Samstag, 21. Dezember 2013
ganz und gar keine Weihnachtsgeschichte VI/VI
Die Schwester schluchzte und bekam vor lauter Reden und Weinen keine Luft, sie erzählte mir im Prinzip das, was ich schon wusste – ausgenommen natürlich die merkwürdigen Anschuldigungen gegen mich resp. uns. Immerhin aber: alle hatten ihren Bruder betrogen, und ihm für die ganzen wertvollen Dinge nix gegeben, alle hätten sich bereichert, und so weiter und so fort. Ausgerechnet ich, merkte ich vorsichtig an, sicher nicht, ich hab weder wie die T. gestorben ist noch wie der S. die Wohnung aufgelöst hat auch nur ein einziges Ding auch nur als Andenken haben wollen. Ja, meinte sie, das könnte ich ja leicht so sagen, das sei sicher ganz anders, aber auf jeden Fall verstehe sie das alles nicht, der S. sei doch ganz normal gewesen, als sie ihn zu der Pilzsauce mit Knödel eingeladen habe, er habe sich gefreut, und nur von Montag auf Dienstag verschoben, eben weil er zur Hausverwaltung wollte. Weswegen, wusste sie auch nicht.

Ob ich dort anrufen solle? Nein, das mache sie schon selber – war mir auch lieber, irgendwie, denn die Sache mit den beiden vollgefüllten Räumen dort war mir doch ein wenig unheimlich, und man sticht ja nicht gerne in Wespennester. Ich sagte ihr also, sie solle, wenn sie bei der Hausverwaltung anrufen sollte, daran denken dass da noch Sachen – ja, sagte sie, sie werde einen Kasten kaufen und alles, was dort und in der Wohnung sei, hineintun, das habe ihr Bruder aufheben wollen, das werde sie alles in Ehren halten. Ob ich was tun könnte? Nein, meinte sie, sie habe mir das nur sagen wollen weil sie wusste, dass die Katzen und die Vögel jetzt allein seien. Ich bedankte mich also, bedauerte und sagte, was man so sagt und was sowieso völlig sinnlos ist in so einer Situation.

Den Rest der Tage in Berlin verbrachten meine liebe Tochter und ich irgendwie ziemlich ferngesteuert. Frau Creezy kümmerte sich wohl sehr liebevoll um uns, aber was kann man in so einer Situation schon sagen oder tun? Wir trafen auch Frau Indica, und das war ganz formidabel, und wir machten auch ein wenig Stadtbesichtigung und so, aber je nun.

Samstags fuhren wir zurück, am Montag rief ich die Schwester an, und die blaffte mich an wie eine Irre, wie die Aasgeier kämen die Leute, und was ich denn wollte von ihr, das sei doch alles … Sie, sagte ich, ich will nix weiter als meine Wohnungsschlüssel, bitteschön, und das ist ja wohl verständlich. Wieso ich die von ihr wolle, die seien bei der Polizei. Sei mir auch recht, bei welcher Polizei bitte. Wisse sie jetzt auch nicht, und sie könne jetzt auch ganz schlecht reden, ich solle in ein paar Minuten wieder anrufen. Gesagt, getan. Wie die Aasgeier, und überhaupt, das sei doch, was ich denn von ihr wolle: na, immer noch meine Wohnungsschlüssel. Ja, die seien aber bei der Notarin. Auch gut, bei welcher bitte. Ich solle in ein paar Minuten noch einmal anrufen, da müsse sie erst nachschauen. Nach ein paar Minuten waren die Wohnungsschlüssel dann doch bei ihr, ein Nummernvergleich bestätigte das. Ich würde die dann bitte gerne wiederhaben. Irgendwann nächste Woche, meinte die G., nein, jetzt sozusagen, meinte ich. Wir konnten uns dann darauf einigen, dass ich eine Stunde später zu ihr kommen könne. Machte ich auch – zehn Minuten zu Fuß. Und dann läute ich, und sie macht die Türe auf, und sieht aus wie die junge T., nur mit weißen Haaren. Ich dachte, mich trifft der Schlag. Die Größe, die Frisur, die Backenknochen, die dunklen Augen, die braungebrannte Haut (nur wäre die T. nie in ein Solarium gegangen, die legte sich in die Sonne oder sie war eben blass).

