Donnerstag, 22. August 2013
das pferd, ein edles tier
zugegebenermassen: ich bin aufgewachsen mit dem standpunkt meines vaters (ich hatte ja keine chance): das pferd ist ein gefährliches tier das dem menschen nach dem leben trachtet. einem pferd durfte man nicht in die nähe gehen.

auch heute verstehe ich von pferden wenig. vorne wiehern und beissen sie, hinten treten sie aus und scheissen sie. das stimmt eher als das, was mein vater sagte, wie so oft in meinem leben habe ich also recht.

die menschen sagen, das pferd sei ein edles tier, aber vor spinnen, mäusen, etc., da graust ihnen, dabei finde ich persönlich ja dass so eine spinne oder maus viel mehr kann als so ein pferd, dabei sind die doch viel kleiner, und was die spinnen betrifft: die haben noch nicht einmal ein gehirn, sondern nur ganglien. aber die haben es dafür in sich.

wie auch immer. pferdeliebhaber und tierschützer wiederholen fast mantraartig immer wieder, das pferd sei ein fluchttier, unglaublich klug und gelehrig, und vernünftig, und schön, und überhaupt und alldieweil. man müsse es respektieren, artgerecht halten und behandeln, und überhaupt und alldieweil.

meinethalben. das meiste davon trifft meiner meinung nach ja im prinzip sowieso auf jedes lebewesen und jede pflanze zu, abgesehen davon dass das mit der artgerechten haltung von lebewesen ja schon seit jahrtausenden so eine sache ist, wenn mich wer fragt, aber das macht ja sicherheitshalber sowieso niemand.

denn einen hund, eine katze, ein karnickel, einen wellensittich, einen kanari, einen goldhamster oder ein meerschweinchen - verzeihung, liebe tierschützer, ich meinte natürlich: fellnasen, hoppels, sittis, meeris etc. - artgerecht "halten": wer von uns kann das? na eben. so fängt das schon einmal an, zumindest bei mir.

denn auch wenn ich die hier wohnhafte kleine klavlav sehr gerne habe, über die massen möchte man sagen, und die katzen ebenfalls, und auch die zebrafinken, und die orchideen in ihren töpfen: von artgerechter haltung kann imho keine rede sein. details wollen wir hier gar nicht erst erörtern. ich lass die finken nicht frei in der wohnung fliegen, und überhaupt gehören die ja nach australien und nicht nach europa, und würden sie frei fliegen würden sie mir erstens auf den kopf kacken und zweitens hätten sie in anbetracht der katzen nur ein kurzes leben, denn während sie versuchten die orchideen zu zerlegen hätten die katzen die finken zerlegt während der hund versucht wäre die katzen zu zerlegen, und während die alle gemeinsam meine wohnung zerlegten wäre das alles zwar annähernd, aber immer noch alles andere als, artgerecht. ich nehme einmal an, bis auf die sache mit der gross- und kleinschreibung sind wir uns da zunächst einmal einig.

dass die finken statt wie bei artgerechter haltung im australischen busch statt 1 - 2 jahre bei mir hier 12 bis 14 jahre alt werden, ist eine andere sache. leider haben die kleinen im hohen alter dann nur mehr wenige federn, fallweise kippen sie beim schlafen versehentlich vom spriessl und müssen fortan beim mützeln von jüngeren flankiert und eingeklemmt werden, so geht eben schwarmleben. im busch wären diese alten futtertiere für schlangen und anderes raubzeug.

dass die hund in der natur mit dem steifen ellbogen keine überlebenschance hätte ist ziemlich naheliegend, und dass sie sich jetzt am liebsten von tischabfällen ernährt (sprich: gegrillte calamari, mozzarella, paprikagemüse, wienerschnitzel, karotten, nudeln, erdäpfelsalat, etc.) hat mit artgerecht nix zu tun, obwohl sie ordentlich gassi geführt wird, eine gesegnete und sehr geregelte verdauung hat (vorausgesetzt, man ernährt sie nicht ausschliesslich mit hundefutter aus der dose), und sie fallweise eine maus tötet oder einen feldhamster in den hintern kneift (der zaun war zu niedrig, sie schlug sich den kopf an und konnte nicht durch, der hamster schon).

die katzen sind designierte schinkenjunkies, trinken nur eine sorte katzemilch (andere gar nicht), und benutzen ausschliesslich katzeklo mit pinienduft. sie lassen sich die krallen schneiden und geben katzehand, wenn sie was wollen. und keine hing jemals in den vorhängen. wenn ich "nein" sage lassen sie sogar die fliegen fliegen, also: fort- oder weiterfliegen.

also nix mit artgerecht, wenn man mich fragt. aber ordentliche haustierhaltung, wenn man wen anders fragt.

aber eigentlich meinte ich ja die pferde. weil die sind ja edel, und so.

