Sonntag, 1. Juli 2007
kirschenkompott
kelef, 15:16h
mein grossvater väterlicherseits war aus einer sehr, sehr alten vorarlberger familie. kann man einige jahrhunderte zurückverfolgen. und wie alle diese alten familien hatte auch diese ein menge eigenarten zu verzeichnen, gewohnheiten, brauchtümer, etc.
gewohnt wurde in einem alten herrenhaus, mehrstöckig. wenn zu viele kinder da waren musste ein sohn (bei bedarf auch ein zweiter) eben katholischerhalber priester oder mönch werden oder auswandern, oder studieren und dann lehrer oder arzt oder rechtsanwalt werden. die töchter wurden verheiratet oder bekamen bei dem, der den grundbesitz übernahm, lebenslanges wohnrecht. widerspenstige wurden gezähmt oder kamen ins kloster.
geheiratet wurde nur "untereinander": mesalliancen waren nicht geduldet, der grundbesitz durfte in keiner der großen familien verkleinert werden, nur "dazuheiraten" war erlaubt. so sicherte sich der adel ja immer schon seine besitztümer und wahrte seine grenzen.
zum haus gehörten natürlich immer auch äcker und grosse gärten - lustwandelgärten, gemüse/küchengärten, kräutergärten, und obstgärten. in vorarlberg gibt es ja nicht nur berge und täler, sondern auch fetten nahrhaften boden, und viel sonne, und so gedieh da eine menge obst und gemüse. besonders stolz war die familie meines opas auf eine besondere art kirschen, späte, dunkle, saftige kirschen von unvergleichlichem geschmack.
der grundbesitzer war übrigens nicht nur für seine eigene familie verantwortlich, sondern auch für die leute die für ihn arbeiteten, und für deren familien. das betraf das leibliche ebenso wie das geistige und seelische wohl.
so wurde das gelehrt und gelernt und gelebt. und mein opa hat oft davon erzählt, leider war ich viel zu jung damals um mir alles zu merken, und an ein aufschreiben dache ich nicht. aber auch mein vater hat davon erzählt, und wie er erzogen wurde mit all diesen geschichten aus der vergangenheit, und davon hab' ich mir viel gemerkt.
zum beispiel fällt mir das alles auch immer ein, wenn von hauspflege und familienzusammenwohnen die rede ist. opa hat erzählt, dass es im obersten stockwerk immer wohnungen für die "narrische tant'" gegeben hat. damals, als noch viel mehr frauen als heute sich als frauen zweiter klasse fühlten wenn sie nicht heiraten konnten/durften/wollten resp. sich keiner fand der sie nahm, da wurden manche von ihnen mit der zeit wunderlich, und spleenig, und dann kamen sie eben in ein oberes stockwerk und wurden dort betreut. war nicht sonderlich störend, meinte mein opa, weil, wenn so ein haus drei stockwerke hat dann geht das schon mit ein paar generationen. und wenn das notwendige personal da ist natürlich.
ach so, ja, kirschenkompott war das thema. also mein opa, geboren 1887, war aus einer ziemlich kinderreichen generation, und so wurde er lehrer, einer seiner brüder anwalt (die sind heute noch anwälte, keine ahnung die wievilete generation schon), ein paar schwestern kamen unter die haube, und die eine schwester, die hatte sich verliebt. wollte heiraten. unter dem stand. konnte nicht sein, natürlich: einen mitgiftjäger (das soll er auch gewesen sein, und später begann er auch noch zu trinken, aber das ist eine andere geschichte). die schwester meines grossvaters, jedenfalls, war wie alle familienangehörigen (seit generationen) starrköpfig, unnachgiebig, stand fest zu ihrer meinung, und wie mein grossvater war ihr die sache mit dem katholizismus nicht geheuer. einen anderen nehmen - niemlas. kloster - niemals. auswandern - niemals. also zog sich die grosstant' in ein helles erkerzimmer im obersten stockwerk des anwesens zurück. sie bekam noch zwei zimmer dazu, platz war ja genug, und aus diesen räumen kam sie niemals nicht mehr heraus. alles notwendige wurde ihr von den dienstmädchen hinaufgeschleppt, sie empfing in ihren kleinen "salon" wohl noch besuche, aber ansonsten nahm sie nicht mehr am öffentlichen leben teil.
