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Donnerstag, 12. August 2010
bekanntschaft aus ungarn VI
kelef, 02:01h
hier wird schon wieder gedrängelt. tststs. also:
k. war wohlbehalten dort angekommen wo er zunächst einmal hatte hinwollen. das mit dem arbeiten funktionierte auch umgehend: während er erst bei der familie mithalf, suchte er sich gleichzeitig einen passenden job und fand den auch.
ein wenig später fand sich auch eine passende wohnung, ein wenig von der familie entfernt (denn merke: die ferne ist es nicht, und nicht die nähe), dazu lernte er ein paar neue menschen kennen und die diversen grenzen öffneten sich mehr und mehr, und so kam das eine zum anderen und ein ganz normales leben etablierte sich.
man telefonierte, vor allem weil: das konnte man ja nun. insbesondere frau kelef konnte, denn in der fabrick hatte sie freie durchwahl nach überallhin wo man durchwählen konnte auf der ganzen welt.
irgendwann so anno 1991 oder 1992, wenn die erinnerung nicht trügt, hatte frau kelef geschäftlich ein paar tage in deutschland zu verbringen, als besondere strafe für noch gar nicht begangene sünden, und so beschloss sie, bei der gelegenheit auch einen privaten besuch abzustatten. der sollte aber zunächst geheim bleiben, die geschichte erzähl' ich ihnen ein anderes mal.
die fabrick zahlte den flug hin und die ablöse des fluges zurück, frau kelef liess sich von der firmenlimousine standesgemäss zum bahnhof bringen und fuhr in die andere grosse stadt. zwecks unterbringung, vor allem aber auch weil sie ja überhaupt nicht neugierig ist, hatte sie sich vorweg telefonisch gar vorsichtig bei k. erkundigt, und der meinte umgehend: ich wohn' zwar ausserhalb, aber klar kannst du kommen und bleiben.
gesagt, getan. frau kelef schlug spätabends mit dem taxi vor der haustür auf, krabbelte heraus und wurde freundlich in empfang genommen. erstaunlicherweise verstand man sich immer noch sehr gut, obwohl da ja schon eine menge zeit vergangen war, und es ist ja immer ein unterschied ob man nun schreibt oder telefoniert oder sich so von angesicht zu angesicht unterhält.
so sprach man über dies und das, jenes und anderes, und war erstaunlicherweise immer noch der gleichen meinung über viele dinge. die geschichte mit dem kaffee in sopron war ein klitzekleines trauma bei k. und frau kelef, aber das werden sie sicherlich verstehen. es gibt ja so dinge im leben, die hängen einem ewig nach, obwohl eigentlich - wenn man es so ganz genau betrachtet und relativiert - eigentlich eben gar nichts passiert ist. vielleicht aber eben gerade deswegen. wie auch immer: es hatte keine konsequenzen gegeben, und auf jeden fall, nun war ja alles gut soweit, irgendwie. was auch immer damals hinter den kulissen passiert war, man weiss es nicht.
den ersten urlaub hatte k. auch schon hinter sich, raten sie mal, wo er den verbracht hatte: mallorca, natürlich. und was war eine - von frau kelef seither mit grosser freude und immer und immer wieder zitierte - quintessenz: "seit ich gesehen habe wie sich manche deutsche urlauber benehmen verstehe ich auch wieso die deutschen manchmal so unbeliebt sind." so eine aussage muss man sich unter diesen umständen ja auch einmal im mittelohr zergehen lassen.
natürlich war das nicht alles gewesen. schön war die insel, und überhaupt, und irgendwie wäre es schon nett dort zu leben, also jetzt: dort eine arbeit zu haben, und so weiter.
na ja, dann gehe hin und tue dies, sagte frau kelef, denn die ging das ja schliesslich eigentlich so was von gar nix an, andererseits konnte sie den wunsch schon gut verstehen. nicht wegen des konkreten ziels, sondern weil sie ja eigentlich ursprünglich auch alles andere vorgehabt hatte als in wien zu bleiben, oder auch nur in österreich, aber da war dann verschiedenes dazwischengekommen. mit einem kind so ohne netz und doppelten boden kann man ja nicht guten gewissens wie es einem gerade einfällt durch die weltgeschichte düsen, die sache mit der ddr hatte schon genügend blutige wunden geschlagen, und hier sei der bösen frau, also frau kelefs mutter, wieder einmal ein extra giftiger skorpion ins grab gewünscht, denn danach ging gar nichts mehr. wird wohl auch eine der vielen ewig schwärenden wunden bleiben.
wenn man niemanden hat der von einem abhängig und niemanden für den man verantwortlich ist, dann ist es einfach zu sagen: ich nehm' jetzt meinen hut und geh. und, glauben sie es ruhig: wenn man das kann, dann sollte man das auch tun. hat man entsprechenden anhang, dann muss sichergestellt sein dass dieser anhang auch entsprechend gekleidet und ernährt werden kann (und zwar im eigentlichen wie auch im übertragenen sinne), sonst wird das nix. das gibt nur schweiss und tränen, vor- und zerwürfnisse, und diskussionen um des kaisers bart. schaut man sich die lebensgeschichten in der umgebung so an, dann kommt man übrigens auf eine erstaunliche anzahl von menschen die das schon erfahren haben, in der einen oder anderen weise. wenn man andererseits die möglichkeit hat und nicht wahrnimmt, dann laboriert man irgendwie ein leben lang daran, und das ist auch wiederum oft der anfang von irgendeinem bösen ende.
