Samstag, 9. Dezember 2006
verfall der sprach- esskultur nicht mehr aufzuhalten
obatzda (mit betonung auf dem o) ist eine bayerische, aber auch in österreich bekannte, eher deftige käsezubereitung.

basiert im wesentlichen auf weissschimmelkäse, zwiebel, gewürzen/kräutern.

das "rezept" ist mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit einfach so entstanden: frischkäse, weich, bekam unprogrammgemässen schimmelbelag und wurde zwecks "kann man trotzdem essen" mit den o.a. zutaten vermischt und auf's brot gestrichen. zwiebel und knoblauch haben ja bekanntlich leichte antibiotische wirkung, somit wurde der schimmelbefall egalisiert.

woraus frau kelef das so selbstsicher und -gefällig schliesst? nun, die deutsche sprache hat ja zugegebenermassen ihre eigenheiten, aber deskriptiv ist sie in vielen fällen ja doch.

obatzd ist im österreichischen deutsch ein dialektwort entweder für "mit gebrauchsspuren", oder aber für "(ab)gebeizt". ersteres ist nicht so rasend häufig anzutreffen, letzteres aber speziell in der küche bei wild, anderem dunklem fleisch, grillfleisch.

hat man nun hinterfragt ob das denn auch hinter den sieben bergen bei den sieben zwergen, z.b. im finsteren niederösterreich, im fernen kärnten oder im seenreichen salzkammergut so verstanden wird, kann man sich sogar recht sicher sein, dass auch im ausländischen bayern, wo der obatzde ja herkommt, so interpretiert wird.

um so erschreckender fand frau kelef es heute also, als tim der m*lzer, in aller öffentlichkeit, am hellichten nachmittag, "der obatzder" sprach, und "wir machen einen obatzder", und dann noch mit betonung auf der letzten silbe. und das mehrfach.

leider konnte der fernseher - die geräuschberieselung beim putzen - nicht umgehendst abgeschaltet werden, da frau kelef sich zum behufe des reinigens der fenster auf der leiter befand.

so musste auch noch die einbringung von koriander und anderen fremdkörpern in die bedauernswerte käsemasse zur kenntnis genommen werden. tim der m*lzer nannte das dann "eine mediterrane obatzder".

frau kelef hofft, dass ein ordentlicher bayer ihn dafür ordentlich irgendwohin tritt.

solcherlei im fernsehen öffentlich darzubringen ist unsittlich, jawoll.

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Vielleicht hätte man das in- und ausländische Bayern von der Ausstrahlung der Sendung verschonen sollen. Für uns andere ist solch kulinarische Kreativität nicht ganz so schockierend...

Aber mal ehrlich, was gucken Sie auch so überregionale Sendungen? Das ist doch immer gefährlich für's Gemüt!?

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vielleicht dachte tim ja, es handle sich um eine italiänische (friaulisch-rätoromanische?) obazzda oder eine südslawische óbacta *bös grins*

mein in bayern gebürtiger, in oberösterreich aufgewachsener informant spricht ordentlich vom obatzdn: nominativ "da obatzde" etc.

und koriander in den obatzdn? pfuiiiiiiiiii deibel. koriander in alles mögliche, aber da doch nicht.

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Was ist das schon gegen ein Wiener Schnitzel mit germanischer brauner Tunke serviert.
Auf die Reklamation hin wurde uns gesagt, der Koch sei Wiener und wisse als solcher wie ein Wiener Schnitzel zuzubereiten sei.
Man sollte in Nürnberg halt nur Bratwurst essen.

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@sarkas: ja, pfui deibel.

aber die spitze der diesbezüglichen kulinarischen ver(w)irrung traf ich auf einem teller im schönen eisenhüttenstadt, ddr, anno 1984.

gebackenes schweinsschnitzel mit rotkraut, saft von der bratente und einem semmelkloss. mich schüttelt es heute noch. der koch war sachse und meinte auch, er wisse, was zusammenpasse.

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@caru: ihr informant scheint nicht nur vom essen, sonder auch vom dialekt und der deutschen sprache im allgemeinen was zu verstehen.

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hm, der ist (obwohl im alter von ca. elf monaten nach österreich umgesiedelt) schlicht ein bayer, ißt gern entsprechend und spricht unverhohlen bajuwarisch. auch bei anlässen, wo meinereiner längst auf hochdeutsch umgestiegen ist.
von bier versteht er auch was.
SmileyCentral.com

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Nein, das wird im 'ausländischen Bayern' (von dieser Seite aus: 'inländisch' ;-)) ganz anders interpretiert.