nur einmal im jahr, da öffnete sich die tür, und die frau grosstant' schritt die drei stockwerke herab in die grosse küche. das war zu der zeit, da die kirschen reif waren. da kam die narrische tant' jener generation also, und kochte kirschenkompott ein. niemals kirschenmarmelade, oder kirschengelee, oder kirschensaft. nein, es musste kirschenkompott sein: vorratsraumweise, weil, die bäume waren sehr ertragreich. und die tant' kochte kirschenkompott ein, bis die kirschenernte vorbei war und keine einzige kirsche mehr zu finden war im ganzen garten. dann betrachtete sie die volle vorratskammer, nickte anerkennd und ging wieder die drei stockwerke hoch in ihre kemenaten. und verharrte dort bis zur kirschenzeit des nächsten jahres.
als meine eltern 1951 heirateten, besuchten sie die tant' und kamen zur kirschenzeit, und die tant' kochte - wie seit jahrzehnten - kirschenkompott, so wurde mir berichtet. und weiters wurde berichtet, dass sie das beste kirschenkompott machte, das man je gegessen habe.
warum ich das jetzt aufgeschrieben habe? weil es eine der geschichten ist, die sonst vergessen würde. weil ich oft daran denke, wenn über "generationen in einem haus" die rede ist, und mir vorstelle, was aus dieser grosstante geworden wäre in einer stadtwohnung, ohne kirschenbäume und vorratskammern. weil viele menschen so eine "narrische tant'" haben, und man sich für diese und wegen dieser nicht schämen sollte, irgendwas gutes haben sie alle, und wenn es kirschenkompott ist.
oh, und weil ich gestern kirschen eingekocht habe, das erste mal in meinem leben. zwar kein kompott, sondern kirschenfleisch, aber es hat mich doch nachdenklich gemacht. muss ich mir jetzt sorgen machen um mich, auf meine alten tage? kirschen einkochen, tsss.
gewohnt wurde in einem alten herrenhaus, mehrstöckig. wenn zu viele kinder da waren musste ein sohn (bei bedarf auch ein zweiter) eben katholischerhalber priester oder mönch werden oder auswandern, oder studieren und dann lehrer oder arzt oder rechtsanwalt werden. die töchter wurden verheiratet oder bekamen bei dem, der den grundbesitz übernahm, lebenslanges wohnrecht. widerspenstige wurden gezähmt oder kamen ins kloster.
geheiratet wurde nur "untereinander": mesalliancen waren nicht geduldet, der grundbesitz durfte in keiner der großen familien verkleinert werden, nur "dazuheiraten" war erlaubt. so sicherte sich der adel ja immer schon seine besitztümer und wahrte seine grenzen.
zum haus gehörten natürlich immer auch äcker und grosse gärten - lustwandelgärten, gemüse/küchengärten, kräutergärten, und obstgärten. in vorarlberg gibt es ja nicht nur berge und täler, sondern auch fetten nahrhaften boden, und viel sonne, und so gedieh da eine menge obst und gemüse. besonders stolz war die familie meines opas auf eine besondere art kirschen, späte, dunkle, saftige kirschen von unvergleichlichem geschmack.
der grundbesitzer war übrigens nicht nur für seine eigene familie verantwortlich, sondern auch für die leute die für ihn arbeiteten, und für deren familien. das betraf das leibliche ebenso wie das geistige und seelische wohl.
