Mittwoch, 28. Juli 2010
bekanntschaft aus ungarn II
da schon gerügt wurde, nochmal zurück im text und denken sie sich diese zeilen vor der abreise von k. und seinem freund nach budapest: frau kelefs tochter hatte zusätzlich zum eitrigen zahn der freundin eine feine mittelohrentzündung, und frau kelef hatte antibiotika, es ging also alles - wenn auch unter schmerzen - irgendwie halbwegs gut.

und ja, die wäsche wurde im auto aufgehängt. es regnete nämlich, und anders wären frau kelef und die jungen damen nie irgendwann in trockene klamotten gelangt, geschweige denn hätten sie trockene leintücher oder decken gehabt. natürlich wäre es auch möglich gewesen, die drei nassen hunde über nacht im auto einzusperren und die kleidung im kofferraum zu lagern, aber das risiko erschien dann doch zu hoch, weiss man was den tölen einfällt, und die sache mit den nassen badeklamotten und handtüchern hätte das auch nicht gelöst. ordentliche kleidung wird zwar sowieso überbewertet, trockene und saubere leintücher und decken auf einem campingurlaub erst recht. aber trotzdem - haben sie schon einmal wäsche im auto zum trocknen aufgehängt? wollen sie auch nicht.

besondere erwähnung muss zudem die tatsache finden, dass frau kelef ja bekennender kaffeejunkie ist. und mit ohne kaffee intus frühmorgens nicht auf notstrom, sondern quasi bewusstlos, jedenflalls aber unter garantie unansprechbar ist.

in selbstloser, liebevoll-fürsorglicher aufmerksamkeit kochte also die liebreizende tochter frühmorgens - so gegen zehn uhr - auf dem kleinen campingkocher türkischen kaffee, und man kann mit fug und recht behaupten: das kann sie hervorragend, campingtrauma her oder hin, erste qualität.

wenig klingt so lieblich in frau kelefs ohren wie ein "kaffee ist fertig", und wenn sie dann noch gleichzeitig ein volles häferl (in deutschland: eine grosse tasse) voll davon unter die nase gehalten bekommt, dann ist der tag gerettet.

aber auch wenn frau kelef und k. - mit rücksicht auf die allgemeine sittlichkeit, die jungen damen, eventuelle beobachter, und überhaupt - sich sehr leise und unauffällig verhalten hatten, so sei hier weiters schriftlich festgehalten, dass das liebreizende töchterlein am morgen nach der ersten asylnacht "kaffee ist fertig" sprach, und ohne weitere bemerkung ZWEI volle häferln kredenzte, dieses ausserordentlich liebreiche, selbstlose, aufopfernde, grosszügige und freundliche kind.

dass sie dann mit einer sehr eigenartigen betonung leise "mama" und laut "guten morgen" sagte, ist eine andere geschichte.

frau kelef hatte den asylanten natürlich über seine vorstellungen hinsichtlich der zukunft genauer befragt, und er hatte erzählt dass er verwandtschaft "drüben" habe, denen gehe es auch gut und so wäre er sehr zuversichtlich bezüglich erster westlicher hilfestellungen, und eben: arbeit, wohnung, der rest findet sich. er habe sich das so im allgemeinen ziemlich ganz genau überlegt, das werde schon. auch die elterliche erziehung war entsprechend gewesen, und letztlich habe er sich schon mit 16 vorgestellt mit den worten: "ich bin k., und ich hau sowieso ab." na denne. und ausserdem: er wolle nach mallorca. einfach sehen. hörte man ja so viel von. schien irgend so ein kindheitstrauma zu sein, was weiss man. hat ja jeder seinen eigenen sepperl im hirn.

jedenfalls, die beiden fuhren dann wirklich nach budapest, aber da waren wir ja schon in kapitel eins.

am benachbarten zeltplatz hatte sich derweilen einer der tätowierten einen ziemlich tiefen cut am oberschenkel zugezogen, und die freundin der tochter erinnerte sich an die medizinischen kenntnisse von frau kelef, und so kam es dazu, dass letztere in einem der kurzen sonnenmomente nicht vielleicht am strand war, sondern einen ziemlich haarigen männerschenkel von vertrocknetem blut befreite, rasierte, und die klaffende, aber nicht allzu tiefe wunde sorgsam mit pflasterspray zusammenklebte. man hat ja sonst nix zu tun im urlaub. die herrschaften waren sehr dankbar, und man soff eine runde und gut.

als das wetter wieder besser wurde, war auch der urlaub von frau kelef zu ende, und so wurden die tipis abgeschlagen, das nasse zeug in den kofferraum gepfeffert (wissen sie, welches odeur drei nasse hunde in tipis, kleidung und wäsche hinterlassen? wollen sie auch nicht.), und es ging zurück nach wien.