frau kelef jedenfalls erledigte damals ihre angelegenheiten mit grossem vergnügen, schaute sich die grosse stadt an, k. verbröselte sich derweilen zu einer hochzeit oder sonstigen festivität irgendwo in der pampa und erklärte frau kelef genau, wo sie den wohnungsschlüssel hinterlassen sollte damit er nach ihrer abreise und bei seiner rückkehr seine wohnung auch wieder betreten könne ohne die tür aufbrechen zu müssen.
so geschah es auch, und frau kelef kehrte nach wien zurück.
man telefonierte immer noch ab und an. frau kelef war sehr dankbar und wollte sich für die erwiesene gastfreundschaft auch irgendwie revanchieren. k. meinte, wenn er mal nach wien käme würde er sich melden. einmal hätte das sogar schon fast geklappt, kam aber irgendwas dazwischen, und dann eben doch nicht.
und dann, im sommer 1993, läutete wieder einmal das telefon und k. war am anderen ende.
"ich hau jetzt ab nach mallorca. arbeit habe ich schon, ein bisschen geld gespart auch, und mein besitz passt in mein auto. ich will das einfach dort versuchen. ich lass mal ne karte 'rüberwachsen."
nun, um eine ansichtskarte wollte frau kelef wohl gebeten haben, weil sie die interessanten ja bekanntlich sammelt (übrigens: was ist aus dieser ansichtskartenversendungssitte eigentlich geworden???). andererseits hat frau kelef ja eine liebreizende tochter, die ebenfalls ansichtskarten verspricht, diese wohl auch kauft und frankiert, fallweise auch beschriftet, sie dann allerdings nicht abschickt sondern erst nach ihrer rückkehr überreicht. manchmal allerdings auch erst jahre nach ihrer rückkehr. hmpf.
es blieb also nur k. alles gute zu wünschen, und alles das was er sich selber auch wünschte und erträumte, denn so soll das ja sein.
das war dann, im jahre des herrn 1993, das letzte was frau kelef von ihm hörte. ansichtskarte kam keine, aber was weiss ein fremder was mit adressbüchern so passiert, und dann hatte frau kelef ja eine geheimnummer und die mobile telefonie war noch nicht erfunden. zudem hatte frau kelef ende 1993 die damalige fabrick verlassen, die durchwahlnummer dort gab es also auch nicht mehr, und wenn dann wollte eigentlich keiner wissen was ein anrufer da für eine auskunft bekommen hätte.
nun ist es ja grundsätzlich so dass es leuten, von denen man nichts hört oder liest, entweder sehr gut oder sehr schlecht geht. frau kelef fragte auch das internetz, und das meinte, k. scheine sich irgendwie selbständig machen zu wollen (wer kann schon spanische urkunden lesen, hä?), und so schien alles in ordnung zu sein. sich an die uralte adresse zu wenden war mehrfach in den gedankengängen, aber was weiss man in welches wespennest man da stechen kann, file under: experimente die die welt nicht braucht.
sie sehen also, das ist eine von den geschichten, die ihnen sonst keiner erzählt. nämlich eine von den ganz normalen geschichten, die wohl ein wenig kompliziert sind, aber doch trotz ost und west und versuchter republikflucht und fluchthilfe und weiss der kuckuck eine geschichte ohne mord und totschlag, ohne blut- und tränenvergiessen, ohne schlampige verhältniss und uneheliche kinder, ohne zeitungsartikel oder verfilmte dramatische szenen. eine von den geschichten, wie sie wohl die häufigsten waren in all diesen jahren, für aussenstehende unspektakulär und vor allem: sie endete vor 17 jahren.
der nachtrag kommt dann noch, hihihi.
k. war wohlbehalten dort angekommen wo er zunächst einmal hatte hinwollen. das mit dem arbeiten funktionierte auch umgehend: während er erst bei der familie mithalf, suchte er sich gleichzeitig einen passenden job und fand den auch.
ein wenig später fand sich auch eine passende wohnung, ein wenig von der familie entfernt (denn merke: die ferne ist es nicht, und nicht die nähe), dazu lernte er ein paar neue menschen kennen und die diversen grenzen öffneten sich mehr und mehr, und so kam das eine zum anderen und ein ganz normales leben etablierte sich.
man telefonierte, vor allem weil: das konnte man ja nun. insbesondere frau kelef konnte, denn in der fabrick hatte sie freie durchwahl nach überallhin wo man durchwählen konnte auf der ganzen welt.
irgendwann so anno 1991 oder 1992, wenn die erinnerung nicht trügt, hatte frau kelef geschäftlich ein paar tage in deutschland zu verbringen, als besondere strafe für noch gar nicht begangene sünden, und so beschloss sie, bei der gelegenheit auch einen privaten besuch abzustatten. der sollte aber zunächst geheim bleiben, die geschichte erzähl' ich ihnen ein anderes mal.
die fabrick zahlte den flug hin und die ablöse des fluges zurück, frau kelef liess sich von der firmenlimousine standesgemäss zum bahnhof bringen und fuhr in die andere grosse stadt. zwecks unterbringung, vor allem aber auch weil sie ja überhaupt nicht neugierig ist, hatte sie sich vorweg telefonisch gar vorsichtig bei k. erkundigt, und der meinte umgehend: ich wohn' zwar ausserhalb, aber klar kannst du kommen und bleiben.