so wurde das gelehrt und gelernt und gelebt. und mein opa hat oft davon erzählt, leider war ich viel zu jung damals um mir alles zu merken, und an ein aufschreiben dache ich nicht. aber auch mein vater hat davon erzählt, und wie er erzogen wurde mit all diesen geschichten aus der vergangenheit, und davon hab' ich mir viel gemerkt.
zum beispiel fällt mir das alles auch immer ein, wenn von hauspflege und familienzusammenwohnen die rede ist. opa hat erzählt, dass es im obersten stockwerk immer wohnungen für die "narrische tant'" gegeben hat. damals, als noch viel mehr frauen als heute sich als frauen zweiter klasse fühlten wenn sie nicht heiraten konnten/durften/wollten resp. sich keiner fand der sie nahm, da wurden manche von ihnen mit der zeit wunderlich, und spleenig, und dann kamen sie eben in ein oberes stockwerk und wurden dort betreut. war nicht sonderlich störend, meinte mein opa, weil, wenn so ein haus drei stockwerke hat dann geht das schon mit ein paar generationen. und wenn das notwendige personal da ist natürlich.
ach so, ja, kirschenkompott war das thema. also mein opa, geboren 1887, war aus einer ziemlich kinderreichen generation, und so wurde er lehrer, einer seiner brüder anwalt (die sind heute noch anwälte, keine ahnung die wievilete generation schon), ein paar schwestern kamen unter die haube, und die eine schwester, die hatte sich verliebt. wollte heiraten. unter dem stand. konnte nicht sein, natürlich: einen mitgiftjäger (das soll er auch gewesen sein, und später begann er auch noch zu trinken, aber das ist eine andere geschichte). die schwester meines grossvaters, jedenfalls, war wie alle familienangehörigen (seit generationen) starrköpfig, unnachgiebig, stand fest zu ihrer meinung, und wie mein grossvater war ihr die sache mit dem katholizismus nicht geheuer. einen anderen nehmen - niemlas. kloster - niemals. auswandern - niemals. also zog sich die grosstant' in ein helles erkerzimmer im obersten stockwerk des anwesens zurück. sie bekam noch zwei zimmer dazu, platz war ja genug, und aus diesen räumen kam sie niemals nicht mehr heraus. alles notwendige wurde ihr von den dienstmädchen hinaufgeschleppt, sie empfing in ihren kleinen "salon" wohl noch besuche, aber ansonsten nahm sie nicht mehr am öffentlichen leben teil.
nur einmal im jahr, da öffnete sich die tür, und die frau grosstant' schritt die drei stockwerke herab in die grosse küche. das war zu der zeit, da die kirschen reif waren. da kam die narrische tant' jener generation also, und kochte kirschenkompott ein. niemals kirschenmarmelade, oder kirschengelee, oder kirschensaft. nein, es musste kirschenkompott sein: vorratsraumweise, weil, die bäume waren sehr ertragreich. und die tant' kochte kirschenkompott ein, bis die kirschenernte vorbei war und keine einzige kirsche mehr zu finden war im ganzen garten. dann betrachtete sie die volle vorratskammer, nickte anerkennd und ging wieder die drei stockwerke hoch in ihre kemenaten. und verharrte dort bis zur kirschenzeit des nächsten jahres.
als meine eltern 1951 heirateten, besuchten sie die tant' und kamen zur kirschenzeit, und die tant' kochte - wie seit jahrzehnten - kirschenkompott, so wurde mir berichtet. und weiters wurde berichtet, dass sie das beste kirschenkompott machte, das man je gegessen habe.
warum ich das jetzt aufgeschrieben habe? weil es eine der geschichten ist, die sonst vergessen würde. weil ich oft daran denke, wenn über "generationen in einem haus" die rede ist, und mir vorstelle, was aus dieser grosstante geworden wäre in einer stadtwohnung, ohne kirschenbäume und vorratskammern. weil viele menschen so eine "narrische tant'" haben, und man sich für diese und wegen dieser nicht schämen sollte, irgendwas gutes haben sie alle, und wenn es kirschenkompott ist.
oh, und weil ich gestern kirschen eingekocht habe, das erste mal in meinem leben. zwar kein kompott, sondern kirschenfleisch, aber es hat mich doch nachdenklich gemacht. muss ich mir jetzt sorgen machen um mich, auf meine alten tage? kirschen einkochen, tsss.
