Sonntag, 25. Jänner 2009
HABEN WILL!
frau kelef war gestern eingeladen, bei einer kombinierten wohnungseinweihungs- und geburtstagsfeier, sehr fein gewesen, kann man nicht meckern. essen gut, tirnken gut, leute gut, unterhaltung gut, wohnung: was soll ich sagen.

wenn sich so eine anständige hausverwaltung anstrengt, dann schaffen die das direktemang eine alte wohnung so zu renovieren, dass alles, aber auch schon alles zusammenpasst, gut aussieht, ordentlich gemacht ist, man weder von zusammenstellungen noch farben noch formen den augenkrebs kriegt, und sogar die fliesen in bad und wc sind - wiewohl in schlichtem weiss gehalten - offensichtlich von einem menschen mit verstand ausgewählt worden, und unterstützen optisch die gegebenheiten im positivsten sinne. auch die küche ist schlicht, ergreifend und leidenschaftslos funktionell konzipiert, mit genügend platz für eigene ideen und ausbauarbeiten. anständigerweise wurde auch KEIN laminat verlegt, sondern ein sehr schöner parkettboden, fischgrät. und das ganze in einem jugendstilhauskomplex, im stiegenhaus noch teilweise die alten bunten verglasungen, marmor in der eingangshalle, frau kelef war ganz hin und weg.

und nein, frau kelef will nicht dort wohnen, frau kelef wohnt schon.

die geneigte leserschaft wird sich also fragen, was soll dann der titel?

nun, irgendwann sassen dann alle in der küche herum, und tratschten so, und freunde der gastgeber - die gerade ein haus bauen - erzählten von bekannten, die bei allem was sie sehen in ein "das will ich auch haben" ausbrechen.

und das erinnerte frau kelef nun wiederum an ihre mutter, die diese krankheit auch hatte. "gefällt mir" war gleichbedeutend mit "will ich haben". was sie nicht haben wollte, gefiel ihr nicht, ganz einfach.

es dauerte ziemlich lange, bis frau kelef diesen mechanismus erkannte, war gar nicht einfach, denn frau kelef hinwiederum ist ja ganz das gegenteil diesbezüglich. es gefällt einem ja bald einmal etwas, schmuck, kleider, häuser, kinder, katzen, hunde, pferde, autos, bilder und weiss der kuckuck was noch. aber haben wollen?

frau kelef geht gerne in einen tiergarten, zum beispiel, und schaut sich die tiere an, was ja einer der gründe ist warum man in einen tiergarten geht, an sich. besonders gefallen frau kelef zum beispiel die giraffen, auch die nashörner haben ihren charme, und die haifische und raubvögel, und frau kelef hat ja auch einen halben tiergarten zuhause, quasi, aber eine giraffe ihm wohnzimmer? ein hai in der badewanne oder ein steinadler in der vorzimmervoliere?

frau kelefs mutter schoss übrigens den vogel ab diesbezüglich, als sie einmal fragte warum frau kelef eigentlich zwischen den vorlesungen statt in der mensa im votivpark sässe. wahrheitsgemäss beantwortete frau kelef diese frage mit "ich sitz so gerne dort und schau mir die Votivkirche an, die gefällt mir einfach so sehr." bösartig schnaubte frau kelefs mutter daraufhin: "so ein blödsinn, die kannst du doch sowieso nicht haben." ja ne, die wollte frau kelef ja auch gar nicht, deswegen sass sie ja nicht dort, einfach anschauen, und gut. rennt ja nicht davon, so eine kirche, und nützt sich auch nicht ab durch das angeschaut werden. kostet nix, das schauen, und man könnte so eine kirche ja auch kaum bis gar nicht im eigenen wohnzimmer aufstellen, und wenn dann nur in klein, und was um alles in der welt machte man dann damit?