gesagt, getan. frau kelef schlug spätabends mit dem taxi vor der haustür auf, krabbelte heraus und wurde freundlich in empfang genommen. erstaunlicherweise verstand man sich immer noch sehr gut, obwohl da ja schon eine menge zeit vergangen war, und es ist ja immer ein unterschied ob man nun schreibt oder telefoniert oder sich so von angesicht zu angesicht unterhält.
so sprach man über dies und das, jenes und anderes, und war erstaunlicherweise immer noch der gleichen meinung über viele dinge. die geschichte mit dem kaffee in sopron war ein klitzekleines trauma bei k. und frau kelef, aber das werden sie sicherlich verstehen. es gibt ja so dinge im leben, die hängen einem ewig nach, obwohl eigentlich - wenn man es so ganz genau betrachtet und relativiert - eigentlich eben gar nichts passiert ist. vielleicht aber eben gerade deswegen. wie auch immer: es hatte keine konsequenzen gegeben, und auf jeden fall, nun war ja alles gut soweit, irgendwie. was auch immer damals hinter den kulissen passiert war, man weiss es nicht.
den ersten urlaub hatte k. auch schon hinter sich, raten sie mal, wo er den verbracht hatte: mallorca, natürlich. und was war eine - von frau kelef seither mit grosser freude und immer und immer wieder zitierte - quintessenz: "seit ich gesehen habe wie sich manche deutsche urlauber benehmen verstehe ich auch wieso die deutschen manchmal so unbeliebt sind." so eine aussage muss man sich unter diesen umständen ja auch einmal im mittelohr zergehen lassen.
natürlich war das nicht alles gewesen. schön war die insel, und überhaupt, und irgendwie wäre es schon nett dort zu leben, also jetzt: dort eine arbeit zu haben, und so weiter.
na ja, dann gehe hin und tue dies, sagte frau kelef, denn die ging das ja schliesslich eigentlich so was von gar nix an, andererseits konnte sie den wunsch schon gut verstehen. nicht wegen des konkreten ziels, sondern weil sie ja eigentlich ursprünglich auch alles andere vorgehabt hatte als in wien zu bleiben, oder auch nur in österreich, aber da war dann verschiedenes dazwischengekommen. mit einem kind so ohne netz und doppelten boden kann man ja nicht guten gewissens wie es einem gerade einfällt durch die weltgeschichte düsen, die sache mit der ddr hatte schon genügend blutige wunden geschlagen, und hier sei der bösen frau, also frau kelefs mutter, wieder einmal ein extra giftiger skorpion ins grab gewünscht, denn danach ging gar nichts mehr. wird wohl auch eine der vielen ewig schwärenden wunden bleiben.
wenn man niemanden hat der von einem abhängig und niemanden für den man verantwortlich ist, dann ist es einfach zu sagen: ich nehm' jetzt meinen hut und geh. und, glauben sie es ruhig: wenn man das kann, dann sollte man das auch tun. hat man entsprechenden anhang, dann muss sichergestellt sein dass dieser anhang auch entsprechend gekleidet und ernährt werden kann (und zwar im eigentlichen wie auch im übertragenen sinne), sonst wird das nix. das gibt nur schweiss und tränen, vor- und zerwürfnisse, und diskussionen um des kaisers bart. schaut man sich die lebensgeschichten in der umgebung so an, dann kommt man übrigens auf eine erstaunliche anzahl von menschen die das schon erfahren haben, in der einen oder anderen weise. wenn man andererseits die möglichkeit hat und nicht wahrnimmt, dann laboriert man irgendwie ein leben lang daran, und das ist auch wiederum oft der anfang von irgendeinem bösen ende.
frau kelef jedenfalls erledigte damals ihre angelegenheiten mit grossem vergnügen, schaute sich die grosse stadt an, k. verbröselte sich derweilen zu einer hochzeit oder sonstigen festivität irgendwo in der pampa und erklärte frau kelef genau, wo sie den wohnungsschlüssel hinterlassen sollte damit er nach ihrer abreise und bei seiner rückkehr seine wohnung auch wieder betreten könne ohne die tür aufbrechen zu müssen.
so geschah es auch, und frau kelef kehrte nach wien zurück.
man telefonierte immer noch ab und an. frau kelef war sehr dankbar und wollte sich für die erwiesene gastfreundschaft auch irgendwie revanchieren. k. meinte, wenn er mal nach wien käme würde er sich melden. einmal hätte das sogar schon fast geklappt, kam aber irgendwas dazwischen, und dann eben doch nicht.
und dann, im sommer 1993, läutete wieder einmal das telefon und k. war am anderen ende.
"ich hau jetzt ab nach mallorca. arbeit habe ich schon, ein bisschen geld gespart auch, und mein besitz passt in mein auto. ich will das einfach dort versuchen. ich lass mal ne karte 'rüberwachsen."
nun, um eine ansichtskarte wollte frau kelef wohl gebeten haben, weil sie die interessanten ja bekanntlich sammelt (übrigens: was ist aus dieser ansichtskartenversendungssitte eigentlich geworden???). andererseits hat frau kelef ja eine liebreizende tochter, die ebenfalls ansichtskarten verspricht, diese wohl auch kauft und frankiert, fallweise auch beschriftet, sie dann allerdings nicht abschickt sondern erst nach ihrer rückkehr überreicht. manchmal allerdings auch erst jahre nach ihrer rückkehr. hmpf.
es blieb also nur k. alles gute zu wünschen, und alles das was er sich selber auch wünschte und erträumte, denn so soll das ja sein.