Wie die Aasgeier sind alle, alle kommen und wollen was haben, was ich denn noch alles wolle, schrie mich die G., mit den Sauerstoffschläuchen in der Nase, an. Meine Wohnungsschlüssel, hier bitte: meine Zweitexemplare zum Nummernvergleich, danke vielmals. Unterschreiben tu ich auch gerne: habe meine Wohnungsschlüssel wieder erhalten. Sie wolle aber noch mit mir reden, was denn nun geschehen sei, sie verstehe das alles nicht, der S. sei doch so normal gewesen und habe sich so auf ihre Pilzsauce mit Knödeln gefreut, gesundheitlich sei es ihm auch wieder gut gegangen, das starke Cortison habe ihm genauso gut geholfen wir ihr auch immer, und dann das. Ja, ich wüsste auch nicht mehr, sagte ich. Jedenfalls, das sei alles nicht mit rechten Dingen zugegangen, der S. hätte viel mehr bekommen müssen, was für Leute ich denn da … Sie, sagte ich, die Leute mit denen ich beim S. gewesen bin haben ihm zu wenig geboten für die Dinge, von denen er sich trennen wollte, ein paar Dinge hätte man wohl schätzen lassen können, aber die wollte er behalten. Ob ich eigentlich wüsste, was die Bücher alle gekostet hätten, und die Möbel, und das Geschirr, das hätten sicher alle gerne. Sie, sagte ich, ich HAB Geschirr, zum Kochen, zum Essen, und Besteck und Gläser, was soll denn das? Ja, aber das war alles so wertvoll, und jetzt … wie die Aasgeier, jeder will was. Ich war ein wenig verstört. Was war da los? Sie sei so krank, ich sehe doch, da hinge sie am Sauerstoff, und kriege trotzdem keine Luft. Na ja, das ist schlimm, das ist schon klar, aber … Und wo überhaupt sei denn das ganze Gewand von der T. hingekommen, da sei doch so viel dagewesen, habe der S. gesagt, und Koffer, und überhaupt so viele Sachen. Die T., sagte ich, ist seit bald fünf Jahren tot, und was bitte hätte ich wohl mit Kleidungsstücken der T. machen sollen, die war so groß wie sie, also rund 15 cm kleiner als ich! Eben, meinte die G.. Ich war noch verstörter, aber immerhin wusste ich, dass die Schwester der T. aus Kärnten, also die, von der damals auch viele Kinderkleider gekommen waren, die genannten Koffer mit Dingen, die sie haben wollte, mitgenommen hatte – zumindest hatte mir der S. das so erzählt. Ob ich von der in Kärnten eine Adresse hätte – nein, hatte ich nicht. Wie die Aasgeier, und was ich denn … Sie, sagte ich, noch einmal: ich wollte nix, ich will nix, ich bin wegen meiner Wohnungsschlüssel gekommen, wenn ich ihnen helfen kann sagen sie mir das, sonst geh ich jetzt. Und das wolle sie mir nur gesagt haben, sie werde alles von ihrem Bruder aufheben, schrie sie, alles, nix werde sie hergeben. Konnte ich mir dann doch nicht verkneifen sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie gerade über in Summe 450 wohlgefüllte Bananenkartons entschied; das, meinte sie, komme nur daher dass ich ihr das nicht vergönne.

Eigentlich sei mir das alles egal, sie solle nur vorsichtig sein denn da seien ja auch noch die Kreditschulden, und wenn sie das eine annähme dann hätte sie möglicherweise – da würde ich mich nicht auskennen, meinte sie, so ein Kredit sei ja versichert, das habe damit nichts zu tun. Na denn. Ich verabschiedete mich also.

