Dienstag, 8. Dezember 2009
der julius, der julius,
kelef, 13:26h
der war ein arger luftikus.
teil I der geschichte.
einem alten geschlecht entstammend, zur gesellschaft gehörend, die bessere gesellschaft kennend und ergo als nicht standesgemäss erkennend, sich entsprechend subtil, aber doch gerade deshalb immer standesgemäss benehmend,
bonvivant, architekt, schauspieler, spieler, international und -kontinental anerkannter fachmann, frauenliebling und -liebhaber, mein onkel julius, herr von und zu, letzteres nie erwähnend, wär ja nicht elegant gewesen.
er lehrte mich den unterschied zwischen hoch-, wiener- und burgtheaterdeutsch, und wie man unterscheiden kann zwischen guter, besserer und eigentlicher gesellschaft, was ganz einfach ist: wenn man darüber spricht, gehört man schon nicht mehr dazu.
auch die sache mit siebenerlei besteck und achterlei gläsern, neun tellern, kellnern der verschiedenen arten und schulen, piccolos et al. war kein mysterium mehr wenn er es erklärt und demonstriert hat, mit der ihm eigenen leichtigkeit und selbstverständlichkeit, die seinen kreisen vorbehalten waren und bleiben werden. gerne zitierte er ja die sache mit den salzburger nockerln: rezepte nachkochen kann jeder, aber die fünfhundert jahr' monarchie ...
der onkel julius und seine familie hatten mehr als die 500 jahre, und, was soll man sagen, buddenbrooks multipliziert mit thomas mann seinen geschichten wären, die wiener würden sagen, ein lercherlschaas dagegen.
der julius musste natürlich in jungen jahren studienreisen machen, wie es sich gehörte anfang des 20. jhdts., indien, amerika (süd und nord), afrika, australien, neuseeland, russland, asien. das dauerte ein paar jahre, und dann kam der julius wieder zurück und hatte eine menge von der welt gesehen.
der julius musste auch architekt werden, wie sich das für den ältesten sohn einer adeligen stadtbaumeisterfamilie gehörte, und ein haus bauen, in der strasse, die der familie teilweise sowieso schon gehörte.
nun, der julius war ein schöner mann, charmant, gebildet, von familie, reich und unabhängig, und er hatte die welt gesehen, was nun nicht unbedingt dazu führte dass der julius den ideen seiner vorfahren gefolgt wäre: die sache mit dem heiraten, kinderkriegen, imperium vergrössern etc. entsprach nicht so wirklich seiner vorstellung.
die baumeisterei hatte er studiert, ein paar hervorragende häuser gebaut, zwei gassen im land waren nach ihm resp. seiner familie benannt worden, geld war da, der julius folgte seiner inneren berufung und wurde: schauspieler. am wiener burgtheater. auch spielte er in ein paar filmen - natürlich hauptrollen - aber das war nicht so seines, meinte er, da fehlte dann irgendwas, er wollte den kontakt zum publikum nicht missen.
natürlich folgte er auch seiner inneren überzeugung und spielte am liebsten nestroys figuren, einen jux wollt' er sich machen. letztlich, es ging ja um das was er ausdrücken wollte und nicht um das geld, das wäre ja nicht elegant gewesen, und standesgemäss schon gar nicht.
nestroy spielte man damals nicht so oft, der erste wetlkrieg war gerade vorbei, und so suchte sich der julius eine weitere beschäftigung: er sammelte schmetterlinge und käfer. seiner accuratesse und sorgsamkeit gepaart mit weltentum und bildung zufolge war er in der zwischenkriegszeit und auch jahrzehnte danach ein angesehener fachmann, und viele schaukästen mit präparierten kadavern schon längst ausgestorbener käfer, schmetterlinge und deren raupen, verschiedener larven und so weiter in verschiedenen museen erinnern noch heute an ihn.
der julius bereiste in diesen belangen die ganze welt, wieder einmal, oft mit internationalen diplomatenpässen ausgestattet, mehrere fremdsprachen beherrschend und noch viel mehrere radebrechend.
der julius war immer korrekt gekleidet, wie es sich geziemte, unnachahmlich seine massgeschneiderten anzüge, tropenhelme, lederhosen (zum motorradfahren), seine makellosen gamaschen, handgenähten krawatten (gab es jemals andere die man tragen konnte???) mit den jeweils zu hemd und anzug passenden knoten.
der julius liebte die frauen, besonders die mit den langen beinen, und die frauen liebten ihn.
der julius liebte auch die pferde, besonders die mit den schnellen beinen, und die pferde liebten ihn.
der julius liebte aber auch die permanenzen, was ihm zum verhängnis ward, denn mit den permanenzen ist das so eine sache, besonders beim roulette.
was nun nicht so gut war war, dass seine eltern ihm die herrschaft über das vermögen übertrugen, unter der bedingung, dass er auch das vermögen seiner schwester verwalten sollte, wie das eben so kurz nach 1900 üblich war. die schwester, meinte der julius schon immer, war tumb. sie war wohl künstlerisch begabt, zeichnete und malte technisch hervorragend, sie hatte auch unterricht in diesen künsten, aber ohne esprit, ohne seele, ohne: ..., und er machte eine der unnachahmlichen handbewegungen, für die ich ihn so liebte.