spät abends kam man an, die freundin der tochter wurde mitsamt dem nassen zeug und zugehörigem hund zuhause abgeliefert, frau kelef bestückte die wohnung mit nassen zelten, nassen kleidungsstücken, nasser wäsche, wahlweise frisch gewaschen oder matschig und nach nassem hund riechend, goss sich ein bierchen in die figur und begab sich in einen todesähnlichen schlaf.

frühmorgens läutete das telefon, eine frau kelef völlig unbekannte stimme wünschte irgendwas, frau kelef wünschte auch was, vor allem den anrufer zum teufel, jedoch es stellte sich heraus, dass die freundin der tochter gefallen an den tätowierten altrockern gefunden und diese eingeladen hatte. nach wien. zum frühstück. und weil ihre mutter ihr den kopf abgerissen hätte - das waren immerhin acht personen - da hatte sie denen einfach frau kelefs telefonnummer gegeben. und - um den kopf auf den schultern zu behalten - dieses kleine geheimnis auch frau kelef gegenüber für sich behalten.

frau kelef also auf allen vieren aus dem bett gekrochen, kaffee gekocht, semmeln besorgt, das nasse zeug irgendwie zur seite geschaufelt, unmengen der aus ungarn mitgebrachten lebensmittel aufgetischt (sie wollen auch nicht wissen, wieviel acht hungrige menschen essen können), bier besorgt (was die trinken konnten wollen sie auch nicht wissen) und zu gott gebetet, dass der spuk bald vorbei sein möge.

die tochter in der zwischenzeit hatte die freundin angerufen, und diese kam - den kopf vorsichtig zwischen die schultern gezogen um ihn daselbst behalten zu können - frisch geschminkt und aufgeputzt und leutselig gelaunt herbeigehüpft um sich ein wenig in konversation zu üben. braucht man ja manchmal. tini - die zeltschnurspezialistin - frass in der zwischenzeit in paar möbel und sonstige einrichtungsgegenstände an, aber das ging an frau kelef irgendwie vorbei, sie hatte aus ungarn barack mitgebracht, und den braucht man ja manchmal auch.

irgendwie waren die herrschaften dann müde, drapierten sich über die möbel und ruhten mal eine runde, während frau kelef einen tiefen schluck aus der pulle nahm und immer inniger werdende stossgebete zum himmel schickte. am nächsten tag sollte sie ja wieder arbeiten gehen, hurra hurra hurra. gegen nachmittag waren die herrschaften wieder bei bewusstsein und wählten die kühle des abends und der nacht für ihre heimreise, gott segne sie. frau kelef sorgte noch dafür, dass ihre telefonnummer gegen die der freundin der tochter getauscht wurde, für weitere kontakte, und beschäftigte sich weiter mit dem chaos im haushalt.

der zustand, in dem frau kelef am montagmorgen nach drei wochen urlaub wieder im büro aufschlug, war nicht der einer erholten mutter, um das einmal vorsichtig zu umschreiben.

aber das alles nur am rande, denn eigentlich sollte hier ja ganz was anderes erzählt werden. dazu brauchen wir aber dann das nächste kapitel.

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Donnerstag, 22. Juli 2010
bekanntschaft aus ungarn I
sie erinnern sich doch noch an den sitzstreik in budapest? natürlich fuhr frau kelef ein jahr später, 1987, wieder auf urlaub. nach ungarn. nach siofok. und was soll ich ihnen sagen: wir kamen mit allen papieren wieder zurück. was allerdings der tatsache geschuldet sein mag dass die zusammensetzung der reisegesellschaft diesmal eine andere war.

frau kelef, der alte lada, die tochter, die rauhaardackel elsa (frau kelefs hund) und anton (tochter-hund), und eine andere freundin der tochter mitsamt dem schäfermischling tini. frau kelef quartierte die kinder mit den zugehörigen hunden im grossen zelt ein, schlug für sich selbst das kleine zelt auf und atmete einmal tief durch.

wäre ein toller urlaub gewesen, wenn sich da nicht ein paar klitzekleine unbekömmlichkeiten dazugemengt hätten.

1.) es regnete. täglich. zwischendurch war es wohl einmal sonnig, aber im wesentlichen regnete es. sie wollen wissen wie ein campingplatz unmittelbar an einem see bei dauerregen aussieht, und wie dessen bodenbeschaffenheit ... wollen sie nicht. glauben sie mir.

