Mittwoch, 19. Juni 2013
was eine mutter alles erdulden muss
ist ja, wie man weiss, eine never ending story. da sind schon romane, opern, filme, gedichte und geschichten geschrieben worden darüber.

und diese eine geschichte kann ich ihnen nicht vorenthalten, weil sie gerade so schön zum heutigen tag passt.

es war der 19. juni 1976, frau kelefs tochter war gerade 9,5 monate alt, und frau kelef selbst hatte eine gar jämmerliche schleimbeutelentzündung am rechten knie, die ärzte redeten von dingen wie stationärer aufnahme, operation, drei wochen krankenhaus, kind derweil - frau kelef war ja alleinerziehend - müsse dann eben ins kinderheim, das sei ja sowieso nicht gut wenn da kein familiäres back-up sei, und so. dann werde man weitersehen, mit dem kind, meinte das jugendamt, vielleicht fänden sich ja auch pflegeeltern. die zahlung des karenzgeldes würde für die zeit des krankenhausaufenthaltes eingestellt, übrigens, miete zahlen für die wohnung - ham se nix erspartes? vielleicht auch für die hilfe, die nach der operation dann notwendig ist, weil da ja noch längere zeit eine schiene, und so?

frau kelef also hatte kopfschmerzen zusätzlich zu den knieschmerzen, der umfang des knies nahm täglich zu, ebenfalls die koloratur desselben. aber was uns nicht umbringt, und so. das knie alleine war schon besorgniserregend, die aussichten auf das procedere - frau kelef hatte sich ja nur erkundigt nach den möglichkeiten - schienen nicht sonderlich beruhigend.

und wie frau kelef so hin- und herüberlegte, und alle möglichkeiten wegen entlastung und hoffnung und hilfe und medizinischer möglichkeiten und folgeschäden hin- und herventilierte, da kamen ihr schon verschiedene gedanken in den kopf, bezüglich familie und so weiter, aber je nun, was uns nicht umbringt und so.

mit dem krankenhaus besprach frau kelef dann dass sie doch versuchen wolle ohne operation über die runden zu kommen. noch dazu, nachdem sie genau nachgefragt hatte wie und was: kniescheibe herausheben, weil schleimbeutel UNTER der kniescheibe, dann wären dort noch so sachen sichtbar im röntgen, vermutlich knochenabsprengungen, die müssten auch heraus), dann alles wieder zunähen und bein schienen, nach 2 - 3 wochen krankenhausentlassung, krücken, schonung, krankengymnastik, nix tragen, etc.. mit einem zu diesem zeitpunkt dann 10 oder 11 monate alten kind, und eigentlich wollte frau kelef ja im oktober wieder zu arbeiten beginnen.

das sei den versuch nicht wert, meinte der oberarzt, und als sei frau kelef gar nicht anwesend erklärte er den turnusärztelein der orthopädischen abteilung des krankenhauses, wie er sich diese operation so vorstelle, er warte schon lange auf so eine gelegenheit, da könne er ihnen endlich zeigen ... natürlich drückte er sich sehr fachchinesisch aus, so patienten verstehen ja nix.

doch wie der teufel es hatte haben wollen - gott ist ja oft gerecht - hatte frau kelef bei ihrer ersten prüfung am dolmetschinsitut, übersetzungsseminar englisch, fachsprache medizin, genau diese operation übersetzt und ein "sehr gut" erhalten. leider waren im text auch die risiken beschrieben ...

frau kelef also brüllte - konnte sie damals schon gut - ein wenig unfreundliches und schlug dem herrn oberarzt vor, er könne ja bei seinen turnusärztelein oder an seinem eigenen knie herum- und herausschnippeln was ihm lustig sei, diese beiden knie, über die frau kelef die verfügungsgewalt habe, die werde er jedenfalls nicht aufschneiden.

das kindelein natürlich erschrak ob der erhobenen stimme der mutter, und brüllte, was überhaupt ein kind mit kinderwagen hier im untersuchungszimmer zu suchen hätte, da gäbe es doch sicher eine zuständige grossmutter, die solle gefälligst ... ja ne, is klar, die böse frau.

frau kelef verlangte dann den primar zu sprechen, erreichte ihn auf diffusen umwegen und schilderte ihm die situation in ihrer gesamtheit. der mann war gut, freundlich und verständnisvoll und meinte, er würde dann eben der sache mit punktionen zu leibe rücken, vielleicht ... versprechen könne er aber nix. das reichte zunächst einmal, weniger lustig war die sache mit dem kompressionsverband über das ganze bein, es war ziemlich heiss und das kind war klein und wollte auf dem boden herumkrabbeln und mit einem steifen knie und ärztlich angeordneter bettruhe - aber was uns nicht umbringt, und so.

