngleich möglicherweis ein deja-vu ausgelöst worden wäre.

... link  


... comment
 
Bühnenreif
Wie immer toll erzählt. Danke

... link  


... comment