2.) die freundin begann gerade zu pubertieren. auf der anderen seite der schlammsuhle, die man bei trockenem wetter wohl weg genannt hätte, standen ein paar zelte mit mehr oder weniger jungen deutschen. motorradfahrern. sehr tätowierten. die freundin der tochter legte die ohren an, blähte die nüstern und kramte heimlich nach lippenstift. frau kelef kettete passenden hund an das jeweilige kind, damit einmal nix sein konnte, und machte enge nasenlöcher. waren aber sehr nette leute, kamen sich vorstellen und meinten, ich solle mir keine sorgen machen, sie seien nur "aus der zeit damals übriggeblieben" und hätten selber kinder zuhause und auch die ehefrauen mit, sie würden schon aufpassen auf die gören. taten sie auch hervorragend.

3.) die dackel hielten campingplätze sowieso für das nahrungsreichste gebiet der welt, und führten tini in das unternehmen "bauchvollschlagen ohne gesehen zu werden" auf das vortrefflichste ein. kaum abgeleint, waren die tölen verschwunden.
anton kam auf seiner spur im zickzack irgendwann wieder, elsa pflegte die windrichtung zu peilen und die diretissima zu nehmen. tini verlief sich anfangs und verhedderte sich in zeltschüren. auf die war sie nach drei tagen so zornig (was standen da auch die tipis im weg herum), dass sie den restlichen urlaub damit verbrachte, wann immer sie konnte die eine entscheidende schnur von zelten, vorzelten, hauszelten etc. durchzubeissen. man konnte sie dann sehr leicht wiederfinden: immer dem lauten geschrei nach unter einem zusammengekrachten zelt.

4.) natürlich war alles nass und matschig, zelte, wäsche, kinder, hunde, alles miefte zeitweilig ein wenig und musste wieder und wieder gewaschen werden, und kaum war alles wieder trocken: regen. aber man ist ja hart im nehmen.

5.) musste der freundin der tochter ein eitriger zahn gezogen werden. hier und jetzt und auf der stelle, die mutter war nämlich auch auf urlaub, aber ganz woanders, und konnte noch nicht einmal gefragt werden, und warten war sowieso nicht - das röntgenbild war aber so gar nicht toll.

6.) ging es aus verschiedenen gründen frau kelef gesundheitlich/psychisch auch nicht so sonderlich gut, aber das ist eine andere geschichte.

gar trefflich war es also, dass auf dem campingplatz ein umgebauter autobus herumstand der zur imbissbude umfunktioniert worden war. da gab es jede menge sandwiches, hamburger etc., alles in ziemlich ungarischer ausführung, und sehr gut. ausserdem gab es kaffee, limonaden, eis, und BIER und WEIN und SCHNAPS. letzteres war - sie verstehen - unter den gegebenen umständen besonders wichtig.

frau kelef also liess das jeweilige kind leinentechnisch mit dem zugehörigen hund verbunden frühmorgens frei, und vereinbarte fixe meldezeiten. dann nahm frau kelef die dame elsa und ging ein wenig spazieren, matschtreten und so, und dann begann es meist zu regnen und frau kelef musste sich zu ihrem grössten bedauern beim imbissbus in sicherheit bringen.

und dort, bei irgendeinem der wenigen bierchen, kam frau kelef öfters so ins tratschen, wie das halt zu geschehen pflegt. viele der camper waren aus der schönen ddr, und ergo eher vorsichtig wegen westkontakt und stasi im hintergrund, und überhaupt aus gewohnheit und sicherheitshalber.

zwei junge männer aber pfiffen sich da wieder weniger darum, und man unterhielt sich so über das wetter und ungarn im allgemeinen und siofok im konkreten, und dann meinte der eine, sie kämen "aber aus dem osten". frau kelef hatte das an der sprache schon erkannt, das "aber" war nicht wirklich einzuordnen, sie meinte also "ja, und?" und das wars dann eigentlich.

irgendwie kam dann die rede darauf dass das zelt der beiden eher wasserdurchlässig war, und da frau kelef ja ein eigenes, wenn auch nur für zwei-personen, tipi hatte, das zudem auch noch relativ dicht war, wassertechnisch, da bot sie einen platz im trockenen an.

der wurde von k., dem "nicht-aber" auch dankbar angenommen, und so tratschte man in der finsternus der nacht noch ein wenig herum, und es stellte sich heraus, dass k. das schöne eisenhüttenstadt kannte, und überhaupt, und nebstbei war ihm der arbeiter- und bauernstaat jetzt nicht sooo ans herz gewachsen dass er ihn nicht gerne verlassen hätte.

der dackel elsa geruhte zwischen den beiden zu ruhen, das gute tier, und frau kelef dachte ein wenig nach.

nun ja.

man tratschte auch am nächsten tag noch ein wenig, und k. meinte dann schon deutlicher er würde, kwasi, seine seele verkaufen für irgendwie raus dort. konnte man ja verstehen. eigentlich hatte er bloss hummeln im hintern und wollte ein wenig herumreisen und sich die welt anschauen können und nicht vorgeschrieben kriegen was er denken durfte oder nicht.

