Freitag, 21. August 2009
wir sind ja die grufties
in der familie, sagte die dame am nebentisch, und nahm nachdenklich einen schluck rotwein.

es war 22.00 uhr, und die luft begann gerade wieder eine erträgliche temperatur zu bekommen. das paar war eine stunde vorher gekommen, hatte sich gemütlich hingesetzt, eine portion stelze und ein seiderl bestellt pro person, ein wenig smalltalk miteinander betrieben, herzlich gelacht über irgendwas und dann eben, wie sich das in einem vorstadtwirtshaus gehört, begonnen sich mit den leuten am nachbartisch zu unterhalten.

das letzte mal war das aber ein anderer roter, meinte er, und roch am glas. sicher ein anderer, was sagst du? sie konnte sich nicht entscheiden, der wirt wurde herbeigerufen und befragt, noch ein schluck genommen, dann: gut so, der ist noch ein bisserl besser als der vorige.

wieso grufties, frag ich. na ja, meint sie, weil, schauen sie, wie ich mir so gestern die familie angeschaut hab, da sind einfach alle jünger als wir. was grufties wirklich sind weiss ich schon, aber ich find den ausdruck für uns auch ganz passend, die meisten freunde und verwandten, die wir noch besuchen gehen, die sind ja irgendwie eh alle auf dem friedhof.

frau hunt wird wach, geht an den nebentisch und knutscht ein wenig mit den beiden. das ist so ein lieber hund, und so brav, wir hätten ja auch noch gerne wieder einen gehabt, aber das erlaubt ja der hausherr nicht. aber wenn wir ihre sehen, so eine, das wär die richtige gewesen für uns. und jetzt tät sie überhaupt zu meinem mann passen, er hört schlecht, der hund nix, da könnt ich mit allen zweien mit den händen reden und brauchert mich net umstellen. und mein mann könnt sich vom hund gleich abschauen wie man das dann machen muss mit dem genau hinschauen wenn man gar nix mehr hört. gestern haben wir auch über unsere früheren hunde gesprochen, wir denken noch immer an die.

was war denn gestern, grosses familientreffen? frag ich. oh, gestern haben wir beim heurigen am abend die überlebenden getroffen, also mehr ein kleines familientreffen, und geburtstag- und hochzeitstag gefeiert, und von den 300 euro, die wir von der stadt wien bekommen haben, da haben wir gleich einmal 100 versoffen, man kann sich ja eh nix mitnehmen.

dann laden sie uns ein, bestellen selber auch noch ein achterl, weil der wein ja schmeckt und weil man die feste feiern soll wie sie fallen. die hunt kriegt extra kaltes, frisches wasser in den napf und ein stück fleisch ist von der stelze auch übrig geblieben für sie.

und überhaupt, man soll ja nix auslassen im leben,
meint er, man weiss ja nicht was man alles versäumt wenn man nicht alles probiert.

sie 88, er 95, es war der 60. hochzeitstag, seit über 63 jahren kennen sie sich. nein, sagen sie im chor, eine(n) andere(n) hätten sie nie gewollt, das haben sie vom ersten augenblick an gewusst. und dann gehen sie hand in hand nach hause, um 23.30, weil, sperrstund is auch gleich wieder.

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Samstag, 15. August 2009
frau kelef muss sich gedanken machen
über sich selbst, und ist ein wenig nachdenklich geworden dabei.

gestern abend kam das für vorgestern geplante menü endlich auf den tisch, und wurde mit entsprechender würdigung aufgegessen, also fast, weil wenn alles aufgegessen wird dann war es ja zuwenig, war es aber nicht.

die hunt forderte wie immer vom besuch einen obulus - frau kelefs freundin lässt für die alte dame immer ein kleines stückchen fleisch übrig, wurde zuerst verboten wegen "die hat noch immer darm", dann aber genehmigt, jedenfalls, die laufentenfilets waren butterzart und weich, die eierschwammerln frisch und die kleinen erdäpfel sind ja sowieso schon ohne was dazu hervorragend.

der rotwein schmeckte auch.

die topfennockerln - vor einiger zeit im fernsehen als neues angebot im kühlregal erspäht - sind ein wenig süss, aber mit der pfirsichsauce (ganz, ganz reife pfirsiche erhitzen, leicht ankaramellisieren lassen, mit cointreau löschen, pürieren, kaltstellen) und den resten der von frau tante kitsch liebreich in wodka eingelegten himbeeren aus dem vorjahr (wegen der optischen aufwertung, bunt macht ja lustig): ein sehr rundes, feines, frisches dessert.