das war dann, im jahre des herrn 1993, das letzte was frau kelef von ihm hörte. ansichtskarte kam keine, aber was weiss ein fremder was mit adressbüchern so passiert, und dann hatte frau kelef ja eine geheimnummer und die mobile telefonie war noch nicht erfunden. zudem hatte frau kelef ende 1993 die damalige fabrick verlassen, die durchwahlnummer dort gab es also auch nicht mehr, und wenn dann wollte eigentlich keiner wissen was ein anrufer da für eine auskunft bekommen hätte.
nun ist es ja grundsätzlich so dass es leuten, von denen man nichts hört oder liest, entweder sehr gut oder sehr schlecht geht. frau kelef fragte auch das internetz, und das meinte, k. scheine sich irgendwie selbständig machen zu wollen (wer kann schon spanische urkunden lesen, hä?), und so schien alles in ordnung zu sein. sich an die uralte adresse zu wenden war mehrfach in den gedankengängen, aber was weiss man in welches wespennest man da stechen kann, file under: experimente die die welt nicht braucht.
sie sehen also, das ist eine von den geschichten, die ihnen sonst keiner erzählt. nämlich eine von den ganz normalen geschichten, die wohl ein wenig kompliziert sind, aber doch trotz ost und west und versuchter republikflucht und fluchthilfe und weiss der kuckuck eine geschichte ohne mord und totschlag, ohne blut- und tränenvergiessen, ohne schlampige verhältniss und uneheliche kinder, ohne zeitungsartikel oder verfilmte dramatische szenen. eine von den geschichten, wie sie wohl die häufigsten waren in all diesen jahren, für aussenstehende unspektakulär und vor allem: sie endete vor 17 jahren.
der nachtrag kommt dann noch, hihihi.
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Montag, 9. August 2010
bekanntschaft aus ungarn V
kelef, 20:25h
sie haben mit spannung auf die fortsetzung der geschichte gewartet? sehr schön. frau kelef wartete damals nämlich auch, und dann können sie wenigstens ein wenig nachfühlen wie das damals war mit dem warten und der spannung.
irgendwann läutete aber dann doch das telefon, und was soll man sagen: k. rief tatsächlich an. aus dem schönen heimatland, also aus seinem, natürlich.
was passiert war? hoffnungsfroh und guten mutes war k. in den zug gestiegen der gen sopron fuhr. natürlich wusste man dass es für personen aus der ddr verboten war richtung grenze zu fahren, schon gar mit einer vollen reisetasche unterm arm und mit dem zug, und noch dazu in richtung einer stadt die für die anwesenheit vieler besucher aus dem benachbarten österreich bekannt war und zudem als durchreise- und erste/letzte station für die balaton-touristen aus westdeutschland. westkontakte waren ja sowieso auch verboten, aber man kann sich ja nicht immer um alles kümmern. und eigentlich war der plan ja lediglich ein gemeinsames kaffeetrinken, offiziell zumindest. das war zwar auch ungesetzlich, aber man hätte das wenigstens sehr gut erklären können.
aber es kam, wie es nicht hätte kommen dürfen, ausweiskontrolle im zug und ja nee, nix da. unter entsprechender beaufsichtigung durfte k. den zug in sopron zwar verlassen, aber natürlich keineswegs in richtung des restaurants in dem frau kelef wartete, sondern unter geheimnisvollen umständen in einem entsprechenden fahrzeug der uniformierten staatlichen rechtshelfer in richtung eines für die besondere aufbewahrung suspekter gäste vorbereiteten etablissements, das man gemeinhin auch knast oder gefängnis oder anhaltestation oder wie auch immer nennt.
peinliche befragungen folgten, genaue und detaillierte angaben wurden verlangt: warum wieso und wer gegen wen aus welchen gründen, die feststellung, er habe sich ja nur auf einen kaffee mit einer bekannten treffen wollen wurde als unglaubwürdig abgetan. sowas konnte ja nicht sein, da musste doch noch was dahinterstecken.
muss man sich auch einmal vorstellen, wie es einem menschen da so geht, zwischen den existenzen quasi, in einem fremden land und ohne zu wissen was da nun herauskommt bei der befragung und wie das alles weitergehen wird und welche konsequenzen für wen allen daraus erwachsen können und werden.
und das alles noch mit einem dolmetscher, von dem man unter solchen umständen ja nicht wissen kann ob der nun alles übersetzt was gesagt wird, und wie genau er das übersetzt. hört der zwischen den zeilen das gras wachsen oder ist er einfach sauer weil man ihn dazu zwingt dinge zu tun die er eigentlich nicht tun will? die meisten ungarn hatten ja alles andere als ein gutes verhältnis zum kommunismus, und so konnte es einerseits sein dass die befragenden und übersetzenden durchaus verständnis für die unausgesprochenen wahrheiten hatten. konnte andererseits aber auch sein, dass die einen ganz anderen standpunkt einnahmen, an profilierungsneurosen laborierten oder noch ein paar sozialistische karmapunkte brauchten, und dass die das gesagte dann entsprechend modifizierten, kürzten, ausschmückten oder interpretierten.
das angebotene nachtlager konnte aus verständlichen gründen nicht ausgeschlagen werden, da waren die uniformierten spassverderber irgendwie dagegen, und anschliessend durfte k. dann wieder weiterreisen. nach hause.