es kam, wie es kommen musste. seine eltern hatten schon ein wenig falsch investiert, wie viele andere, und der erste weltkrieg hatte eine menge vermögen verschlungen, was weiter nicht tragisch war, war ja genug da.
den julius kümmerte das ebensoviel wie ihne seine schwester kümmerte, er war wer, man kannte ihn, er hatte was gelernt, und er konnte was. geld? hatte man.
ihm wahrsten sinne des wortes. denn wären die pemanenzen nicht gewesen, dann wäre das alles kein problem gewesen. aber die permanenzen, die hatten es in sich.
und weil der julius ja viel unterwegs war - man könnte auch sagen, dauernd - da kamen manche wechsel erst mit verspätung an, und auch wenn er so interimsmässig ein klitzekleinwenig klamm war pekuniär, so war er einen tag später wieder aber so was von flüssig, und die sache mit "spielschulden sind ehrenschulden und binnen vierundzwanzig stunden zu bezahlen" war kein thema.
auch die kombination von pferdewetten und roulette konnten lange zeit nichts an diesem konzept ändern, sein spitzenwert lag bei: in einer nacht im casino in algier einen rennstall mit 36 pferden beim roulette verloren.
to be continued ...
teil I der geschichte.
einem alten geschlecht entstammend, zur gesellschaft gehörend, die bessere gesellschaft kennend und ergo als nicht standesgemäss erkennend, sich entsprechend subtil, aber doch gerade deshalb immer standesgemäss benehmend,
bonvivant, architekt, schauspieler, spieler, international und -kontinental anerkannter fachmann, frauenliebling und -liebhaber, mein onkel julius, herr von und zu, letzteres nie erwähnend, wär ja nicht elegant gewesen.
er lehrte mich den unterschied zwischen hoch-, wiener- und burgtheaterdeutsch, und wie man unterscheiden kann zwischen guter, besserer und eigentlicher gesellschaft, was ganz einfach ist: wenn man darüber spricht, gehört man schon nicht mehr dazu.
auch die sache mit siebenerlei besteck und achterlei gläsern, neun tellern, kellnern der verschiedenen arten und schulen, piccolos et al. war kein mysterium mehr wenn er es erklärt und demonstriert hat, mit der ihm eigenen leichtigkeit und selbstverständlichkeit, die seinen kreisen vorbehalten waren und bleiben werden. gerne zitierte er ja die sache mit den salzburger nockerln: rezepte nachkochen kann jeder, aber die fünfhundert jahr' monarchie ...
der onkel julius und seine familie hatten mehr als die 500 jahre, und, was soll man sagen, buddenbrooks multipliziert mit thomas mann seinen geschichten wären, die wiener würden sagen, ein lercherlschaas dagegen.
der julius musste natürlich in jungen jahren studienreisen machen, wie es sich gehörte anfang des 20. jhdts., indien, amerika (süd und nord), afrika, australien, neuseeland, russland, asien. das dauerte ein paar jahre, und dann kam der julius wieder zurück und hatte eine menge von der welt gesehen.
der julius musste auch architekt werden, wie sich das für den ältesten sohn einer adeligen stadtbaumeisterfamilie gehörte, und ein haus bauen, in der strasse, die der familie teilweise sowieso schon gehörte.
nun, der julius war ein schöner mann, charmant, gebildet, von familie, reich und unabhängig, und er hatte die welt gesehen, was nun nicht unbedingt dazu führte dass der julius den ideen seiner vorfahren gefolgt wäre: die sache mit dem heiraten, kinderkriegen, imperium vergrössern etc. entsprach nicht so wirklich seiner vorstellung.
die baumeisterei hatte er studiert, ein paar hervorragende häuser gebaut, zwei gassen im land waren nach ihm resp. seiner familie benannt worden, geld war da, der julius folgte seiner inneren berufung und wurde: schauspieler. am wiener burgtheater. auch spielte er in ein paar filmen - natürlich hauptrollen - aber das war nicht so seines, meinte er, da fehlte dann irgendwas, er wollte den kontakt zum publikum nicht missen.
natürlich folgte er auch seiner inneren überzeugung und spielte am liebsten nestroys figuren, einen jux wollt' er sich machen. letztlich, es ging ja um das was er ausdrücken wollte und nicht um das geld, das wäre ja nicht elegant gewesen, und standesgemäss schon gar nicht.
nestroy spielte man damals nicht so oft, der erste wetlkrieg war gerade vorbei, und so suchte sich der julius eine weitere beschäftigung: er sammelte schmetterlinge und käfer. seiner accuratesse und sorgsamkeit gepaart mit weltentum und bildung zufolge war er in der zwischenkriegszeit und auch jahrzehnte danach ein angesehener fachmann, und viele schaukästen mit präparierten kadavern schon längst ausgestorbener käfer, schmetterlinge und deren raupen, verschiedener larven und so weiter in verschiedenen museen erinnern noch heute an ihn.