also kam frau kelef dann gleich am nächsten tag an die reihe, herr primar piekste eine dicke kanüle in die geschwollenste stelle, und hielt ein schälchen darunter, drückte ein wenig herum, und sie haben ja keine ahnung, was aus so einem knie alles herauskommen kann. igittigitt. gleich mit ein paar bröserln dazu, die absplitterungen, meinte er.

immerhin liess aber der schmerz rasch nach, auch das druckgefühl, der druck wurde dann andersrum durch den kompressionsverband wieder erzeugt, und mit drei wiederholungen und zwei wochen dick bandagiertem bein war die sache so halbwegs ausgestanden. schonung auf ewig, versprechen könne er nix, diese und jene schmiere, und immer schön hoch lagern die nächste zeit, und noch so ein paar verhaltensmassregeln, und was soll frau kelef sagen: das knie ist zwar im a..., die schleimbeutelentzündungen kommen alle paar jahre wieder, aber aufgeschnippelt hat noch immer keiner. war aber keine schöne zeit, war das nicht, damals.

sie können sich also jetzt ungefähr vorstellen, wie es ihr 1976 so ging, um diese jahreszeit, zwischen punktion 2 und 3 und bei dreissig grad im schatten. aber was uns nicht umbringt, und so.

irgendwann genau am 19. juli 1976 rief die böse frau an, vermutlich verdauungsstörungen oder was weiss man, jedenfalls, sie wollte stänkern. arglistig begann sie das gespräch mit der frage nach der enkeltochter und deren befinden (alles prächtig), und fragte dann nach dem befinden von frau kelef (höchst scheinheilig, sie wusste von nix, aber man hatte ihr kolportiert dass frau kelef mit einem steifen knie und einem dicken verband über den gasamten hinterlauf gesichtet worden sei).

frau kelef erzählte ihr also kurz was los sei, und die böse frau alterierte sich entsetzlich. was sie mit frau kelef alles mitmachen müsse, und aushalten, und so weiter und so fort. dieses kopfweh, und was die leute sagen, und überhaupt und alldieweil.

mein gott, sie macht sich sorgen, dachte frau kelef, um mich, sorgen, sie, meine mutter - hoppla, das stimmt was nicht, sagte die stimme der vernunft.

was, bitte, frug frau kelef also, hat das jetzt alles genau mit dir zu tun, böse frau? mein kind, mein knie, meine schmerzen, sogar ins krankenhaus schlepp ich das kind mit, du bist ein paar kilometer weit entfernt, keiner fragt dich ob du helfen kannst, also bitte, was musst du da aushalten und mitmachen???

ach, was geht mich dein knie an, meinte die böse frau, wirst schon selber schuld sein, hättest ja voriges jahr nicht in das auto steigen brauchen das dann den unfall gehabt hat, und bei dem du dir das knie verletzt hast, da kann doch ich nichts dafür.

aber damals, 1972, in münchen, bei den olympischen spielen, da warst du und die silvia, beide hostessen für die gleichen leute zuständig (vip-bereich), und du hast nur ein kind gekriegt, und die silvia hat jetzt einen könig. dass ich das überhaupt aushalt, was ich da mitmachen muss mit dir immer ...

frau kelef schaltete auf durchzug, es war ja nicht ihre telefonrechnung, und legte den hörer neben das telefon und liess die böse frau vor sich hinschimpfen, es kann also nicht kolpoertiert werden was sie noch alles zur sprache brachte in diesem moment, aber es dauerte zehn minuten bis sie den namen von frau kelef in den hörer brüllte, und das gespräch somit mit einem wohlerzogenen "jawoll, mama" beendet werden konnte.

sehen sie, das ist eines von den vielen dingen, die die böse frau wegen frau kelef erdulden musste: sie hat keinen könig zum schwiegersohn gekriegt. btw.: frau kelef hätte den damals gar nicht gewollt, und später auch nicht. da war ihr das kind immer viel lieber.

und frau kelef hofft sehr dass andere mütter nicht ein ähnlich grauenvolles schicksal erleiden wie die böse frau - kein könig als schwiegersohn, aber dafür eine enkeltochter, noch dazu eine ganz allerliebste. furchtbar, nicht wahr?

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