frau kelefs mutter hatte ja zudem immer so anwandlungen, sachen herzuzeigen, und zu sagen: "schau, was ich mir gekauft habe!" - "fein, schön ist der" sagte frau kelef zum achten haarfön "aber was machst du denn damit? du hast dir doch im leben noch nie die haare gefönt!" - "haben!" sagte frau kelefs mutter und war beleidigt, "und du brauchst gar nicht glauben, dass ich dir den schenke!" - "fein" sagte frau kelef "gott sei dank, ch will ihn sowieso nicht, und die sieben anderen auch nicht, ich hab zwei und die verwende ich schon so gut wie nie, was machte ich denn mit noch einem?" - "du hast doch gesagt, dass du ihn schön findest!" - "na ja, ich finde die votivkirche ja auch schon und will sie nicht haben!" - "ja, aber du sagst das nur weil du sie nicht haben kannst." und dann drehte sich die gesprächsschleife bis frau kelef die augen verdrehte und ersuchte, man möge doch nicht solche wortverdrehereien hier anfangen, gefallen und haben wollen seien doch zwei völlig verschiedene dinge, dann begann frau kelefs mutter zu weinen (tat sie immer wenn sie in einer sackgasse war), und alle waren böse, besonders war frau kelef ein böser mensch, weil sie die votivkirche nicht haben wollte, oder so.

es floss viel seelisches blut in der familie ob dieser differenzierten einstellungen, das können sie glauben.

nun stellte sich eben gestern diese frage wieder, und es konnte zum keinem ergebnis gekommen werden. was bringt menschen dazu "gefallen" und "haben wollen" als synonyme zu sehen? teilweise sicherlich neid, minderwertigkeitskomplexe, missgunst, und sonst noch ein paar verwandte störungen, aber irgendwie sollte man doch irgendwann zu dem punkt gelangen, an dem man den unterschied erkennt?

vor allem die kleinen dinge, die einem gefallen und die man dann sogar haben kann wenn man sie haben will, die sind doch nicht immer von der art die man brauchen kann? was nützen die schönsten stöckelschuhe wenn man darin nicht gehen kann? was nützt der schönste pelzmantel, wenn man am äquator lebt und dort nie wegkommt? und auch die frisuren, die an naomi campbell bei einer modeschau so toll aussehen, nutzen frau nix wenn sie in der bank hinter dem schalter sitzt und ausserdem noch glatte blonde haare hat, zum beispiel. und ein kleid, das an heide klum toll aussieht, sieht an frau kelef einfach scheisse aus, das liegt nun weder am kleid noch an frau kelef, sondern daran, dass die beiden einfach nicht zusammenpassen, warum also sollte frau kelef so ein kleid haben wollen?

aber frau kelef muss ja nicht alles verstehen, nicht wahr. liegt wahrscheinlich daran, dass ihr noch immer niemand die votivkirche geschenkt hat, nehmen wir einmal an.

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also wenn ich einen großen garten hätte... ein nashorn tät ich mir sofort zulegen :-)
einen haifisch nicht.

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Ich glaube, dass das nicht immer negative Gefühle wie Neid, Missgunst und Minderwertigkeitskomplexe sind. Ich glaube ganz oft ist es eine innere Leere. Und die ist ein ganz schöner Hund. Schlimm wird es, wenn unschuldige (Lebewesen) darunter leiden müssen.

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@herr caru: mit einem nashorn im garten täten sie nie wieder umstechen brauchen, und düngen auch nicht ...

@sheepish: schon richtig. das erklärt sicherlich vieles. haben um etwas zu besitzen, das man anschauen und herzeigen kann, weil man das gefühl hat dass einem etwas fehlt.

aber wieso diese gleichsetzung von gefallen und haben wollen? vielleicht hab ich von manchen dingen einfach zu viel, um das nachvollziehen zu können. wenn wer was hat, das ihm freude macht, freu ich mich einfach auch, und gut. aber deswegen will ich einfach nicht das gleiche haben, und schon gar nicht dasselbe. und wenn mir was gefällt, dann heisst das eben einfach nicht, dass ich es haben will. ich freu mich, dass es was gibt, das ich als schön empfinde, und wenn ich es mir anschauen kann ist es noch besser, aber haben wollen? die niagara-fälle oder den grand canyon oder die votivkirche? oder ein rennpferd? einen maserati? eine fünfhundert jahre alte linde? ich will ja noch nicht einmal einen richtig grossen hund haben, wenn ich ihn nicht ansatzweise vernünftig halten kann, trotzdem gefällt mir ein irish wolfshound sehr gut, und auch diese niedliche, wohlerzogene knuddelkugel eni. aber was mach ich mit sowas? (lieb)haben reicht da nicht.