erstaunlicherweise hatte der versuchte ausflug keine weiteren konsequenzen, ausser den psychischen, und dem zorn und der enttäuschung und allen diesen dingen, und zu alledem: mallorca war so unerreichbar wie immer. wollte er doch bloss wenigstens einmal sehen.
frau kelef tröstete am telefon so gut es ging, war ihr doch zumindest ein mittlerer mount everest vom herzen gefallen, wenigstens nix allzu heftiges passiert, man wusste damals ja nie was den staatsorganen bei fehlverhalten einzelner bürger einfallen konnte. und in voller überzeugung sagte frau kelef (auch bekannt als die "da hab ich schon wieder recht gehabt"-frau): das wird schon. lange kann die ddr so nicht mehr existieren, der ganze ostblock wird zerfallen und zerbröseln und sich in relativ normale länder rückverwandeln. warte nur, balde.
für den moment hiess es aber: zurück zur normalität, ein briefchen hier, ein anruf dort. warten auf die nächste idee.
die politische entwicklung liess hingegen tatsächlich nicht mehr lange auf sich warten, wie wir heute wissen, und wie schon marx und lenin sagten, fragen sie bloss nicht genau wo, aber es steht geschrieben: nach der evolution kommt die revolution. geht ja per definitionem eigentlich auch nicht anders.
und so kam es auch, irgendwann hatten die menschen genug und stellten sich auf die füsse und gingen auf die strasse, und wie das alles gewesen ist braucht hier nicht aufgeschrieben zu werden, da gibt es geschichtsbücher und zeitungsberichte und dokumentationen genug dazu und darüber.
frau kelef und die zugehörige tochter hingen tränenden auges nicht vor, sondern quasi in der glotze und fieberten mit und sahen die menschen in der deutschen botschaft in budapest, und die pressebilder dazu, und die berichte, und die interviews und geschichten, und dann durften die ersten ausreisen. sie glauben gar nicht, wie man sich für absolut völlig wildfremde menschen freuen kann.
und dann läutete das telefon im büro, in dem frau kelef zu später stunde noch verweilte, und die tochter rief an und brüllte: mama, mama, k. hat angerufen, er ist herüben!
tatsächlich hatte er, als unter der hand von den turbulenzen berichtet wurde, angesucht und wider erwarten ein visum für ungarn erhalten, und war dann über die botschaft nach deutschland gekommen.
in der direttissima zur verwandtschaft, dort gab es ein sicheres dach über dem kopf, und nach drei tagen half er schon im familieneigenen betrieb mit. immer getreu dem plan: erst arbeit, dann wohnung, der rest findet sich.
irgendwann läutete aber dann doch das telefon, und was soll man sagen: k. rief tatsächlich an. aus dem schönen heimatland, also aus seinem, natürlich.
was passiert war? hoffnungsfroh und guten mutes war k. in den zug gestiegen der gen sopron fuhr. natürlich wusste man dass es für personen aus der ddr verboten war richtung grenze zu fahren, schon gar mit einer vollen reisetasche unterm arm und mit dem zug, und noch dazu in richtung einer stadt die für die anwesenheit vieler besucher aus dem benachbarten österreich bekannt war und zudem als durchreise- und erste/letzte station für die balaton-touristen aus westdeutschland. westkontakte waren ja sowieso auch verboten, aber man kann sich ja nicht immer um alles kümmern. und eigentlich war der plan ja lediglich ein gemeinsames kaffeetrinken, offiziell zumindest. das war zwar auch ungesetzlich, aber man hätte das wenigstens sehr gut erklären können.
aber es kam, wie es nicht hätte kommen dürfen, ausweiskontrolle im zug und ja nee, nix da. unter entsprechender beaufsichtigung durfte k. den zug in sopron zwar verlassen, aber natürlich keineswegs in richtung des restaurants in dem frau kelef wartete, sondern unter geheimnisvollen umständen in einem entsprechenden fahrzeug der uniformierten staatlichen rechtshelfer in richtung eines für die besondere aufbewahrung suspekter gäste vorbereiteten etablissements, das man gemeinhin auch knast oder gefängnis oder anhaltestation oder wie auch immer nennt.
peinliche befragungen folgten, genaue und detaillierte angaben wurden verlangt: warum wieso und wer gegen wen aus welchen gründen, die feststellung, er habe sich ja nur auf einen kaffee mit einer bekannten treffen wollen wurde als unglaubwürdig abgetan. sowas konnte ja nicht sein, da musste doch noch was dahinterstecken.
muss man sich auch einmal vorstellen, wie es einem menschen da so geht, zwischen den existenzen quasi, in einem fremden land und ohne zu wissen was da nun herauskommt bei der befragung und wie das alles weitergehen wird und welche konsequenzen für wen allen daraus erwachsen können und werden.
und das alles noch mit einem dolmetscher, von dem man unter solchen umständen ja nicht wissen kann ob der nun alles übersetzt was gesagt wird, und wie genau er das übersetzt. hört der zwischen den zeilen das gras wachsen oder ist er einfach sauer weil man ihn dazu zwingt dinge zu tun die er eigentlich nicht tun will? die meisten ungarn hatten ja alles andere als ein gutes verhältnis zum kommunismus, und so konnte es einerseits sein dass die befragenden und übersetzenden durchaus verständnis für die unausgesprochenen wahrheiten hatten. konnte andererseits aber auch sein, dass die einen ganz anderen standpunkt einnahmen, an profilierungsneurosen laborierten oder noch ein paar sozialistische karmapunkte brauchten, und dass die das gesagte dann entsprechend modifizierten, kürzten, ausschmückten oder interpretierten.