"ich will bloss rüber. dann such ich mir irgendeine arbeit, egal was, und dann eine wohnung, der rest geht schon irgendwie. arbeiten kann ich, das muss ich sowieso hier und dort. ich will bloss rüber."

sie erkennen die reihenfolge? erst arbeit, dann wohnung, dann den rest. wenn man, wie frau kelef, eine menge leute kennt die aus verschiedenen gründen verschiedene länder verlassen haben, dann hört man den unterschied, besonders wenn das so vehement wiederholt wurde wie damals.

jedenfalls, k. und sein freund fuhren nach ein paar tagen weiter nach budapest., k. und frau kelef tauschten adressen und versprachen in kontakt zu bleiben.

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Samstag, 31. Dezember 2005
ananas in dosen


es ist schon sehr, sehr lange her, da begab es sich, dass frau kelef eine dame kennenlernte, die in der damaligen ddr eine hohe stellung im kulturministerium innehatte.

die dame war eine wirkliche dame, eine überzeugte kommunistin (sonst hätte sie diese position ja mit sicherheit nicht erreichen können), und eine ausserordentlich gebildete, zutiefst menschliche person.

so im gespräch über hier und dort und anderswo sagte sie:

"wissen sie, mit vielen dingen ist es wie bei uns mit ananas in dosen.

ihr im westen, wenn ihr ananas in dosen wollt, geht in ein geschäft und kauft welche. da gibt es grosse dosen und kleine, gläser, ananas in ringen oder in stücken, und so viel davon wie ihr wollt. dann esst ihr die wann es euch gefällt, im kompott, oder so zwischendurch, das ist für euch so normal wie kartoffeln oder brot.

bei uns im osten aber, wenn gemunkelt wird dass es ananas in dosen gibt, da werden vorbereitungen getroffen, das geschäft wird herausgefunden, dann stellt sich ein vertrauenswürdiges familienmitglied stundenlang an, und wenn man dann glück hat, bekommt man vielleicht eine einzige dose ananas. die wird dann stolz nach hause getragen, und zu einem besonderen anlass wird die dose feierlich geöffnet, der inhalt unter allen anwesenden gerecht verteilt, und dann wird andächtig gegessen.

und sie können sich gar nicht vorstellen, um wie viel besser uns deshalb ananas in dosen schmecken als ihnen."



die steine, in denen die kerzen da auf dem bild stecken, kommen aus einer behindertenwerkstatt, in der der bruder einer freundlin von mir arbeitet. er hat eine schwere chromosomenaberration, das bearbeiten der specksteine - die ganz glatt und weich in der hand liegen - ist eine grosse herausforderung für ihn, und ich habe grosse freude wenn mir seine schwester einen davon schenkt.



wir sollten viel dankbarer sein für das, was wir haben. auch wenn es nicht viel ist - andere haben um so viel weniger.

in diesem sinne wünsche ich allen einen guten und zufriedenen beginn des neuen jahres.

und essen sie nicht so oft ananas in dosen, sonst schmecken die nicht mehr.

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Donnerstag, 22. Dezember 2005
übersiedlungen
sind ja so eine sache, frau syberia leidet gerade schwer darunter: http://www.hackblog.de/2005/12/21/ich-krieg-die-krise.

wer schon mal übersiedelt ist, kann ein lied davon singen, wer mehrmals übersiedelt ist, ganze opern.

frau kelef ist ja auch schon mehrfach übergesiedelt, so im laufe des lebens, und hat eine gewisse übung darin. das hat sich auch immer sehr bewährt, sie braucht relativ wenig übersiedlungskartons, und im allgemeinen hält sich auch das entstehende chaos in leicht überschaubaren grenzen.

aber der zustand von frau syberias badezimmerschrank rief eine der übersiedlungen der besonderen art wieder in bunten farben ins gedächtnis zurück.

vor vielen vielen jahren, als frau kelef noch jung und schön, die welt in ordnung und überhaupt alles viel besser war, ja, da begab es sich dass die agentur, bei der frau kelef arbeitete, aufgrund neuer steuerlicher zusatzabgaben, die dem staate gefielen, wie so viele andere agenturen des landes auch in finanzielle nöte geriet. frau kelef also meinte "scheffes, da is nix mehr zu retten, setzt mich an die frische luft", und also geschah es.