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Für mich ist es auch nicht gleichbedeutend. Ich liebe Katzen und Nicki und ich haben gestern auch noch vom Hundi geschwärmt. Aber wir wollen beides nicht haben. Oder wie mit den großen Häusern. Ich finde das Haus meiner Freundin toll. Aber ich will es auf keinen Fall haben.

Ich glaube einfach, dass die innere Leere so groß werden kann, dass man wahllos alles haben will was man sieht. Und sicher kommt da noch der Komplex dazu, dass man sich noch kleiner fühlt wenn die anderen etwas größeres, neueres, "schöneres", wertvolleres oder moderneres haben als man selbst.
Wenn jemand etwas hat worüber er sich freut dann könnte es ja sein, dass man damit sein eigenes Leben auch so ausfüllen kann, dass mal wieder Freude aufkommt. Was aber nicht lange wirkt und dann muss schon wieder das nächste her. Und insofern hast mit Neid vielleicht recht. Aber nicht materiellen Neid sondern der Neid auf die Freude und die Ausgefülltheit im Leben.

Im übrigen sag ich relativ oft zu Dingen "Das ist ur schön!". Und Nicki glaubt dann auch immer, dass ich das haben will.
und dann geht's los:
ich: das ist ur schön!
er: was machst denn damit?
ich: ich hab nicht gesagt, dass ich es haben will.
er: aber du hast doch gesagt es ist schön.
ich: aber das heißt nicht, dass ich es haben will.
er: jdhfoerhtojndofh !!!
ich: shfdiouwehnfrjh !!!

:)))

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sehr richtig. eigentlich möchte ich ja auch 2 nashörner, weil eins allein könnte sich einsam fühlen. solche wie in schönbrunn wären grad richtig.

mich ziehts überhaupt eher zu den herzigen sachen als zu den schönen.

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Warum
verstehe ich Sie jetzt?

Ich finde einen Porsche auch sehr schoen und wuerde geren mal einen fahren. Einen Tag lang, nur so. Aber besitzen? Nein, da kommt der Pragmatismus durch bei mir. Ein zwar optisch ansprechendes Auto, aber vom Nutzen her: kein Platz zum Transportieren, hoher Spritverbrauch, nicht ausfahrbar auf deutschen Autobahnen. Also wieso besitzen? Nur zum "show off"? Nein, dieser Gruppe von Menschen gehoere ich nicht an. Und ja, es gibt sogar ein ganzes Land voller Menschen, da gehoert das "show off" einfach zur Kultur dazu.

Suchen Sie sich ein Land ihrer Wahl aus...

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rückwärts
angucken.
Niemand will wirklich etwas haben, was ihm nicht gefällt. Aber was uns gefällt wollen wir manchmal auch haben.

Diese Gleichstellung von gefällt=haben wollen ist vielleicht bei manchen der Umkehrschluss von kann-ich-nicht-kriegen(Trauben hängen zu hoch)=gefällt nicht. Also , was ich eh mir nicht leisten kann oder sonst unerreichbar ist, gefällt mir eh nicht. Nur, was ich in meinen Besitz bringen kann ist ein "gefällt mir" wert.

Aber ich bin auch schon immer erschrocken, wenn jemand mein freudiges "da hast du aber ein schönes xyz" für "gib mir" hält.

Und: ich bin sozusagen kaufsüchtig. Meine Wohnung läuft über weil ich irgendwas schönes (mein Gott, diese wunderschöne Bilderbuchausgabe) haben will. Auch krank.

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Kenn ich! Ich will auch immer so einiges haben weil es einfach so schön ist. Aber immer öfter stelle ich mir die Frage, was ich dann damit mache oder ob ich es wirklich brauche oder obich es wirklich will. Bei Büchern frag ich mich immer, ob ich nicht erst alle lesen will, die ich schon aufgestapelt hab. Das hilft mir. So wird das besser. Manchmal trage ich auch irgendwas eine Weile durch den Laden und lege es dann zurück weil ich mir denke, ich kann auch ohne das Ding leben. Und da bin ich bei wieder bei der inneren Leere...weil auch ich hab die manchmal...

