Freitag, 20. Dezember 2013
ganz und gar keine Weihnachtsgeschichte I/VI
kelef, 06:58h
T. lernte ich ein paar Monate, bevor meine Tochter zur Welt kam, kennen. Sie hat die ganze Geschichte damals live und in Farbe miterlebt, und mir sehr geholfen – ich glaube, mein Kind hatte in den ersten Jahren zu 50% nur Kleidung, die bei den zahlreichen Geschwistern der T. zusammengesammelt worden waren. T. war vielleicht 1,60 m groß, geschieden, mehr als zehn Jahre älter als ich, hatte einen guten Job und war, wie man so sagt, eine wilde Hummel – war ja auch eine andere Zeit. T. hatte vier Geschwister, der Vater war Musiker gewesen, die Zeiten keine besonders guten in ihrer Kindheit, ihr Traum war immer: eine große Wohnung, mit allem Pipapo, jedes Eckchen und jedes Fleckchen liebevoll und detailliert gestaltet. Sie sammelte Bilder, Bücher, Schallplatten, Keramiken, von Jugendstil über modern bis avantgardistisch, sie führte ein gastfreundliches Haus, und es war immer eine Menge Trubel um sie herum. T. habe ich nie nachlässig gekleidet gesehen, immer geschminkt, gestylt, sie hatte da einen ganz eigenen Stil.
Beziehungen waren so eine Sache bei der T.. Sie war ziemlich eifersüchtig, und irgendwie kam sie auch immer an Männer, auf die auch andere Frauen gerne ein Auge warfen. Dass sie meist mehr wusste und konnte und verdiente als die anderen Frauen in ihrem Umfeld war nicht gerade hilfreich dabei, denn irgendwie wollten die ihr wiederum eins auswischen, und man weiß ja wie Weiber sein können.
So kurz vor fünfzig war sie wieder einmal solo. Sie hatte vorher alles über den Haufen geschmissen, den Job gekündigt und war mit einem – platonischen, bitteschön – Freund ein dreiviertel Jahr lang durch Südamerika getourt. Wenn ich das nicht jetzt mache, dann mache ich das nie, meinte sie. Als sie wieder zurück war, gestaltete sich die Arbeitssuche nicht einfach, und so jobbte sie eben nebenbei in allen möglichen Jobs, unter anderem auch beim Donauinselfest als Kellnerin.
Dann rief sie mich an und erzählte, sie hätt‘ ja schon viel erlebt, aber sowas dann doch noch nicht. Da sei am Abend ein ganz junger Kerl, der ihr Sohn sein könnte, bis zum Schluss im Zelt geblieben, der hätte den ganzen Abend keinen Alkohol getrunken, ihr einen Riesenstrauß Rosen in die Hand gedrückt und sei verschwunden. Sie mache sich jetzt doch ein wenig Gedanken. Ich beruhigte sie, sie habe ihm halt gefallen, das passiere ja öfter, sie habe doch einen Spiegel zuhause?
Am nächsten Tag war der Kerl wieder da, trank wieder keinen Alkohol, und dann kamen sie doch ins Reden. Er wolle sie gerne kennenlernen. T. war verwirrt. Was wollte der von ihr? Einen Mutterersatz?
Sie trafen sich dann ein paar Mal vorsichtig, und wie das Leben so spielt … nun ja. 25 Jahre Altersunterschied waren eher nicht vernachlässigbar, auch wenn der jüngere Partner innerlich älter ist, und der ältere Partner sehr jung geblieben. Aber sie rauften sich zusammen.
Den S. lernte ich dann natürlich auch kennen. Er kam aus einer noch kinderreicheren Familie, aus, wie man sagt, kleinen Verhältnissen, vom Land. Die Mutter Alkoholikerin, der Vater früh an Asthma verstorben, das hatte er einigen der Kinder vererbt. Bis auf „das Bastardl“, wie das jüngste der Geschwister genannt wurde weil er nur ein Halbbruder war, hatten sie es irgendwie alle am Beuschel. Der S. hatte mit 1,5 Jahren schwere Verbrennungen am Oberkörper erlitten, als er auf dem Schoss seiner Schwester G. saß und heiße Milch über ihn kippte. Die Kinder im Dorf hänselten ihn natürlich wegen der Riesennarben entsprechend, das grenzte ihn ziemlich aus. Machte aber nix, weil, bei so einer Mutter … Ein paar Kinder kamen dann ins Heim, der S. allerdings auch gleich noch in eine Sonderschule, weil die Lehrerin meinte, ein Kind das dauernd fragt und immer noch mehr wissen will, das sei nicht normal, bei so einem familiären Hintergrund. Die Sonderschule verschlief er dann mehr oder weniger, er hatte ja sowieso immer lauter Einser. So bekam er auch eine Lehrstelle zugewiesen vom Jugendamt – lauter Einser, toll – als Zimmermann. Eigentlich wollte er Gärtner werden, Grund und Boden von den Eltern wie besprochen übernehmen, und dort Pflanzen und Tiere, am liebsten Pferde, haben, aber irgendwie hatte die Mutter im Suff alles dem Bastardl überschrieben, konnte man ja auch nix machen, schon gar nicht als Sonderschüler. Als der Lehrherr nach zwei Jahren dahinterkam dass der S. „nur“ eine Sonderschule besucht hatte (wer lesen kann ist ja bekanntlich im Vorteil), da begann er den S. zu sekkieren, bis der dann nicht mehr auskonnte und davonlief, in die große Stadt sein Glück suchen.
