Samstag, 21. Dezember 2013
ganz und gar keine Weihnachtsgeschichte IV/VI
kelef, 00:11h
Es ging dann alles über die Bühne, die Küche wechselte den Besitzer tatsächlich über Ebay, der S. bekam auch Geld dafür: dreihundert Euro netto. Allerdings wollte die Hausverwaltung dann in der Wohnung den im Mietvertrag beinhalteten Gasherd und die Abwasch wieder haben – dass da kein Gasanschluss mehr war, interessierte niemanden. Dass die Stromleitungen allesamt den neuesten Anforderungen entsprachen, übrigens auch nicht. Der S. ließ also einen Gasherd und eine Abwasch hinstellen, ausgemalt wurde auch. Ein paar Gegenstände konnte er verkaufen, aber weit unter seinen Vorstellungen.
Mit den Schallplatten und dem S. war der Freund meiner Tochter zu einem vertrauenswürdigen Händler gefahren, der für alle Platten zusammen weniger bot als der Freund meiner Tochter für einen kleinen Stapel geboten hatte. Da nahm der S. die Schallplatten wieder mit nach Hause. Der Freund der Tochter meinte damals, der S. sei der traurigste Mensch, den er je kennengelernt habe.
Ein anderer Freund hatte das alles auch nicht mit ansehen können und kaufte dem S. ein paar Sachen ab, die er eigentlich nicht brauchte.
Und so weiter.
Leider hatte der S. auch einen Kredit von der T. übernommen im Zuge der Erbschaft, und durch die ganze finanzielle Misere war da eine gröbere Summe offen, aber wenn wir so nachrechneten, dann sollte sich das jetzt alles ganz gut in einem überschaubaren Zeitrahmen erledigen lassen. Die T., sagte er, hätte ihm ohnehin aufgeschrieben dass er mit allen Erledigungen zu mir kommen solle, ich würde ihn sicher gut beraten, aber er habe mich nicht belästigen wollen, und jetzt – ach geh, sagte ich, passt schon, jetzt kriegen wir das auch noch auf die Reihe.
Immer wieder redete ich dem S. zu, er solle zum Arzt gehen, er werde immer weniger. Ich kannte ihn ja lange genug, er war immer dürr, aber da hatte er wohl nur mehr etwas über die 40 Kilo. Wir trafen uns oft, im Sommer sitz ich gerne am Abend in einem Schanigarten herum, der S. war eine angenehme Gesellschaft, und vertrug sich mit jedem. Und wenn ich zwanzigmal sagte, S., iss was und trink was, dann tat er das auch brav. Denn mit dem Trinken hatte der S. es nicht so, da hatte die T. schon immer geschimpft: dem reichen an Flüssigkeit fünf große Mokka am Tag. Der S. war auch – wenn er Luft bekam – für seine Verhältnisse richtig gesprächig geworden: ich sei ja der einzige Mensch, mit dem er noch über die T. reden könnte, zu seiner Verwandtschaft war ihr Verhältnis nicht so gut gewesen, und ab einem gewissen Alter werden die Menschen um einen immer weniger, Kontakte verfliegen sich, es war niemand mehr da der die T. so lange gekannt hatte wie ich.
Ende September hat der S. die Wohnung übergeben. Es schien ihm ein Stein vom Herzen gefallen zu sein. Er würde jetzt, meinte er, seine neue Wohnung fertig basteln und dann Zug um Zug die Sachen aus den Zwischenlagern übersiedeln, und sich dann zumindest von alten Zeitschriften etc. trennen. Es müsse doch weitergehen. Ob ich ihm dann ein wenig Kochen beibringen könnte? Und ihm wieder so Geselchtes und Würstl vom Land besorgen? Klar, machen wir, meinte ich. Überhaupt wolle er jetzt wieder auf seine Gesundheit schauen, beim Arzt sei er schon gewesen, es ginge ihm besser. Infusionen habe er bekommen, und Tabletten, und Luft kriege er auch wieder. Hast ihm alles erzählt, fragte ich, ja, sagte er, alles, auch von der Wohnung und der Anstrengung und dass mich das schon sehr belastet. Er habe wieder Medikamente verschrieben bekommen, und er sah auch tatsächlich besser aus. Und ja, versicherte er mir noch einmal, er habe dem Arzt alles erzählt.