danach noch ein espresso mit rahat, und ein glaserl zubrowka für die verdauung.

und dann erzählt frau kelef über einen kurs, dessen besuch das arbeitsamt vorgeschlagen hatte, und dem frau kelef entgangen war wegen krankenstandes. der kurs dient der weiterbildung zwecks erhöhung der vermittelbarkeit.

unter anderem gibt es im zuge dieses kurses eine vierstündige veranstaltung, die von einer gebürtigen brasilianerin und gelernten psychologin, die ein wenig deutschprobleme hat manchmal, aber gerne die korrekturen der nicht-muttersprachlich deutschen kursteilnehmer in anspruch nimmt, geleitet oder was auch immer wird. da lernt man dann alles über: die vier verschiedenen charaktertypen, damit man das eigene und auch das fremde führungspotential richtig einschätzen und einsetzen kann.

so berichtete zumindest die aus polen gebürtige, gelernte köchin/kellnerin mit fast 50 jahren, der übrigens ums verrecken nicht beizubringen ist, dass derlei kurse toll sind für sie, ich meine, wie sonst um alles in der welt wüsste die sonst, wie sie im internet etwas über phlegmatiker nachschlagen kann? und wie könnte sie ohne diese fähigkeit ein schnitzel panieren oder einen teller von der richtigen seite auf den tisch stellen? da ist es ja kein wunder mit dem niedergang der gastronomie.

aber das nur am rande. jedenfalls, die freundin und frau kelef sitzen und überlegen hin und her, wo denn die sinnhaftigkeit von derlei schulungen und hinauswerfungen von steuergeledern sein könnte, und irgendwie wollen beide auf die schnelle die vier typen aufzählen, eh klar, choleriker, sanguiniker, phlegmatiker - und dann, da war doch noch was, das sind ja erst drei, der vierte, na, du weisst schon, und dann war alles was noch möglich erschien der: stoiker oder pragmatiker, das war es sicher nicht, aber eigentlich wünschenswerte typen grundsätzlich.

melancholiker fiel uns für geld und gute worte erst später ein, immerhin aber ohne nachschauen. scheint ein typ zu sein der hier nicht so gefragt ist.

aber jetzt fragt sich frau kelef: hat das was zu bedeuten, und wie hätte die brasilianerin, hätte frau kelef diesen kurs besuchen müssen, das wohl interpretiert? und sollte frau kelef ob dieser wortfindungsstörung nicht vielleicht psychologische hilfe in anspruch nehmen? oder doch einen deutschkurs? man weiss es nicht.

frau kelef konnte wieder einmal nicht schlafen in der nacht, ob dieser schwerwiegenden überlegungen.

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Freitag, 14. August 2009
frau hunt
macht mich fertig.

frau hunt hat ja rücken, altersbedingt, kann man nur massieren und medikamentös gegen die schmerzen angehen, nun ja denn, über sechzehn, dafür ist sie gut beisammen, kann man nicht klagen.

frau hunt hat auch einen empfindlichen magen, seit immer schon, und wenn das wetter umschlägt kriegt sie zusätzlich zu rücken auch noch darm.

wenn frau hunt darm hat, frisst frau hunt einen topf katzegras wie nix, und streut die erde der ausgerupften gräslein gerne ein wenig über die teppiche, macht aber nix, wenn alles trocken ist kann man das mit dem staubsauger gut entfernen.

frau hunt hat auch ohr, seit sie nix mehr hört bevorzugt sie es, wenn ihre lauscher von manchen seiten NICHT berührt werden, was solls, kann man sich danach richten.

frau hunt hatte ja auch schon mehrfach zahn, dann hechelte sie und man musste zum zahnarzt, immer recht kostengünstig, aber man gönnt sich ja sonst nix.

manchmal hat frau hunt auch fuss, dann humpelt sie und man nennt uns gemeinsam "die hatscherten vom grund", wie der herr so das g'scherr.

seit einiger zeit hat frau hunt auch auspuff, ihre analdrüsen füllen sich zu schnell, aber der tierarzt macht das schon.

von ihren allergischen schocks - prolaktin, hat auch nicht jede - will ich einmal gar nicht reden.

heute ging es frau hunt gesundheitlich recht gut, abgesehen von der schwülen luft, da ist sie ein wenig langsam, ich hab dann schaufenster, sie bäume, da fällt das nicht so auf.

als nachmittagsimbiss nahm die alte dame wie immer ein stückchen käse (diesmal mozarella) und, weil ich gerade das abendessen vorbereitete, zwei dünne schnitten geselchtes. mundete vortrefflich.

