Montag, 23. August 2010
brief an die hausverwaltung
Sehr geehrter Herr Dr. Hausverwaltung,

da ich Ihr Büro seit voriger Woche telefonisch nicht erreichen kann - leider höre ich auf beiden mir bekannten Telefonnummern nur eine Melodie in Endlosschleife, aber keine Ansage, und da auch kein Anrufbeantworter zur Verfügung zu stehen scheint, möchte ich Sie auf diesem Wege darüber informieren dass ich den von Ihnen genannten Termin nicht wahrnehmen kann, da ich bereits vor einiger Zeit anderweitige Verpflichtungen eingegangen bin.

Schon anlässlich des Erhaltes Ihres ersten Schreibens mit dem falschen Datum habe ich versucht Sie zu kontaktieren, aber siehe oben.

Einem Betreten der von mir gemieteten Wohnung in meiner Abwesenheit kann ich nicht zustimmen.

Selbstverständlich ist klar dass eine Begehung stattfinden kann, aber ebenso klar ist dass der Termin hierfür rechtzeitig vereinbart werden muss. Ein am 20.08. abends erhaltenes Schreiben mit einem verbindlichen Termin für den 26.08. ist - insbesondere in Anbetracht der Urlaubszeit - keinesfalls rechtzeitig, auch nicht, wenn dieses Schreiben am 23.08. durch einen Aushang am Schwarzen Brett im Stiegenhaus unterstützt wird. Zudem ist dieser Termin nicht vereinbart sondern hat die Form einer Vorschreibung, für die so keine Begründung geltend gemacht werden kann.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie auch daran erinnern dass die Sanierung des defekten Fallrohres der Toiletten im Vordertrakt, 2. Stock, noch immer nicht erfolgt ist, und sich die nassen Flecken dementsprechend weiter über die Wand ausbreiten. Herr Installateur, den ich vorige Woche in diesem Zusammenhang kontaktierte, teilte mir mit er warte auf einen Auftrag von Ihnen. Ebenso unbeantwortet blieb bis jetzt die Frage, wie ggfls. notwendiges Aus- und Wiedereinräumen der Toilette in der von mir gemieteten Wohnung sowie die notwendigen Reinigungsarbeiten nach dem Aufstemmen der Decke und der Wand und dem Austausch des Fallrohres geregelt werden. Der Gutachter, Ing. Sowieso, hat mir zwar im Beisein von Herrn Installateur versichert dass dies selbstverständlich zu Lasten der Versicherung erledigt werde, mich aber gleichzeitig ersucht diese Angelegenheit im Detail mit Ihnen zu klären da die Schadensabwicklung über Ihre Firma erfolgen werde. Da ich an allergischem Asthma, Polyarthritis und mehreren Bandscheibenprotrusionen leide ist es mir begreiflicherweise nicht möglich, auch nur einen Teil der notwendigen Arbeiten selbst zu erledigen. Bitte teilen Sie mir rechtzeitig mit, wann die Arbeiten stattfinden werden, damit ich - wie mit dem Gutachter vereinbart - für entsprechendes Reinigungspersonal sorgen kann, und informieren Sie mich über die Form der finanziellen Transaktion.

Ebenso bin ich noch im Unklaren über das weitere Vorgehen nach dem Abschluss der Arbeiten durch den Installateur. Lt. Gutachter muss die Decken- und Wandsanierung durch einen Fachmann vorgenommen werden - also durch ein konzessioniertes Bauunternehmen. Auch hier möchte ich Sie aus gesundheitlichen Gründen darum ersuchen mir rechtzeitig Bescheid zu geben, um meine weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Staub, Zement etc. möglichst niedrig halten zu können. Sollten diese Arbeiten nicht unmittelbar an die Installateursarbeiten erfolgen, müssen eine entsprechende Abdeckung der offenen Wände sowie eine zweite Reinigung erfolgen.

Weiters darf ich Sie daran erinnern dass die detaillierte Aufstellung der Jahresabrechnung 2009 noch immer nicht wieder aufgetaucht ist. Am Schwarzen Brett hing erst nur das Anschreiben ohne Anlage, dann kurzfristig auch die Anlage - leider so angeschraubt im wahrsten Sinne des Wortes dass man sie nicht lesen konnte. Nach einem Tag war die Aufstellung heruntergerissen. Ich habe Ihren Herrn Mitarbeiter mehrfach ersucht, mir die Aufstellung postalisch oder auch per e-mail zuzusenden, dies hat er mir auch zugesagt. Erhalten habe ich leider nichts. Ebenso vermisse ich die Mitteilung ob lt. Jahresabrechung ich von Ihnen Geld zu bekommen habe oder Sie von mir. Der Mietvorschreibung lag der angekündigte Zettel bedauerlicherweise nicht bei.