Und dann hatte ich da ja eigentlich die Bestätigung für das, was mir so latent im Hinterkopf geschlummert hatte, und was wir schon in Berlin geargwöhnt hatten, und Frau Creezy aus dem Stegreif diagnostiziert hatte als wir ihr von dem merkwürdigen Verhalten des S. erzählt hatten: ein Psychose-Schub. Im vorliegenden Fall – meinen unmaßgeblichen medizinischen Kenntnissen zufolge – auf die hohen Cortison-Dosen zurückzuführen. Denn dass psychische Erkrankungen und Cortison nicht zusammenpassen, ebenso wie Cortison und starke psychische Belastungen, das ist ja nun wirklich sattsam bekannt.

Also ruf ich, brav wie ich bin und das gelernt hab, den behandelnden Lungenfacharzt an und erzähle ihm kurz dass sich sein Patient S. X. in der Woche davor erhängt habe. Warum ich ihm das erzähle, fragt mich der allen Ernstes. Also noch mal von vorne: Patient sowieso, geboren am sowieso, jaja, sagt der Herr Dr., der hat Cortison schon ziemlich hochdosiert bekommen. Und hat er ihnen erzählt, wieso es ihm so schlecht geht? Ja, meint der Herr Dr., Frau gestorben, und jetzt die Sache mit der Wohnung. Und was wollen sie jetzt von mir? Soll ich ihnen eine Adresse geben von Leuten mit denen sie sprechen können? Nein, eigentlich wollte ich, dass der Herr Dr. eine Nebenwirkungsmeldung macht. Wozu, schwere psychotische Schübe bei hohen Cortisondosen seien doch ohnedies bekannt. SIE! Der Mann hat sich umgebracht, Psychose und Suizid innerhalb von nicht einmal 36 Stunden! Und im Übrigen sei die Schwester des betreffenden Patienten, die Frau G., auch bei ihm in Behandlung, das Asthma sei ja genetisch bedingt, und sie bekomme ebenfalls hochdosiertes Cortison, sei zu Recht traumatisiert und reagiere doch höchst aggressiv und unlogisch, vielleicht sollte man auf die Dame ein Auge haben. Und da sagt der Dr. drauf: Na gut, wenn es sie beruhigt, dann mache ich mir eine Aktennotiz. Nein, sag ich, sie müssen eine Meldung an die AGES machen. Wo das denn stünde, fragt mich der Dr. allen Ernstes. Und, wie der Teufel es haben will, wusste ich nicht nur dass das im Arzneimittelgesetz steht, sondern auch noch in welchem Paragraphen. Dann werde er das halt machen, man werde ja sehen was die AGES dazu sagt.

Natürlich hat der Herr Dr. keine Meldung an die AGES gemacht, ich habe das höchst gewissenhaft überprüft, und es dann eben selber erledigt. Geht höchst unkompliziert und online. Und tatsächlich ist die AGES dann ebenso sauer gewesen wie ich, aus ganz genau den gleichen Gründen. Denn ja, es ist bekannt dass sowas passiert, und das war ja auch der Grund warum ich dem S. siebenhundertdrölfzig Mal aufgetragen habe, dem Herrn Facharzt genau zu sagen warum und wieso und weshalb, und das hat der S. ja ganz offensichtlich auch brav gemacht. Und wie, ganz nebenbei, glaubt so ein Facharzt, kommen die Nebenwirkungen mitsamt den Häufigkeitsangaben in die Beipackzettel? Der Frau Apothekerin hier habe ich die Geschichte kurz erzählt, die schaute mich an und meinte: Oh. Die Schuld gehört dem Herrn Dr. aber ganz alleine. Die AGES war ja nicht ganz so deutlich, aber doch.

