Montag, 28. November 2011
wohnungslos
http://holyfruitsalad.blogspot.com/2011/11/wohnungslos.html

und ach herrjeh wie klug sind doch manche kommentare. himmelherrgottsakrakruzitürken.

niemand von uns ist münchhausen und kann sich am eigenen schopf aus welchem unglück auch immer herausziehen.

wer nie panikattacken, depressionen, hoffnungslosigkeit erlebt hat, sollte keine diesbezüglichen äusserungen von sich geben, und wer mich kennt oder hier schon länger liest weiss, wie ich das eigentlich formulieren würde.

im grunde genommen geht es nie ohne fremde hilfe. wir kommen auf diese welt ohne gefragt zu werden ob wir das wollen, und wenn keiner da ist der uns hilft dann überleben wir schon einmal die ersten paar stunden nicht.

ohne hilfe können wir die ersten jahre unseres lebens ebenfalls nicht überleben, weil wir nämlich in keiner weise in der lage sind, für uns selbst zu sorgen.

ohne hilfe können wir auch kaum lesen und schreiben lernen, oder rechnen, geschweige denn irgendetwas darüber hinaus.

ohne hilfe bekommen wir keine schulausbildung, keinen job, keine wohnung, kein gar nichts.

diese hilfe ist nicht immer sache der eltern, manchmal gibt es ja auch aus den verschiedensten gründen gar keine, da muss dann eben die gemeinschaft helfen.

diese gemeinschaft wiederum sind wir alle. der staat, die gemeinden, die nachbarn, die freunde, die bekannten, die arbeitgeber, die lehrer, und so weiter.

so haben sich die gesellschaften gebildet - durch gegenseitige hilfe und unterstützung. so war das bei der gemeinsamen jagd unserer vorfahren, bei der bestellung der ersten äcker, und warum meint jemand haben sich in allen urkulturen immer erst kleinere, dann grössere wohngemeinschaften gebildet? um sich gegenseitig helfen oder, wenn das wort genehmer ist, unterstützen zu können.

hilfe ist ein gegenseitiges geben und nehmen, jeder gibt was er kann, sonst kriegt er nämlich nix.

wer nie einem anderen zuhört, dem wird auch niemand zuhören, und wer nie einem anderen ein stück brot gibt, der wird vielleicht irgendwann einmal selber hunger haben.

jemandem helfen heisst nicht, dem anderen die arbeit abzunehmen oder seine fehler auszubügeln, und auch nicht, faulheit oder unwillen zu unterstützen. es heisst vielmehr, eine momentane situation richtig zu erkennen und richtig darauf zu reagieren. ob das nun durch zuhören, hand anlegen oder geldspenden geschehen kann, oder durch das anbieten einer unterkunft oder was auch immer, das ist situationsbedingt jeweils ganz individuell.

natürlich ist es nicht jedermanns sache um hilfe zu bitten, in welcher form auch immer. aber um hilfe oder unterstützung zu bitten heisst nicht, seine probleme auf andere abwälzen zu wollen, sondern nur, dass jemand aus welchen gründen auch immer mit der momentanen situation alleine nicht umgehen kann.

ist man in so einer situation, dann kommt schnell das eine zum anderen, auch wenn man nach aussen den fröhlichen clown macht. die angst vor dem inhalt eines schreibens führt oft dazu, dass man es nicht aufmacht, und logischerweise weiss man dann auch nicht, was drinnen steht. die angst vor auseinandersetzungen führt oft dazu, dass menschen nicht mehr miteinander sprechen - obwohl doch nur ein missverständnis auszuräumen wäre. die angst vor der eigenen hilflosigkeit einer situation gegenüber zieht manchmal ebenfalls kontaktabbrüche nach sich: nicht einmal weil man nicht helfen will, sondern weil man nicht weiss wie hilfe anzubieten oder zu leisten ist.

natürlich sind aber alle die, die interessante und wenig elegante kommentare zu diesem o.a. thema hinterlassen haben menschen, die noch nie einen anruf auf dem telefon weggedrückt haben. die haben auch noch nie eine berufliche email, die am freitag kurz vor urlaubsantritt als "besonders wichtig" aufploppte NICHT geöffnet, und die haben auch noch nie gesagt "ich habe leider keine zeit" wenn jemand sagte "ich hätte da gerne über ein problem mit dir gesprochen".

kurzum, das sind alle keine prokrastinierer, sondern ganz tolle, in sich gefestigte menschen, denen nie im leben irgendwas schief gelaufen ist. die haben alle ganz alleine im alter von drei tagen ihre windeln gewechselt, ohne zutun anderer lesen und schreiben gelernt, konnten kurz nach dem ersten öffnen ihrer augen schon autofahren und haben natürlich nie auf der bank ihr konto überzogen.

nun kann ich von mir behaupten dass ich wirklich eine menge sehr verschiedener und unterschiedlicher menschen kenne. unterschiedlich in bezug auf hautfarbe, religion, bildung, was auch immer man will.

und ich frage mich, wieso ich in all den vielen jahren, die ich nun schon lebe, nie und nimmer einen einzigen von diesen tollen, in sich gefestigten, etc., menschen getroffen habe.

alle, alle, alle die ich kennengelernt habe, wann und wo und wie auch immer, haben irgendwann einmal hilfe und unterstützung gebraucht, und wenn es ihnen gut genug gegangen ist, dann haben sie auch rechtzeitig laut und deutlich danach verlangt, und sie vernünftigerweise angenommen wenn sie angeboten wurde.

anderen zu helfen ist ein normaler vorgang des täglichen lebens, das fängt beim türaufhalten an und hört bei der unterstützung obdachloser noch lange nicht auf.

man könnte noch viel dazu schreiben. auch, welchen betrag man warum und wie oder auf welchem umweg auf welches konto schickt. das hat aber, erlauben sie bitte, hier nix zu suchen und geht auch keinen was an. das ergebnis ist das einzige, was zählt.

aber eines kann ich mir - und da habe ich sicher viele auf meiner seite - gerade nicht verkneifen:

den oben angesprochenen kommentatoren wünsche ich von ganzem herzen und aus tiefster seele dass ihnen in hinkunft:

wenn sie mit vielen papierenen einkaufssackerln, autoschlüsseln und telefon in der hand vor einer tür im regen stehen KEINER ebendiese aufhält, sondern dass sie ihr zeug in die nässe stellen müssen und die papiersackerln sich auflösen, die schlüssel in den gully und das telefon in einen haufen hundekacke fallen.

menschen, mit denen sie arbeiten können, sollen, wollen oder müssen mögen ihnen in hinkunft auf jedes "kannst du bitte mal" ein fröhliches "nein" entgegenschmettern.

der teure hut oder schal, den ihnen der wind vom kopf weht, soll in eine öllacke fallen und dann noch sicherheitshalber von einem lkw überfahren werden, während die passanten, an denen hut oder schal vorbeifliegen, die hände in den hosentaschen behalten und interessiert zuschauen wie der besitzer im neuen wintermantel bei der jagd nach dem eigentum ausrutscht, der länge nach hinfällt (gerne in feuchte erde oder baustellenmüll) und sich die nase zerschrammt. kurz vor einem wichtigen treffen, bitte. und dann soll niemand da sein, der ihnen ein taschentuch gibt damit sie sich den dreck aus dem gesicht wischen können. und die krätze soll sich entzünden und eine ordentliche narbe hinterlassen.

danke für ihre aufmerksamkeit.

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