frau kelef suchte daher einen neuen job, und liebäugelte mit einemsolchen in der verwaltung eines österreichischen grossunternehmens in weissrussland. prompt bot ihr ebendieses unternehmen einen job in der - damals noch existierenden - ddr an. war ja fast das gleiche.

leider schaffte es das grossunternehmen nicht, die notwendige arbeitserlaubnis rechtzeitig (normaldauer damals 2 bis 3 monate) zu beschaffen, und so besorgte sich frau kelef binnen 24 stunden (normaldauer damals 6 monate) ein besuchervisum für die einreise in dieses schöne land. und nein, ich erzähl ihnen hier nicht wie das ging, man weiss ja nicht, ...

mit einpacken war nicht viel, also holterdipolter das wichtigste in den lada (anm.: das ist ein auto) gepackt und los. natürlich ist die kürzeste strecke von wien nach frankfurt/oder (quer durch die damalige tschechoslowakei) nicht die, die man fahren durfte. wir mussten über suben, dann quer durch west, dann bei hof über die grenze, dann transit durch ost, richtung berlin, berliner ring, und dann noch das kleine stückchen nach frankfurt, und dann richtung eisenhüttenstadt. war nur ein umweg von ein paar hundert kilometern.

jedenfalls, also hin mit dem lada. dieser war ja nun für derartige gewaltstrecken (kind blieb in wien, daher waren so oft wie möglich die jeweils über 1.000 km für ein verlängertes wochenende herunterzuspulen) nicht das geeignetste gefährt. also kauften wir in berlin einen mercedes 280 se, 1.650 kg totgewicht, ein schlachtschiff mit ungeheuer viel stauraum. der plan war: wir teilen uns die autos, wer nach österreich fährt nimmt den mercedes, lada bleibt in ost.

der mercedes bekam ein zollkennzeichen, damit hielten sich auch steuern etc. im rahmen.

das tanken war schwierig bei den ersten malen an der kleinen tankstelle in eisenhüttenstadt, der tankwart suchte verzweifelt wohin das benzin liefe - der wagen hatte einen zweiten tank, 160 liter in einem einzigen pkw erzeugten eine panikattacke bei dem armen mann. aber ich schweife ab.

also hin mit lada, und dann nach zwei wochen zurück mit mercedes, zum übersiedeln.

wie das so ist, gab es natürlich nicht nur viel mitzunehmen, sondern auch viel mitzubringen. war ja kein problem mit dem riesenauto, in dem nur zwei personen sassen.

da es im camp auch west-tv gab, war auch eine genehmigung zur mitnahme des kleinen tv-gerätes und der stereoanlage beantragt und erteilt worden, ebenso für frau kelefs nähmaschine. diese genehmigungen wurden fein säuberlich ausgestellt, mit seriennummer, alter, rechnungskopie, etc., wie es sich gehörte damals.

alles eingepackt, resp. voraussehend mehr oder weniger lose in den kofferraum gestellt. dazu gesellten sich schallplatten, kassetten, paar dekorationsdinge, bilder, bücher, schuhe, kleider, wäsche, und was man sonst noch so braucht.

auch einen ausflug auf den naschmarkt machten wir noch, zwecks mitbringung von bestelltem käse, leberkäse, zu füllenden eingelegten weinblättern, selchwürsten, speck, obst und gemüse, in mehrere bananenkartons verpackt, olivenöl, rotweinessig, und was sich sonst noch so fand in der geschwindigkeit. schnaps, fischkonserven. oh, und ein paar flaschen wein. was auch immer der arbeiter- und bauernstaat als gumpoldskirchner verkaufte, war definitiv keiner.

der mercedes war eigentlich ziemlich vollgeräumt, als wir losfuhren. entlang der donau richtung suben, dort mal die ganzen papiere bewundert (für die nähmschine eine einfuhrgenehmigung???) einmal von den österreichischen, dann von den deutschen zöllnern, quer durch das schöne deutschland richtung hof. mit so einem mercedes fährt man ja bequem, und so stiegen wir auch ordentlich abwechselnd aufs gas, weil, wer kontrolliert schon einen mercedes mit ddr-kennzeichen.

an der grenze angekommen, stellten wir uns einmal brav in der reihe an. auf dem lkw-parkplatz, denn pkw war nur bis 1.000 kilo. das war nicht gut.

dass wir uns bei einreise anstellten, auch nicht.

wir warteten die üblichen drei oder vier stunden, bis wir an der reihe waren. kann sich jemand noch erinnern, wie die grenzstellen aussahen? in hof gab es jedenfalls mitten in der pampas, sozusagen, tische, auf denen die zu kontrollierenden dinge aufzubauen waren (also alles).