Ein bisserl Beschäftigung hatte ich auch wieder für ihn in Aussicht – nix Anstrengendes, mehr so Anwesenheitsdienst, aber fünf Minuten von seiner Wohnung entfernt, und nur was für wirklich verlässliche Leute. Das freute den S., nix tun sei ja nicht so seines, aber können und wollen sind halt manchmal verschieden.
Er hatte im Sommer die Katzen und Pflanzen meiner Tochter versorgt, mit Tieren konnte der S. immer gut, sogar Dat Julchen, bekannt als: „sie kenn ich nicht, mit ihnen sprech ich nicht“ kam immer zu ihm auf den Schoss und knutschte. Und von Pflanzen verstand er unglaublich viel.
Nun hatte mir meine liebe Tochter zum 60. Geburtstag einen Ausflug nach Berlin geschenkt, und was lag also näher als den S. zu fragen ob er wohl eine Woche lang Katzen und Piepkis füttern und tränken könnte? Er wohnte ja jetzt nur fünf Minuten entfernt. Klar, mach ich gerne, das weißt du doch, meinte er. Am Samstagabend kam er also, die Wohnung kannte er sowieso, ich erklärte ihm nochmal alles, wir tratschten über Gebühr lang, ich gab ihm noch ein Fresspaket mit und begleitete ihn bis vor seine Haustür, Frau Pixy musste ja auch noch einmal runter. Frau Pixy war – wie alle Tiere – ganz fest mit dem S. befreundet, und das bis-nach-Hause-begleiten machte sie ganz von selber: sie wusste genau, wo ihr Freund wohnt und hoppelte rücksichtsvoll ein wenig langsamer als sonst. Bringt viele Fotos mit, sagte der S. zum Abschied, ich freu mich schon wenn ihr mir alles erzählt.
Am 13.10., Sonntag früh, fuhren wir also los, nachmittags rief der S. an, ob ich sicher sei dass er alle Lampen brennen lassen solle, der Strom – S., sagte ich, das sind alles Sparlampen, das telefonieren kostet mehr als der Strom. Okay, sagte er.
Sonntagabend waren wir in Dresden, trafen eine Dame aus dem Internetz, und hatten einen lustigen Abend. Am Montag gondelten wir durch die Niederlausitz, kauften ein paar Orchideen und Tillandsien, auch für den S., tranken Kaffee in Cottbus, schauten uns Eisenhüttenstadt „30 Jahre danach“ an, und schlugen am Abend in Berlin auf.
tbc.
Mit den Schallplatten und dem S. war der Freund meiner Tochter zu einem vertrauenswürdigen Händler gefahren, der für alle Platten zusammen weniger bot als der Freund meiner Tochter für einen kleinen Stapel geboten hatte. Da nahm der S. die Schallplatten wieder mit nach Hause. Der Freund der Tochter meinte damals, der S. sei der traurigste Mensch, den er je kennengelernt habe.
Ein anderer Freund hatte das alles auch nicht mit ansehen können und kaufte dem S. ein paar Sachen ab, die er eigentlich nicht brauchte.
Und so weiter.
Leider hatte der S. auch einen Kredit von der T. übernommen im Zuge der Erbschaft, und durch die ganze finanzielle Misere war da eine gröbere Summe offen, aber wenn wir so nachrechneten, dann sollte sich das jetzt alles ganz gut in einem überschaubaren Zeitrahmen erledigen lassen. Die T., sagte er, hätte ihm ohnehin aufgeschrieben dass er mit allen Erledigungen zu mir kommen solle, ich würde ihn sicher gut beraten, aber er habe mich nicht belästigen wollen, und jetzt – ach geh, sagte ich, passt schon, jetzt kriegen wir das auch noch auf die Reihe.