Die Angelegenheit mit der Kellerraumbeleuchtung ist ebenfalls noch nicht abgeschlossen. Die Mutter von Frau O. (anm.: vor drei jahren verstorbene hausbesitzerin), Frau S., hat seinerzeit veranlasst dass die Beleuchtung der benutzten Kellerabteile an die Hausbeleuchtung angeschlossen wurde, ich habe also keineswegs unberechtigt Strom bezogen. Frau O. und Frau C. (anm.: neue besitzerin des halben hauses) waren ebenfalls informiert. Wieso es nach mehr als zwanzig Jahren plötzlich nicht mehr möglich sein soll die Situation zu belassen wie sie war erschliesst sich mir nicht, insbesondere als ja Frau O. mir seinerzeit dieses Kellerabteil zugewiesen hat eben weil es elektrisch zu beleuchten war. Zu den Kosten für die Hausgemeinschaft darf ich anmerken, dass ich im Jahr - wenn ich es sehr hoch ansetze - vielleicht vier oder fünf Stunden lang eine 60 Watt-Birne mit Strom versorge. Die Kosten für die anderen Hausbewohner sind daher wohl vernachlässigbar. Sollte sich die Stromversorgung wiederherstellen lassen, bin ich aber gerne bereit im Jahr fünf Euro extra zu bezahlen. Auch diese Modalitäten hätte ich natürlich gerne geklärt, da ich ja den Keller entsprechend habe adaptieren lassen.

Mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme und telefonische Kontaktaufnahme bezüglich des weiteren Vorgehens verbleibe ich

mit freundlichen Grüssen

frau kelef



mal sehen, was passiert. ich hab' extra langsam geschrieben, für die besonders dummen. und jetzt brauch' ich einen schnaps.

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Donnerstag, 19. August 2010
die hausverwaltung
hat einen brief geschrieben. genauer gesagt, mehrere briefe. sozusagen einen an jede partei im haus.

datiert vom 16.08.2010, abgeschickt lt. poststempel an ebendiesem tag.

erhalten haben wir diese schreiben am 18.08.2010.

der inhalt?

ab 16.08.2010 ab 18.30 findet eine begehung der wohnungen durch die liegenschaftseigentümerinnen statt. die anwesenheit der wohnungsmieter bzw. eine zugänglichkeit der wohnungen ist dann unbedingt erforderlich.

die hausverwaltung spricht von sich im pluralis majestatis, ersucht um kenntnisnahme und verbleibt mit freundlichen grüssen.

wenn ich recht verstanden habe was da geschrieben steht dann erwartet man von den mietern dass sie zwei tage im nachhinein (mindestens, um diese jahreszeit sollen ja leute auch auf urlaub sein, hört man) sich quasi zurückbeamen und ab 16.08.2010 ab 18.30 bis ende nie anwesend sind oder jemanden mit der zu welchem zeitpunkt auch immer gewünschten öffnung der wohnung beauftragen. zu einer tageszeit zu der ich, ginge ich noch arbeiten, keineswegs anwesend sein könnte, aber das nur am rande.

der versuch, diese kryptische anordnung - denn das ist es ja, da wird nicht gefragt oder gebeten oder was auch immer - zu hinterfragen scheitert bedauerlicherweise daran, dass beide telefone im büro der hausverwaltung nur trommelfellzerstörende musik von sich geben. keiner hebt ab, kein tonband auf das man sprechen könnte, kein gar nix.

die nassen flecken auf dem plafond im klo fühlen sich prächtig bei dem feuchten wetter der letzten tage, sie wachsen und vermehren sich die wand hinunter, immer dem kaputten fallstrang entlang. da sind jetzt zusätzlich ein paar neckische risse in der mauer aufgetaucht, die sich ihrerseits auch sehr wohlfühlen und auf einer strengen trennung zwischen dem alten gemäuer und dem vor nicht einmal 25 jahren erneuerten fallstrang (hält ja nichts ewig, nicht wahr) bestehen, und eine räumliche distanz zwischen ebendiesem alten gemäuer und dem "neuen" verputz gewährleisten.

hach ja. mir wär ja sonst langweilig.