an diesem tag müssen sie jemand gesucht haben, oder zwickten den obermufti die hämorrhoiden, oder hatte er zoff mit seiner frau, ich weiss es nicht.

was ich genau weiss, und nie vergessen werde, ist:

er öffnete den riesigen kofferraum, blickte hinein, sah den fernseher, und sagte: "damit komm' sie bei mir nicht rein." wir wiesen ihm die visa vor, die einfuhrgenehmigungen des binnenzollamts frankfurt/oder, die arbeitsgenehmigungen, sogar die genehmigung, etwaige organstrafen in ostmark bezahlen zu dürfen, er sagte: "nee."

wir baten, wir flehten, dann entdeckte er mein besuchsvisum, irgendwie stellte er fest, dass es kein erst-nach-sechs-monaten-warten-erhaltenes war. und dann war es aus.

herr obermufti rief drei untermuftis, und mit vereinten kräften kontrollierten sie den wageninhalt. zu diesem behufe räumten sie den wagen aus, und alles auf die tische unter den milde leuchtenden bogenlampen (in der zwischenzeit war es finstere nacht geworden). und es ward auch finster in unseren herzen.

die vier muftis kontrollierten alles. dazu öffneten sie alles: die zahnpastatuben, die olivenölflaschen, die deckel der geräte, jede schallplatte, jede kassette. die schachtel mit den stecknadeln wurde ausgeleert, ebenso die mit den tampons, das glas mit den eingelegten weinblättern sabberte über den leberkäse, frau kelefs unterhosen schlangen sich mit den socken tröstend um die selchwürste, während paradeiser und paprikas in den büstenhaltern unterschlupf suchten. die schuhe wurden mit hautcreme imprägniert, und die seidenbluse erhielt ein hübsches ketchup-dekor, während der fernsehapparat sich am echten gumpoldskirchner gütlich tat.

dann wurden - wie nicht anders zu erwarten - die sitze ausgebaut, und das benzin abgelassen. der ölmessstab liess traurig einen tropfen nach dem anderen auf die stoffbezüge der autositze fallen.

punkt mitternacht stellte der obermufti fest, er hätte nichts gefunden, wir dürften jetzt wieder alles einpacken. mit zitternden händen leerten wir das benzin in den tank, verbrachten den ölmessstab an seinen angestammten platz zurück, bauten die sitze ein, und knallten dann alles was uns in die finger kam in welcher reihenfolge auch immer in die karre.

einreisen durften wir aber nicht. der obermufti beauftragte uns, transti nach berlin zu fahren und dort über drewitz einzureisen.

zu diesem zeitpunkt waren wir schon an die 24 stunden utnerwegs, und sollten eigentlich ein paar stunden später in eisenhüttenstadt mit der arbeit beginnen.

handys gab es ja noch keine, also begaben wir uns auf die transit-autobahn, fuhren bei der nächsten raststelle (restaurant geschlossen, natürlich) ab und parkten den wagen und kippten die liegesitze zurück und pennten eine runde, in dem ganzen durcheinander aus wäsche und lebensmiteln und geräten und so.

mehrfach während des albtraumhaften dösens hatte frau kelef den eindruck, jemand beobachte sie dräuend. sie tat dies als paranoid-schizoide folgeerscheinung der vorangegangenen ereignisse ab.

es war april. die sonne schien und die vögel sangen, als wir aufwachten. neben uns stand ein wagen der vo-po, und zwei volkspolizisten beobachteten uns. einer schrieb in ein buch.

wir taten, als ginge uns das alles nichts an, und betraten das in der zwischenzeit geöffnete restaurant. dort reichte man uns eine riesenspeisekarte, aber ausser kaffee, tee, brötchen und soljanka gab es nichts. wir riefen an anserer arbeitsstelle an und meldeten uns auf unbestimmte zeit scheintot. die v-pos frühstückten ebenfalls, beide schrieben in bücher.

frau kelel warf im waschraum einen blick in den spiegel, der daraufhin klirrend zu boden fiel. etwas kaltes wasser im gesicht - der kamm war irgendwo abhanden gekommen - änderte den zustand nicht wesentlich.

im vorraum des restaurants, beim verlassen ebendesselben, hörte ich plötzlich "dich trifft man aber auch überall". ein kollege aus dem konservatorium, in der zwischenzeit mitglied der "ersten allgemeinen verunsicherung", mit der gesamten band auf dem weg zu einem gig in berlin. alle grüssten, und fragten, und konnten es nicht glauben. die leute, denen mein ex-kollege die geschichte dann erzählt hat, auch nicht. und die vo-pos hörten nicht auf zu schreiben.

wir fuhren dann transit richtung drewitz. das vo-po-auto mit den beiden polizisten immer dicht vor, hinter, neben uns. der, der nicht lenkte, schrieb.