und so gehen - wie alle jahre - besonders die pferdeliebhaber auf die barrikaden gegen die grausamen fiaker die die pferde schinden und misshandeln und zu dingen zwingen wie vor dem wagen laufen und diesen ziehen, und das auf kopfsteinpflaster in der hitze. und diese tierquäler von ringelspielbesitzern und betreiber ponyreitanstalten für kinder, kampf ihnen! petitionen noch und nöcher, zeitungsmeldungen werden lanciert, facebook wird zugepflastert, und wenn sonst gerade nix los wird demonstriert auch noch.

ebendieselben pferdeliebhaber aber züchten edle pferde, sortieren sie aus in geeignet für welchen sport oder auch nicht (und die ungeeigneten, das sind ja die meisten, fragt wer nach denen, kriegen die alle 30 und mehr jahre ein gnadenbrot und auf welcher koppel bitte, ich kenn nämlich keine?), zwingen ihnen trense und halfter und zügel und sattel auf, sie klettern ihnen auf die rücken mit ihrem doch erkleckerlichen gewicht im vergleich zum gewicht des pferdes, sie lassen sie an der longe im kreis laufen, sie reiten sie zu, dressieren sie auf teufel-komm-raus, bringen ihnen unnatürliche gangarten bei, flechten ihnen zöpfchen in die mähne, schlagen ihnen eisen auf die hufe, treiben sie in reithallen im kreis, laden sie in verdunkelte anhänger und karren sie hunderte kilometer weit durch die lande und länder, damit sie dann ihre reitkünste (oder vielleicht doch die gutmütigkeit des teuren gauls) demonstrieren können, und preisgeld gewinnen, wenn es leicht geht. die pferde müssen über hindernisse springen, aber bitte in der richtigen gangart, sie müssen die beine heben wie es dem reiter gefällt, und dirigiert wird das arme vieh mit einem stock, nicht mit liebreichen worten.

würde man einen hund mit einem stöckchen dirigieren hätte man wohl umgehend eine anzeige auf dem hals. das pferd, das doch ebenso gelehrig ist wie ein hund, das dirigiert man mit einem stock, weil: das muss so, das ist tradition. würde man einem hund eine trense ins maul stecken, und ihm ein halfter anlegen und ihn mit zügeln dirigieren, ach, da wäre man schnell in der psychiatrie oder im knast. weil: das darf nicht so, das ist tradition.

einem fluchttier auf den rücken zu steigen und es - mit welchen mitteln auch immer - dazu zu bringen kunststücke zu machen ist, man verzeihe mir, in meinen augen ebenso (nicht) gerechtfertigt wie ein solches tier vor einen wagen zu spannen. beides ist meist vollkommen überflüssig und durchaus zu ersetzen. beides ist willkürlich, und dient meist ausschliesslich dem gelderwerb der einen und der unterhaltung der anderen. eine riesige vernetzte organisation resp. mehrere derselben züchten, selektieren, bewerten, wetten, belügen, dopen und betrügen, vor allem aber: bringen geld in bewegung, manipulieren, kreieren mode für reiter und pferd, und anhänger und zuschauer, und weiss der kuckuck, man wird ja gar nicht fertig mit dem aufzählen. wie hoch ist wohl die summe, die bei so einem englischen derby unter den augen der queen die besitzer wechselt, so in summe? will man gar nicht wissen.

und so frage ich mich seit jahrzehnten, wie es sein kann dass diese pferdeliebhaber an hindernisspringen teilnehmen, und am dressurreiten, und zu pferderennen gehen, und kaum stimmen laut werden gegen military-bewerbe, und bei olympischen spielen die reiter als gewinner dastehen und nicht die pferde.

und wenn die edlen tiere dann doch einmal sterben müssen, dann kommen sie zum abdecker, und von dort ins hunde- oder katzenfutter, oder in die seife. oder schon von jemand gehört der sein geliebtes pferd einäschern liess und in der urne im bücherregal stehen lässt, oder die sterblichen überreste im garten begraben hat? und was, denken diese guten menschen alle, passiert eigentlich mit den pferden, die dreissig jahre lang (oder auch nicht) das gnadenbrot bekommen haben - ehrenbürgerschaft des jeweiligen ortes, und feierliche beisetzung mit blasmusik?

sind die tatsächlich alle so dumm oder ignorant dass sie meinen, wenn man zwei edle pferde kreuzt, dann kommt ausschliesslich ein ebenso edles pferd dabei heraus, und das gewinnt dann noch mehr rennen als die eltern, und kostet ein geld um das man ein paar einfamilienhäuser bauen kann, und wem bitte gehört das dann alles? und wenn so ein pferd dann eben nicht so vielversprechend ist wie man ursprünglich hoffte, was macht man dann eigentlich mit dem tier? und funktioniert so eine züchterei eigentlich ohne chemisches, sagen wir einmal: beiwerk?



aber: vor dem fiaker, im ringelspiel, beim ponyreiten für kinder oder gar in der leberkässemmel, da möchten die pferdeliebhaber und tierschützer die tiere nicht sehen.

irgendwie, scheint mir, stimmt da bei manchen leuten was nicht mit der wahrnehmung. aber das gefühl hab ich ja öfter.

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