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Samstag, 14. August 2010
bekanntschaft aus ungarn - nachtrag
das alles war nun vor sehr, sehr langer zeit geschehen. da gab es den eisernen vorhang noch, und das internet noch nicht, kann man sich heute alles gar nicht mehr vorstellen.

manchmal, wenn man nicht vorsichtig genug ist mit sich selbst, da bekommen solche erlebnisse, die vor langem passiert sind, so eine art eigenleben, tief innerlich in einem selber.

natürlich kann man sich genau daran erinnern. denkt man zurück, oder - noch schlimmer - denkt man darüber nach, dann sind einzelne szenen so lebendig und präsent als wäre man gerade eben mittendrin.

gänseleber in madeira habe ich seither oft gegessen, in verschiedenen ländern. aber nie hatte sie diesen besonderen beigeschmack der erwartung, der angst, der hoffnung, den nachgeschmack der hoffnungslosigkeit. aber immer hatte gänseleber in madeira eine besonderheit für mich, die ich nie hätte beschreiben können, nicht gut, nicht schlecht: ganz besonders, eben.

auch in sopron war ich seither schon sehr oft. nie hat diese kleine stadt so ausgesehen wie an diesem einen tag, nie war die luft so spannungsgeladen, nie der himmel so, wie soll ich sagen: himmelfarben.

der bahnhof der kleinen stadt hat sich seither nicht wirklich verändert, das restaurant schon, aber ich könnte es heute noch aufzeichnen, besonders den abgestuften plafond mit den kleinen spots drinnen, von denen immer ein paar mehr abgeschaltet wurden als es später und später wurde, an diesem einen tag.

und wie lange eine minute sein kann, oder viele minuten, wie sie sich summieren und subsummieren und immer länger werden. das wünscht man auch niemanden, solche erfahrungen.

wie dem auch immer sein mag. aber dann versuchen sie doch einmal, mit jemandem über solche erfahrungen zu sprechen. niemand, aber auch gar niemand wird ihnen das gefühl vermitteln dass sie ernst genommen werden. unverständnis, bewunderung, erstaunen, ungläubigkeit, verarsche, ein spektrum an reaktionen, und irgendwann denken sie dann, wtf, zu was erzähl ich das. glaubt ja sowieso keiner, und die, die es glauben, die verstehen es nicht, aus den verschiedensten gründen, "du erzählst immer so tolle geschichten" ist noch das positivste was man zu hören bekommt.

ein paar wenige finden sich vielleicht, denen braucht man aber nichts erklären, die wissen das sowieso.

und irgendwann geraten deshab alle diese geschichten in vergessenheit, werden nur mehr als hirngespinste und wichtigtuerei oder was auch immer gesehen, und dann hört man auf darüber zu reden, obwohl man es ja sowieso schon nur sehr selten gewagt hat. dabei sind da noch so viele fragen und antworten offen, und dann liegt einem das alles wie ein wackerstein im magen. was ist eigentlich in dem anderen vorgegangen? was hat der sich gedacht, wie ging es dem dann anschliessend? was ist weiter geschehen? kann man aber nix tun, es ist wie es ist, und helfen kann einem ja eigentlich auch niemand. und dann hört man auf, allzu oft daran zu denken, um die eigene seele zu retten, es ist wie es ist, und die geschichte verschwindet irgendwo im ureigensten geistigen datennirvana. haben ja alle überlebt, man lebt auf keinem leuchtturm, und andere menschen haben auch probleme, manche sogar jede menge davon.

irgendwann läutet dann das telefon, am hellichten nachmittag, und man ist in gedanken aber auch schon sehr konzentriert in einer ganz anderen welt. also überlegt man, ob man - wenn am display eine völlig unbekannte lange nummer angezeigt wird - überhaupt abheben soll oder will. aus einem unerfindlichen grund und wider die gewohnheit hebt man dann aber ab. leicht unwillig, aber doch.

am anderen ende der leitung ist jemand, der einen genau befragt ob man denn frau kelef sei, was man guten gewissens bejahen kann, und dann sagt dieser jemand er würde jetzt verbinden, und man wundert sich, und dann hört man eine stimme die da sagt:

"hallo, frau kelef? hier ist k.. kannst du dich noch erinnern?"

und wie aus der pistole geschossen sagt man nach einem kurzen luftschnapper:

"natürlich. familienname. natürlich kann ich mich erinnern."

und dann sagt k.:

"ich bin in wien."

"in wien?"

"ja. ich habe doch gesagt, wenn ich nach wien komme, melde ich mich."

"du bist das erste mal in wien?"