'Baazen', das ist, wenn man klebriges Zeug zusammenmischt, gern auch mit gewisser Kraftentfaltung. 'Obazd' ist also ange-'baazd' und ein 'Obazder' folglich ein 'Zusammengemanschter' (Käse). Betonung selbstverständlich auf der ersten Silbe und nirgendwo anders. Nix Frischkäse mit leichtem Verfallsproblem. Beizen wird in Bayern eher zu 'boaza'. Beim Rest teile ich ihr Schaudern.

Wenn ich mich nicht täusche, dann ist doch der Mälzer der mit dem komischen Kinnbärtchen? Das allein würde in meinen Augen schon für den besagten Tritt ausreichen. Mit was einer Obadzden 'verbessert', ist mir persönlich aber ziemlich egal. Ich bin zwar ein Münchner Kindl, aber mein Gaumen ist wohl aus Italien eingewandert.

Ich bitte die seltsame Transkiption zu entschuldigen, für Dialekt gibt es so gar keine Regeln.

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wieder was gelernt.

grundsätzlicher aber ja nicht allzu weit auseinander in der übersetzung, nur eben ein bisserl anders. beim obazn werden ja auch die gewürze etc. fest in das fleisch eingerieben, zum unterschied vom suren, wo das fleisch eingelegt wird.

aber zu den leichten verfallsproblemen: das sind ja gar keine richtigen! es gibt doch jede menge edelschimmelkäse, da wird aber eine reine schimmelkultur zugesetzt. auf frischkäse bildet sich nach einiger zeit ein quasi wilder schimmel, der meist aus verschiedenen kulturen besteht, und dann in der zusammenarbeit mit den milchsäure- und anderen bakterien irgendwas macht, das nicht vorhersehbar ist. schimmelsporen und bakterien sind überall in der luft, daher ist auch der befall von lebensmitteln nur bedingt steuerbar. zumindest steht das so in verschiedenen klugen büchern über die käseherstellung, und erscheint mir also nicht unlogisch.

dialekt zu transkribieren erscheint mir übrigens auch immer fast unmöglich. am ehesten noch mit lautschrift, aber auch nur bedingt. das lokalkolorit, das den jeweiligen dialekt dann erst so wirklich zur geltung kommen lässt, kann man einfach nicht in zeichen fassen.

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Soweit ich mich dunkel erinnern kann, ist Tim Mälzer der lispelnde, kurzgeschorene Hamburger mit einem halb ausgeschlagenen Schneidezahn.
Der Knabe mit dem unappetitlichen Ziegenbärtchen hingegen heißt Ralf Zacherl.

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ach ja, sehr richtig. wollte ich noch dazusetzen, aber man soll ja während der arbeitszeit keine blogeinträge verfassen, das telefon lenkt immer ab.

lispeln (in österreich auch zuzeln - sprich: thsuthseln - genannt) scheint ja bei köchen derzeit en vogue zu sein. der halb ausgeschlagene schneidezahn begünstigt das sicherlich auch noch, wird aber schon seinen grund haben. ob die feuchte aussprache dem kochgut zugutekommt möchte ich nicht wissen.

ein anständiger ziegenbock täte sich mit einem gesichtsgewächs a la ralf z. übrigens nicht ausserhalb des stalles sehen lassen, hat man mir zugetragen. aber im tv ist eben alles anders.

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der hat beim rezept für graved lachs machen auch einen haufen stuss geredet und was wichtiges, die sache mit dem stein, vergessen. mälzer ist gut für leute, die sich ein fertiggericht holen, dieses abends wärmen und beim verzehr desselben seine schau sehen und dabei denken können: toll wenn man so einfach kochen kann.

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das haben sie sehr schön zusammengefasst, herr schmerles.

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das merkwürdige an Fernsehköchen: die scheinen (fast) alle nicht kochen zu können.

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könnten sie's, täten sie's in einem guten restaurant... oder aber zu hause. am bildschirm kann niemand wirklich kochen, allein schon wegen zeitmangels.

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@kelef
Die Sachsen essen ja auch Leberwurstbrot mit Erbeermarmelade drauf.
Zum Bliemchengafffee. ;-)

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