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tantekitsch,
Sonntag, 1. Juli 2007, 18:25
alles plagiate!
ich war vor ihnen dran. *öhm* ... *ähem* ... *hmm*
tante heiß ich ja schon ....
tante heiß ich ja schon ....
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kelef,
Sonntag, 1. Juli 2007, 23:30
muss ich ihr kommentar jetzt kommentieren, oder reicht ein virtuelles augenverdrehen gen irgendwo, sie tante sie???
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tantekitsch,
Montag, 2. Juli 2007, 00:59
nein. aber sie dürfen dann mein kirschfleich kosten und vor neid und scham in den boden versinken. wenn sie jetzt übrigens noch zum backen anfangen, lass ich sie einweisen.
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kelef,
Montag, 2. Juli 2007, 01:34
keine angst, das lass' ich mit sicheheit.
aber nächste woche mach ich kirschenkompott, soviel ist sicher.
aber nächste woche mach ich kirschenkompott, soviel ist sicher.
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caru,
Sonntag, 1. Juli 2007, 19:38
*die ganze herrenhausgeschichte durchles*
kirschenfleisch, mjam *schmatz*.
kirschenfleisch, mjam *schmatz*.
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schmerles,
Dienstag, 3. Juli 2007, 12:08
Frauensteiner Kirschen. Habe ich dieser TAge entdeckt im Taunusvorland bei Schlangenbad. Hmm, wie lecker die sind. Heute lass ich mir wieder welche mitbringen.
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kelef,
Dienstag, 3. Juli 2007, 12:25
am liebsten waren mir als kind die schneeberger. eine ganz alte sorte, die in der zwischenzeit nicht mehr gibt: wegrationalisiert, da man sie nicht kategorisieren konnte. waren zu klein, zu dunkel, zu festfleischig, zu spät, und zu wenig: die brauchten einfach den boden am schneeberg, die höhenluft, die sonne, die kalten winter. versuche, die woanders zu kultivieren scheiterten.
dem vernehmen nach ist man jetzt dabei, wilde restbäumchen zu veredeln und zurückzuzüchten. der eu mit ihrem normenwahn vielen dank.
dem vernehmen nach ist man jetzt dabei, wilde restbäumchen zu veredeln und zurückzuzüchten. der eu mit ihrem normenwahn vielen dank.
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marion,
Donnerstag, 5. Juli 2007, 10:22
Frauenstein ist keine Kirschensorte sondern ein Wiesbadener Vorort. (Unsere Kirschen sind alle verfault, weil: der Baum ist zu alt und die Kirschen zu hoch und jede hat 1 Wurm. Keiner will die, nur meine Tochter: Malta ist die so: Kirsche aufpulen bis der Saft bis zu den Ellbogen läuft, "Kern drin" sagen, Wurm rausholen, Wurm essen, Rest wegschmeißen. Ich schwör so macht sie es.)
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marion,
Donnerstag, 5. Juli 2007, 10:22
Was ich eigentlich sagen wollte: Danke für diese Geschichte, klingt wie ein Roman von der Allende. Und: schade dass ich nicht zum kosten kommen kann :-).
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caru,
Donnerstag, 5. Juli 2007, 19:24
da ist was dran. muß mal meine vegetarische bekannte fragen, ob ihr söhnchen auch immer würmer aus den kirschen frißt :-)
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marion,
Sonntag, 8. Juli 2007, 23:33
es steht immer viel und genug von alllem auf dem Tisch, auch Fleisch. Vielleicht schmecken Insektenb esser. Ich probier es jedenfalls nciht aus.
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