in drewitz angekommen wurden wir aufgefordert, das auto auszuräumen. nach der kontrolle (so penibel wie in hof) durften wir wieder einräumen. die dortigen grenzpolizisten hatten überhaupt kein problem mit den elektrischen geräten, den lebensmitteln, oder sonstwas. nur mit dem auto. wenn frau kelef mit dem lada eingereist sei, müsste sie mit dem lada wieder ausreisen und dann mit dem lada wieder einreisen.

zur bewerkstellung dieses vorhabens riefen wir also in eisenhüttenstadt an, jemand möge mit dem lada nach berlin, drewitz, kommen.

nach ein paar stunden war es soweit (merke: 100 km auf der autobahn, wendestellen auf der autobahn, 30-km-beschränkungen auf der autobahn): frau kelef wurde gestattet, im niemandsland von transit nach transit zu schreiten, wo der den lada gebracht habende im niemandsland verweilte. dann reiste frau kelef mit dem lada aus dem arbeiter- und bauernstaat aus.

dann wurde alles, aber auch schon alles, aus dem mercedes in den lada gepackt. das geht nicht? frau kelef hat übung.

der autobringer durfte per pedes aus niemandsland nach ost, und dort in den mercedes steigen. der fahrer desselben hatte in der zwischenzeit einreisen dürfen.

dann musste frau kelef nach westberlin einreisen, die stadt durchqueren, und über charlie wieder in die ddr einreisen. und weil sie sich ja ein paar stunden im bösen westen befunden hatte, wurde in charlie wieder kontrolliert.

dass bei den meisten umpackübungen mindestens einer mitgeschrieben hat, ist verständlich.

in eisenhüttenstadt angekommen konnte die hälfte der übersiedelten kleidung und lebensmittel entsorgt werden. der fernseher wurde trockengelegt, die richtigen deckel auf die geräte geschraubt, die hautcreme von den schuhen gekratzt, und was sonst noch so anfiel.

die show hat über 48 stunden gedauert. unsere spitzenzeit haus-haus lag später bei 9,5 stunden.

bis heute werden vermisst: zwei flaschen gumpoldskirchner, ein paar kilo obst und gemüse, einige paar würstl, und ein grosses stück vom speck (wer auch immer den angeschnitten hat), ein neues paar sportschuhe und ein paar weitere kleinigkeiten, die frau kelef sicherheitshalber vergessen hat.

erzählen sie mir nichts vom übersiedeln. danke.

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Montag, 21. November 2005
bautzener senf
hat frau kelef auch kennengelernt in der guten alten ddr.

damals wie heute bezeichnet sie ihn gerne auch als volksdemokratischen einheitssenf. was keinerlei abwertung bedeutet, ganz im gegenteil.

hochwissenschaftlichen recherchen zufolge verhielt es sich mit diesem hervorragenden produkt so, dass es eigentlich ein exportschlager war. man erhielt ihn in unveränderter qualität ebenso in ungarn, polen und teilen russlands.

und man konnte damit eigentlich alles machen. man konnte diesen senf als basis für saucen verwenden, zum binden von saucen, zum würzen verschiedenster gerichte, ...

vor allem aber konnte man ihn - wie verschiedene seinerzeit angestellte versuche zeigten - als basis für eigene senfmischungen verwenden.

mit den entsprechenden zusätzen verrührt ergaben sich geschmacksrichtungen wie kräuter-, pfeffer-, zwiebel-, feigen-, etc. senf. immer sehr lecker. das funktionierte deshalb, weil der bautzener senf nicht mit so vielen zusätzlichen aromen und zusätzen vermischt war, und, da er hauptsächlich im kübelchen auf den tisch kam, auch nicht so dünnflüssig war wie die westlichen produkte.

aufgrund der chemischen zusammensetzung ergaben sich aber noch weitere, ungeahnte verwendungsmöglichkeiten:

humanmedizinisch: vom chirurgen, der den platz des hausarztes im camp innehatte, lernte ich, dass bei halsentzündungen (auch eitrigen) der bautzener senf innerhalb von ca. 30 min. ab genuss die schmerzen linderte, die entzündung hemmte, adstringierend und zudem auch noch bakterizid wirkte. bei zahnfleischentzündungen: in warmem wasser verrühren, spülen. wurde weiters empfohlen für senfwickel, bei hautreizungen, hautentzündungen, akne (brannte jeden pickel weg), furunkulose (als senfpflaster), etc.