Was bleibt, sind trotz allem die Selbstvorwürfe. Was tut man in so einem Fall wirklich? Der Freund meiner Tochter hat versucht, den S. zu treffen, damit er ihn im Zweifelsfall zu einem Arzt resp. in ein Krankenhaus bringen kann, er hat versucht ihn in seiner Wohnung zu finden, in der Umgebung Ausschau gehalten, er hat getan was er konnte. Wir haben versucht ihn telefonisch zu erreichen. Wenn ein Mensch zusagt, dass er kommt, und dann kommt er nicht, muss man tatsächlich immer sofort das Schlimmste befürchten? Muss man kontrollieren, ob jemand, der verwirrte Vorwürfe macht, tatsächlich bei der Schwester zum Essen erscheint, besonders, wenn man weder die Schwester noch deren Namen und Adresse kennt? Die Türe aufbrechen lassen um zu schauen ob der Mensch da ist, aber mit welcher Begründung, und was dann? Die Polizei rufen, und der was erzählen? Dass jemand verwirrt geredet hat, und man jetzt nicht weiß wo er ist? Die Polizei hat mir gesagt, sie kommen nur bei Gefahr in Verzug, also wenn jemand an Leib und Leben gefährdet ist – kann man das nach Telefonaten, in denen keinerlei Drohung ausgesprochen wurde, sagen? Kann man von drohender Suizidalität ausgehen, wenn jemand sagt, dass er eine Woche später mit einem über dies und jenes ernsthaft reden will? Muss man in so einem Fall zur Sicherheit des Patienten lügen und sagen, er habe einen mit dem Umbringen bedroht, oder mit dem Abfackeln von Häusern, oder der Sprengung des Parlaments?

Und wenn man den Menschen nicht findet, und man geht zur Polizei und erzählt denen, dass da was passiert sein könnte? Suchen die den dann? Mit Personsbeschreibung: ca. 50 Jahre alt, 175 cm groß, braune Augen, längere gelockte braune Haare, sehr schlank, Kleidung unbekannt, trägt wahrscheinlich eine Kappe und eine Umhängetasche oder eine andere Tasche? Ist vermutlich irgendwo in Wien unterwegs?

Die Rettung kommt nur, wenn ein Arzt sie ruft und sicherlich kein Verdacht auf Fremdverschulden vorliegt, ansonsten: Polizei. Und die ruft dann, wenn sie es für angebracht hält, die Rettung. Wie erklärt man einem Polizisten, dass die – sogar wenn wir den S. erwischen und festhalten hätten können – für einen Unbeteiligten nicht unlogisch klingenden Vorwürfe reine Hirngespinste sind, und vermutlich auf medikamentösen Einfluss zurückzuführen sind – denn Alkohol hat der S. ja nie getrunken, und „genommen“ hat er nur die Medikamente, die ihm der Arzt verschrieben hat, sonst mit Sicherheit nichts. Und wie kann man dann in der gebotenen Schnelligkeit nicht nur die Polizei, sondern auch die möglicherweise doch herbeigerufenen Rettungsärzte davon überzeugen, dass da was nicht stimmt? Und dann muss man das dem Rettungsarzt – der womöglich nur ein Sanitäter ist – so erklären, dass der das dann im Krankenhaus auch der Aufnahme und diese das dann dem Arzt erklären kann, denn als Nicht-Angehöriger darf man den Patienten ja nicht begleiten. Würde der Patient – wohlgemerkt, in diesem psychischen Ausnahmezustand – auch willig mit der Rettung mitfahren und dort nach dem ganzen Prozedere, das bekanntlich Stunden in Anspruch nehmen kann, dem Arzt wahrheitsgemäß alle zur Beurteilung der Situation notwendigen Angaben, in diesem Fall die halbe Lebensgeschichte, erzählen, und würde der Arzt die richtigen Schlüsse daraus ziehen? Wäre es möglich gewesen, meinen zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verdacht per Telefon einem Arzt so plausibel zu machen, dass dieser die entsprechenden Untersuchungen gemacht hätte? Und wie hätte ich diesen Arzt wohl erreichen können?

Was bleibt, sind die Vorwürfe, die man sich macht. Und die Fragen nach dem, was man übersehen hat, was man – in diesem Fall ganz eindeutig ich – hätte tun können, sollen, müssen.


Am 24.12.2013 hätte der S. seinen 51. Geburtstag gefeiert.

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Ach. Je.

Nun also der Rest der Geschichte. Gut, dass Sie es aufgeschrieben haben.