das angebotene nachtlager konnte aus verständlichen gründen nicht ausgeschlagen werden, da waren die uniformierten spassverderber irgendwie dagegen, und anschliessend durfte k. dann wieder weiterreisen. nach hause.
erstaunlicherweise hatte der versuchte ausflug keine weiteren konsequenzen, ausser den psychischen, und dem zorn und der enttäuschung und allen diesen dingen, und zu alledem: mallorca war so unerreichbar wie immer. wollte er doch bloss wenigstens einmal sehen.
frau kelef tröstete am telefon so gut es ging, war ihr doch zumindest ein mittlerer mount everest vom herzen gefallen, wenigstens nix allzu heftiges passiert, man wusste damals ja nie was den staatsorganen bei fehlverhalten einzelner bürger einfallen konnte. und in voller überzeugung sagte frau kelef (auch bekannt als die "da hab ich schon wieder recht gehabt"-frau): das wird schon. lange kann die ddr so nicht mehr existieren, der ganze ostblock wird zerfallen und zerbröseln und sich in relativ normale länder rückverwandeln. warte nur, balde.
für den moment hiess es aber: zurück zur normalität, ein briefchen hier, ein anruf dort. warten auf die nächste idee.
die politische entwicklung liess hingegen tatsächlich nicht mehr lange auf sich warten, wie wir heute wissen, und wie schon marx und lenin sagten, fragen sie bloss nicht genau wo, aber es steht geschrieben: nach der evolution kommt die revolution. geht ja per definitionem eigentlich auch nicht anders.
und so kam es auch, irgendwann hatten die menschen genug und stellten sich auf die füsse und gingen auf die strasse, und wie das alles gewesen ist braucht hier nicht aufgeschrieben zu werden, da gibt es geschichtsbücher und zeitungsberichte und dokumentationen genug dazu und darüber.
frau kelef und die zugehörige tochter hingen tränenden auges nicht vor, sondern quasi in der glotze und fieberten mit und sahen die menschen in der deutschen botschaft in budapest, und die pressebilder dazu, und die berichte, und die interviews und geschichten, und dann durften die ersten ausreisen. sie glauben gar nicht, wie man sich für absolut völlig wildfremde menschen freuen kann.
und dann läutete das telefon im büro, in dem frau kelef zu später stunde noch verweilte, und die tochter rief an und brüllte: mama, mama, k. hat angerufen, er ist herüben!
tatsächlich hatte er, als unter der hand von den turbulenzen berichtet wurde, angesucht und wider erwarten ein visum für ungarn erhalten, und war dann über die botschaft nach deutschland gekommen.
in der direttissima zur verwandtschaft, dort gab es ein sicheres dach über dem kopf, und nach drei tagen half er schon im familieneigenen betrieb mit. immer getreu dem plan: erst arbeit, dann wohnung, der rest findet sich.
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Dienstag, 3. August 2010
bekanntschaft aus ungarn IV
kelef, 00:29h
hören sie auf mich zu drängen. ich hätte die geschichte nicht angefangen wenn sie kein anständiges ende hätte. aber das kriegen wir dann - für die interessierten - im kapitel VI. und dann gibt es noch einen nachtrag.
sopron also.
die vorbereitungen wurden getroffen. die personen des vertrauens wurden in ebendieses gezogen, frau kelef hatte hier ja auch noch eine tochter die nicht alles wissen musste/sollte/durfte, passende und erklärende schreiben wurden verfasst und deponiert, der treffpunkt wurde vereinbart, die telefonische kryptik feierte ein kleines fest, ein vielfrequentiertes lokal auf der ausfallsstrasse richtung grenze wurde als treffpunkt auserkoren.
dort konnte man nämlich hervorragend essen - wie überhaupt in ungarn, wenn man wusste/weiss was man bestellt(e), und das war die offizielle begründung für die wahl - frau kelef nahm sich einen urlaubstag und fuhr einkaufen. damit einmal nix sein konnte. weil, einkaufen in sopron war ja damals praktisch eine wiener pflichtübung, daher: kofferraum vollgeladen mit allem erlaubten, als da waren zigaretten, käse, salami, tokajer, schnappes, ein paar ersatzteile für den lada oder artverwandte gefährte (ward hier schon erwähnung des mechanikers getan? nein, die geschichte kommt noch.).
ein wenig werkzeug, schrauben, nägel, und: das anlässlich dieser expedition käuflich erworbene in der ddr hergestellte stemmeisen steht unter denkmalschutz, wenn wer fragen sollte. es ist das mit dem blauen griff.
zwei stunden vor der vereinbarten zeit war frau kelef fertig mit den vorbereitungen und begab sich richtung restaurant. da waren rundherum auch noch eine werkstatt, eine tankstelle, verschiedene shops, es konnte also unauffällig herumgelungert werden. besonders mit einem reisepass, der einerseits fast funkelnagelneu war und andererseits ja schon einige ein- und ausreisestempel trug. der emmentaler, und so, sie verstehen. also eigentlich war es ja keineswegs der emmentaler, aber die begründung glaubte damals jeder.
frau kelef also stand herum und schlenderte herum und lungerte herum, kaufte noch mehr unnotwendiges und betete, kann ja nie schaden.
dann war es eine halbe stunde vor der vereinbarten zeit, und frau kelef begab sich in das restaurant, an den bestellten und reservierten platz, und orderte erst einmal einen kaffee. mit dem essen wolle sie warten.