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Irgendwie fühle ich
mich ertappt bei Ihrer tänzerischen Argumentationsführung – gegen mich. Denn ich bin der, der allzu oft stöhnt. Dabei will die Dame doch immer «nur gucken», wenn sie in die Parfumerie, in den Laden mit den schönen Hüten, in den mit den schönen Schals, den schönen Schuhen entschwindet. Glücklicherweise stimmt's zwar – in den meisten Fällen, aber eben nicht immer. Weshalb Sie mich eben auch nicht ausgetanzt haben. Der Restzweifel nagt immer. An mir.

Allerdings bin ich da auch anders gelagert. Er gefällt mir wirklich gut, Ihr Text. Aber haben will ich ihn nicht. Laut lachen wird sie dennoch oder besser: mich auslachen, wenn sie ihn liest, den Text.

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show-off ist in vielen ländern und kulturen ein thema, aus den verschiedensten gründen. dicke frauen: damit alle sehen dass der mann genug zu essen nach hause bringt ist so eine archaische form, zum beispiel.

kleine dinge, die freude machen, sind was feines, bücher, schnickeldis, schönes geschirr, etc., alles was man wirklich verwenden kann.

dinge, die man zwar erwerbstechnisch besitzt, über die man aber nicht wirklich verfügen kann, sind nur unnützer ballast. was mach ich mit einem swimming-pool wenn ich nicht schwimmen kann? was mach ich mit einem ballkleid, wenn ich nie auf einen ball gehe? was mach ich mit einer insel in der südsee, wenn ich dort nicht hin kann, sie nicht vermieten oder verkaufen kann?

die frau, die mich geboren hat, also meine sog. mutter, hat sich einmal einen sündteuren staubsauger gekauft für das haus. leider war er dann so schwer, dass sie ihn nicht alleine über die stiegen tragen konnte. entweder war im ersten stock sauber, oder im erdgeschoss, oder im keller, und sie brauchte einen träger für das gerät. ein kleinerer, billigerer staubsauger wäre aus vielen gründen vernünftiger gewesen. aber sie hatte lieber das statussymbol und den dreck trotzdem. dabei hätte sie um den preisunterschied zwischen dem teuren und dem billigen modell zwei wochen auf urlaub fahren können.

ich bin ja in der zwischenzeit schon so weit, dass ich manchmal vor anschaffung von etwas langlebigem erst einmal die potentielle erbnehmerin befrage, ob sie denn das auch haben wolle, später.

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ich mag ihre beobachtungen...
War hier
Koinboin

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ja aber wo kommt das her? aus einem "früher fehlte es mir an allem, und jetzt wo ich es mir leisten kann, kaufe ich nur das teuerste und Beste, sch...-egal, ob ich es brauche" so aus einem Kampf gegen die Leere und den Mangel?

Meine Fast-Schwägerin sagte immer "alles was ich jetzt kaufe, müssen meine Kinder mal später wieder wegschmeißen" und da ist leider sehr viel Wahrheit drin.

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Aus Versehen bin ich als Sein-Baby in eine Haben- Familie gefallen.
Lange glaubte ich , dass ich adoptiert bin. Man sagte mir vorher, dass ich es zu nichts bringen würde, sei ich doch so wenig interessiert an Materiellem.
So konnte ich, und kann es immer noch, irgendwo sitzen und etwas Schöne anschauen.
"Willst du das haben?"
"Nein, nur anschauen."
"Und was sitzt du denn hier?"
Man versteht nicht, dass ich gerne reise, mir die Welt anschaue.Und ich kenne mich mit Zinssätzen nicht aus, werde aber immer dazu abgefragt, auch heute noch.
So sind Erbschaftsangelegenheiten ein Dauerthema in der Verwandtschaft, wer bekommt von wem was. Anstrengend!

Begriffen habe ich es erst als ich zufällig das Buch "Haben oder Sein" in einer Buchhandlung fand.
Seither bin ich meiner Familie nicht mehr böse, sie können mich nicht verstehen.

Also, was ich sagen wollte, ich kann Sie gut verstehen.

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