"natürlich das erste mal. sonst hätte ich mich ja schon früher gemeldet."

ja nee, is klar. waren ja auch erst 17 (in worten: siebzehn) jahre vergangen seit wir uns das letzte mal gehört hatten. 18 (in worten: achtzehn) seit wir uns das letzte mal gesehen hatten. klar war k. das erste mal in wien. sonst hätte er sich doch schon früher gemeldet.

am vortag sei er angekommen, um ein paar tage hier zu arbeiten, höchst unvorhersehbar, meine festnetznummer habe er zwar (natürlich) immer noch, aber die sache mit der alten vorwahl, aus alten zeiten noch, nun ja. aber die adresse kannte er immer noch auswendig, im büro der firma für die er arbeitete hatten die dann im internetz die nummer des praktischen gefunden. (merke: wiener können auch freundlich, hilfsbereit und menschlich sein. ausnahmen bestätigen die regel.).

die telefonnummer war also gefunden, der kontakt hergestellt, die erinnerung war vorhanden, am abend wollten wir noch einmal telefonieren, haben uns anschliessend auch gleich getroffen und nun ja, alt sind wir geworden.

k.: und wie geht es dir so?

ich: alt bin ich geworden.

k.: ich doch auch. ich hab jetzt auch eine brille.

ich: ich bin schon so alt, ich hab jetzt schon wieder keine mehr.

k.: das hab ich auch bald geschafft.

flaxen geht also auch noch.

und so, wie es einem bei einigen ganz wenigen menschen im leben geht, sind das vertrauen und die vertrautheit immer noch da, ebenso wie das miteinander reden können, das miteinander lachen können, das miteinander trinken können bis in die puppen ohne betrunken zu sein.

am sopron-trauma kränkeln wir auch beide immer noch. nach rücksprache mit diversen sachkundigen personen haben wir die tatsache, dass der "ausflug" richtung grenze keine folgen für k. gehabt hat, als eine art welpenschutz bezeichnet. die ungarn, wie schon erwähnt, waren nicht unbedingte freunde des kommunismus und seiner folgeerscheinungen, und haben damals offensichtlich ein paar dinge nur mit äusserster verzögerung oder einfach in die "falsche" richtung weitergeleitet - weil sonst, aber oha. aber das hatten wir ja schon vor 17 jahren begackert, warum ist das alles noch so frisch und gegenwärtig? ist doch eigentlich nix passiert, damals, und uns ist auch nix passiert, in der folge.

trotzdem: zwei verlorene jahre für k.. was man damit hätte anfangen können.

was wirklich geschehen war? unspektakulär, eigentlich. auf der insel gearbeitet, kohle gemacht, gut gelebt, ein wenig herumgekommen, dann wieder nach deutschland: die zeiten ändern sich. nicht reich (aber das war ja auch nicht eigentlicher sinn und zweck der übung) aber mit viel mehr zurückgekommen als hingekommen, auch das ist ja aber schon ein erfolgsbericht, so gut wie alle anderen kommen mit schulden und zerbrochen an leib und seele wieder an.

die versprochene ansichtskarte, wurde berichtet, sei gekauft worden, und immer noch auf halde. kenn ich ja von wo.

wenn man aber so sitzt, und redet, und sich erinnert, da erinnert man sich an viele andere dinge die passiert sind eben auch.

mein neffe, meinte k., der glaubt ja viele geschichten gar nicht, oder sie interessieren ihn nicht. der hält das alles für übertreibung und wichtigtuerei.

das ist das alter, sag ich, das interesse kommt dann später. war bei meiner tochter auch so, da braucht man geduld.

aber wer soll das dann erzählen?

eben. darum sag ich ja immer schon, man muss das aufschreiben, sonst geht es verloren.



die geschichte von der bekanntschaft aus ungarn wollte ich ja schon sehr lange aufschreiben, aber irgendwie hab ich immer so einen bammel wenn ich nicht wirklich autorisiert werde sowas zu tun, und dann hatte die geschichte ja auch kein anständiges ende.

sowas sind ja nicht nur meine geschichten, sondern die geschichten vieler anderer menschen ebenso, also muss da schon ein wenig nachgedacht werden.

diese eine geschichte aber, die durfte ich aufschreiben, ich habe gefragt und die erlaubnis bekommen, ganz ausdrücklich. und beim reden sind so ein paar andere erinnerungen auch wieder aus dem geistigen datenfundus aufgetaucht, und weil die ja auch keiner mehr glaubt ausser denen, die sie selber erlebt haben und also für normal und gar nicht berichtenswert halten, da werde ich ein paar von diesen geschichten eben auch aufschreiben. demnächst in diesem theater. nicht deswegen, weil sie aussergewöhnlich oder dramatisch oder gefährlich oder blutrünstig sind, sondern weil es ganz normale geschichten aus dem alltag sind - die auch keiner glaubt, im moment. wenn aber noch einmal ein vierteljahrhundert vergeht, dann wird keiner mehr da sein der sich daran erinnert.

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