ich hatte nämlich besuch eingeladen, und geplant war entenbrust, eierschwammerln mit speck und jungzwiebeln, dazu preiselbeeren und junge rosa erdäpfelchen. als nachspeise topfennockerln mit in cointreau gedünsteten pfirsichen.

frau hunt frass zu abend, wie immer, 150 g hundefutter, 200 g faschiertes, eine halbe schmerztablette, ein halbes dragee vit b, zwei kohletabletten und ein wenig schlemmkreide und kräuter für die gelenke. sie schlabberte die schüssel aus, rülpste zufrieden und ging eine runde verdauungschlafen auf das sofa in ihre lieblingsecke, säuberlich eingekringelt auf ihre alten tage.

frau hunt hat ja nebstbei auch haar, also genaugenommen so viele haare wie normalerweise fünf hunde, und wirft diese pracht gerne von sich wenn es heiss ist. und es war heiss, und die hunt warf haare.

also schnell alles vorbereitet, und dann noch einmal mit dem staubsauger gewedelt und dann:

ein schreien, ein im kreis laufen, ein belfern in den höchsten tönen, dat julchen fiel vor schreck vom schrank (über 2 meter), der katz sprang vor schreck auf den schrank, die hunt rannte im kreis und ich stolperte über die teppiche, die frau hunt um sich warf.

frau hunt hechelte und winselte und belferte wie nie zuvor in den über 15 jahren die sie hier wohnt. sie konnte nicht stillstehen, und trotz rücken und hitze und was weiss ich sprang sie über die möbel, aufs bett, unter das bett, rannte wieder im kreis, bellte andauernd, mich traf fast der schlag.

angezogen, frau hunt konnte fast das halsband nicht umgelegt werden so schoss sie in der gegend herum, kratzte an der tür, rannte wieder davon, endlich hinaus aus der wohnung, frau hunt sprintete durch die gegend wie eine junge, belferte, winselte, riss an der leine, rannte hier- und dorthin, einladung abgesagt beim laufen (gott sei dank das praktische eingesteckt gehabt), weitergelaufen, frau hunt pinkelte und sch... ein wenig dünn, wieder nach hause, tierarzt angerufen - wollte gerade nach hause gehen, wegen sprechstundentagende.

taxi gerufen, hechelnde frau hunt hinein, ab zur tierärztin, die schon die röntgenbilder am schirm hängen gehabt - vielleicht doch bandscheiben? nix, frau hunt belferte und winselte durch das behandlungszimmer und benahm sich wie ein jungspund. angegriffen werden wollte sie nicht, besonders nicht an den ohren (die sowieso keiner in verdacht hatte), der anblick des stethoskopes resultierte in hündischem gebrüll.

mit gewalt (die alte dame hat ja 15,5 kg reines muskelfleisch, quasi, mit ein paar gummibändern dazwischen wie es schien) wurde sie dann zu boden gezwungen und mit einem rüsselverschluss versehen - beisskorb hasst sie, aber nun ja.

frau hunt belferte und hechelte und winselte, von abhorchen nicht die rede, dann also auspuffkontrolle, ein wenig sekret aber nicht dramatisch.

tierärztin schaut mich an, ich schau sie an, wir schauen frau hunt an, frau hunt schaut uns an, kriegt dann einen nachdenklichen gesichtsausdruck, macht eine schlangenähnliche bewegung von der nasen- bis zur schwanzspitze,
stellt einen entsetzlichen furz mitten in die ordination, schüttelt sich, wedelt mit dem schwanz und meint: super, jetzt ist mir wieder gut. gehen wir nach hause?

fröhlich hüpfte sie mit mir richtung u-bahn, rein-raus, stiege rauf, aufzug gesucht und gefunden, strasse runter, bleibt die guteste vor dem kebab-geschäft stehen und meint: könnten wir nicht - ein kleines, ganz kleines stückchen nur, wenn schon kein entenfilet?

frau hunt, zu hause angekommen, beruhigte die besorgten katzen, soff einen halben napf wasser und legte sich auf ihr lieblingsschaffell, um nach der anstrengung des abends eine runde zu pennen. sie ist ja auch nicht mehr die jüngste.

ich hab jetzt nerven.

edit: frau hunt hat die nacht wohl überstanden, und ist wieder kregel und fidel. ein paaar abgase wurden noch in freiheit entlassen, olfaktorisch bemerkenswert, aber nicht bedenklich.

nur ich hab immer noch nerven.

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