sie wartete auch. eine stunde, dann, langsam, kamen leise bedenken auf.
nun, schiss konnte ziemlich ausgeschlossen werden. verständlich wäre es gewesen, durchaus, aber irgendwie passte schiss nicht. bauchgefühl vor logik und panik. die möglichen alternativen waren wenig erbaulich. sie glauben ja gar nicht, wie gottgläubig man manchmal sein kann in prekären situationen.
frau kelef bestellte eine vorspeise, eine ausführliche: gänseleber, keine stopfleber natürlich, aber in madeira-fragen sie nicht was-sauce. dauerte eine weile.
als zwischengericht: hühnersuppe. soll ja gesund sein.
als hauptgericht: rindslendchen mit pilzen und nockerln, also keine spätzle: ungarische nockerln. alles frisch: dauerte eine weile.
dann ein schnappes, der war nötig.
draussen wurde es langsam dunkel. kein bild, kein ton. ein paar mal kam die rendörseg vorbei, warf prüfende blicke, besonders in richtung von frau kelef, und ging wieder. zwischendurch kam auch einmal die grenzpolizei, und dann noch zweimal irgendein anderes uniformiertes komplott auf hinterbeinen mit schiesseisen an der hosennaht, fragen sie nicht wer das wiederum war. sah nach höherer grenzpolizei aus, wollte frau kelef aber nicht so genau wissen. es gibt ja grundsätzlich im leben manchmal so situtationen, in denen man nicht alles so ganz genau wissen will, sicherheitshalber.
frau kelef wartete also ein wenig, und dann noch ein wenig mehr, und dann noch ein wenig länger. eigentlich - so war die verabredete geschichte - wollte man sich ja nur treffen um ein wenig zu schnaken, höchst unschuldig und über vergangene zeiten und gemeinsame erinnerungen, oder was dachten sie? konnte ja nicht verboten sein, sowas.
es wurde dunkel.
und dunkler.
auch innerlich, sozusagen.
frau kelef trank den weiss-man-nicht-wievielten kaffee, und diese kleinen moccas in ungarn waren sowieso der deibel, sowas von stark. aber was uns nicht umbringt macht uns nur härter. und wache sinne werden ja manchmal unterbewertet.
dann begann das personal im restaurant langsam diejenigen teile des lokals, in dem sich keine gäste mehr befanden, abzudunkeln, es wurde mitternacht, und es war klar: das mit dem gemeinsamen kaffeetrinken würde wohl nichts mehr werden.
sind sie unter solchen umständen schon einmal in einem lokal in einem land, dessen sprache sie nicht verstehen, unter solchen umständen, der letzte gast gewesen? wollen sie auch nicht sein, glauben sie mir. wollen sie gar nicht. was einem da alles durch den kopf geht ist nicht ohne. prägt aber.
sperrstunde, dann.
frau kelef kroch gebückt und leise vor sich hinschluchzend in den alten lada und begab sich wieder richtung österreichischer grenze.
unterwegs - auf dem grüngelände zwischen den beiden staaten - wurde ein paarmal sehr laut herumgeschrien und ein wenig scharf geschossen, ein junger baum beendete versehentlich sein ebenso junges leben und fiel einfach um, scheinwerfer leuchteten im kreis, frau kelef wurde immer gottgläubiger und nach den vier kilometern bis zur grenze war sie schon beinahe fast wieder bereit sich taufen zu lassen.
und, was soll man sagen: die ungarn schauten noch nicht einmal in den reisepass, schon gar nicht in den kofferraum, und auch unter der hinteren sitzbank hätten sich gerne ein paar personen verstecken können. hat keiner nachgeschaut. war auch keiner da. die österreicher winkten sowieso nur durch, die waren sichtlich weniger wach als frau kelef.
der emmentaler und die salami und der tokajer und die restliche ware landeten gut in wien-mitteleuropa, so um drei uhr früh, frau kelef zerdrückte ein paar weitere tiefempfundene tränchen im augenwinkel, und ging am nächsten tag dem alltsgeschäft nach.
was auch immer passiert sein mochte: man wusste es nicht. das nabelsausen blieb, das telefon war unter steter beobachtung, frau kelefs tochter schaute ungefähr drei dutzend mal täglich in den briefkasten. kein bild, kein ton.
eine woche lang.
zwei wochen lang.
sopron also.
die vorbereitungen wurden getroffen. die personen des vertrauens wurden in ebendieses gezogen, frau kelef hatte hier ja auch noch eine tochter die nicht alles wissen musste/sollte/durfte, passende und erklärende schreiben wurden verfasst und deponiert, der treffpunkt wurde vereinbart, die telefonische kryptik feierte ein kleines fest, ein vielfrequentiertes lokal auf der ausfallsstrasse richtung grenze wurde als treffpunkt auserkoren.
dort konnte man nämlich hervorragend essen - wie überhaupt in ungarn, wenn man wusste/weiss was man bestellt(e), und das war die offizielle begründung für die wahl - frau kelef nahm sich einen urlaubstag und fuhr einkaufen. damit einmal nix sein konnte. weil, einkaufen in sopron war ja damals praktisch eine wiener pflichtübung, daher: kofferraum vollgeladen mit allem erlaubten, als da waren zigaretten, käse, salami, tokajer, schnappes, ein paar ersatzteile für den lada oder artverwandte gefährte (ward hier schon erwähnung des mechanikers getan? nein, die geschichte kommt noch.).