Nun war der S. zwar nicht von imposanter Gestalt, aber, wie man zu sagen pflegt, Mark hatte er, und das Arbeiten war er gewohnt. Also verdingte er sich beim Gerüstbau, da war gutes Geld zu verdienen. Seine Schwester G. redete ihm gut zu, und so machte er nebenbei den regulären Hauptschulabschluss nach. Blöd war er ja keineswegs, nur Chance hatte er keine gehabt. Und dann kam eben jener Tag beim Donauinselfest, und er sah die T., und wollte sie kennenlernen. Es war, wie er sagte, so ein Moment, den man nicht beschreiben kann.
Und weil die T. und der S. sich beide für eine Unmenge von Dingen interessierten, Blumen und Pflanzen und Tiere und Bücher und Ausstellungen und modernes Theater und Konzerte und fremde Länder und Reisen, da kam bei den beiden keine Langeweile auf.
Gäste hatte die T. immer gerne gehabt, der S. eigentlich auch, nur merkte man seine Anwesenheit kaum. Wenn er nix zu sagen hatte, dann redete er eben nix, er hörte lieber zu. Aber als Gastgeber war er Spitze, er sah alles, half, schenkte nach, leerte Aschenbecher, holte Nachschub, und: er machte hervorragende und wunderschöne belegte Brötchen, das war eine seiner Leidenschaften.
Auch der Traum von der großen Wohnung war ihnen gemeinsam, und die hatten sie dann nach mehreren Zusammenlegungen auch. 130 m² in bester Lage, in einem Biedermeierhaus. Jedes Zimmer anders eingerichtet, der S. bastelte der T. alles was sie wollte, und wenn er sich die Zähne dabei ausbiss. Die T. wünschte sich, die T. bekam. Der S. betete sie, möchte man sagen, an. Wie viel Arbeit etwas war, was das kostete, egal. Wenn er nach Hause ging und unterwegs etwas sah, das ihr gefallen würde, dann brachte er es eben mit.
tbc.
Beziehungen waren so eine Sache bei der T.. Sie war ziemlich eifersüchtig, und irgendwie kam sie auch immer an Männer, auf die auch andere Frauen gerne ein Auge warfen. Dass sie meist mehr wusste und konnte und verdiente als die anderen Frauen in ihrem Umfeld war nicht gerade hilfreich dabei, denn irgendwie wollten die ihr wiederum eins auswischen, und man weiß ja wie Weiber sein können.
So kurz vor fünfzig war sie wieder einmal solo. Sie hatte vorher alles über den Haufen geschmissen, den Job gekündigt und war mit einem – platonischen, bitteschön – Freund ein dreiviertel Jahr lang durch Südamerika getourt. Wenn ich das nicht jetzt mache, dann mache ich das nie, meinte sie. Als sie wieder zurück war, gestaltete sich die Arbeitssuche nicht einfach, und so jobbte sie eben nebenbei in allen möglichen Jobs, unter anderem auch beim Donauinselfest als Kellnerin.
Dann rief sie mich an und erzählte, sie hätt‘ ja schon viel erlebt, aber sowas dann doch noch nicht. Da sei am Abend ein ganz junger Kerl, der ihr Sohn sein könnte, bis zum Schluss im Zelt geblieben, der hätte den ganzen Abend keinen Alkohol getrunken, ihr einen Riesenstrauß Rosen in die Hand gedrückt und sei verschwunden. Sie mache sich jetzt doch ein wenig Gedanken. Ich beruhigte sie, sie habe ihm halt gefallen, das passiere ja öfter, sie habe doch einen Spiegel zuhause?
Am nächsten Tag war der Kerl wieder da, trank wieder keinen Alkohol, und dann kamen sie doch ins Reden. Er wolle sie gerne kennenlernen. T. war verwirrt. Was wollte der von ihr? Einen Mutterersatz?