Immer wieder redete ich dem S. zu, er solle zum Arzt gehen, er werde immer weniger. Ich kannte ihn ja lange genug, er war immer dürr, aber da hatte er wohl nur mehr etwas über die 40 Kilo. Wir trafen uns oft, im Sommer sitz ich gerne am Abend in einem Schanigarten herum, der S. war eine angenehme Gesellschaft, und vertrug sich mit jedem. Und wenn ich zwanzigmal sagte, S., iss was und trink was, dann tat er das auch brav. Denn mit dem Trinken hatte der S. es nicht so, da hatte die T. schon immer geschimpft: dem reichen an Flüssigkeit fünf große Mokka am Tag. Der S. war auch – wenn er Luft bekam – für seine Verhältnisse richtig gesprächig geworden: ich sei ja der einzige Mensch, mit dem er noch über die T. reden könnte, zu seiner Verwandtschaft war ihr Verhältnis nicht so gut gewesen, und ab einem gewissen Alter werden die Menschen um einen immer weniger, Kontakte verfliegen sich, es war niemand mehr da der die T. so lange gekannt hatte wie ich.
Ende September hat der S. die Wohnung übergeben. Es schien ihm ein Stein vom Herzen gefallen zu sein. Er würde jetzt, meinte er, seine neue Wohnung fertig basteln und dann Zug um Zug die Sachen aus den Zwischenlagern übersiedeln, und sich dann zumindest von alten Zeitschriften etc. trennen. Es müsse doch weitergehen. Ob ich ihm dann ein wenig Kochen beibringen könnte? Und ihm wieder so Geselchtes und Würstl vom Land besorgen? Klar, machen wir, meinte ich. Überhaupt wolle er jetzt wieder auf seine Gesundheit schauen, beim Arzt sei er schon gewesen, es ginge ihm besser. Infusionen habe er bekommen, und Tabletten, und Luft kriege er auch wieder. Hast ihm alles erzählt, fragte ich, ja, sagte er, alles, auch von der Wohnung und der Anstrengung und dass mich das schon sehr belastet. Er habe wieder Medikamente verschrieben bekommen, und er sah auch tatsächlich besser aus. Und ja, versicherte er mir noch einmal, er habe dem Arzt alles erzählt.
Ein bisserl Beschäftigung hatte ich auch wieder für ihn in Aussicht – nix Anstrengendes, mehr so Anwesenheitsdienst, aber fünf Minuten von seiner Wohnung entfernt, und nur was für wirklich verlässliche Leute. Das freute den S., nix tun sei ja nicht so seines, aber können und wollen sind halt manchmal verschieden.
Er hatte im Sommer die Katzen und Pflanzen meiner Tochter versorgt, mit Tieren konnte der S. immer gut, sogar Dat Julchen, bekannt als: „sie kenn ich nicht, mit ihnen sprech ich nicht“ kam immer zu ihm auf den Schoss und knutschte. Und von Pflanzen verstand er unglaublich viel.
Nun hatte mir meine liebe Tochter zum 60. Geburtstag einen Ausflug nach Berlin geschenkt, und was lag also näher als den S. zu fragen ob er wohl eine Woche lang Katzen und Piepkis füttern und tränken könnte? Er wohnte ja jetzt nur fünf Minuten entfernt. Klar, mach ich gerne, das weißt du doch, meinte er. Am Samstagabend kam er also, die Wohnung kannte er sowieso, ich erklärte ihm nochmal alles, wir tratschten über Gebühr lang, ich gab ihm noch ein Fresspaket mit und begleitete ihn bis vor seine Haustür, Frau Pixy musste ja auch noch einmal runter. Frau Pixy war – wie alle Tiere – ganz fest mit dem S. befreundet, und das bis-nach-Hause-begleiten machte sie ganz von selber: sie wusste genau, wo ihr Freund wohnt und hoppelte rücksichtsvoll ein wenig langsamer als sonst. Bringt viele Fotos mit, sagte der S. zum Abschied, ich freu mich schon wenn ihr mir alles erzählt.
Am 13.10., Sonntag früh, fuhren wir also los, nachmittags rief der S. an, ob ich sicher sei dass er alle Lampen brennen lassen solle, der Strom – S., sagte ich, das sind alles Sparlampen, das telefonieren kostet mehr als der Strom. Okay, sagte er.
Sonntagabend waren wir in Dresden, trafen eine Dame aus dem Internetz, und hatten einen lustigen Abend. Am Montag gondelten wir durch die Niederlausitz, kauften ein paar Orchideen und Tillandsien, auch für den S., tranken Kaffee in Cottbus, schauten uns Eisenhüttenstadt „30 Jahre danach“ an, und schlugen am Abend in Berlin auf.
tbc.
... comment