ein wenig werkzeug, schrauben, nägel, und: das anlässlich dieser expedition käuflich erworbene in der ddr hergestellte stemmeisen steht unter denkmalschutz, wenn wer fragen sollte. es ist das mit dem blauen griff.
zwei stunden vor der vereinbarten zeit war frau kelef fertig mit den vorbereitungen und begab sich richtung restaurant. da waren rundherum auch noch eine werkstatt, eine tankstelle, verschiedene shops, es konnte also unauffällig herumgelungert werden. besonders mit einem reisepass, der einerseits fast funkelnagelneu war und andererseits ja schon einige ein- und ausreisestempel trug. der emmentaler, und so, sie verstehen. also eigentlich war es ja keineswegs der emmentaler, aber die begründung glaubte damals jeder.
frau kelef also stand herum und schlenderte herum und lungerte herum, kaufte noch mehr unnotwendiges und betete, kann ja nie schaden.
dann war es eine halbe stunde vor der vereinbarten zeit, und frau kelef begab sich in das restaurant, an den bestellten und reservierten platz, und orderte erst einmal einen kaffee. mit dem essen wolle sie warten.
sie wartete auch. eine stunde, dann, langsam, kamen leise bedenken auf.
nun, schiss konnte ziemlich ausgeschlossen werden. verständlich wäre es gewesen, durchaus, aber irgendwie passte schiss nicht. bauchgefühl vor logik und panik. die möglichen alternativen waren wenig erbaulich. sie glauben ja gar nicht, wie gottgläubig man manchmal sein kann in prekären situationen.
frau kelef bestellte eine vorspeise, eine ausführliche: gänseleber, keine stopfleber natürlich, aber in madeira-fragen sie nicht was-sauce. dauerte eine weile.
als zwischengericht: hühnersuppe. soll ja gesund sein.
als hauptgericht: rindslendchen mit pilzen und nockerln, also keine spätzle: ungarische nockerln. alles frisch: dauerte eine weile.
dann ein schnappes, der war nötig.
draussen wurde es langsam dunkel. kein bild, kein ton. ein paar mal kam die rendörseg vorbei, warf prüfende blicke, besonders in richtung von frau kelef, und ging wieder. zwischendurch kam auch einmal die grenzpolizei, und dann noch zweimal irgendein anderes uniformiertes komplott auf hinterbeinen mit schiesseisen an der hosennaht, fragen sie nicht wer das wiederum war. sah nach höherer grenzpolizei aus, wollte frau kelef aber nicht so genau wissen. es gibt ja grundsätzlich im leben manchmal so situtationen, in denen man nicht alles so ganz genau wissen will, sicherheitshalber.
frau kelef wartete also ein wenig, und dann noch ein wenig mehr, und dann noch ein wenig länger. eigentlich - so war die verabredete geschichte - wollte man sich ja nur treffen um ein wenig zu schnaken, höchst unschuldig und über vergangene zeiten und gemeinsame erinnerungen, oder was dachten sie? konnte ja nicht verboten sein, sowas.
es wurde dunkel.
und dunkler.
auch innerlich, sozusagen.
frau kelef trank den weiss-man-nicht-wievielten kaffee, und diese kleinen moccas in ungarn waren sowieso der deibel, sowas von stark. aber was uns nicht umbringt macht uns nur härter. und wache sinne werden ja manchmal unterbewertet.
dann begann das personal im restaurant langsam diejenigen teile des lokals, in dem sich keine gäste mehr befanden, abzudunkeln, es wurde mitternacht, und es war klar: das mit dem gemeinsamen kaffeetrinken würde wohl nichts mehr werden.
sind sie unter solchen umständen schon einmal in einem lokal in einem land, dessen sprache sie nicht verstehen, unter solchen umständen, der letzte gast gewesen? wollen sie auch nicht sein, glauben sie mir. wollen sie gar nicht. was einem da alles durch den kopf geht ist nicht ohne. prägt aber.
sperrstunde, dann.
frau kelef kroch gebückt und leise vor sich hinschluchzend in den alten lada und begab sich wieder richtung österreichischer grenze.
unterwegs - auf dem grüngelände zwischen den beiden staaten - wurde ein paarmal sehr laut herumgeschrien und ein wenig scharf geschossen, ein junger baum beendete versehentlich sein ebenso junges leben und fiel einfach um, scheinwerfer leuchteten im kreis, frau kelef wurde immer gottgläubiger und nach den vier kilometern bis zur grenze war sie schon beinahe fast wieder bereit sich taufen zu lassen.
und, was soll man sagen: die ungarn schauten noch nicht einmal in den reisepass, schon gar nicht in den kofferraum, und auch unter der hinteren sitzbank hätten sich gerne ein paar personen verstecken können. hat keiner nachgeschaut. war auch keiner da. die österreicher winkten sowieso nur durch, die waren sichtlich weniger wach als frau kelef.
der emmentaler und die salami und der tokajer und die restliche ware landeten gut in wien-mitteleuropa, so um drei uhr früh, frau kelef zerdrückte ein paar weitere tiefempfundene tränchen im augenwinkel, und ging am nächsten tag dem alltsgeschäft nach.
was auch immer passiert sein mochte: man wusste es nicht. das nabelsausen blieb, das telefon war unter steter beobachtung, frau kelefs tochter schaute ungefähr drei dutzend mal täglich in den briefkasten. kein bild, kein ton.
eine woche lang.
zwei wochen lang.
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