Dass es ernst ist, sehe ich daran, dass Sie sogar Großschreibung verwendet haben.

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"Die Polizei rufen, und der was erzählen? Dass jemand verwirrt geredet hat, und man jetzt nicht weiß wo er ist?"

genau das. Zumindest in Deutschland wäre genau das der Weg der Wahl. Mit Details (Cortison kann psychotische Schübe auslösen, bekommt hochdosiertes Kortison) und auch dem Hinweis auf das Verhalten des Hrn Dr.

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Leider will die Polizei aber wissen, inwiefern genau der Mensch "verwirrt" redet. "Er glaubt, dass er bei der Wohnungsauflösung vor Wochen von allen betrogen worden ist, das sagen auch seine Schwester und seine Schwägerin!" - das wäre wohl für niemanden ein Grund, einen Menschen zu suchen.

Und dass sich ein erwachsener Mensch nicht am Telefon meldet - das können Sie von mir sehr oft haben, ohne jede böse Absicht.

Dass S. hochdosiertes Cortison bekommen hatte, und der Herr Dr. - wie es scheint - keine Rücksicht auf S. psychischen Zustand genommen hatte, stellte sich erst heraus, als ich schon wieder in Wien war. Ich hielt es zwar für möglich, dass das der Grund war, aber genauso gut hätte es "nur" eine Aufhetzerei durch die beiden Damen sein können. Was bei dem - möglicherweise wahrgenommenen - Termin bei der Hausverwaltung gewesen ist, weiss auch niemand.

Die Frau hier, der ein Viertel des Hauses in dem ich wohne, gehört, redet einmal in der Woche verwirrt, und ihre Äusserungen haben in 50% der Fälle den gleichen Inhalt: "meine Schwester hat mich betrogen, meine Kinder haben mich betrogen, der Sachwalter ist ein Verbrecher, meine Mutter war ein A...loch, ...". Das geht so seit fünf Jahren. Manchmal wirft sie auch mit Gegenständen im Stiegenhaus herum: Blumenstöcke, Messer, Töpfe. Ruft man die Polizei, und die kommt dann nach Stunden, und sie ist da und macht die Türe auf, dann sagen sie ihr, sie soll das nicht machen, und sowas sagt man nicht, und dann gehen sie wieder. Wenn sie nicht da ist, dann machen die Polizisten eine Notiz zum Sachverhalt.

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Die Polizei muß nachfragen, aber das tun sie auch und zumindest hier nehmen sie das ernst.

Das man als Erwachsener nicht ans Telefon geht, ist wirklich nicht verdächtig. Aber der Rest.

Das wird eine Weile dauern zu erklären, aber die Polizei ist für genau sowas da. Ich habe mich da schlau gemacht, da Mutter öfters mit Selbstmord drohte. Ich denke zwar nicht, daß sie das jemals tun wird, aber irgendwann war ich es leid und habe, als ich an der Wache vorbeikam, nachgefragt.
Außerdem hat meine Tante eine Neigung zum dramatischen Verschwinden. Zwischedrin standen auch schon mal 2 Beamte vor der Tür, mich fragen, ob ich weiß, wo sie stecke, und sollte ich sie sehen, bitteundsoweiter.

Sollte der psychotische Schub die Person auffällig machen, weiß die Polizei, an was sie ist.

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Wo bitte hätte die Polizei nachfragen sollen? Bei der Schwester, deren Namen und Adresse wir nicht wussten, und die zudem mit Sicherheit ebenfalls gesagt hätte, man hätte ihren Bruder betrogen? Dass das nicht so war wie sie meinte wussten der Bruder A. und wir, aber das dumme Gerede ging ja von ganz woanders aus. Zudem beschwört diese Schwester ja immer noch, dass S. ihr völlig normal erschienen sei.

Wenn jemand mit Selbstmord, Gewalttaten oder was auch immer droht, ist das eine Sache. Wenn jemand sich am Telefon aus in Wien von einem Gesprächsteilnehmer in Berlin mit den Worten "na gut, klären wir das nächste Woche wenn ihr wieder in Wien seid" verabschiedet, dann ist das eine andere Sache.