Sie trafen sich dann ein paar Mal vorsichtig, und wie das Leben so spielt … nun ja. 25 Jahre Altersunterschied waren eher nicht vernachlässigbar, auch wenn der jüngere Partner innerlich älter ist, und der ältere Partner sehr jung geblieben. Aber sie rauften sich zusammen.
Den S. lernte ich dann natürlich auch kennen. Er kam aus einer noch kinderreicheren Familie, aus, wie man sagt, kleinen Verhältnissen, vom Land. Die Mutter Alkoholikerin, der Vater früh an Asthma verstorben, das hatte er einigen der Kinder vererbt. Bis auf „das Bastardl“, wie das jüngste der Geschwister genannt wurde weil er nur ein Halbbruder war, hatten sie es irgendwie alle am Beuschel. Der S. hatte mit 1,5 Jahren schwere Verbrennungen am Oberkörper erlitten, als er auf dem Schoss seiner Schwester G. saß und heiße Milch über ihn kippte. Die Kinder im Dorf hänselten ihn natürlich wegen der Riesennarben entsprechend, das grenzte ihn ziemlich aus. Machte aber nix, weil, bei so einer Mutter … Ein paar Kinder kamen dann ins Heim, der S. allerdings auch gleich noch in eine Sonderschule, weil die Lehrerin meinte, ein Kind das dauernd fragt und immer noch mehr wissen will, das sei nicht normal, bei so einem familiären Hintergrund. Die Sonderschule verschlief er dann mehr oder weniger, er hatte ja sowieso immer lauter Einser. So bekam er auch eine Lehrstelle zugewiesen vom Jugendamt – lauter Einser, toll – als Zimmermann. Eigentlich wollte er Gärtner werden, Grund und Boden von den Eltern wie besprochen übernehmen, und dort Pflanzen und Tiere, am liebsten Pferde, haben, aber irgendwie hatte die Mutter im Suff alles dem Bastardl überschrieben, konnte man ja auch nix machen, schon gar nicht als Sonderschüler. Als der Lehrherr nach zwei Jahren dahinterkam dass der S. „nur“ eine Sonderschule besucht hatte (wer lesen kann ist ja bekanntlich im Vorteil), da begann er den S. zu sekkieren, bis der dann nicht mehr auskonnte und davonlief, in die große Stadt sein Glück suchen.
Nun war der S. zwar nicht von imposanter Gestalt, aber, wie man zu sagen pflegt, Mark hatte er, und das Arbeiten war er gewohnt. Also verdingte er sich beim Gerüstbau, da war gutes Geld zu verdienen. Seine Schwester G. redete ihm gut zu, und so machte er nebenbei den regulären Hauptschulabschluss nach. Blöd war er ja keineswegs, nur Chance hatte er keine gehabt. Und dann kam eben jener Tag beim Donauinselfest, und er sah die T., und wollte sie kennenlernen. Es war, wie er sagte, so ein Moment, den man nicht beschreiben kann.
Und weil die T. und der S. sich beide für eine Unmenge von Dingen interessierten, Blumen und Pflanzen und Tiere und Bücher und Ausstellungen und modernes Theater und Konzerte und fremde Länder und Reisen, da kam bei den beiden keine Langeweile auf.
Gäste hatte die T. immer gerne gehabt, der S. eigentlich auch, nur merkte man seine Anwesenheit kaum. Wenn er nix zu sagen hatte, dann redete er eben nix, er hörte lieber zu. Aber als Gastgeber war er Spitze, er sah alles, half, schenkte nach, leerte Aschenbecher, holte Nachschub, und: er machte hervorragende und wunderschöne belegte Brötchen, das war eine seiner Leidenschaften.
Auch der Traum von der großen Wohnung war ihnen gemeinsam, und die hatten sie dann nach mehreren Zusammenlegungen auch. 130 m² in bester Lage, in einem Biedermeierhaus. Jedes Zimmer anders eingerichtet, der S. bastelte der T. alles was sie wollte, und wenn er sich die Zähne dabei ausbiss. Die T. wünschte sich, die T. bekam. Der S. betete sie, möchte man sagen, an. Wie viel Arbeit etwas war, was das kostete, egal. Wenn er nach Hause ging und unterwegs etwas sah, das ihr gefallen würde, dann brachte er es eben mit.
tbc.
... comment
pathologe,
Freitag, 20. Dezember 2013, 09:01
Sie
hören aber auch immer wieder an der spannendsten Stelle auf. Sowas.
(Warte jetzt ungeduldig auf die Bescherung)
(Warte jetzt ungeduldig auf die Bescherung)
... link
... comment