veterinärmedizinisch: innerlich zur entwurmung von hunden und katzen, äusserlich bei entzündungen aller arten auch bei grösseren und nutztieren wie schweinen und kühen (keine wartezeit bei schlachtung, keine verseuchung mit antibiotika), nach kleinen operationen, besonders wenn die tiere dazu neigten die wunden abzuschlecken. garantiert keine schleckphlegmone dank bautzener senf!

chemisch: der senf liess sich auch sehr gut als einbrennlackierung verwenden: die flecken gingen aus manchen stoffen nur mit der fleckenschere raus, aus nichtimpprägniertem holz nur mit der säge.

weiters konnte der senf auch als klebstoff verwendet werden (kurze trocknungszeit) oder zum markieren (verband sich untrennbar mit dem untergrund).

politisch: in den verträgen war festgelegt, dass österreich auch einige fachkräfte aus der ddr einschulen sollte. diese wiederum durften auf das exterritoriale gebiet des camps nur wenn sie sich als politisch zuverlässig erwiesen. das hiess damals unter diesen umständen, dass sabotiert werden musste, zur dokumentation der tatsache dass der westen auch nicht alles kann. auch hier spielte natürlich der bautzener senf seine rolle: ein löffelchen davon "versehentlich" in einen gerade abgeschalteten und daher noch warmen elektromotor geklatscht und das gerät war bis auf weiteres tot. haben die mehrfach versucht, hat immer funktioniert.

sag nur ja keiner was gegen den bautzener senf. die welt bräuchte viel mehr von diesen universalmitteln.

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Sonntag, 6. November 2005
es muss nicht immer katze(haar) sein
damit ich nicht vergess' ihnen zu erzählen, und weil es mir anlässlich dieses mysteriums http://clignot.antville.org/stories/1253233 gerade einfällt:

so anfang der 80er jahre hat frau kelef ja mal in der ddr gearbeitet, von einer ösi-firma aus.

da durfte sie dann oft abrechnungen machen, lagerstände überprüfen, kassastände in ein paar währungen, und so sachen.

einmal, frau kelef zählt wieder die lagerstände zusammen, und damit auch die richtige summe herauskommt werden die zwischensummen zum addieren in so eine kleine elektrische sharp-tischrechenmaschine, mit elektronischem display, eingegeben.

plötzlich fängt das display so sachen zu machen an, blinkt, rechnet alleine, zeigt neue zahlen an die nur die maschine kennt.

spannungsschwankungen waren ja nichts ungewöhnliches in den volksdemokratien, kein problem, maschine ausschalten, stecker raus, auf batteriebetrieb umgestellt.

zahlen neu reingetippt. maschine macht ganz alleine rechnungen, addiert, subtrahiert, dividiert.

nach ein paar monaten in dem land hatte frau kelef ja schon leichte paranoia, daher wurde die rechenmaschine vorsichtig in ein plastiksackerl westlicher provenienz gepackt und fest verschlossen dem zuständigen elektriker übergeben.

neugierig, wie frau kelef immer schon war, kuckte sie beim öffnen der maschine dem eletriker natürlich über die schulter. der also schraubt die maschine auf, dreht sie mit dem boden nach oben, nimmt die bodenplatte ab, und

zierlich-manierlich, auf den kontakten der maschine lieblich balancierend, mit interessiert zitternden fühlern, blickte uns an:

ein kakerlak.

das tier wurde mit brachialgewalt des gerätes verwiesen, die maschine funktioniert heute noch und steht im büro auf meinem schreibtisch.

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Freitag, 26. August 2005
sprachgebrauch
frau isabo schreibt ein hamburger wörterbuch, und dazu fällt mir gerade ein, dass ich seinerzeit vor langer zeit auf einer baustelle in der guten alten ddr in der verwaltung tätig war.

da gab es auch mannigfaltige verständigungsprobleme, im "camp" waren bis zu 2.900 leute aus 19 nationen.

für limonade z.b. zählte ich 29 gängige ausdrücke, mal sehen, ob ich die noch zusammenbringe (ich schreib mal, wie es gesprochen wurde):

1. gsifllert
2. gsifflat
3. gschloda
4. gschprudla
5. gsiffat
6. gsieff
7. giftlert
8. limonade
9. limo
10. limona
11. lem
12. lemon
13. lemoneed
14. oro
15. orausch
17. orentsch
18. orantsch
19. orantscha
20. saft
21. soma
22. saftl
23. schprudel
24. schprudli
25. sok
26. safti
27. saftlert

na ja, zwei hab ich offensichtlich verloren. ab einem gewissen alter setzt eben der alzberger ein.

ich hatte mir das ja alles aufgeschrieben, und viele andere dinge auch, in so ein ddr-schulheft, aber das ham mir die am checkpoint charlie weggenommen. wegen spionage, wahrscheinlich.

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