S. hatte keine Neigung zum dramatischen Verschwinden, sondern er hat sich - um mit den Worten der T. zu sprechen - bei Konflikten oder wenn er ein schlechtes Gewissen hatte - immer wieder "einfach auf ein paar Tage ausgeblendet". Das waren wir ca. ein Vierteljahrhundert lang so gewohnt.

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Frau kelef, ich glaube nicht, dass Sie mehr hätten tun können (außer vielleicht einmal die Schwestern ordentlich zusammenzufalten, aber das ging an jenem Tag nun auch wieder nicht). Sie waren S. eine gute Freundin, und dass hat er ganz gewiss auch gewusst.

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Ach, Frau arboretum, ich kannte die Schwester und die Schwägerin doch vorher gar nicht, die Schwester habe ich erst kennengelernt als schon alles vorbei war. Da die T. mit den Geschwistern des S. nicht viel anfangen konnte - da waren einfach zu grosse Unterschiede - hatte sich der Kontakt zwischen den Geschwistern zwanzig Jahre lang sehr in Grenzen gehalten. Im Nachhinein betrachtet scheint der Bruder A. auch recht gehabt zu haben als er sagte: "der S. ist bei Weitem der Gescheiteste von uns."

An der Wohnungstür stand übrigens der Name der Schwester aus der vorigen Ehe, es wäre also auch nicht einfach gewesen der Polizei zu verklickern dass da möglicherweise jemand drinnen ist der da zwar gemeldet ist, aber einen ganz anderen Namen hat als den, der an der Tür steht, während der Mietvertrag der Wohnung auf jemanden lautet, der wiederum anders heisst und wiederum ganz woanders wohnt, was so eigentlich nicht sein hätte dürfen, weil es sich ja um eine Gemeindewohnung und ein stillschweigendes Übereinkommen mit der Hausbesorgerin, die wiederum eine Freundin der Schwägerin, die wiederum gut befreundet mit irgendwem bei der Gemeinde, was man aber wiederum nicht laut sagen darf, weil ja eigentlich unzulässig.

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Dass hatte ich auch so verstanden, dass Sie die Schwester vorher gar nicht kannten. Aber so wie die sich Ihnen gegenüber an jenem Tag aufgeführt hat, hätte die mal zusammengefaltet gehört (genau wie die andere, die da Hetzreden führte). Aber das ging ja an dem Tag nicht, Pietät und so.

Als diese beiden Schwestern auf der Bildfläche erschienen, war mir klar, dass die Geschichte schlimm enden würde. Und was Sie so von den Mauscheleien hinsichtlich der Gemeindewohnung erzählen, wirft die Frage auf, ob der S. dort hätte wirklich für immer wohnen bleiben können. Oder ob da auch noch Ärger gedroht hätte.

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Angeblich hätte sich das mit der Wohnung regeln lassen, war praktisch alles in die Wege geleitet, aber eine Gemeindewohnung kann man hier erst als Hauptmieter übernehmen wenn man in keiner anderen Wohnung mehr als Hauptmieter aufscheint. Und die andere Wohnung hatte S. erst mit Ende September gekündigt.

Die Schwester zusammenfalten - die Schwägerin lernte ich ja nie kennen - wozu? Eine schwer kranke Frau, die am Sauerstoffgerät herumhampelt, und beschwört dass der S. an eben dem Tag, an dem er uns doch sehr merkwürdig erschien, völlig normal vorgekommen sei? Damit dann noch ein Unglück passiert? Ich kann so schon sehr schlecht schlafen.

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Nein, nicht deshalb, sondern weil sie sich Ihnen gegenüber unmöglich aufführte. All diese haltlosen Verdächtigungen, mit denen sie schon den S. wuschig gemacht hatte, und dann auch noch diese Brüllerei. Aber wie schon zweimal gesagt, das ging an dem Tag eh nicht (und ich schrieb ohnehin "außer vielleicht ...").

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Über ein zur Rede stellen der Schwester habe ich kurz nachgedacht, aber ob sie mir nun was unterstellt oder nicht ist mir, ehrlich gesagt, vollkommen egal.