der julius bereiste in diesen belangen die ganze welt, wieder einmal, oft mit internationalen diplomatenpässen ausgestattet, mehrere fremdsprachen beherrschend und noch viel mehrere radebrechend.
der julius war immer korrekt gekleidet, wie es sich geziemte, unnachahmlich seine massgeschneiderten anzüge, tropenhelme, lederhosen (zum motorradfahren), seine makellosen gamaschen, handgenähten krawatten (gab es jemals andere die man tragen konnte???) mit den jeweils zu hemd und anzug passenden knoten.
der julius liebte die frauen, besonders die mit den langen beinen, und die frauen liebten ihn.
der julius liebte auch die pferde, besonders die mit den schnellen beinen, und die pferde liebten ihn.
der julius liebte aber auch die permanenzen, was ihm zum verhängnis ward, denn mit den permanenzen ist das so eine sache, besonders beim roulette.
was nun nicht so gut war war, dass seine eltern ihm die herrschaft über das vermögen übertrugen, unter der bedingung, dass er auch das vermögen seiner schwester verwalten sollte, wie das eben so kurz nach 1900 üblich war. die schwester, meinte der julius schon immer, war tumb. sie war wohl künstlerisch begabt, zeichnete und malte technisch hervorragend, sie hatte auch unterricht in diesen künsten, aber ohne esprit, ohne seele, ohne: ..., und er machte eine der unnachahmlichen handbewegungen, für die ich ihn so liebte.
es kam, wie es kommen musste. seine eltern hatten schon ein wenig falsch investiert, wie viele andere, und der erste weltkrieg hatte eine menge vermögen verschlungen, was weiter nicht tragisch war, war ja genug da.
den julius kümmerte das ebensoviel wie ihne seine schwester kümmerte, er war wer, man kannte ihn, er hatte was gelernt, und er konnte was. geld? hatte man.
ihm wahrsten sinne des wortes. denn wären die pemanenzen nicht gewesen, dann wäre das alles kein problem gewesen. aber die permanenzen, die hatten es in sich.
und weil der julius ja viel unterwegs war - man könnte auch sagen, dauernd - da kamen manche wechsel erst mit verspätung an, und auch wenn er so interimsmässig ein klitzekleinwenig klamm war pekuniär, so war er einen tag später wieder aber so was von flüssig, und die sache mit "spielschulden sind ehrenschulden und binnen vierundzwanzig stunden zu bezahlen" war kein thema.
auch die kombination von pferdewetten und roulette konnten lange zeit nichts an diesem konzept ändern, sein spitzenwert lag bei: in einer nacht im casino in algier einen rennstall mit 36 pferden beim roulette verloren.
to be continued ...
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sarkas,
Mittwoch, 9. Dezember 2009, 01:48
...und die Reiseapotheke die Sie hier mal zeigten stammte sicher auch von ihm.
Ja, ja, die reisenden Onkels.
Ja, ja, die reisenden Onkels.
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kelef,
Mittwoch, 9. Dezember 2009, 04:50
herr sarkas, sie haben völlig recht. die reiseapotheke war die des onkel julius. die haben beide was von der welt gesehen.
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marion,
Mittwoch, 9. Dezember 2009, 10:15
Danke für diese Geschichte.
Je älter ich werde, desto besser erkenne ich die Bedeutung von "gone with the wind".
Plötzlich war keiner mehr da, den man fragen könnte, wer die Leute auf den verblassenden Fotos im alten Album waren, vielleicht meine Urgroßeltern, zu spät.
Die Leute sind weg, ihre Häuser sind weg, die Fotos verblassen und die Geschichten und Namen kennt eh keiner mehr.
Es ist gut, sich zu erinnern.
Je älter ich werde, desto besser erkenne ich die Bedeutung von "gone with the wind".
Plötzlich war keiner mehr da, den man fragen könnte, wer die Leute auf den verblassenden Fotos im alten Album waren, vielleicht meine Urgroßeltern, zu spät.
Die Leute sind weg, ihre Häuser sind weg, die Fotos verblassen und die Geschichten und Namen kennt eh keiner mehr.
Es ist gut, sich zu erinnern.
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sarkas,
Mittwoch, 9. Dezember 2009, 12:08
Dachte ich also richtig.
@Liebe Frau Marion, man wird schneller selbst zum "Silberrücken" der Sippe als man denkt.
@Liebe Frau Marion, man wird schneller selbst zum "Silberrücken" der Sippe als man denkt.
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feuerlibelle,
Donnerstag, 10. Dezember 2009, 22:26
ich finde, dass die hochwohlgeborenen aus 1900 nicht nur luftikuse waren, sondern auch von einer notorischen spielsucht befallen waren. da sind vergleichsweise cercle oder casino baden und einige stufen darunter die spielhallen und wettbüros aus 2009 harmlose spielwiesen...
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sarkas,
Samstag, 12. Dezember 2009, 19:55
Auch in manchem "gut bürgerlichen" Herrenzimmer wechselten bei einer Tarokrunde - Arzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Offizier und höherer Beamte - so manches Vermögen/Mitgift seine Besitzer.
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