Dass sie den S. in der Situation, in der er sich befand, durch derlei Herumgerede ziemlich durcheinander gebracht hat, und dass ihre Typ-Ähnlichkeit (von der ich ja vorher auch nichts wusste) mit der T. natürlich nicht einfach für den S. war, das ist mir schon klar.

Aber auf einen schwerkranken Menschen, der psychisch zudem sowieso auch in einem Ausnahmezustand ist, draufhauen, das bringe ich einfach nicht fertig, ganz egal aus welchem Grund und zu welchem Zeitpunkt. Und was würde es bringen, was würde es ändern?

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Ich stell hier meinen Teil der Geschichte dazu
Ich wusste kaum etwas über ihn. Vor allem wusste ich nicht, wie damit umgehen, dass er mir als so gut wie Unbekanntem erst erzählen wollte, wie es zu all dem gekommen ist und er dann plötzlich nicht mehr erreichbar war. http://www.werquer.com/blog/2013/10/er-versuch-eines-abschieds/

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Schade, Frau kelef, dass Sie sich so an einer in Klammern gesetzte Randbemerkung von mir hochziehen und weniger auf das Wesentliche in meinem Kommentar achten. Ich denke, ich habe ausreichend erläutert, wie sie gemeint war und mag es auch nicht totdiskutieren.

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Das tut mir sehr leid. Alles. Selbstbeschuldigende Vorwürfe helfen jetzt nicht mehr. Sonst auch nix. Normalerweise gibt man immer das möglichst beste. Das war bei Ihnen sicher auch so. Was hätten Sie den von Berlin aus tun sollen? Jetzt kann eben nur noch die Zeit helfen, wie immer.
Es ist so schade.

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ich habe den todesfall damals mitbekommen und oefter daran gedacht. danke fuer diese ausfuehrliche lebensgeschichte. eine so traurige geschichte. am traurigsten und schwersten ist es jetzt wohl zu akzeptieren, dass sie unter genau diesen umstaenden nichts haetten ausrichten koennen.

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... heute bin ich, nach langer zeit, wieder hier gelandet. sie wissen, warum. :)
und ich hab mich fest gelesen und gebissen an ihrer nicht-weihnachtsgeschichte. ich kann gut verstehen, dass es ihnen damit nicht gut geht. ich denke, die fragen bleiben immer. egal, wieviel man vorher getan hat. oder auf wieviele kleinigkeiten man noch geachtet hat. ich glaube, manche dinge passieren unweigerlich. die kann man nicht verhindern. aber die fragen bleiben dennoch. weil man sich einen anderen ausgang der geschichte wünscht. und man es doch so gerne dahin beeinflußt hätte.
ich hoffe, sie haben mittlerweile ein bisschen ihren frieden damit machen können.
ich bewundere übrigens ihre courage. ihre einsatzbereitschaft, die meldung, die der arzt hätte machen müssen, zu machen. das hat mich schon oft in ihren beiträgen hier beeindruckt. sie machen einfach. das gefällt mir. :)
ganz herzliche grüße
die frau s.

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irgendwie muss man immer frieden machen mit solchen ereignissen. man kann im nachhinein nichts ändern. und es hätte wohl auch keine möglichkeit gegeben, das alles so vorauszusehen oder zu verhindern. shit happens.

und die meldung bei der behörde: je nun. da hab ich an der erstellung all dieser richtlinien mitgearbeitet, und an der implementierung, und immer wieder meinen senf dazugegeben, und dann ich weiss nicht wie viele schulungen dazu erlebt - da muss man dann doch selber auch was tun. besonders, weil das ja ein sehr vernünftiges system ist, wie ich finde, also sollte jeder andere auch was tun wenn ihm was komisch vorkommt. die zuständigen stellen prüfen dann schon, ob weiter was zu tun ist oder nicht, das weiss ich ganz genau. aber einer muss eben immer anfangen. das bin halt dann oft ich. ich hab ja sonst nix zu tun, oder so.

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